Lieber Freitag.
Ich weiß gar nicht, wie ich dich anreden soll.
Liebe gnädige Frau.
Anbetungswürdige.
Meine Schöne, Wunderschöne.
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Liebe Freitag!
– –
Heute Morgen finde ich einen Zettel in der Tür, jemand hat ihn über Nacht eingesteckt: Schlüssel bitte in der Hausverwaltung, Zimmer 3, abholen.
Welcher Schlüssel?
Und in welcher Hausverwaltung, ich wußte gar nicht, daß es hier eine gibt. Bin also etwas beunruhigt auf die Suche nach Zimmer 3 gegangen, wo man mir verkündet, daß die Handwerker den Schlüssel hinterlegt hätten, und hier, bitte, soll ich quittieren.
Welche Handwerker (um Gottes willen).
Die jetzt fertig seien, und sie hätten den Schlüssel hinterlegt.
Ja, was ist denn das! sage ich, was haben die Handwerker denn um Gottes willen gemacht?
Im vierten Stock.
Im vierten Stock? Da bin ich doch gar nicht!
Neben der Treppe.
Also marschiere ich in den vierten Stock, wo sich, identisch mit meiner eigenen Kammertür, gleich neben dem Treppenaufgang eine ebensolche befindet. Und siehe, der Schlüssel paßt.
Er paßt!
Augenblick mal, ich schließe auf, drinnen empfängt mich teefarbenes Licht, eine leise Musik aus «Hotel Costes». Ich bin überwältigt.
Der Sandelholzgeruch ist hier stärker als bei mir unten, wahrscheinlich, weil die Wandverkleidung frisch ist, erst vor kurzem fertiggestellt? Die Kammer ist natürlich nicht völlig identisch, zum Beispiel ist die Duschecke schräg eingezogen, optisch einigermaßen geschickt, muß ich zugeben, und eigentlich intelligenter, weil dadurch der Raum vergrößert erscheint. Aber im Prinzip, ja, eine gelungene Kopie, und das an geheimem Ort — wenn auch im Teeton nicht ganz getroffen. Wobei sich allerdings der Gedanke aufdrängt, ob eigentlich ich mich auf der Spur Freitags befunden hatte, oder Freitag allezeit eher auf der meinen. Auf dem Tischchen steht der Glenfiddich zur Begrüßung, und ich — ja, ich bin hier oben gewissermaßen Gast bei mir selber.
Lieber Freitag, liebe Freitag.
Das ist eine traumhafte Idee, ein wundervoller Gedanke, der euch (beiden) da gekommen ist. Wir ziehen zusammen!
Ich bin überwältigt, und ich kann mir gut vorstellen, wie etwa ein Durchbruch nach unten oder nach oben ein wahrer Traum wäre. Wir lebten nicht in einem großen, aber einem hohen Haus. Morgens erwachten wir gemeinsam, jeder in seiner Besenkammer, wir duschten gemeinsam, du in deiner Schräggestellten, ich in meiner Graden. Zum Frühstück reichten wir das Rührei nach oben und die Marmelade nach unten.
Es wäre wunderbar.
Allein die Täuschungsmanöver, die sich durch den Doppelstock ergäben, könnten raffinierter gar nicht sein. Wir könnten hineingehen und anscheinend erst nach einem halben Jahr wieder herauskommen, oder ich gehe hinein und du kommst heraus, oder wir sind beide verschwunden. Die Leute wüßten überhaupt nicht mehr, woran sie sind. Oder denken wir an die doppelte Ausführung. Wir lesen gemeinsam ein Buch, das doppelt ist, wir benutzen eine doppelte illuminierte Zahnbürste, selbst der Tango von Hotel Costes wäre doppelt.
Es wäre nicht auszudenken.
Liebste Freitag.
Ich muß dir aber sagen, daß ich Größeres mit uns vorhabe. Ganz Großes. Ich habe vor, uns das größte, schönste, höchste Haus zu bauen, das die Welt je gesehen hat. Und das sicherste dazu. Nur für uns. Nimm das als Gelöbnis und Verlöbnis und als Liebesgruß, liebste Freitag.
Das nächste Mal melde ich mich aus New York.