29. Kapitel Der Sklavenspeicher

Ein Sklavenspeicher! Vielleicht verbinden einige Leser schreckliche Vorstellungen mit einem solchen Ort. Sie malen sich eine dunkle, unsaubere Scheune aus. Weit gefehlt, liebe Unschuld! Heutzutage sündigt man gefällig und manierlich. Menschenware steht hoch im Kurs und wird daher gut ernährt, reinlich gehalten, gepflegt und gestriegelt, damit sie glatt, blank und kräftig auf den Markt kommt. Ein Sklavenspeicher in New Orleans ist ein Haus, äußerlich fast wie viele andere.

Man wird dich höflich auffordern, einzutreten und die Ware in Augenschein zu nehmen; drinnen werden sich Ehemänner, Ehefrauen, Geschwister, Eltern und kleine Kinder im Überfluß finden, die >einzeln oder gemeinschaftlich, ganz nach Belieben des Käufers< zum Verkauf gelangen. Dort kann jede unsterbliche Seele, die einst Gottes Sohn mit Blut und Tränen kaufte, als die Erde bebte, Berge hinfielen und die Gräber sich öffneten, verkauft, verpachtet, verpfändet oder gegen Kolonialwaren eingetauscht werden, ganz wie es den Handelsformen entspricht.

Wenige Tage nach der Unterhaltung zwischen Marie und Miß Ophelia übergab man Tom, Adolf und noch einige andere aus St. Clares Haushalt der liebevollen Obhut Mr. Skeggs', der den Sklavenspeicher in der X–Straße leitete, damit sie am nächsten Tage versteigert würden.

Tom hatte einen ansehnlichen Koffer mit Kleidungsstücken mitgebracht. Für die Nacht drängte man ihn und seine Gefährten, wie die meisten anderen, in einen langen Saal, wo bereits viele Männer jeden Alters, jeder Größe und jeder Farbschattierung versammelt waren, wo unbändige Heiterkeit herrschte und Lachsalven erdröhnten.

»Ei, ei! Das ist recht! Macht nur weiter, Jungens!« rief Mr. Skeggs, der Aufseher. »Meine Leute sind immer munter, nur weiter, Sambo!« sagte er lachend zu einem feisten Neger, der Kunststücke niedrigster Sorte zum besten gab und damit die Lachsalven entfesselte, die Tom gehört hatte.

Man kann sich gut vorstellen, daß Tom nicht in der Stimmung war, an diesen Vorgängen teilzunehmen, deshalb brachte er seinen Koffer weit entfernt von der lärmenden Gruppe in die äußerste Ecke, setzte sich darauf und lehnte seine Stirn gegen die Wand.

»Was macht denn da der Nigger?« rief Sambo und drängte sich an Tom heran, nachdem Mr. Skeggs den Saal verlassen hatte. Sambo war ein tief schwarzer Neger von riesiger Größe, lebhaft, fett und voller Schabernack und Grimassen.

»Was treibst du denn?« fragte Sambo und stieß Tom anzüglich in die Seite. »Warum so nachdenklich, he?«

»Ich werde morgen versteigert«, antwortete Tom.

»Versteigert — Ha! Ha! Jungens hört den Spaß! Ich wollte, mir gings auch so. Sie sollten sich alle vor Lachen biegen! Aber wie ist das hier? Geht die ganze Bande morgen?« fragte Sambo und legte Adolf vertraulich seine Pranke auf die Schulter.

»Bitte, lassen Sie mich los!« zischte Adolf erbost und richtete sich voller Abscheu auf.

»Ha, Jungens, hier ist einer von den weißen Niggers — so ein cremefarbener, parfümierter, wie?« spottete Sambo und trat schnuppernd zu Adolf.

»Hallo, der gehört in einen Tabakladen, da könnte er den Schnupftabak parfümieren, der hält einen ganzen Laden im Schwung — der Laffe!«

»Nehmen Sie sich in acht!« stieß Adolf außer sich hervor.

»Ach Gott, wie zartbesaitet wir sind — wir weißen Niggers! Seht uns nur an!« Und Sambo machte Adolfs geziertes Wesen nach. »Wie fein und herrschaftlich wir sind. Vermutlich kommen wir aus bester Familie!«

»Jawohl«, sagte Adolf; »ich hatte einen Herrn, der hätte euch alle als Altpapier kaufen können!«

»O Gott«, höhnte der andere wieder, »was sind wir doch für ein feiner Herr!«

»Ich gehöre zur Familie St. Clare«, sagte Adolf stolz.

»Nein, so was! Zum Henker, wenn die nur nicht froh sind, dich loszuwerden. Wahrscheinlich verschachern sie dich mit einem Haufen geborstener Teekessel und ähnlichem Ramsch!« Und Sambo grinste herausfordernd.

Wutentbrannt griff Adolf seinen Gegner blindlings an und schlug nach allen Seiten aus. Die übrigen lachten und schrien, der allgemeine Tumult brachte den Aufseher zur Stelle.

»Was soll das, Burschen? Ordnung, Ruhe!« rief er und schwang eine große Peitsche. Alle stoben in verschiedener Richtung auseinander, nur Sambo, im Gefühl, bei dem Aufseher wegen seiner Späße in besonderer Gunst zu stehen, verharrte an seinem Platz und duckte seinen Kopf mit frechem Grinsen, jedesmal, wenn der Aufseher nach ihm zielte.

»Wir waren es nicht, Herr! Wir sind ganz ruhig! Da, die neuen Leute, die führen sich so auf und lassen uns nicht in Ruhe!«

Der Aufseher wandte sich an Tom und Adolf, verteilte ohne viel zu fragen einige Knüffe und Püffe unter sie, ermahnte dann alle zur Ruhe und verließ wieder den Saal.

Während diese Szene im Schlafsaal der Männer vor sich ging, mag der Leser vielleicht einen Blick in den nächsten Raum werfen wollen, der den Frauen zugewiesen war. Dort findet er in allen Stellungen, auf den Boden hingestreckt, schlafende Gestalten in allen Farbschattierungen, vom tiefsten Schwarz bis zum reinsten Elfenbein, in jedem Alter, von der Kindheit bis zum Greisenalter, alle in tiefem Schlaf. Hier liegt ein hübsches, gescheites zehnjähriges Mädchen, dessen Mutter gestern verkauft wurde und das sich heute nacht heimlich in den Schlaf weinte. Dort ruht eine alte abgearbeitete Negerin, deren dünne Arme und steife Finger von harter Arbeit sprechen, die morgen darauf wartet, als Ausschuß verkauft zu werden, wenn sie überhaupt noch einen Preis erzielt; ringsherum liegen vierzig oder fünfzig andere, die ihren Kopf, je nachdem, in Decken oder alte Kleidungsstücke gewickelt haben. Aber in einer Ecke, abgesondert von den anderen, sitzen zwei Frauen von etwas auffallendem Äußeren. Die eine ist eine achtbar gekleidete Mulattin zwischen vierzig und fünfzig, mit sanften Augen und angenehmen Zügen. Um den Kopf geschlungen trägt sie einen hohen Turban aus einem hellroten Madrastuch von feinster Qualität, ihr Kleid aus gutem Stoff von bestem Schnitt verrät die sorgfältige Hand einer guten Herrin, ihr zur Seite, dicht an sie geschmiegt, sitzt ein junges Mädchen von fünfzehn Jahren — ihre Tochter. Sie ist eine Quadro–ne, was man an ihrer helleren Haut erkennt, obwohl sonst ihre Ähnlichkeit mit der Mutter unverkennbar ist. Sie hat dieselben dunklen Augen, nur mit längeren Wimpern, und ihr lockiges Haar ist von einem kräftigen Braun. Auch sie ist mit großer Sorgfalt gekleidet, und ihre zarten, weißen Hände bekunden, daß sie mit harter Arbeit nicht vertraut ist. Diese beiden sollen gleichfalls morgen mit den St. — Clare–Leuten verkauft werden. Der Herr, dem sie gehören und dem der Erlös aus ihrem Verkauf zufließt, ist Mitglied einer christlichen Kirche in New York, der das Geld einstreichen und danach das Sakrament seines Heilands, der auch der ihre ist, empfangen wird, ohne sich weiter Gedanken darüber zu machen.

Diese beiden, die wir Susan und Emmeline nennen wollen, hatten zu der persönlichen Aufwartung einer liebenswürdigen und frommen Dame in New Orleans gehört, die sie fromm und gewissenhaft hatte erziehen und ausbilden lassen. Sie hatten lesen und schreiben gelernt und waren sorgfältig in der Wahrheit unserer Religion unterwiesen worden; ihr Los war den Umständen angemessen so glücklich wie nur möglich gewesen. Aber der einzige Sohn ihrer Beschützerin, der die Verwaltung des Gutes leitete, hatte es durch Vergeudung und Leichtsinn derartig belastet, daß er schließlich bankrott machte. Einer der ersten Gläubiger war die angesehene Firma von B. & Co. in New York. B. & Co. schrieben an ihren Anwalt in New Orleans, der die bewegliche Habe (zu deren wertvollstem Teil diese beiden und zahlreiche Plantagenneger gehörten) mit Beschlag belegte und dementsprechend nach New York berichtete. Bruder B. hatte, wie wir sahen, als Christenmensch und Bürger eines freien Staates gewisse Bedenken bei diesem Geschäft. Es behagte ihm nicht, mit Sklaven und Menschenseelen handeln zu müssen — ja, es war ihm ungemütlich; aber schließlich standen dabei dreißigtausend Dollar auf dem Spiel, und soviel Geld opfert man nicht gern einem Prinzip. Daher schrieb Bruder B. nach vielen Bedenken und Ratschlägen guter Freunde, die er deshalb eingeholt hatte, seinem Anwalt, er möge das Geschäft auf die bestmögliche Art abwickeln und ihm den Erlös überweisen.

Kaum war der Brief in New Orleans eingetroffen, wurden Susan und Emmeline ergriffen und zu dem Depot geschickt, um dort die morgige Auktion abzuwarten. Während sie undeutlich im Mondlicht, das durch die vergitterten Fenster dringt, vor uns sitzen, vermögen wir mühelos ihrer Unterhaltung zu folgen. Beide weinen, aber jede leise für sich, damit die andere es nicht merke.

»Mutter, leg doch deinen Kopf in meinen Schoß und versuche ein wenig zu schlafen«, sagte das Mädchen und versuchte, gefaßt zu erscheinen.

»Ich bring es nicht übers Herz, jetzt zu schlafen, Em! Ich kann nicht. Es kann doch die letzte Nacht sein, die wir zusammen sind!«

»Oh, Mutter, sprich nicht so! Vielleicht werden wir zusammen verkauft — wer kann das wissen?« »Wenn es sich um andere handelt, würde ich auch so denken, Em«, seufzte die Frau, »aber ich bin so in Angst, dich zu verlieren, daß ich nichts als die drohende Gefahr vor Augen habe.«

»Aber wieso, Mutter? Der Mann sagte, wir seien beide ansehnlich und würden uns leicht verkaufen lassen.«

Susan erinnerte sich der Blicke und Worte des Mannes. Sie fühlte, wie sich ihr Herz tödlich zusammenkrampfte, wenn sie daran dachte, wie er Emmelines Hände betrachtete, ihr lockiges Haar hochgehoben und sie als erstklassigen Artikel gerühmt hatte. Susan war als Christin erzogen und an die tägliche Lektüre der Bibel gewöhnt worden, sie empfand dasselbe Entsetzen wie jede andere Christin bei der Vorstellung, ihr Kind einem Leben der Schande ausgesetzt zu wissen — aber sie hatte keine Hoffnung — keinen Schutz.

»Mutter, wir werden es großartig treffen, wenn du in einer Familie eine Stellung als Köchin bekämst und ich vielleicht als Stubenmädchen oder Näherin. Das wird uns schon gelingen. Wir wollen nur recht frisch und lebhaft dreinblicken und alles aufzählen, was wir können, dann gelingt es vielleicht«, versuchte Emmeline zu trösten.

»Ich möchte, daß du dir morgen das Haar ganz glatt zurückbürstest«, sagte Susan.

»Aber wozu, Mutter? Ich sehe dann nicht halb so gut aus.«

»Ja, aber du wirst dich leichter verkaufen.«

»Das seh ich nicht ein«, meinte das Mädchen.

»Angesehene Familien sind mehr geneigt, dich zu kaufen, wenn sie sehen, daß du schlicht und anständig bist, als wenn du hübsch aussiehst. Ich kenne mich da besser aus als du«, sagte Susan.

»Ja, Mutter, dann will ich es tun.«

»Und, Emmeline, wenn wir uns von morgen an niemals wiedersehen — wenn ich irgendwo auf eine Plantage verkauft werde und du ganz woanders hin -, vergiß nie, wie du erzogen wurdest und was deine Herrin dich lehrte. Nimm die Bibel mit und dein Gesangbuch; wenn du dem Heiland treu bleibst, wird er dir auch treu bleiben.«

So spricht die arme Seele in bitterer Bedrängnis; denn sie weiß, daß morgen jeder Bösewicht, wenn er genügend Geld besitzt, ihre Tochter mit Leib und Seele erwerben kann; wie soll dann das Kind die Treue halten? Daran denkt sie, während sie das Mädchen umschlungen hält, und wünscht zu Gott, es wäre nicht halb so hübsch und anziehend. Es scheint ihr die Sache nur zu verschlimmern, wenn sie daran denkt, wie rein und fromm, wie weit über dem gewöhnlichen Durchschnitt sie erzogen wurde. Sie hat keine Zuflucht als das Gebet.

Unbeweglich blicken die sanften, ernsten und stillen Strahlen des Mondes herein und zeichnen die Gitterstäbe auf den schlafenden Körpern ab. Mutter und Tochter singen zusammen eine melancholische Weise, wie sie als Begräbnishymnen unter den Sklaven üblich war:

»Oh, wo ist die weinende Marie?

Oh, wo ist die weinende Marie?

Angelangt im Reiche Gottes.

Sie ist tot undfuhr gen Himmel;

Sie ist tot undfuhr gen Himmel;

Angelangt im Reiche Gottes.«

Der Morgen graute, und alles ist auf den Beinen; der ehrenwerte Mr. Skeggs hat alle Hände voll zu tun, um seine Ware für die Auktion zu richten. Bei der Morgenwäsche wird scharf aufgepaßt, jeder wird ermahnt, putzmunter aufzutreten und sich blitzblank zu machen. Zur letzten Inspektion müssen alle sich im Kreis aufstellen, bevor man sie zur Börse treibt.

Mr. Skeggs geht von einem zum anderen, den Panamahut im Genick, die Zigarre im Mund, und legt überall letzte Hand an seine Ware.

»Was soll das?« fragt er und tritt vor Susan und Emmeline. »Wo sind deine Locken, Mädel?«

Das Mädchen blickt schüchtern auf die Mutter, die mit der gewandten Glätte ihrer Rasse antwortet:

»Ich hab ihr gestern abend befohlen, sich das Haar glatt und ordentlich zu kämmen und nicht in Locken hängen zu lassen — so sieht sie gesitteter aus!«

»Quatsch«, sagt der Mann verächtlich und wendet sich befehlend an das Mädchen. »Geh sofort und roll dir deine Locken, recht flott!« Und er fährt mit einer Rassel durch die Luft, »bißchen dalli, verstanden! Du kannst mitgehen und ihr helfen«, sagt er zu der Mutter. »Die Locken können beim Verkauf einen Unterschied von hundert Dollar ausmachen.«

Unter einer prächtigen Kuppel bewegten sich Menschen aller Nationen und schritten über den Marmorfliesen hin und her. Auf jeder Seite in der Runde befanden sich für die Ausrufer und Versteigerer kleine Tribünen und Rednerpulte, von denen jetzt zwei, die sich gegenüberlagen, von zwei hervorragenden Rednern besetzt waren, die in einem Gemisch von Englisch und Französisch sich in lebhafter Aufforderung an die Kenner wandten, ihre Waren zu besichtigen. Eine dritte Tribüne, noch leerstehend, wurde von Menschen umlagert, die auf den Verkaufsanfang warteten. Unter ihnen erkennen wir unschwer die Leute St. Clares, Tom, Adolf und die andern, auch Susan und Emmeline standen hier und warteten mit ängstlichen Gesichtern, bis sie an die Reihe kamen. Verschiedene Zuschauer, die je nachdem zu kaufen oder nicht zu kaufen beabsichtigten, scharten sich um diese Gruppe, befühlten sie, musterten sie und redeten über ihre Vorzüge und Gesichter mit derselben Unbekümmertheit, mit der eine Anzahl Jockeis den Wert eines Rennpferdes abschätzt.

»Hallo, Alf! Was führt dich hierher?« fragte ein junger Geck und schlug einem geschniegelten jungen Mann vertraulich auf die Schulter, der sich Adolf durch ein Monokel betrachtete.

»Ach, ich brauche einen Kammerdiener und hörte, daß heute das Volk von St. Clare losgeschlagen wird. Ich wollte mir gerade mal diesen Burschen unter die Lupe…«

»Der Himmel bewahre mich vor St. Clares Dienern! Verzogene Nigger, jeder einzelne von ihnen. Unverschämt wie die Teufel!« sagte der andere.

»Keine Bange«, erwiderte der erste. »Wenn ich sie nehme, treibe ich ihnen schon die Mucken aus; sie werden schon merken, daß sie bei mir an den rechten gekommen sind. Auf mein Wort, ich werde mir den Burschen kaufen; mir gefällt das Gesicht.«

»Na, der wird dir schön zu schaffen machen. Der ist bestimmt verteufelt anspruchsvoll.«

»Ja, aber das wird sich der Herr bei mir nicht leisten können. Der wird ein paarmal in die Prügelbude geschickt und gründlich durchgewalkt. Da wird er schon Vernunft annehmen. Den zieh ich mir schon auf Biegen und Brechen — warte nur ab. Ich kauf ihn, soviel steht fest!«

Tom hatte dagestanden und wehmütig unter den unzähligen Gesichtern, die ihn umdrängten, Ausschau gehalten nach einem, den er sich zum Herrn wünschen möchte.

Kurz bevor der Verkauf begann, bahnte sich ein kurzer, gedrungener, muskulöser Mensch in kariertem Hemd, das über der Brust weit aufklaffte, und weiten Hosen, die durch das Tragen und den vielen Schmutz nicht besser geworden waren, mit beiden Ellbogen den Weg durch die Menge, wie jemand, der sich sogleich ans Geschäft machen will; ungeniert an die Gruppe herantretend, begann er sogleich eine systematische Untersuchung. Tom hatte gesehen, wie er sich näherte, und sogleich eine instinktive Abneigung verspürt, die sich noch steigerte, als der andere herankam, der offensichtlich über gewaltige Kräfte verfügte. Es ließ sich nicht bestreiten, sein runder Wirrkopf mit den großen hellgrauen Augen unter buschigen sandfarbenen Augenbrauen, mit strähnigen, drahtigen, sonnengebleichten Haaren machte keinen sehr einnehmenden Eindruck; sein großer, grober Mund war vom Tabakkauen entstellt. Von Zeit zu Zeit spuckte er plötzlich heftig eine Ladung Tabaksaft aus; seine Hände waren unförmig groß, haarig, sonnenverbrannt, mit Sommersprossen übersät und schmutzig, die kurzen Fingernägel befanden sich in böser Verfassung. Dieser Mann begann jetzt eine rücksichtslose Musterung. Er ergriff Tom am Unterkiefer und riß ihm den Mund auf, um seine Zähne anzusehen, dann ließ er ihn den Ärmel aufkrempeln, um seine Muskeln zu prüfen, drehte ihn um, ließ ihn hüpfen und springen, um seinen Schritt zu beobachten.

»Wo bist du aufgezogen?« fragte er kurz bei diesen Übungen.

»In Kentucky, Herr«, sagte Tom und blickte sich hilfesuchend um.

»Was hast du da gemacht?«

»Die Farm meines Herrn verwaltet«, sagte Tom.

»Schönes Märchen«, sagte der andere kurz, als er weiterging. Er verweilte einen Augenblick bei Adolf, dann spuckte er ihm einen Strahl Tabaksaft auf die blankgewichsten Stiefel, brummte ein verächtliches »Puh!« und ging vorbei. Jetzt hielt er vor Susan und Em–meline. Er streckte seine schwere, schmutzige Hand aus, zog das Mädchen zu sich und fuhr ihr damit über Brust und Hals, befühlte ihre Arme, betrachtete ihre Zähne und stieß sie dann zurück zu ihrer Mutter, deren geduldiges Gesicht die Pein verriet, die ihr jede Bewegung des gräßlichen Fremden verursacht hatte.

Das erschrockene Mädchen begann zu weinen.

»Hör auf, du Balg!« sagte der Verkäufer; »hier wird nicht geflennt, gleich geht es los.« Und schon wurde der Verkauf eröffnet.

Adolf ging gegen eine gute Summe an den jungen Herrn, der vorher seine Kaufabsichten geäußert hatte, und die anderen Diener St. Clares kamen an verschiedene Käufer.

»Los, rauf mit dir, Bursche, hörst du nicht?« sagte der Versteigerer zu Tom.

Tom bestieg den Block, warf ängstliche Blicke um sich; alles ging in einem allgemeinen Lärm unter — der Verkäufer ratterte seine Vorzüge Englisch und Französisch herunter, die Angebote knallten wie Raketen auf französisch und englisch zurück. Fast im selben Moment schlug dumpf der Hammer zum drittenmal auf, und hell erklang die letzte Silbe des Wortes >Dollars<, als der Versteigerer seinen Preis verkündete und Tom übereignet wurde. Er hatte wieder einen Herrn!

Man stieß ihn vom Block herunter; der stämmige, stierköpfige Mann packte ihn grob bei der Schulter, puffte ihn zur Seite und sagte mit rauher Stimme: »Da stell dich hin!«

Tom wußte kaum, wie ihm geschah; aber noch ging die Versteigerung weiter — ratternd, knallend, bald auf französisch, bald auf englisch. Der Hammer fällt herunter, und Susan ist verkauft. Sie steigt vom Block herab, hält inne und blickt sich sehnsüchtig um; ihre Tochter streckt die Arme nach ihr aus. In Todesangst blickt sie dem Mann entgegen, der sie kaufte — ein achtbarer Mann in mittleren Jahren, der ein wohlwollendes Gesicht hatte.

»Oh, Herr, bitte kaufen Sie doch meine Tochter!«

»Das tät ich gern, aber ich fürchte, das geht über meine Verhältnisse«, sagte der Herr und sah mitleidig zu, wie das junge Mädchen den Block bestieg und mit erschrockenen und ängstlichen Blicken um sich sah.

Das Blut steigt ihr siedendheiß in die sonst farblosen Wangen, ihre Augen haben ein fiebriges Feuer, und ihre Mutter bemerkt aufstöhnend, daß sie hübscher ist als je zuvor. Der Versteigerer nimmt seinen Vorteil wahr und preist ihre Vorzüge in wortreichem Kauderwelsch von Französisch und Englisch.

»Ich will tun, was in meinen Kräften steht«, sagte der wohlwollende Herr, drängte sich heran und beteiligte sich am Bieten. Aber schon in wenigen Augenblicken übersteigen die Angebote seine Geldbörse. Er verstummt; der Versteigerer erhitzt sich, aber die Angebote lassen nach. Es geht jetzt zwischen einem aristokratischen alten Bürger und unserem stiernackigen Bekannten hin und her. Der alte Aristokrat bietet noch ein paarmal, seinen Gegner mit verächtlichen Blicken messend; aber der Wirrkopf ist ihm überlegen, sowohl in der Hartnäckigkeit wie in der Ausdauer seiner Geldbörse, der Wettstreit dauert nicht lange. Der Hammer fällt, und ihm gehört das junge Mädchen mit Leib und Seele, wenn Gott ihr nicht beisteht.

Ihr Herr ist Mr. Legree, Besitzer einer großen Baumwollplantage am Red River. Sie wird zu Tom und noch zwei anderen Leuten abgeschoben und geht weinend mit.

Dem wohlwollenden Herrn tut es leid, aber schließlich passiert das alle Tage! Immer sieht man Mütter und Töchter bei diesen Verkäufen in Tränen ausbrechen. Das ist nicht zu ändern, und er geht mit seiner Neuerwerbung in anderer Richtung davon.

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