SIEBEN
Daniel, bilde ich mir das ein, oder stehen Teile deines Hausstandes in unserem Werkstattflur ?«
Zwei Tage sind vergangen, und Caros Laune hat sich immer noch nicht wirklich gebessert. Aktuell hat Daniel darunter zu leiden. Wir wollten eigentlich nur kurz in der Werkstatt nach Post schauen, aber kaum hatte Carolin mehrere ihr unbekannte große Kartons im Flur vor der Küche entdeckt, wurde der arme Daniel zum Gespräch zitiert. Und zwar in einem Ton, den ich sonst nur vom alten von Eschersbach im Umgang mit unwilligem Hauspersonal kenne. Daniel guckt denn auch gleich ganz ertappt.
»Äh, ja, tatsächlich, das sind ein paar Sachen, die nicht mehr in Volksdorf bleiben können.«
»Sachen, die nicht mehr in Volksdorf bleiben können ? Wie habe ich denn das zu verstehen ?«
Ich fange an zu frösteln, so kalt und scharf klingt Caros Stimme.
»Na ja, sie sind halt … also sie erzeugen … also gewissermaßen haben die Schwingungen …«
»Daniel !«, unterbricht Caro rüde sein Gestammel. »Was genau versuchst du mir da zu erklären ?«
Er räuspert sich.
»Es ist so: Claudia kann wegen der vielen elektromagnetischen Schwingungen in unserem Haus nicht mehr schlafen. Ihre Energien fließen nicht mehr frei. Deswegen haben wir angefangen, alle größeren elektronischen Geräte, die wir nicht dringend brauchen, zu entfernen. In den Kartons sind mein Fernseher, meine Stereoanlage und mein Rechner. Bis ich weiß, wohin damit, wollte ich sie erst mal hier parken.«
Carolin schüttelt den Kopf.
»Das glaube ich jetzt nicht – die hat doch eine Vollmeise. Und du offen gestanden auch, dass du so einen Zirkus mitmachst. Musst du ja selbst wissen – aber hier kann der Krempel nicht stehen bleiben.«
Gut, ich finde auch, dass Daniel momentan seltsame Sachen treibt. Und ohne zu wissen, was genau elektromagnetische Schwingungen sind, habe ich das Gefühl, dass die Geschichte oberfaul ist und schwer in Richtung Herzchakra geht. Aber einem guten Freund wie Daniel hätte man das schon etwas mitfühlender sagen können. Daniel scheint der gleichen Meinung zu sein, denn obwohl der geduldigste Mensch unter der Sonne, schaut er mittlerweile ziemlich säuerlich.
»Ist ja gut, Caro. Reg dich ab. Du musst Claudia und mich nicht verstehen. Ist schon in Ordnung. Allerdings ist es nun mal so, dass sie gerade eine Ausbildung zur Yoga-Lehrerin macht und sich deswegen in einer extrem sensiblen Phase befindet. Sie überlegt auch, bei uns zu Hause Kurse anzubieten. Und dafür muss sie sich dort hundertprozentig konzentrieren können. Glaube es oder lass es bleiben: Das geht eben nicht, wenn dort so starke Kraftfelder bestehen. Und da mir die berufliche Zukunft meiner Freundin sehr wichtig ist, nehme ich das ernst und kümmere mich um das Problem. Und wenn das bedeutet, dass mein Fernseher raus muss, dann ist es eben so.«
Mit den Händen in den Hosentaschen stapft Daniel auf die Kartons zu und schiebt sie mit dem Fuß noch ein Stück näher an die Wand.
»Ich räume die Sachen gleich in den Keller. Ich glaube, da ist noch Platz.«
»Ja, mach das. Und dann kümmere dich gern weiter um das berufliche Fortkommen deiner Freundin. Wie es mit der Werkstatt weitergeht, ist ja nicht so wichtig.«
Schneller, als ich das von ihm gewohnt bin, dreht sich Daniel um und steht keine zwei Sekunden später neben Carolin und mir.
»Sag mal, was ist heute eigentlich mit dir los ? Deine Laune ist unerträglich. Sonst bist du doch immer gut gelaunt, wenn du in die Werkstatt kommst.«
»Ach, nix.«
Hä ? Warum erzählt sie Daniel denn nicht von dem Ärger mit der Tagesmutter ? Das geht ihn doch genauso etwas an. Schließlich hat auch er ein Problem, wenn Caro nicht wieder anfängt zu arbeiten.
»Nix ? Das glaube ich dir nicht. Stress mit Marc ?«
»Nee.«
»Nun komm schon ! Ich lass hier die Hosen runter von wegen Yoga und Chakra – und ich bin mir ziemlich sicher, du hast mich schon für den Titel ›Weichei des Jahres‹ nominiert –, da kannst du mir auch ruhig sagen, wo dich der Schuh drückt.«
Immer noch Schweigen. Kurzentschlossen packt Daniel Caro und drückt sie ganz fest. Die schnappt überrascht nach Luft, aber Daniel lässt sie nicht los.
»Hey, wir sind doch Freunde. Also, was ist los ?«
»Ach, ich will dich nicht beunruhigen.«
Jetzt lässt Daniel sie los und grinst.
»Keine Sorge, das wirst du nicht. Was könnte denn beunruhigender sein als die Tatsache, dass meine Freundin meine Wohnung quasi unter meinem Arsch weg in ein Yoga-Zentrum verwandelt ?«
Caro kichert.
»Siehst du ! Und trotzdem bin ich noch gut gelaunt. Also heraus mit der Sprache: Was ist los ?«
Caro seufzt.
»Die Kinderbetreuung für Henri ist futsch. Die Tagesmutter, die wir gefunden haben, hat vorgestern völlig überraschend abgesagt. Wandert nach Norwegen aus. Und jetzt weiß ich nicht, was ich machen soll. Ich habe gestern schon mit fünf weiteren Tagesmüttern und Kinderkrippen telefoniert – aber so kurzfristig hat natürlich niemand mehr einen Platz. Nächste Woche haben wir noch ein Gespräch bei den Purzelzwergen, aber wenn das auch nichts wird, weiß ich echt nicht mehr weiter.«
Daniel schüttelt ungläubig den Kopf.
»Die Purzelzwerge ? Klingt abenteuerlich.«
»Nee, ist eine ganz niedliche Elterninitiative. Denen ist wohl auch jemand abgesprungen, und jetzt dürfen wir mit fünf anderen Elternpaaren zum Vorsingen. Echt ätzend, das sage ich dir !«
»Okay, dann verstehe ich deine schlechte Laune. Aber irgendwas wird sich schon finden, ganz bestimmt.«
Caro zuckt mit den Schultern.
»Weiß nicht. Jetzt mache ich mir natürlich Sorgen um unseren Auftrag. Deswegen wollte ich dir das auch nicht sagen, bevor ich keine andere Lösung habe. Damit du dir nicht auch noch Sorgen machst.«
»Das ist doch Quatsch. Ich mach mir keine Sorgen. Höchstens um meine Freundin Carolin. Aber was ist denn für eine Übergangszeit mit Oma Hedwig ? Kann die nicht aufpassen ? Die ist doch ganz resolut.«
Caro rollt mit den Augen.
»Resolut trifft den Nagel auf den Kopf. Da wird Hedwig sich nicht nur um die Erziehung von Henri, sondern auch gleich um die aller anderen Familienmitglieder kümmern. Nein, danke ! Das brauch ich wirklich nicht ! Dann nehme ich Henri lieber mit und setze ihn hier in einen Laufstall.«
Daniel hebt beschwichtigend die Hände.
»Schon in Ordnung. War nur ’ne Idee. Ich räum jetzt mal die Kartons weg.«
Pfuhhh ! Hoffentlich sorgt wenigstens Marcs Idee mit dem Geheimausflug für bessere Laune bei seiner Süßen. So ist sie wirklich ungenießbar !
Das Wetter spielt jedenfalls schon mal mit bei Marcs Plan. Am Sonntagmorgen werde ich von Sonnenstrahlen geweckt, die mich in der Nase kitzeln. Ich rolle mich aus meinem Körbchen und schnuppere – ja, das wird ein guter Tag ! Eindeutig ! Marc und Luisa haben ihn auch perfekt vorbereitet – sie haben heimlich einen Picknickkorb gepackt mit einem heimlich gebackenen Kuchen, heimlich geschmierten Broten und einer ebenso heimlich kalt gestellten Flasche Sekt. Die Windeltasche für Henri ist auch schon neu bestückt, und ein Ersatzschnuller liegt griffbereit. Auch ihren kleinen Bruder selbst hat Luisa schon startklar gemacht und angezogen. Um meine Teilnahme muss ich nicht bangen. Ich habe beobachtet, dass Luisa ein sorgfältig verpacktes Tütchen Hundefutter und meinen Trinknapf eingesteckt hat – es kann also losgehen ! Na gut, die Hauptperson fehlt noch, die durfte heute ausschlafen.
In der Küche blubbert die Kaffeemaschine, Marc ist dabei, Carolin eine Tasse von dem Zeugs mit dem Milchschaum obendrauf zu machen. Warme Milch – eklig ! Eigentlich nur was für Katzen, aber Carolin liebt es. Und in diesem Moment geht Marc auch schon gut gelaunt mit besagter Tasse in Richtung Schlafzimmer, um Carolin damit zu wecken. Ich wetze gleich hinterher – wenn Frauchen morgens auch noch von ihrem Lieblingsdackel begrüßt wird, kann doch wohl nichts mehr schiefgehen mit der guten Laune.
»Guten Morgen, mein Schatz !«
Marc setzt sich neben Caro aufs Bett und hält ihr die Tasse in sicherem Abstand unter die Nase. Caro gibt ein leises Mhmmm von sich. Ich hüpfe auf das Fußende und mogle mich vorsichtig nach oben, um einen besseren Blick zu haben. Der menschlichen Nase bei der Arbeit zuzugucken ist nämlich meistens ziemlich unterhaltsam. So auch diesmal: Als Carolin den Duft von frischem Kaffee erschnuppert, kräuselt sich ihre Nase, und die Sommersprossen auf ihr bilden ein lustiges Muster. Dann macht sie die Nase wieder lang, dann wieder kraus, und aus dem leisen Mhmmm wird ein etwas lauteres, und schließlich schlägt sie die Augen auf.
»Oh, hallo, ihr beiden ! Das ist ja eine nette Überraschung. Kaffee ans Bett – danke dir !«
Sie rappelt sich im Bett hoch, Marc reicht ihr die Tasse.
»Ja, und es wird heute nicht die einzige Überraschung bleiben. Luisa und ich haben generalstabsmäßig einen kleinen Ausflug mit dir und Henri geplant. Das Wetter ist toll, der Frühling endlich richtig da – also, auf geht’s !«
Er gibt ihr einen Kuss.
»Wow ! Und wohin ?«
Marc schüttelt den Kopf.
»Das wird nicht verraten. Du wirst es schon sehen.«
Kurze Zeit später sitzen alle im Auto, ich liege zu Caros Füßen, und Marc steuert unser erstes Ziel an, das Luisa gewissenhaft auf einem Zettel notiert und ihm kurz vorher unter die Nase gehalten hat.
»Ihr alten Geheimniskrämer ! Jetzt könnt ihr mir doch verraten, wohin es geht !«
»Kommt überhaupt nicht in Frage. Abwarten, meine Liebe !«
Caro seufzt, dann beugt sie sich zu Marc hinüber und gibt ihm einen Kuss auf die Wange. Super ! Marcs Plan funktioniert: Caro ist glücklich, und der ganze Ärger der letzten Tage scheint vergessen.
Wir fahren eine ganze Weile, dann wird Marc langsamer und hält schließlich an.
»So. Bleib mal einen Moment sitzen, ich hole etwas.«
Marc steigt aus und öffnet kurz darauf Caros Wagentür.
»Bitte schön !«
Er hält ihr irgendetwas entgegen. Ich blinzele ins helle Sonnenlicht, um es zu erkennen. Ein langstieliges Glas. Offenbar hat Marc die Flasche Sekt geköpft.
»So, mein Spatzl ! Willkommen auf unserer Hochzeits-Erkundigungstour. Erste Station: Priörinnenhaus des ehemaligen Klosters Uetersen. Prost – auf unsere Hochzeit !«
Caro strahlt, dann klirren die Gläser, und die beiden trinken einen Schluck. Henri macht vom Rücksitz aus deutlich, dass er auch durstig ist, Luisa hat sogar eine Trinkflasche für ihn griffbereit. Klasse – heute passt einfach alles ! Ist irgendwie deutlich schöner als die Tage, an denen alles schiefgeht.
Caro stellt ihr leeres Glas auf den Fahrersitz, dann steigt sie aus, und ich hüpfe gleich hinterher. Vor uns steht ein ziemlich großes Haus, das an der einen Seite von Efeu umrankt wird. Eigentlich scheinen es sogar eher zwei bis drei Häuser zu sein, die ein bisschen verwinkelt ineinander übergehen. Die Fenster sind auch groß und haben viele Sprossen, die Türen sehen aus, als ob sie in zugemauerten Torbogen liegen.
»Wow – wie toll ist das denn !«, ruft Carolin begeistert. »Das ist ja ein richtiges Schloss !«
Ich betrachte das Haus noch einmal gründlich und schüttle den Kopf. Innerlich wohlgemerkt, denn ich bin ja ein höflicher Dackel. Aber ich kann meine vornehme Abstammung nicht verleugnen, und natürlich ist dieses große Haus kein Schloss, sondern bestenfalls ein hübsches Gehöft. Diesen Unterschied erkennt man wohl nur, wenn man selbst auf einem Schloss geboren ist. Eine Bürgerliche wie Carolin ist damit offensichtlich überfordert. Nun ja, sie kann nichts dafür – so ist es eben.
Ich laufe ein paar Schritte von Carolin weg und schaue mich interessiert um. Immerhin, das Gehöft scheint einen netten kleinen Park zu haben. Es riecht nach den ersten Blumen, und neben dem Weg gibt es einen sorgfältig geschnittenen Rasen. Der Gutsherr scheint also einen Gärtner zu beschäftigen. Sehr löblich – bei uns zu Hause ist leider Marc für das Rasenmähen zuständig, was er aber fast nie macht. Das ist zwar zum Umherstreifen im Garten nett, gehört sich aber eigentlich nicht. Der alte von Eschersbach hätte so eine ungepflegte Wiese hinter dem Schloss auf keinen Fall durchgehen lassen.
Luisa kommt zu mir gelaufen.
»Schön ist es hier, oder, Herkules ?« Sie bückt sich und krault mich. »Papa sagt, drinnen gibt es ein Zimmer, das fast wie eine Kirche aussieht, und da wird man dann getraut. Dann ist es gar nicht mehr so schlimm, dass Papa und Caro nicht in einer echten Kirche heiraten. Und die Standesbeamten geben sich hier auch ganz viel Mühe, also fast so wie der Pastor in der Kirche. Klasse, oder ?«
Ich kenne mich mit dem Thema ja nicht so aus. Genau genommen war ich erst einmal im Leben in der Kirche. Nämlich an Weihnachten vor Henris Geburt. Dort war es sehr laut und unglaublich voll, und am Ende gab es ein dermaßen dröhnendes Glockengeläut, dass ich geflüchtet bin. Für mich ist die Sache mit der Kirche also definitiv nichts. Aber wenn Marc für die Hochzeit nun etwas sucht, was so ist wie eine Kirche – nämlich mit einem solchen Raum und einem Menschen, der sich so benimmt wie ein Pastor –, dann frage ich mich, warum Caro und Marc nicht gleich in einer echten Kirche heiraten. Das wäre doch viel einfacher. Nichts gegen unseren kleinen Ausflug, aber warum suchen wir denn etwas, was wie eine Kirche ist, ohne eine Kirche zu sein ? Wo es doch ziemlich viele echte Kirchen gibt ? Rätsel über Rätsel bei den Zweibeinern …
Inzwischen hat Marc auch Henri aus seiner Sitzschale geschält und in seinen Buggy gesetzt. Der Kleine ist begeistert und klatscht immer wieder in die Hände. Ich kann’s verstehen – für ihn muss Autofahren ähnlich langweilig wie für mich sein, denn von dieser Babyschale aus kann Henri bestimmt nicht richtig aus dem Fenster gucken.
»So, dann lasst uns mal reingehen. Frau Holtrop wartet schon auf uns, sie wird uns das Trauzimmer zeigen und auch die Räumlichkeiten, in denen wir später feiern könnten. Zu dem alten Gemäuer hier gehört nämlich auch ein sehr schönes Restaurant.«
An der Tür werden wir von einer jungen Frau begrüßt. Ob das die Gutsherrin ist ? Dafür sieht sie für meinen Geschmack eigentlich zu leger aus. Aber was will man machen, hätte der alte Eschersbach gesagt, die jungen Hühner machen ja doch, was sie wollen. Da war seine eigene Schwiegertochter nicht anders, die lief auch rum, wie sie wollte, obwohl sie mit dem jungen Schlossherrn verheiratet war.
»Hallo, Sie müssen Herr Wagner sein, richtig ?«, strahlt die Frau mein Herrchen an und reicht ihm die Hand.
Der nickt.
»Genau, und das sind meine Verlobte, Frau Neumann, und unsere Kinder Luisa und Henri.«
Hey, und was ist mit mir ? Normalerweise stört es mich nicht, beim menschlichen Vorstellungszeremoniell außen vor gelassen zu werden. Aber wenn wir hier auf einem Gut sind, sollte man Carl-Leopold von Eschersbach schon erwähnen. Das würde auf alle Fälle Eindruck machen, auch wenn hier nur der niedere Landadel residiert. So viel Zeit muss einfach sein !
Dennoch werde ich schmählich ignoriert, und so dackle ich im wahrsten Sinne des Wortes einfach hinterher. Hinter der Tür kommen wir in eine Halle, von der mehrere Türen abgehen sowie eine Treppe. Frau Holtrop nimmt die ersten Stufen, wir hinterher. Oben angekommen öffnet sie eine nächste Tür – und selbst ich kleiner, ignoranter Hund bin platt: Vor uns liegt ein heller, großer Saal, der ganz locker mit dem großen Salon in Schloss Eschersbach mithalten kann. Wahrscheinlich sogar mit dem Ballsaal, aber den habe ich selbst nur einmal ganz kurz und durch Zufall gesehen. Und danach war er für mich, nachdem ich dort aus der Not heraus auf das Parkett gepinkelt hatte, allerstrengstens verboten. Meine Erinnerung daran ist demzufolge nicht besonders gut – aber dieser Saal ist toll. Sieht allerdings überhaupt nicht wie unsere kleine Kirche aus.
Meine Menschen schweigen andächtig, sie sind bestimmt auch beeindruckt.
Caro räuspert sich. »Und das hier ist nur das Trauzimmer ?«
Frau Holtrop nickt.
»Genau. Der ehemalige Konventsaal. Dieses Klostergebäude wurde 1664 gebaut, der Saal ist also schon fast 350 Jahre alt. Und ich finde, immer noch sehr eindrucksvoll. Ihren Gästen wird es bestimmt gefallen, und sie hätten sicherlich alle Platz. Steht Ihr Termin denn schon genau fest ?«
»Der fünfzehnte Juni wäre toll, aber dafür sind wir wahrscheinlich schon ein bisschen spät dran, oder ?«, will Marc wissen.
Die junge Frau zuckt mit den Schultern.
»Das muss ich nachsehen. Wenn Sie allerdings mit dem Wochentag ein bisschen flexibel sind, finden wir garantiert noch eine Lücke im Juni. Sie können hier nämlich an jedem Tag im Jahr heiraten.«
Caro räuspert sich erneut.
»Also, ich finde das hier auch wunderschön, aber unsere Hochzeitsgesellschaft ist nicht besonders groß. Ich frage mich, ob wir in diesem Saal nicht ein wenig verloren wirken würden.«
»Wie viele Gäste erwarten Sie denn ?«
»Na, außer meinem Mann und mir die beiden Kinder, meine Eltern und meine Schwiegermutter. Macht schon mal fünf Erwachsene und zwei Kinder. Dann die beiden Trauzeugen mit Partner, das sind noch mal vier Erwachsene. Somit insgesamt elf Leute.«
»Tja, das sind wirklich nicht besonders viele …«
»Moment mal«, widerspricht Marc, »ein paar mehr Gäste haben wir vielleicht doch, glaube ich. Mehr aus der Familie oder enge Freunde würde ich schon noch gern einladen.«
»Welche Familie denn noch ? Darf ich dich daran erinnern, dass wir beide Einzelkinder sind ?«
»Ja, stimmt schon – aber ich dachte, meine Cousine Edda wäre vielleicht ganz gern dabei. Sie ist wirklich sehr nett.«
»Marc, von dieser Cousine höre ich heute zum ersten Mal.«
»Und was ist mit Daniel ? Den willst du doch nicht etwa nicht einladen.«
Stimmt. Was ist mit Daniel ? Wenn der auch kommt, nimmt er bestimmt Claudia mit. Und die wiederum nimmt bestimmt Cherie mit. Also, Marc hat ganz recht: Daniel müssen wir unbedingt einladen !
Caro seufzt.
»Klar, Daniel. Aber dann müssen wir auch Claudia einladen, und die Frau wird mir immer suspekter. Ich habe eigentlich keine Lust, mir meine Hochzeit durch irgendwelches Esoterik-Gequatsche ruinieren zu lassen.«
»Esoterik-Gequatsche ?«
Marc zieht die Augenbrauen hoch.
»Na ja, die macht doch jetzt ’ne Umschulung zur Yoga-Lehrerin.«
»Soviel ich weiß, sind Yoga und Esoterik aber nicht dasselbe.«
Marc grinst.
Ich schaue ratlos von einem zum anderen. Gut, Yoga ist, wenn man im Garten liegt und atmet. Aber was bitte ist Esoterik ?
»Dann eben Yoga-Gequatsche. Kommt für mich aufs Gleiche raus. Wenn wir wirklich nur im ganz kleinen Kreis mit Familie feiern, kann ich Daniel schon erklären, warum er nicht dabei ist.«
Och nö ! Das finde ich richtig doof !
»Nun ja, wir haben hier auch manchmal Trauungen im ganz kleinen Kreis«, mischt sich Frau Holtrop wieder ein. »Da können Sie anschließend im Kaminzimmer feiern, das hat genau die richtige Größe für eine kleinere Gesellschaft. Soll ich es Ihnen mal zeigen ?«
»Ja«, Caro nickt, »das ist eine gute Idee.«
»Obwohl – ich finde, wir sollten auch die größere Variante noch mal diskutieren«, beharrt Marc.
»Selbstverständlich zeige ich Ihnen auch gern die größeren Räume. Sie können es sich ja auf jeden Fall noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Man heiratet schließlich nur einmal im Leben.«
Carolin kichert.
»Da liegen Sie im Hinblick auf meinen Zukünftigen leider falsch, Frau Holtrop. Der ist Wiederholungstäter.«
Frau Holtrop lacht ebenfalls, aber es klingt ein bisschen unsicher. Marc lacht nicht. Täusche ich mich, oder findet er das überhaupt nicht komisch ?
»Ich hoffe doch sehr«, sagt er dann säuerlich, »dass ich nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit heiraten muss, weil es für mich das zweite Mal ist.«
Nein, ich täusche mich nicht. Marc findet es nicht komisch. Offenbar ist seine erste Ehe nicht gerade sein Lieblingsthema. Das wundert mich freilich nicht. Sabine, seine Exfrau, ist wirklich furchtbar. Ich kenne niemanden, der sie mag. An die würde ich auch nicht gern erinnert werden.
Carolin gibt sich ungerührt.
»Also wirklich, nun stell dich mal nicht an. Du weißt genau, wie ich das gemeint habe.«
Marc wirft ihr einen bösen Blick zu, sagt aber nichts mehr. Luisa hingegen scheint das kleine Scharmützel auf eine Idee gebracht zu haben.
»Jetzt weiß ich, wen ihr noch einladen müsst – Mama !«
Ich muss mich korrigieren: Ich kenne doch jemanden, der Sabine mag. Aber ich finde, die eigene Tochter zählt nicht.