Lieber Freund.
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Der Mensch ist sich selber sein eigenes Haus, so kommt er rüber und so geht er raus,
mächtig und prächtig,
ärmlich erbärmlich,
das ist der Mensch und so sieht er aus.
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Der Kerker von London, der «London Dungeon», hat eine neue Adresse. Er ist jetzt in einem neuen Betonbau in der Temple Street, unweit der Cheapside, untergebracht, man weiß nicht, was sie sich dabei gedacht haben. Äußerlich transportiert er überhaupt nichts, kein Grausen, keinen Schauder, nicht die leiseste Düsterkeit bringt er herüber, außer daß man sich vor der glatten Fassade fürchtet. Und da nützt auch die Plakatwand über dem Eingang mit dem «grünen Mann» nichts.
Wir Londoner können das nur bedauern.
Vorbei die Zeiten, da man von der London Bridge kommend in Richtung Bermondsey Market den «stench» der Straße genoß — es war nicht gerade ein Uringeruch, aber scharf war er. Man watete durch den fußhohen Papier- und Gemüsebelag, der sich an den Markttagen angesammelt hatte, genauer gesagt war es ein wandernder Belag, durch den man watete, denn die Märkte lagen immerhin noch eine halbe Meile entfernt. Diesen und den hellen Ton von Eisen erinnere ich. Parallel zur Straße fuhr die Bahn.
Klirrend und bedrohlich.
Denn jetzt komme ich zur eigentlichen Attraktion dieser Gegend. Die Bahn fuhr hoch oben auf einer schwarzen Trasse, sechs oder sieben Gleise breit, einer Galerie von gemauserten Bögen, jeder Bogen ein tiefes schwarzes Loch und einer neben dem anderen.
Diese Eisenbahngalerie — um die Jahrhundertwende gebaut — hatte ursprünglich wohl als architektonisches Wunder gegolten. Jetzt war mindestens jedes zweite Bogengewölbe verschalt und besetzt mit Werkstätten, Möbellagern, was weiß ich, Gasdepots, Tankstellen. Sogar eine Suppenküche befand sich hier, und gleich hinter der Buck Street, die schwarz durch eines der Bogenlöcher verlief, waren die nächsten sechs oder acht Bögen vollständig zugemauert: Der «London Dungeon».
Es hätte keinen passenderen Platz finden können. Ich bin dort gewesen, ich kann mitreden.
Drinnen herrschte totale Nacht. Die Masse des Gesteins grollte dem Besucher in den Ohren, sie grollte wirklich, wenn oben Züge liefen, und er spürte das Gewicht. Gleich am Eingang stand der Kerkermeister, ein grünlicher, viereckiger Gewalttäter mit einladendem Grinsen, das sehr echt aussah. Ich hatte einmal seine Kinnlade angefaßt und träumte noch lange davon. Und spätestens mit Entrichtung seines Eintrittsgeldes von drei Pfund weiß der Besucher, daß er hier alle Hoffnung fahren lassen kann. Denn jetzt wurde es dunkel.
Das Tonband. Sie ließen dieses grauenhafte Tonband laufen, entsetzliche Schreie, tief aus dem Erdinneren dringend, in Abständen dumpf und dann ganz schrill quieckend, als ob da zwischendurch Ohnmachten stattfanden. Und dann wurde es noch dunkler und es gab kein Zurück — aber man hatte es ja so haben wollen, für seine drei Pfund.
Da war ein Fenster, ein viereckiges Loch in der Wand, durch das man in einen der tiefgelegenen Kerker sehen konnte. Da rang eine arme Frau die Hände, die Füße hatte man ihr gequetscht und den Mund mit einer Eisenbirne verschraubt. Ich fühlte meine gesträubten Haare, ich glaube, es lief sogar eine mechanische Ratte umher. Zwei Stunden Kerkerhaft und ein lebenslänglicher Dauerschaden des Besuchers.
Oh, es waren auch bildungswerte Dinge zu bewundern, Heinrich den Vierten in seiner Mission, den Iren die Köpfe abzuhacken, das Totenbett Richards des Ersten, William den Vierten mit den Pocken, Edgar den Dreizehnten als Büßer mit entfernter rechter und linker Hand, die spektakuläre Hinrichtung von Perkin Warbeck, alles lebensgroß. Für die Hinrichtung gab es einen eigenen Raum, in dem schreckliche Geräusche, Knirschen und Reißen zu hören waren, und der Geruch angesengten Fleisches. Offen gestanden, weit mehr hatten mich die authentischen Werkzeuge beeindruck, obwohl sie Imitationen waren, nehme ich an, die Stockeisen, die Blöcke, die Zangen und Zwingen, ja, auch die Prügelmaschine — oh ja, deren Gebrauch konnte ich nachvollziehen, ein Kasten, der nur den blanken Hintern freigab. Gut nachvollziehbar. Dazu bröselten die alten Ziegel von den Wänden und vom Gewölbe tropfte das Sickerwasser, ein großes Szenario damals und, mit der neuen Adresse, ein ebenso großer Verlust heute. Wahrscheinlich haben sie jetzt den ganzen Dauerschaden für Schulklassen aufbereitet und entsprechend entfettet. Sie kriegen ja alles hin und werden auch noch den Rest der Welt ruinieren. Meine Meinung.
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So wird es nicht sehr verwundern, wenn ich jetzt mit dem Schlüssel in der Hand von der London Bridge kommend in die Buck Street einbiege.
Fünf Wochen lang hatte diese Bahntrasse, beziehungsweise der unterirdische Teil derselben, bestehend aus acht gemauerten Gewölbebögen samt Durchbrüchen zum Verkauf gestanden, regulär auf dem Immobilienmarkt, regulär als Immobilie. Natürlich ohne Heinrich den Vierten und Richard den Ersten. Zu übernehmen waren lediglich noch einige feste Einbauten wie Schafotte und Gitterkäfige. Übrigens auch der «grüne Mann», den hatten sie nicht mitnehmen wollen.
Das Objekt hatte ja einige Tücken aufzuweisen, mangelnde Lüftung, mangelnde Lichtverhältnisse, Mauerschwamm, gehobener Geräuschpegel durch durchfahrende Züge und auch sonst alle möglichen Verwerfungen, alle geeignet, den geforderten Preis auf ein Minimum zu drücken. Denn wir wollen uns nichts vormachen, es würde einiger Größe bedürfen, sich hier unter den gegebenen Umständen häuslich einzurichten.
So hatte ich denn am Ende und nach zähen Verhandlungen nur noch einen einzigen Opponenten, der Kontra bot, eine Abfallverwertungsgesellschaft, der die Finsternis nichts auszumachen schien, die dann aber doch den freien Himmel vorzog, irgendein gestaltloses Gelände in Canningtown. Naja. Ich hatte mich ernstlich gewundert, daß ich überhaupt noch etwas bezahlen mußte. Im Endeffekt.
Und zu meiner eigenen Überraschung: Ich hatte den «London Dungeon» gekauft regulär als Immobilie auf dem Immobilienmarkt. In London. Also sieht man mich an diesem schönen Londoner Abend einen Schlüssel hervorziehen und die schwere Eisentür aufschließen. Als letztes sehe ich noch die Sonnenkringel an der gegenüberliegenden Hauswand und habe das Ding-Dong, Ding-Dong im Ohr, das Lied der Verzweiflung, als ich nun meine Unterwelt regulär als Eigentümer betrete.
Gleich vorne steht der «grüne Mann», riecht etwas streng, wahrscheinlich ist die Holzwolle innen stockig geworden. Ich horche in die Tiefe, wo ein entferntes Wassertropfen hörbar ist, sehr entfernt, das ganze Ausmaß verdeutlichend. Als Beleuchtung gibt es hier nur eine einzelne bescheidene Birne oben an der Decke, die nicht sehr hilft, das Dunkel zu erhellen, nächstens werde ich rote Lampions anbringen. Ich gehe einen Schritt und noch einen Schritt, Eintritt brauche ich nicht zu zahlen, noch einen Schritt — und dann klickt die Gittertür hinter mir ins Schloß. Und zwar laut, das erzielt dann einen zusätzlichen Schaden.
Habe ich das vergessen. Diese «Schleuse» gehörte auch noch zu den abzulösenden Einbauten (ohne Figuren). Ein Gitterraum mit zolldicken Gitterstäben und je einer Tür vorne und einer hinten, die automatisch ins Schloß fallen, wenn der Besucher hindurchgeht. Damit sollte wohl vermittelt werden, wie es sich anfühlt, wenn die Tür ins Schloß fällt. Für immer und ewig. Zur Anschauung steht da noch die Streckbank im Raum, mit Seilzügen an den vier Ecken.
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Aber ich sehe, daß ich die Geschichte von hinten aufziehe. Als Anfang sollten die Brüder Karamasow auf dem Bahnhof Paddington ihren Auftritt haben. Nachmittags um fünf Uhr von der Underground kommend, auf den Platz vor der großen Anzeigetafel einbiegend, wo man auf die Anzeige für den Zug nach Bath wartet. Genauer gesagt, lauert. Denn sie bringen die Anzeige immer ganz knapp, zwei Minuten vor Abfahrt des Zuges, und jeder rennt. Ich sehe also die Brüder kommen — sie hatten sicherlich nicht die Underground, sondern ein Taxi genommen, die Stände sind gleich nebenan —, und denke noch, das ist lächerlich dicht, wie mir die Brüder auf den Fersen sind, und woher wollen sie wissen, daß ich nach Bath fahre. Während mir zum soundsovielten Mal aufgeht, wie lächerlich es ist: Immer einen Schritt zu kurz und immer einen Schritt voraus. Wie ein Wettlauf zwischen Achill und dem Lahmen, mit dem der Mathematiklehrer die Differentialrechnung zu erklären versucht. Achill läuft zehnmal so schnell wie der Lahme, dieser hat zehn Schritt Vorsprung. Aber wenn Achill diese zehn Schritt bewältigt hat, ist der Lahme einen Schritt weiter. Bewältigt Achill diesen einen Schritt, ist der Lahme eine Handbreit weiter — bewältigt Achill auch diese Handbreit, ist er einen Fingerbreit weiter … wie man weiß, erreicht Achill den Lahmen nie. Wenn es auch nur eine Haaresbreite ist. Die Annäherung im Unendlichen, so ungefähr darf man sich mein Verhältnis zu den Brüdern vorstellen. Eine einzige Katastrophe.
Ich weiß, woran es liegt. Ich gebe ihnen Hinweise, die eben keine Hinweise sind. Ein zerknitterter Fahrschein hier, ein Wort zum Nachtportier da, eine Mütze am Haken, keine Mütze am Haken, zwei hinterlegte Postnummern. Nicht, daß ich sie ihnen gebe — im Gegenteil, ich bin ja von krankhafter Vorsicht erfüllt —, aber irgendwie gebe ich sie ihnen doch. Katz und Maus, ich die Katz oder sie die Katz?
Jedenfalls habe ich sie auf ausreichende Weise durch ganz London geführt, immer mit einer Buslänge Vorsprung. Zu den Stoßzeiten kann man sich sogar zum nächsten Bus vorhangeln, wenn er vor dem roten Licht steht, zum nächsten und übernächsten, die da aufgereiht stehen, die 15ner, die 23er, 40er, im großen Stillstand um fünf. Ich habe die Methode studiert und beherrsche sie, meine Brüder Karamasow aber eben nicht. Am Aldgate kurz hinter Bloom’s hatten sie mich verloren, das heißt, ich sie, und mußte zurückstoßen, fand die beiden mit hängenden Köpfen an der Haltestelle vor Bloom’s (best kosher Restaurant west of Suez) und mußte sie erst einmal wieder in Gang bringen — zumindest bis Limehouse Corner und wieder zurück.
An der London Bridge allerdings verlor ich sie dann endgültig — oder sie mich. Aber die Brücke begeht man zu Fuß, wobei die beiden langen gebogenen Gehwege wenig Deckung bieten, das heißt, gar keine. Deshalb hilft nur schnelles Laufen bis zur London Bridge-Station, und zwar blind, ohne sich umzusehen, und wie ich mich am Ende umsehe, sind da auf der ganzen langen Strecke keine Brüder mehr vorhanden. Nun gut, immerhin hatte ich ihnen die Richtung aufgezeigt, sollten sie gefälligst selber sehen, wie sie zurechtkamen.
Nächtliches Bermondsey. Nach einem anstrengenden, wenn auch erfüllten Tag gehe ich nach Hause. Die Luft ist feucht, feiner Sprühregen, der schon seit zwei Stunden anhält. Vorne hinkt jemand über die Fahrbahn, in einer Pappbude hat es sich jemand gemütlich gemacht, sonst kein Mensch auf der Straße. Bermondsey. Ben’s Zeitungsstand im dritten Mauerbogen hat noch Licht, man kann dort auch Wetten abschließen und Postwertzeichen kaufen. Ben macht sogar Überweisungen und darf es tun, darüber wundere ich mich jedesmal. In der Garage im fünften Bogen kaltes Licht von Neonröhren, dort ist aber kein Mensch zu sehen. Ich überquere die Buckstreet, die im schwarzen Tunnel verschwindet, und schließe meine Eisentür auf. Drinnen fällt mir sogleich das Phänomen des wandernden Echos auf, keine neue Erfahrung, aber sie fällt mir immer wieder aufs neue auf. Mehr ein Raunen, ein ganz sachtes Wispern. Wenn ich den Schlüssel auf die Steinplatte lege, dann setzt sich das als dünner Klang in die Tiefe fort, dünn ausgezogen, als ob da ferne Seelen antworteten. Ich bilde mir das natürlich nur ein, aber hohl klingt es hier in diesem Gemäuer, das steht fest.
Ich schreite dann hochnotpeinlich durch die leeren Kammern, wo noch immer Hand- und Fußeisen in die Mauer eingelassen sind. Auch die Winde zur Befragung, die ich hatte übernehmen müssen. Nun gut. Die Gummiköpfe, die in dem langen Galeriegang aus dem Boden ragen, schrecken mich nicht, sie waren wohl zum Abstolpern gedacht. Um den geehrten Besucher aktiv zu beteiligen. Und sind auch reichlich abgestolpert, wenn man so sagen kann. Welche Schrecken noch? Oh, die «Schleuse», wo ich mich vorsichtshalber außerhalb der Gitterstäbe an der Wand entlangquetsche, eingedenk der Möglichkeit, daß die beiden Gittertüren, ins Schloß gefallen, möglicherweise nicht wieder aufgehen — und wer hört mich hier?
Mein Haus um Mitternacht.
Ich betrete den großen Saal, in dem Anna Boleyn zu ihrer besten Zeit sechzehn Mal pro Tag enthauptet wurde. Alle dreißig Minuten, immer zur halben und zur vollen Stunde hatte sie ihren schönen blonden Kopf verloren. Den spektakulären Richtblock mit der ausgehöhlten Mulde für Hals und Schultern sowie das Richtschwert haben sie mitgenommen, aber das mannshohe Schafott steht noch. Es ist ein quadratischer Aufbau, ringsum mit einem gemalten Vorhang versehen, gerafft und mit Fransen. Ich habe die grelle Birne von der Decke geschraubt, so daß hier nur noch ein Notlämpchen, ein kleines Wachfeuer brennt, und das Raunen in dieser Halle, die hier hinten die volle Tiefe des Bogengewölbes einnimmt, in voller Höhe …
Und wundert man sich?
Das Raunen ist deutlich zu hören.
Ich glaube nicht, daß man sich wundert, wenn ich jetzt seitlich am Schafott ein Türchen öffne, den kleinen Einstieg in das Podium, daß es da herausdringt: Tango, teefarbener Tango, teefarbenes sanftes Licht, ein Anflug von Luxus, der da herausdringt — das ist das edle Dengue-Holz, mit dem das Innere ausgekleidet ist, das einen leisen Zimtgeruch vermittelt. Der Glenfiddich steht auf dem Tischchen. Die illuminierte Zahnbürste erwartet mich. Es ist sogar leicht vorgeheizt, das englische Wetter braucht immer eine Aufmunterung.
*
Ich habe traumlos bis zum Morgen geschlafen. Wohlbehütet hinter dreifach verriegelter Einstiegsluke. Höchstens, daß einmal mitten in der Nacht draußen ein scharfes Klicken durch die Bogenhallen wanderte. Und gleich darauf vielleicht noch ein zweites. Ich wartete: Ja, ein zweites. Aber dann war Ruhe, ich drehte mich befriedigt auf die andere Seite. Ruhe, Ruhe bis zum Morgen.
Am Morgen wachte ich erfrischt auf, nahm eine Dusche, frühstückte mit Kaffee und Toast, und einem Schlag Porridge, das ist hier üblich in England, um mich danach auf die Suche zu begeben. Was sich da möglicherweise über Nacht verfangen hatte.
Oh, vorher nahm ich noch die Donnerbüchse vom Haken. Das war ein Stück, das zu erwähnen ich vergessen habe, eher ein Pistol mit gebogenem Griff, aber groß wie ein Dampfhammer, ich hätte glatt meine Faust ins Rohr stecken können. Ein Stück aus der Schreckenskammer.
Jedenfalls war es geladen, dafür hatte ich gesorgt. Aber hier vielleicht doch noch ein paar Einzelheiten für den Fall, man zöge mich hinterher zur Verantwortung. Man kann also anstelle von Schwarzpulver, das heutzutage schwer zu beschaffen ist, für diese Vorderlader Leuchtpistolenpulver nehmen, es muß nur fest gestopft werden, und man benötigt eine Abdeckung, Watte oder sonstiges Werg. Als Geschoß kommt praktisch jegliches Eisen in Frage, was gerade zur Hand ist, aber auch jegliches. Das ist die Schönheit solcher alten Vorderlader. Ich hatte das Ding im Müll unter einem Haufen mottenzerfressener Gerichtsperücken gefunden.
Derart ausgerüstet stieg ich an diesem Morgen durch mein Haus, durch dunkle Flure und hallende Hallen, wo alles in Ordnung war, niemand zu sehen, kein Mann, keine Maus. Selbst die Gummiköpfe waren alle noch vorhanden und blickten mich mit stark abgenutzten Augen an. Nur an der Ecke zur «Schleuse» ließ ich doch lieber Vorsicht walten. Hier schob ich erst das Kanonenrohr sehr vorsichtig voran, ehe ich einen Blick riskierte: Es war alles in Ordnung.
Es waren zwei, ein untersetzter Bulliger und ein Dünnerer. Sie lagen in Hemdsärmeln auf dem Boden, hatten den Kopf auf das zusammengerollte Jackett gelegt, hatten es sich offenbar gemütlich gemacht, was hätten sie sonst tun sollen. Beim ersten Wort sprangen sie auf.
«Na, ihr Brüder», sagte ich, «habt ihr’s euch gemütlich gemacht?»
Hatten auch gleich ihre Dinger gezogen, der dicke eine Walter PPK 8 aus dem Halfter, der Dünne eine große Baretta, nein laßt mich sehen, es war eine 357er Smith & Wesson Magnum (glaube ich), die er im Hosenbund stecken hatte. Also recht gut bestückt. Sie wußten nur nicht, wo sie sie hinhalten sollten.
«Jetzt legt mal eure Stücke ab und nehmt gemütlich die Hände über’n Kopf», sagte ich, «sonst knallt’s!»
Ich hätte ja gerne einen Warnschuß abgegeben, hatte aber nur einen, außerdem befürchtete ich, daß ich danach die ganze Rückwand hätte restaurieren müssen, bei diesem Kaliber.
«Das ist nun eine fürchterliche Angelegenheit», sagte ich, als sie immer noch keine Anstalten machten, «ich habe Reißnägel und Schraubenmuttern geladen, mindestens zwei Pfund.»
Ich wartete immer noch geduldig.
«… und diese fürchterlichen gebogenen mit den zwei Spitzen, Krampen glaube ich nennt man die.»
Dann rief ich:
«Wummen runter!!!» und hörte zwei Plumpser, anscheinend hatten sie das Ofenrohr jetzt entdeckt, hatten in ihren sicheren Tod geblickt.
«Das ist recht», sagte ich, «ich weiß nämlich wirklich nicht, wie weit dieses Ding streut.»
Möglicherweise hätte ich mir selber noch etwas angetan. Wohlgemerkt, diese Konversation fand ziemlich im Blinden statt, ich brauchte nicht einmal den Kopf ganz vorzustrecken, jetzt konnte ich mir aber wirklich einen Blick leisten. Der Untersetzte also war wütend, er war rot angelaufen, der Hagere dagegen hatte es wohl aufgegeben, er war grau. Offenbar sah er seine weitere Karriere in Frage gestellt. Was wahrscheinlich auch stimmte. Ich will nicht sagen, daß er mir leid tat, der Rote noch weniger.
«Jetzt schiebt mal eure Stücke rüber, mit dem Fuß», bestimmte ich, «auch die 32er, die du da am Bein hast!» Ja, die auch. Ich studierte den Haufen. Die Waffe von dem Dünnen war tatsächlich eine 357er Magnum, dazu konnte ich mich nur beglückwünschen. Obwohl. Bei aller Heiterkeit.
«Wie heißt du?»
«Fedja.»
«Und du — dich meine ich!»
«Kolja.»
Also Fedja und Kolja, nicht sehr überzeugend.
«Und jetzt gebt ihr mir die Nummer von eurem Chef, aber anständig! Sonst gibt’s kein Frühstück!»
*
Und da hast du tatsächlich?
Ich habe tatsächlich dort angerufen und halte es, für sich gesehen, für ein absolut historisches Ereignis. Habe sogar die Gebrüder zum Tausch angeboten, man kann ja nie wissen.
Und du bist?
Bin allerdings auf wenig Gegenliebe gestoßen. Genauer gesagt auf eine Nummer, die ebensogut hätte dem Finanzamt gehören können.
Wen?
Was?
Wen?
Wen wollen Sie sprechen?
Nein.
Nein.
Von wo sprechen Sie denn?
Nein.
Hinterher berichtete ich den Brüdern Fedja und Kolja, sie seien gefeuert, beide. Da sei nun nichts mehr zu wollen. Ich meine, genug Mühe hatte ich mir ja gegeben, schließlich hätte ich mir ja auch eine der alten Richterperücken aufsetzen und sie zu fünfzehn Jahren verurteilen können. Das hätte mir auch angestanden. Bei schwerem Kerker. Bei Wasser und Brot.
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Der Weiterverkauf der Immobilie ging relativ schnell und reibungslos vonstatten. Die Müllverwertung, mein vorheriger Rivale, hatte es sich inzwischen anders überlegt, sie hatte anscheinend doch kein Vertrauen mehr zum freien Himmel und wollte lieber unter Dach und Fach. Zahlte denn auch den geforderten Preis, mit einem gewissen Aufschlag, versteht sich, und war nicht direkt glücklich, immerhin bereit, das bestehende Inventar, bewegliches und unbewegliches, zu übernehmen, unter anderem die Gebrüder Karamasow.