VIERUNDZWANZIG

Komisch. Dafür, dass Marc mit Hedwig schimpfen wollte, ist sie noch bemerkenswert gut gelaunt, als sie mit einem kleinen Köfferchen am Vorabend der Hochzeit bei uns auftaucht. Sie wird heute bei uns übernachten und sich um die Kinder kümmern, während Carolin und ich bei Nina schlafen werden und Marc mit Daniel und Georg ein Bier trinken geht. Vor der Hochzeit müssen Braut und Bräutigam in verschiedenen Wohnungen schlafen. Sagt jedenfalls Hedwig. Mir war das neu. Aber ich bin noch nicht so lang im Hochzeits-Business. Und Marc darf Carolin vor der Trauung auch keinesfalls im Brautkleid sehen. Sonst bringt es Unglück. Das wiederum wusste ich schon von der Brautkleidverkäuferin.

Also Hedwig. Nicht schlecht gelaunt. Im Gegenteil: Ich würde sagen, sie ist blendend gelaunt. Das lässt nur einen Schluss zu: Marc hat ihr noch nichts gesagt. Weder in den letzten vier Tagen noch heute. Aber warum nicht ? Finden Caro und Marc den Plan mit der großen Hochzeit jetzt doch völlig in Ordnung ? Freut sich Caro gar, dass nun so viele Menschen ihr tolles Kleid bewundern können ? Grrr, ich merke, dass ich anfange, mich zu ärgern. Ich habe mir doch so viel Mühe gegeben, Hedwigs Plan aufzudecken. Und nun ? Passiert nichts. Wuff, die ganze Anstrengung umsonst !

Carolin ist übrigens mindestens ebenso gut gelaunt wie Hedwig. Sie pfeift sogar vor sich hin, als sie ihren Riesenkoffer aus dem Schlafzimmer rollert. Was da wohl alles drin ist ? Das Kleid ist schon bei Nina, das kann es nicht sein.

»So, Herkules. Ich bin startklar. Dann verlässt du jetzt zum letzten Mal als Dackel einer ledigen Frau dieses Haus. Ab morgen lebt dein Frauchen in geordneten Verhältnissen. Nix mehr wilde Ehe !«

Sie lacht, und ich verstehe den Witz nicht. Unsere Verhältnisse sind doch geordnet. Manchmal sogar zu sehr. Jedes Mal, wenn Marc findet, dass Henri, Luisa oder ich für Unordnung gesorgt haben, regt er sich auf und fängt an aufzuräumen. Von wegen wild. Ich lebe nun schon zwei Jahre hier und kann nur sagen: Rock ’n’ Roll geht anders.

Missmutig trotte ich hinter Carolin her und bin auch nicht besser gelaunt, als wir kurz darauf bei Nina eintrudeln. Im Gegenteil, denn ich erkenne auf den ersten Blick, dass hier wieder einer dieser entsetzlich öden Frauenabende droht. Ich muss nur die langstieligen Sektgläser und die Flasche auf dem Couchtisch sehen, dann weiß ich Bescheid. Och nööö !

Der einzige Lichtblick ist Herr Beck, der natürlich auch da ist. Wobei ich auf den gerade nicht so gut zu sprechen bin. Bisher ist seine Cherie-Taktik nämlich ein einziger Reinfall. Ich will gar nicht erst an morgen denken, denn auf der Feier werden sich Cherie und Biene wieder begegnen, und so wie es bisher ausschaut, wird Cherie mich ignorieren und Biene denken, dass ich an mehr als nur Freundschaft interessiert bin. Beste Voraussetzungen für schlechte Stimmung also. Und wer ist schuld ? Richtig. Ein Kater namens Beck.

Ich lasse mich neben die Couch sinken und warte auf das unvermeidliche Plopp, welches den Beginn jedes Frauenabends markiert. Plopp, da ist es auch schon. Gähn !

»Und, bist du aufgeregt ?«, will Nina von Caro wissen, während sie ihr das Glas mit Sekt füllt.

»Klar bin ich das ! Hoffentlich sehe ich morgen auch wirklich gut aus.«

»Daran besteht doch wohl kein Zweifel ! Du hast nicht nur ein wunderschönes Kleid, sondern auch Hamburgs Top-Stylistin an deiner Seite: Dr. Bogner ! Und Frau Dr. Bogner hat sich sehr gewissenhaft vorbereitet und sich Anleitungen für diverse Hochsteckfrisuren aus dem Internet geladen. Da kann gar nichts schiefgehen. Und falls doch: Meine Friseurin hat Rufbereitschaft. Ich habe ihre Handynummer, wenn wir nicht allein klarkommen, darf ich sie anrufen.«

»Wow, du hast wirklich an alles gedacht ! Danke, Nina !«

»Ehrensache – ich bin schließlich Trauzeugin. Fünfundzwanzig Gäste sind zwar ein paar weniger als bei William und Kate, aber du sollst trotzdem toll aussehen.«

Ob Caro diese gute Gelegenheit nutzt, wenigstens Nina von Hedwigs stark erweiterter Gästeliste zu erzählen ?

»Das werde ich ganz bestimmt, bei so viel Unterstützung !«

Fehlanzeige. Wieder nichts. Ich rolle mich zur Seite und schließe die Augen. Vielleicht sollte ich die Zeit hier sinnvoll nutzen und einfach eine Runde schlafen.

Aber selbst das ist mir nicht vergönnt. Kaum habe ich die Augen geschlossen, schon stupst mich jemand in die Seite. Kann mir schon denken, wer das ist. Es riecht auf einmal verdächtig nach Katze.

»Huhu, schläfst du ?«

»Ich versuche es wenigstens, werde aber leider gestört.«

»Oh, ’tschuldigung. Warum bist du denn so schlecht gelaunt ?«

Da wundert der Kater sich. Denkt wahrscheinlich, dass er ein Monopol auf schlechte Laune hat. Ich rolle mich wieder zurück und gucke ihn an.

»Erstens habe ich mir in den letzten Tagen alle Mühe mit meinen Menschen gegeben, und es war völlig umsonst. Und zweitens leide ich immer noch unter den Auswirkungen deiner angeblich genialen Taktik, Cheries Herz zu gewinnen. Seitdem guckt sie mich nicht mal mehr an. Tolle Wurst.«

Erwartungsgemäß lässt sich Herr Beck durch mein Leid nicht beeindrucken.

»Zu zweitens kann ich nur sagen: Geduld. Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden.«

»Rom ? Was ist das denn ?«

»So ungefähr das Gleiche wie Stockholm. Nur wärmer. Also eine andere Stadt. Und zu erstens: Mit Menschen gibt man sich doch meistens vergeblich Mühe. Kein Grund, sich aufzuregen, das müsstest du doch mittlerweile wissen. Was genau ist denn passiert ?«

Obwohl ich eigentlich nicht mehr mit Beck sprechen wollte, erzähle ich ihm die Geschichte von Hedwigs und Luisas Facebook-Party, der Bestellung über das Faxgerät von Frau Hohwenser und dem dramatischen Finale in der Tierarztpraxis. Wenigstens guckt der Kater nun angemessen beeindruckt.

»Okay, du hast dich wirklich schwer ins Zeug gelegt. Das war ja fast so spektakulär wie damals, als wir das schwarze Spitzenhöschen geklaut haben, um Carolin zu beweisen, dass Thomas sie betrügt.«

Typisch Kater. Natürlich war die Aktion mit dem Zettel viel spektakulärer, immerhin musste ich das Teil sogar noch aus dem Müll fischen, aber da Beck nicht selbst daran beteiligt war, kann er das nicht zugeben. Egal. Sein Lob tut trotzdem gut. Wenigstens einer, der meinen Einsatz zu schätzen weiß.

»Ich verstehe einfach nicht, warum Marc Hedwig noch nicht den Marsch geblasen hat. Wenn ich mal Mist baue, werde ich immer sofort eingenordet. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Das ist unfair !«

Herr Beck gibt ein kicherndes Brummen von sich.

»Herkules, ich bitte dich ! Du bist sein Haustier, Hedwig ist seine Mutter. Das sind zweierlei Maß. Außerdem weißt du doch noch gar nicht, ob er nicht doch noch etwas unternimmt. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass Marc und Caro sich das einfach so bieten lassen. Wart’s ab, da kommt noch was.«

Ich mustere ihn skeptisch.

»Wenn du meinst.«

»Meine ich. Du brauchst einfach mehr Geduld. Übrigens auch beim ersten Punkt. Dass Cherie noch beleidigt ist, sagt überhaupt nichts. Sie muss sich natürlich erst einmal an die neue Situation gewöhnen. Bisher hast du den Boden angebetet, über den sie gegangen ist. Damit ist nun Schluss – das ist für sie natürlich ein ziemlicher Schlag. Aber ich sage dir: Die wird schon wieder ankommen. Du darfst jetzt nicht aufgeben ! Sei weiter nett zu Biene, dann wird Cherie irgendwann kapieren, dass sie von ihrem hohen Ross runtermuss, wenn sie dich gewinnen will.«

Ob Herr Beck recht hat ? Das wäre ja zu schön ! Vielleicht muss ich wirklich nur noch ein wenig warten. Zu verlieren habe ich schließlich nichts.

»Na gut. Ich probiere es noch einmal aus. Ein bisschen Angst habe ich aber schon vor dem Fest morgen. Da treffe ich nämlich auf beide: Cherie und Biene.«

Die Schwanzspitze von Beck zuckt hektisch hin und her.

»Siehst du: Genau das ist der Fehler. Du hast Angst. Und das merken die Frauen. Stattdessen solltest du Selbstbewusstsein und Wagemut ausstrahlen, dann klappt das schon.«

Sehr lustig ! Wie soll man denn Wagemut und Selbstbewusstsein ausstrahlen, wenn man weder das eine noch das andere hat ? Jedenfalls in Bezug auf Cherie. Herr Beck scheint zu merken, dass meine Zuversicht nicht gerade überwältigend ist.

»Pass auf. Ein letzter guter Tipp: Wenn du morgen Cherie triffst, dann stell dir einfach vor, sie sei ich. Mit anderen Worten: Ein alter, dicker, kurzsichtiger Kater. Du machst das schon !«

Das Trauzimmer im Goßlerhaus sieht erstaunlicherweise genauso aus wie der Salon von Schloss Eschersbach. Ein Holzboden, der nicht aus langen Dielen wie in der Werkstatt besteht, sondern aus lauter großen Quadraten, auf Hochglanz blankgewienert, dazu Decken so hoch, dass ich ganz nach oben schauen muss, um das feine Musterband, das einmal ringsherum läuft, überhaupt sehen zu können, und bodenlange, helle Vorhänge an jedem Fenster. Wau ! Das hat Gesicht ! Gut, dass Carolin so ein tolles Kleid anhat – damit passt sie genau hierher. Nina hat ihr morgens die Haare zu Locken gedreht und dann alles auf einen großen Haufen getürmt und mit zwei Flaschen Haarspray festgeklebt, nur eine einzelne Strähne lockt sich lässig an Caros Wange vorbei. Wobei Haufen längst nicht so elegant klingt, wie die Frisur in Wirklichkeit aussieht. Es hat zwar Stunden gedauert, das Gebilde so hinzukriegen, aber es hat sich gelohnt: Carolin sieht wunderschön aus. Ich hätte nicht gedacht, dass eine solche Steigerung bei meinem Frauchen noch möglich wäre.

Aber auch alle anderen haben sich mächtig in Schale geschmissen: Marc sieht in seinem Anzug so vornehm aus, wie ich ihn sonst nur von Weihnachten kenne, Daniel hat ausnahmsweise auch nicht Jeans und T-Shirt an, sondern eine helle Stoffhose nebst Hemd, und selbst Willi, den Marc offenbar doch eingeladen hat, hat sich in ein Jackett gezwängt. Das Hemd darunter spannt zwar ein wenig, und zwischen zwei Knöpfen blitzt ab und zu sein Bauch durch, aber gemessen an dem, was er sonst immer trägt, wenn er Zeitungen verkauft, ist er heute superchic. Hedwig trägt Hut, Caros Mutter Erika ebenfalls, und bis auf Willi und Daniel haben alle Männer eine Krawatte umgebunden. Die Stimmung ist also sehr festlich, und als endlich alle Gäste auf den hellen Stühlen Platz nehmen und sich Carolin und Marc, begleitet von Daniel und Nina, vor den Tisch an der Stirnseite des Saales setzen, könnte man eine Stecknadel fallen hören.

Der Mensch, der nun darangeht, Marc und Carolin miteinander zu verheiraten, setzt sich auf die andere Seite des Tisches und guckt sehr ernst. Dann hält er eine kurze Ansprache über den Sinn der Ehe, was für Pflichten sie mit sich bringt und was passiert, wenn Marc und Caro auf die Frage, ob sie einander heiraten wollen, gleich mit »Ja« antworten. Puh, das scheint wirklich eine ernste Sache zu sein. Hoffentlich hat sich Carolin das auch gut überlegt.

Der eigentliche Knaller kommt aber noch: Wenn ich mich nicht verhört habe, heißt Carolin nicht mehr Neumann, wenn sie das unterschreibt, sondern auch Wagner. Warum denn das ? Sie ist doch nicht Marcs Tochter ! Erstaunlich. Was ist denn an Neumann verkehrt ? Ein Hund ändert niemals seinen Zwingernamen, welchen Sinn sollte das auch machen ? Auch ich bleibe immer und ewig ein Von Eschersbach – Herkules hin oder her. Ich schaue mich vorsichtig um – aber niemand erhebt Einspruch. Nicht mal Carolins Eltern, die doch auch Neumann heißen und im weitesten Sinne diese Zucht aufgebaut haben. Auf Anhieb sehe ich nicht den geringsten Grund für diese seltsame Entscheidung und beschließe, Herrn Beck danach zu fragen. Der weiß bestimmt, was es damit auf sich hat.

Während ich noch darüber sinniere, ob sich Cherie wohl Cherie von Eschersbach nennen würde, wenn ich sie heiraten könnte, rollt mir auf einmal etwas Kleines, Kaltes und Glänzendes direkt vor die Nase. Ein Ring ! Wie kommt der denn hierher ? Plötzlich macht sich eine gewisse Unruhe am Tisch von Caro und Marc bemerkbar, Marc ist aufgestanden und schaut sich um, Gleiches tun Daniel und Nina. Offenbar habe ich gerade etwas Wesentliches verpasst. Marc räuspert sich.

»Ähm, könnt ihr mal alle auf den Boden sehen ? Mir ist gerade der Trauring runtergefallen.«

Gelächter unter den Gästen.

»Ja, ich weiß, schön blöd. Aber meine Hände haben so gezittert !«

Nun zeigt sich, dass es immer gut ist, einen Dackel dabeizuhaben ! Vorsichtig nehme ich den Ring in mein Maul und trabe nach vorn, mache neben Carolin Sitz und jaule ein bisschen. Sie guckt zu mir herunter.

»Nanu, Herkules ? Hast du etwa den Ring gefunden ?«

Sie hält ihre Hand unter meine Schnauze, ich lasse den Ring hineinfallen. Erstaunt betrachtet sie meinen Fund und krault mich dann hinter den Ohren.

»Super, Herkules ! Braver Hund – du rettest mal wieder die Veranstaltung ! Was wir dir bei dieser Hochzeit schon alles zu verdanken haben, unglaublich !«

Was soll ich sagen – das finde ich auch ! Auch wenn mein Spürsinn bis jetzt noch nichts gebracht hat. Trotzdem schön, mal gelobt zu werden !

Carolin steht von ihrem Stuhl auf und dreht sich zu den Gästen um.

»Herkules hat den Ring gefunden ! Also keine Sorge – diesen Saal verlasse ich erst als verheiratete Frau wieder. Da können meinem Mann noch so sehr die Hände zittern.«

Wieder lachen alle, und Marc geht zu seinem Stuhl zurück. Bevor er sich aber setzt, gibt er Caro noch einen Kuss. Den hätte eigentlich ich verdient ! Ich sehe aber ein, dass Marc lieber Caro küsst. Bin heute mal großzügig.

Gut, Hedwigs Idee mit der Facebook-Party war nicht zu gebrauchen. Ihre Idee mit dem Chor hingegen war großartig. Nachdem die Trauzeremonie zu Ende ist und endlich Braut und Bräutigam den passenden Ring am Finger tragen, kommen wir bei strahlendem Sonnenschein auf die Terrasse und werden sofort von Gesang empfangen.

I feel it in my fingers

I feel it in my toes

Love is all around me

And so the feeling grows

Die Stimme des Sängers ist warm und weich, und die Männer und Frauen, die hinter ihm stehen und ebenfalls mitsingen, klingen überhaupt nicht nach Beerdigung, wie von Caro befürchtet, sondern nach Freude und Glück. Was genau sie singen, verstehe ich nicht, denn wenn mich nicht alles täuscht, singen sie in diesem seltsamen Englisch. Aber das ist völlig egal, denn obwohl ich kein Wort verstehe, weiß ich genau, wovon sie singen: von der Liebe, da bin ich mir absolut sicher.

It’s written on the wind

It’s everywhere I go, oh yes, it is

So if you really love me

Come on and let it show, oh

Ich werfe Carolin und Marc einen Blick zu – Caro hat bereits ein Taschentuch gezückt und wischt sich verstohlen die Tränen aus dem Gesicht.

You know, I love you, I always will

My mind’s made up

By the way that I feel

There’s no beginning

There’ll be no end

’cause on my love you can depend

Jetzt kämpft auch Marc mit den Tränen. Ich bin beeindruckt. Männer habe ich bis jetzt wirklich selten weinen sehen. Außer Henri natürlich, der flennt bei jeder Gelegenheit, aber das zählt wohl nicht. Als der Chor fertig ist, applaudieren und pfeifen alle Gäste, und Marc geht zu Hedwig und umarmt sie ganz fest.

»Danke, Mutter ! Woher wusstest du das ?«

Hedwig schaut erstaunt, allerdings wirkt es gespielt.

»Was meinst du denn ?«

»Na, das Lied. Love Is All Around. Das ist Caros und mein Lied !«

Nun lächelt Hedwig.

»Junge, du solltest deine Mutter nicht unterschätzen. Ich bin zwar nicht mehr die Jüngste, aber noch einigermaßen pfiffig.«

Die Umstehenden nicken. Ja, Hedwig ist pfiffig. Wer wollte das bestreiten.

»Und ich habe noch eine Überraschung für euch.«

Aha ! Aufgemerkt ! Ich ahne, was jetzt kommt.

»Ich habe etwas organisiert, was ihr wahrscheinlich anders geplant hättet. Aber ich fand, dass es zu einer richtigen Hochzeit dazugehört.«

Alles klar. Nun wird Hedwig gestehen, dass gleich die Riesensause steigen wird. Ob Marc geahnt hat, dass seine Mutter beichten wird ? Hat er deswegen noch nicht mit ihr geschimpft ?

»Na, dann leg mal los. Was ist denn die Überraschung ?«

»Moment. Werdet ihr gleich sehen.«

Sie holt ihr Handy aus der Handtasche, tippt eine Nummer ein und sagt nur kurz: »Kann losgehen.«

Hä ? Auch Marc und Caro gucken verwirrt. Und gucken noch verwirrter, als kurz darauf ein sehr seltsames Geräusch näher kommt. Ehe ich noch überlegen kann, wo ich dieses Geräusch schon mal gehört habe, kann ich sehen, was es ist: Hufgetrappel und Pferdeschnauben. Eine Kutsche mit zwei Pferden biegt um die Ecke und hält genau vor der Terrasse. Grundgütiger. Hedwig hat eine Kutsche bestellt !

Ein Raunen geht durch unsere Gäste, Marc hat offenbar eine Kiefersperre, und Carolin fängt hysterisch an zu kichern. Nur Hedwig bleibt ganz ruhig und strahlt.

»Liebes Brautpaar, keine Hochzeit ohne Hochzeitskutsche ! Auf dass euch diese schönen Pferdchen ins Glück ziehen ! Es lebe das Brautpaar, hipp hipp !«

Geistesgegenwärtig rufen Willi und Daniel hurra, daraufhin stimmen alle mit Hurrarufen ein. Carolin und Marc wirken immer noch fassungslos und erholen sich nur langsam von dem Schreck. Nach einer Weile legt sich die allgemeine Aufregung jedoch. Marc stellt sich vor die Gäste und klatscht laut in die Hände.

»Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich würde jetzt gern feiern. Deswegen werde ich nun meine Frau und meine Kinder in diese wunderschöne Kutsche packen und losfahren. Fahrt ihr doch bitte alle schon mit dem Auto vor, am besten hinter Hedwigs Wagen her, die kennt den Weg. Oh, und kann jemand Herkules mitnehmen ?«

»Ja, gib ihn mir«, meldet sich Daniel.

Wuff, in seinem Auto sitzt Cherie, das habe ich eben schon gesehen. Ich merke, wie mein Maul ganz trocken wird. Okay, wie war das gleich ? Ich stelle mir vor, dass Cherie ein dicker, fetter Kater ist ? Wenn das mal funktioniert …

Zumindest führt es dazu, dass ich während der Autofahrt nicht gleich ohnmächtig werde, sondern sogar einen halbwegs belanglosen Smalltalk mit Cherie hinbekomme, die mich dankenswerterweise wenigstens wieder anguckt. Ich erzähle ihr von der Kutsche, und sie ist amüsiert, dann parkt Daniel auch schon vor der Villa.

Auf dem Kiesbett hat der Partyservice Stehtische aufgebaut, und junge Frauen mit schwarzen Kleidern und weißen Schürzen sind dabei, allen Gästen Getränke anzubieten. Und es sind viele Gäste – im Vergleich zur Trauung wahre Massen. Das Hallo ist dementsprechend groß, als den Neuankömmlingen klar wird, dass sie in eine Überraschungsparty geraten sind. Ich bereite mich innerlich schon mal auf den großen Knall vor, den es mit Sicherheit geben wird, wenn die Kutsche hier eintrifft. Hoffentlich schimpft Marc nicht zu doll mit Hedwig. So vor allen Gästen finde ich das dann doch unangenehm. Ein Rudel muss jedenfalls nach außen Geschlossenheit zeigen.

Endlich kommt auch die Kutsche an und hält ebenfalls vor den Stehtischen. Hedwig läuft nach vorn, um den Schlag aufzureißen. Sie steigt die Stufe zum Kutscheninneren hoch – und fällt fast rückwärts wieder hinunter. Dabei schwingt die Tür nach außen auf, und wir alle können sehen, was Hedwig im wahrsten Sinne des Wortes so umgehauen hat: Das Innere der Kutsche ist leer. Keine Spur von Marc, Carolin und den Kindern.

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