1. Kapitel Ein Mann von gütiger Gesinnung

Es war am späten Nachmittag eines frostigen Februartages, als in der Stadt P. in Kentucky zwei Herren in einem hübsch eingerichteten Wohnzimmer allein beim Weine saßen. Bediente waren nicht zugegen, und beide Herren hatten ihre Stühle eng zusammengerückt und schienen mit großem Ernst wichtige Dinge zu besprechen.

Der Einfachheit halber sagten wir zwei Herren. Doch schien diese Bezeichnung bei näherer Betrachtung auf einen der beiden nicht ganz zuzutreffen. Er war ein kurzer, untersetzter Mann mit groben, gewöhnlichen Gesichtszügen und jener schwänzelnden Beflissenheit, die den ungebildeten Menschen kennzeichnet, der sich mit seinen Ellbogen den Weg nach oben bahnt. Er war auffallend gekleidet: Zu einer Weste in schreienden Farben trug er ein blaues Halstuch mit gelben Tupfen, das zur modischen Krawatte gebunden dem herausfordernden Wesen des Mannes entsprach. Seine groben Hände waren mit Ringen bedeckt, an einer schweren, goldenen Uhrkette trug er ein Bündel von Petschaften in allen Farben und von riesiger Größe, mit denen er im Eifer des Gesprächs mit sichtlichem Behagen zu spielen pflegte. Seine Rede spottete jeder Grammatik und enthielt zahllose ordinäre Ausdrücke (die wir trotz aller Bemühungen um ein korrektes Konterfei nicht zu wiederholen beabsichtigen).

Sein Partner, Mr. Shelby, hatte das Aussehen eines Herrn, auch die Einrichtung des Hauses und das Äußere des Haushalts verrieten einen wohlhabenden, wenn nicht üppigen Lebensstil. Wie wir bereits erwähnten, waren diese beiden in einer ernsten Unterhaltung begriffen.

»Auf diese Weise würde ich die Sache erledigen«, sagte Mr. Shel–by.

»Das kann ich mit meinem Geschäft nicht vereinbaren — das ist ausgeschlossen, Mr. Shelby«, erwähnte der andere und hielt sein Glas Wein gegen das Licht.

»Aber, Haley, Tom ist wirklich ein ungewöhnlicher Bursche. Auf jeden Fall ist er diese Summe wert; ehrlich, tüchtig und zuverlässig verwaltet er meine Farm; es geht alles wie am Schnürchen.«

»Sie meinen, was man bei Schwarzen so ehrlich nennt«, sagte Ha–ley und schenkte sich ein Glas Brandy ein.

»Nein, ich meine es wörtlich. Tom ist ein guter, zuverlässiger, verständiger und frommer Bursche. Er hat die christliche Religion auf einem Lagertreffen kennengelernt; und ich glaube, er hat sie wirklich tief in sich aufgenommen. Seit jener Zeit habe ich ihm alles, was ich habe, anvertraut — mein Geld, mein Haus, meine Pferde -, ich lasse ihn landauf, landab frei umhergehen, und er war immer ehrlich und treu.«

»Manche Leute bezweifeln, daß es überhaupt fromme Nigger gibt, Shelby«, sagte Haley mit einer großartigen Handbewegung. »Aber ich bin überzeugt, es gibt welche. Ich hatte jetzt im letzten Schub, den ich nach Orleans brachte, einen Kerl; es war wie in der Kirche, wenn man den beten hörte, und zahm und ruhig war er auch. Er brachte mir ein gut Stück Geld ein, denn ich hatte ihn billig kaufen können von jemand, der verkaufen mußte; er brachte mir 600 Dollar Reingewinn. Ja, ja, Religion ist etwas Schönes bei einem Neger, sie muß nur echt sein und kein Humbug.«

»Bei Tom ist sie kein Humbug«, entgegnete der andere. »Sehen Sie, letzten Herbst schickte ich ihn geschäftlich nach Cincinnati. 500 Dollar sollte er zurückbringen. >Tom<, sagte ich, >ich vertraue dir, denn du bist ein Christ; du wirst mich nicht betrügen.< Und richtig, Tom kam zurück. Ich hatte es gewußt. Ein paar gemeine Kerle hatten ihm zugeredet: >Tom, warum brennst du nicht durch nach Kanada?< >Der gnädige Herr hat mir doch vertraut, da kann ich nicht.< Hinterher hat man es mir erzählt. Ich muß sagen, es wird mir sauer, ihn herzugeben. Er müßte die ganze Schuld tilgen, Ha–ley, wenn Sie eine Spur von Gewissen hätten, müßten Sie das einsehen.«

»Nun, was mein Gewissen betrifft, so reicht es gerade so weit, wie man sich das im Geschäft leisten kann, daß man dabei noch fluchen darf, verstehen Sie«, sagte der Händler, seinen Witz belachend. »Außerdem tue ich allerhand für meine Freunde. Aber das ist zuviel verlangt.« Der Händler seufzte voll Selbstmitleid und goß sich einen weiteren Brandy ein.

»Na, Haley, wie denken Sie sich denn den Handel?« fragte Shelby nach einer ungemütlichen Pause.

»Ja, haben Sie nicht einen Jungen oder ein Mädchen als Zugabe zu Tom?«

»Hm, ich kann kaum einen entbehren. Um ganz offen zu sein, nur die Not zwingt mich, überhaupt einen von ihnen zu verkaufen. Tatsache ist, ich trenne mich nicht gern von meinen Leuten.«

Da ging die Tür auf, und ein kleiner Quadrone, vier–oder fünfjährig, trat ins Zimmer. Er war ein auffallend schönes und anziehendes Kind. Sein schwarzes Haar, fein wie gesponnene Seide, umrahmte in glänzenden Locken sein rundes Grübchengesicht, während seine großen, dunklen Augen voll Feuer und Sanftmut unter dichten langen Wimpern neugierig in die Stube blickten. Ein lustiger Kittel, rot und gelb kariert, gut geschnitten und hübsch gearbeitet, betonte vorteilhaft den dunklen Stil seiner aparten Schönheit. Und eine gewisse komische Mischung von Keckheit und Schüchternheit bekundete, daß er gewohnt war, von seinem Herrn verhätschelt und beachtet zu werden.

»Hallo, Dreikäsehoch«, sagte Mr. Shelby und warf ihm pfeifend eine Weintraube zu, »da, fang auf.«

Das Kind lief mit eiligen Beinchen nach der verlockenden Gabe. Sein Herr lachte.

»Komm her, du Racker«, rief er. Das Kind kam herbei, und Mr. Shelby streichelte ihm den Lockenkopf und klopfte ihm die Wange. »Na, nun zeig einmal, wie du singen und tanzen kannst.« Und schon stimmte das Kind mit voller klarer Stimme einen jener wilden, grotesken Negergesänge an, wobei es sich selbst in genauem Takt mit der Musik und vielen komischen Gesten der Hände und Füße begleitete.

»Bravo«, sagte Haley und warf ihm das Viertel einer Orange zu. »Und jetzt geh einmal wie der alte Onkel Cudjoe, wenn er Rheumatismus hat«, rief sein Herr. Sogleich verzerrten sich die biegsamen Glieder des Kindes, und es humpelte mit gekrümmtem Rücken, auf den Stock seines Herrn gestützt, durchs Zimmer, das kindliche Gesicht schmerzlich verzogen, rechts und links ausspuckend, ganz wie der alte Mann.

Beide Herren mußten schallend lachen.

»Na, du Schlingel, nun zeig noch, wie der alte Vater Robbin den Psalm anstimmt.« Der Junge zog sein pausbäckiges Gesicht entsetzlich in die Länge und begann, mit unerschütterlichem Ernst eine Psalmmelodie durch die Nase zu intonieren.

»Hurra, bravo! Welch ein Rübchen!« sagte Haley. »Aus dem wird was, das prophezeie ich. Ich schlage Ihnen etwas vor«, erklärte er plötzlich und schlug Mr. Shelby auf die Schulter. »Geben Sie das Kerlchen drauf, und das Geschäft ist gemacht. Los, willigen Sie ein, dann ist alles erledigt.«

In diesem Augenblick ging die Tür geräuschlos auf und eine junge, ungefähr 25 Jahre alte Quadronenfrau trat herein.

Man brauchte nur einen Blick von dem Kind auf sie zu werfen, um zu erkennen, daß sie die Mutter war. Sie hatte dieselben schönen, großen, dunklen Augen mit den langen Wimpern, dasselbe seidig gewellte, schwarze Haar. Der braune Ton ihrer Haut vertiefte sich auf den Wangen zu einem sichtbaren Rot, als sie den Blick des fremden Mannes in unverhohlener Bewunderung auf sich gerichtet fühlte. Ihr Kleid war von feinstem Schnitt und brachte ihre Gestalt vorteilhaft zur Geltung, eine zartgegliederte Hand, ein schmaler Fuß und schlanke Fesseln waren Einzelheiten, die dem scharfen Auge des Händlers nicht entgingen, da er gewöhnt war, mit schnellem Blick die Vorzüge einer guten, weiblichen Ware zu taxieren.

»Nun, Eliza?« fragte ihr Herr, als sie stehenblieb und ihn zögernd anblickte.

»Verzeihen Sie, gnädiger Herr, ich suchte Harry«, und schon lief das Kind auf sie zu und zeigte ihr die Früchte, die es in seinem Kittelchen gesammelt hatte.

»Da, nimm ihn nur mit«, sagte Mr. Shelby, und eilig entfernte sie sich mit dem Kind auf dem Arm.

»Donnerwetter«, rief der Händler voller Bewunderung, »das ist die richtige Ware! Mit diesem Mädchen könnten Sie sich jeden Tag ein Vermögen in Orleans verdienen. Ich habe es seinerzeit erlebt, wie man über tausend Dollar zahlte für Mädchen, die nicht die Spur hübscher waren.«

»Ich habe gar kein Verlangen, mir ein Vermögen zu verdienen«, sagte Mr. Shelby trocken; und um der Unterhaltung eine andere Wendung zu geben, entkorkte er eine neue Flasche Wein und fragte seinen Besucher, was er von diesem halte.

»Großartig, erstklassig«, lobte der Händler. Dann klopfte er Mr. Shelby vertraulich auf die Schulter und fügte hinzu: »Hören Sie, für wieviel träten Sie das Mädchen ab? Was soll ich bieten? Was verlangen Sie?«

»Mr. Haley, sie ist nicht zu verkaufen. Meine Frau würde sie nicht hergeben, auch nicht, wenn Sie sie in Gold aufwiegen.«

»Ach, hören Sie auf! Das behaupten Frauen immer, weil sie keinen Geschäftssinn haben. Man zeige ihnen mal, was so ein lebendes Gewicht an Schmucksachen und Putz bedeutet, das wird sie umstimmen, da gehe ich jede Wette ein!«

»Ich sage Ihnen doch, Mr. Haley, davon kann keine Rede sein. Wenn ich nein sage, meine ich nein«, sagte Shelby energisch.

»Dann lassen Sie mir wenigstens den Buben«, drängte der Händler. »Sie müssen zugeben, daß ich Ihnen dann sehr weit entgegenkomme.«

»Was in aller Welt können Sie denn mit dem Kind anfangen?« fragte Shelby.

»Nun, ich habe da einen Freund, der sich besonders mit diesem Geschäft befaßt, der kauft hübsche Kinder, um sie auf den Markt zu bringen. Nur eine Sache für Kenner, um sie als Diener an die Reichen zu verkaufen, die sich so hübsche Burschen leisten können; damit prunken sie dann in ihren großen Häusern, wenn solch ein hübscher Kerl die Tür öffnet, aufwartet und bedient. Die bringen ein gutes Stück Geld, und dieser kleine Schlingel ist obendrein noch komisch und musikalisch, ganz die richtige Ware.«

»Ich möchte ihn lieber nicht verkaufen«, sagte Mr. Shelby nachdenklich. »Tatsache ist, ich bin ein humaner Mensch und mag der Mutter das Kind nicht wegnehmen.«

»Wahrhaftig? Aha, von dieser Art! Verstehe vollkommen. Es ist auch manchmal schrecklich unangenehm mit den Weibern. Wenn sie einem die Ohren vollheulen, schrecklich unangenehm. Ich ziehe mein Geschäft meist so auf, daß ich sie ganz aus dem Spiele lasse. Können Sie nicht das Mädchen für einen Tag oder eine Woche fortschicken? Dann macht man die Sache im stillen ab, und alles ist vorbei, wenn sie zurückkommt. Ihre Frau kann ihr dann ein paar Ohrringe oder ein neues Kleid oder irgendeinen Plunder schenken, das wird sie trösten.«

»Ich fürchte, kaum.«

»Doch, doch. Diese Leute, wissen Sie, sind nicht wie wir Weiße. Die überwinden schnell, man muß sie nur richtig anfassen. Da behauptet man«, Haley sprach mit treuherziger, vertraulicher Miene, »daß diese Art von Geschäften das Gefühl abstumpft. Das habe ich nie gemerkt. Tatsächlich habe ich diese Dinge nie so gehandhabt, wie das gewisse Brüder tun. Die reißen der Mutter das Kind aus den Armen und verkaufen es kaltlächelnd, während die Mutter ihnen die Ohren vollgellt, ich hab' es mit eigenen Augen gesehen. Das ist die falsche Linie, das ruiniert die Ware und macht sie untauglich für den Dienst. Ich kannte mal ein sehr hübsches Mädchen in Orleans, die hatte man mit dieser Behandlung völlig verdorben. Der Kerl, der sie kaufen wollte, hatte keine Lust, auch ihr Baby zu nehmen; ich sage Ihnen, sie geriet ganz außer sich, preßte ihr Kind in die Arme und schrie und tobte. Es geht mir heute noch durch Mark und Bein, wenn ich nur daran denke. Als sie ihr dann das Kind forttrugen und sie einschlossen, schnappte sie völlig über und starb innerhalb einer Woche. Tausend Dollar glatt hinausgeschmissen, nur wegen falscher Behandlung. Das kommt davon. Die humane Art ist immer die beste, das ist meine Erfahrung.« Damit lehnte sich der Händler in seinen Stuhl zurück und verschränkte die Arme mit einem Ausdruck tugendhafter Entschlossenheit, als sei er wahrhaftig der reine Menschenfreund.

»Man hat mich schon ausgelacht wegen meiner humanen Grundsätze«, fuhr er fort, »man hat mich darauf angesprochen. Sie sind ja sonst nicht üblich und auch nicht beliebt. Aber ich halte mich daran. Ich bin immer gut dabei gefahren; und die Fahrt hat sich jedesmal bezahlt gemacht.« Der Händler lachte über seinen Witz.

Diese Bemerkungen über die Humanität wirkten so originell und grotesk, daß auch Mr. Shelby in das Gelächter einstimmte. Vielleicht, lieber Leser, mußt du auch lachen. Humanität nimmt heutzutage mancherlei Gestalt an, und es ist noch kein Ende abzusehen, was die Menschen unter dieser Parole noch sagen und tun werden.

»Und Ihre Art von Behandlung ist dem Geschäft einträglicher als die der anderen Händler?« fragte Mr. Shelby.

»Aber klar, das kann ich wohl sagen. Wenn ich nur irgend kann, bin ich bei dem unangenehmen Teil sehr vorsichtig, bei dem Verkauf der Kleinen usw. — die Mädels müssen dann weg -, aus den Augen, aus dem Sinn, wissen Sie. Wenn es dann geschehen und nicht mehr zu ändern ist, dann gewöhnen sie sich daran. Wissen Sie, es ist ja nicht wie bei den Weißen, die erwarten können, daß sie ihre Frauen und Kinder behalten. Die Nigger, wissen Sie, wenn man sie richtig gezogen hat, erwarten gar nichts, denen fällt das leichter.«

»Dann, fürchte ich, sind meine nicht richtig gezogen«, sagte Mr. Shelby.

»Wahrscheinlich nicht. Ihr in Kentucky verzieht eure Nigger. Ihr meint es gut mit ihnen. Aber schließlich tut ihr ihnen keinen Gefallen. Sehen Sie, ein Nigger, der in der Welt herumgeschubst und schließlich an Hinz und Kunz verkauft wird, erwartet keine Freundlichkeit und keine Gefühle. Wird er aber gut gehalten, dann trifft ihn später der rauhe Wind um so härter. Ich behaupte, eure Nigger sind völlig aufgeschmissen auf einer Stelle, wo die Plantagennigger wie die Besessenen noch singen und springen würden. Wissen Sie, Mr. Shelby, jedermann hält seine Methode für die richtige, und ich, behaupte ich, behandle die Nigger, wie man sie behandeln muß.«

»Es ist ein schönes Ding um die eigene Zufriedenheit«, sagte Mr. Shelby mit einem leichten Achselzucken und einem deutlichen Ausdruck inneren Unbehagens.

»Also«, fing Haley wieder an, nachdem sie eine Weile schweigend ihre Nüsse geknackt hatten, »was sagen Sie?«

»Ich werde mir die Sache überlegen und mit meiner Frau reden«, erwiderte Mr. Shelby. »So lange aber, Haley, wenn Sie die Dinge im stillen erledigen wollen, wie Sie sagen, schweigen Sie am besten von Ihrem Geschäft in der Nachbarschaft. Sonst erfahren es meine Jun–gens, und dann wird es nicht gerade ein stilles Geschäft, einen meiner Leute mitzunehmen, das garantiere ich Ihnen.«

»O gewiß! Natürlich! Auf alle Fälle! Aber ich muß Ihnen sagen, es eilt mir; sobald es geht, lassen Sie mich wissen, womit ich zu rechnen habe.« Er stand auf und zog sich seinen Mantel an.

»Schön. Dann kommen Sie heute abend zwischen 6 und 7 Uhr vorbei, dann sollen Sie meine Antwort haben«, sagte Mr. Shelby, und der Händler verließ den Raum unter tiefen Bücklingen.

»Ich wollte, ich hätte den Kerl die Treppe hinunterwerfen können«, sprach Mr. Shelby zu sich selbst, als er sah, daß die Tür sich schloß. »Er hatte eine unverschämte Sicherheit, er weiß, daß er mich in der Zange hat. Wenn mir einer gesagt hätte, daß ich Tom eines Tages an einen dieser gemeinen Händler in den Süden verkaufen würde, hätte ich geantwortet: Ist dein Diener ein Hund, daß du ihn so behandelst? Und nun habe ich keinen anderen Ausweg; und Elizas Kind noch obendrein! Ich weiß, da werde ich mit meiner Frau noch manchen Strauß auszufechten haben. Auch wegen Tom noch. Das kommt von den Schulden — zum Teufel. Der Bursche kennt seinen Vorteil und will ihn wahrnehmen.«

In Kentucky gab es gewiß die mildeste Form der Sklaverei. Während in südlichen Landstrichen die Bestellung der Felder unter dem jähen Wechsel der Jahreszeiten immer im Zeichen drängender Eile vor sich ging, gestatteten es hier die landwirtschaftlichen Verhältnisse dem Neger, bei einem gemäßigten Klima seiner Arbeit ruhig und stetig nachzugehen. Auch lebte er gesünder und vernünftiger. Sein Herr aber war zufrieden mit dem regelmäßigen Ertrag seiner Felder und kam nicht in Versuchung, zugunsten eines plötzlichen und schwindelnden Gewinns in Hartherzigkeit die Interessen der Hilflosen und Bedürftigen zu opfern.

Besuchte man in Kentucky die Farmen und beobachtete die Nachsicht und Freundlichkeit der Herrschaft und die Anhänglichkeit und Treue der Sklaven, so war man versucht, an die oft zitierte, poetische Legende einer patriarchalischen Einrichtung zu glauben. Aber auf diesem freundlichen Bild lag ein tiefer Schatten — der Schatten des Gesetzes. Solange das Gesetz alle diese Menschen mit klopfendem Herzen und lebendigem Gefühl nur als tote Sachen betrachtete, die einem Herrn gehören — solange ein Bankrott, ein Mißgeschick, die Unklugheit oder der Tod des besten Herrn die Ursache sein konnte, daß seine Sklaven mit einem Schlag ein Leben des friedlichen Schutzes, der freundlichen Nachsicht gegen hoffnungsloses Elend und dauernde Plage aufgeben mußten — solange war es unmöglich, die beste Sklaverei erfreulich und angenehm zu machen.

Mr. Shelby hatte einen gutartigen und freundlichen Charakter und war durchaus geneigt, gegen seine Umwelt Nachsicht zu üben. Er hatte es auf seinem Besitz niemals an dem Geringsten fehlen lassen, seinen Negern das Leben behaglich zu machen. Jedoch hatte er großzügig und leichtsinnig spekuliert und sich in Schulden gestürzt. Seine Schuldscheine waren Haley in die Hände gefallen, diese kurze Erklärung ist der Schlüssel zu der vorgehenden Unterhaltung.

Nun hatte es sich gefügt, daß Eliza, als sie sich der Tür näherte, genug von der Unterhaltung aufgefangen hatte, um zu verstehen, daß der Händler ihrem Herrn ein Angebot auf ihren Buben gemacht, oder irrte sie sich? Ihr Herz schlug schwer, und unwillkürlich preßte sie den Knaben so fest an sich, daß er erstaunt zu ihr aufsah.

»Eliza, Mädchen, hast du Kummer?« fragte ihre Herrin, als sie den Waschständer umgeworfen und den Stickrahmen zerbrochen hatte und schließlich ihrer Herrin geistesabwesend ein langes Nachthemd statt des geforderten seidenen Kleides aus dem Schrank holte.

Eliza fuhr auf. »Oh, gnädige Frau!« sagte sie und schlug flehend die Augen auf, dann in Tränen ausbrechend, setzte sie sich auf einen Stuhl.

»Aber Eliza, was ist denn los?«

»Oh, gnädige Frau! Im Wohnzimmer hat ein Händler mit dem gnädigen Herrn gesprochen. Ich habe ihn gehört.«

»Nun, du dummes Kind, was ist dabei?«

»Oh, gnädige Frau, glaubt ihr, der gnädige Herr wird meinen Harry verkaufen?« Und das arme Geschöpf brach in Schluchzen aus.

»Ihn verkaufen? Nein, du Dummerchen! Du weißt doch, der gnädige Herr wird sich niemals mit den südlichen Händlern einlassen; solange seine Leute sich gut aufführen, wird er sie nicht verkaufen. Und wer sollte denn deinen Harry kaufen wollen, du törichtes Kind? Denkst du wirklich, alle Welt ist so vernarrt in ihn wie du? Komm, sei wieder vergnügt und hake mir mein Kleid zu. So ist es recht, und nun lege mir das Haar am Hinterkopf in die hübschen Flechten, wie du es neulich gelernt hast. Das ist gescheiter als das Horchen an der Tür.«

»Ja, aber gnädige Frau, Ihr würdet niemals Eure Einwilligung geben, wenn sie wirklich …?«

»Unsinn, Kind. Ich würde nicht daran denken. Dann könnte ich ebensogut meine eigenen Kinder verkaufen. Wirklich, Eliza, du bist zu stolz auf den kleinen Kerl. Ein Mann braucht nur seine Nase in die Tür zu stecken und schon bildest du dir ein, er will das Kind kaufen.«

Dieser zuversichtliche Ton beruhigte Eliza, so daß sie sich flink und geschickt an die Toilette ihrer Herrin machte und schließlich selbst über ihre Ängste lachte.

Mrs. Shelby war eine Frau von hoher, geistiger und moralischer Bildung. Außer jener natürlichen Großmut und Freiheit des Geistes, die man bei den Frauen in Kentucky häufig fand, besaß sie religiöses Empfinden und hohe moralische Grundsätze, die sie in die Tat umzusetzen pflegte. Ihr Mann, der sich nicht weiter um Religion bemühte, bewunderte und achtete ihre Beständigkeit, auch hatte er vor ihren Ansichten vielleicht ein wenig Angst. Jedenfalls ließ er ihr völlig freie Hand in ihrem liebevollen Bemühen um das Wohlergehen, die Erziehung und Besserung ihrer Leute. Er selber freilich beteiligte sich nicht daran. In der Tat schien er irgendwie der Ansicht zu sein, daß die Frömmigkeit und Güte seiner Frau für zwei ausreiche, wobei er die leise Erwartung hegte, durch den Reichtum ihrer Tugenden, an denen er keinen Anteil hatte, gleichfalls in den Himmel zu kommen.

Jetzt lag es ihm wie eine Zentnerlast auf der Seele, daß er ihr nach seiner Abmachung mit dem Händler dieses Ergebnis mitteilen mußte. Er wußte genau, mit welcher Opposition er dabei zu rechnen hatte.

Mrs. Shelby hatte nicht den leisesten Argwohn bezüglich der Geldverlegenheit ihres Mannes; sie kannte nur seinen gutmütigen Charakter und war deshalb durchaus gutgläubig, als sie Elizas Verdacht zerstreute. Tatsächlich schenkte sie der ganzen Sache keine weitere Beachtung mehr, sondern rüstete sich zu einem Abendbesuch, so daß sie bald alles andere vergessen hatte.

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