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»Haben Sie ihn denn persönlich gekannt, Sir?« fragte der Detec­tive Chief Superintendent der Polizei respektvoll und in bewußt gedämpftem Ton. »Oder vielleicht sollte ich besser nicht fra­gen.«

Die beiden Männer waren seit einer Viertelstunde zusammen, aber dies war die erste Frage des Superintendent. Eine ganze Weile schien es, als habe Smiley sie nicht gehört, doch sein Stummbleiben wirkte nicht beleidigend, er besaß die Gabe des Schweigens. Überdies stellt sich zwischen zwei Männern, die eine Leiche betrachten, ein wortloses Einverständnis her. Es war eine Stunde vor Tagesanbruch in der Hampstead Heath, eine diesige, neblige Niemands-Stunde, weder warm noch kalt, mit einem Himmel, der vom Londoner Widerschein orange gefärbt war, und mit Bäumen, die wie Ölhäute glänzten. Smiley und der Superintendent standen Seite an Seite in einer Buchenallee, und der Superintendent war um einen Kopf größer: ein junger, vor­zeitig ergrauter Koloss von einem Mann, ein bißchen bomba­stisch vielleicht, doch von der Milde eines Riesen, die ihn sofort sympathisch machte. Smiley hatte die Patschhände über dem Bauch gefaltet, wie ein Bürgermeister vor einem Kriegerdenk­mal, und für nichts anderes Augen als für die Leiche, die zu sei­nen Füßen im Strahl der Stablampe des Superintendent unter ei­ner Plastikhülle lag. Der Marsch hierher hatte ihn offentsichtlich außer Atem gebracht, er schnaubte ein bißchen, wie er so nieder­starrte. Aus der Dunkelheit knisterten Polizeiempfänger in die Nachtluft. Außer der Stablampe des Superintendent waren keine Lichter zu sehen; er hatte befohlen, sie auszumachen.

»Nur jemand, mit dem ich zusammenarbeitete«, erklärte Smiley nach einer langen Pause.

»So hatte man mir zu verstehen gegeben, Sir«, sagte der Superin­tendent.

Er wartete hoffnungsvoll, aber es kam nichts mehr. »Nicht ein­mal mit ihm sprechen«, hatte der Deputy Assistant Commissio-ner (Crime and Ops) gesagt. »Zeigen Sie ihm nur, was er will, und ab mit ihm durch die Mitte. Schnell.« Bis jetzt hatte der Su­perintendent sich an die Anweisung gehalten, und zwar, wie er selber fand, mit Lichtgeschwindigkeit. Die Fotografen hatten Fotos gemacht, der Arzt hatte den Exitus festgestellt, der Patho­loge hatte die Leiche in situ inspiziert, ehe er die Autopsie vor­nehmen würde - das Ganze wider alle Gepflogenheit im Eiltem­po, nur um den Weg freizumachen für den anrückenden Irregu­lären , wie der Deputy Assistant Commissioner (Crime and Ops) ihn zu nennen geruhte. Der Irreguläre war eingetroffen - etwa so zeremoniell wie ein Gasableser, dachte der Superintendent, der ihn sogleich im Galopp durch die Routine schleuste. Sie hatten die Fußabdrücke angeschaut, sie hatten den Weg des alten Man­nes bis hierher verfolgt. Der Superintendent hatte das Verbre­chen rekonstruiert, soweit er unter den gegebenen Umständen dazu fähig war, und der Superintendent war ein fähiger Mann. Nun standen sie in der Senke, dort, wo die Allee eine Biegung machte und der rollende Nebel am dichtesten war. Im Licht der Stablampe war der Leichnam der Mittelpunkt von allem. Er lag mit dem Gesicht zur Erde, die Arme ausgebreitet, als hätte man ihn auf den Kies gekreuzigt, und die Plastikplane machte ihn noch lebloser. Es war der Körper eines alten, aber immer noch breitschultrigen Mannes, ein Körper, den Kampf und Leid ge­zeichnet hatten. Das weiße Haar war zur Bürste geschnitten. Eine kräftige geäderte Hand umklammerte noch immer einen klobigen Spazierstock. Er trug einen schwarzen Mantel und Gummigaloschen. Eine schwarze Baskenmütze lag neben ihm auf dem Boden, und der Kies unter seinem Kopf war schwarz von Blut. Einige Münzen lagen verstreut herum, und ein Kava­lierstüchlein sowie ein kleines Federmesser, das mehr nach Sou­venir als nach Werkzeug aussah. Höchstwahrscheinlich haben sie angefangen, ihn zu durchsuchen und dann abgelassen, Sir, hatte der Superintendent gesagt. Höchstwahrscheinlich wurden sie gestört, Mr. Smiley, Sir; und Smiley dachte, wie es wohl sein mochte, wenn man den warmen Körper eines Menschen berühr­te, den man gerade erschossen hat.

»Könnte ich wohl einen Blick auf sein Gesicht werfen, Superin­tendent?« sagte Smiley.

Diesmal war es am Superintendent, mit der Antwort zu zögern. »Ah, meinen Sie wirklich, Sir?« Es klang leicht verlegen. »Es gibt bessere Mittel und Wege, ihn zu identifizieren, als das, wissen Sie.«

»Ja. Ja, sicher«, sagte Smiley so ernst, als hätte er diesen Punkt reiflich erwogen.

Der Superintendent rief leise zu den Bäumen hinüber, wo seine Leute zwischen ihren unbeleuchteten Fahrzeugen standen wie die nächste Generation, die auf ihr Stichwort wartet. »Ihr da. Hall. Sergeant Pike. Kommen Sie her und drehen Sie ihn um. Beeilung.«

Schnell, hatte der Deputy Assistant Commissioner (Crime and Ops) gesagt.

Zwei Männer glitten aus dem Schatten. Der Ältere trug einen schwarzen Bart. Ihre ellbogenlangen Chirurgenhandschuhe glänzten geisterhaft grau. Sie trugen blaue Overalls und schen­kelhohe Gummistiefel. Der Bärtige kauerte nieder und hob vor­sichtig die Plastikplane an, während der junge Constable eine Hand an die Schulter des alten Mannes legte, als wolle er ihn aufwecken. »Sie müssen schon ein bißchen kräftiger zufassen, Junge«, mahnte der Superintendent in bedeutend schärferem Ton.

Der junge Mann zog, der bärtige Sergeant half ihm, und die Lei­che drehte sich widerstrebend um, wobei ein Arm steif mit­schwang, während der andere am Stock festhielt.

»Herrgott«, sagte der Constable. »Gott verdammich!« und klappte eine Hand über seinen Mund. Der Sergeant packte ihn am Ellbogen und zerrte ihn weg. Man hörte würgende Laute.

»Ich persönlich halte nichts von Politik«, vertraute der Superin­tendent Smiley zusammenhanglos an, wobei er beharrlich nach unten starrte. »Ich halte nichts von Politik, und ich halte auch nichts von Politikern. Verrückte mit Jagdschein, die meisten, wenn Sie mich fragen. Drum bin ich auch zur Polizei gegangen, ehrlich gesagt.« Der wallende Nebel zog im Strahl seiner Stab­lampe seltsame Kringel. »Sie wissen nicht zufällig, was es gewe­sen sein kann, oder, Sir? In den ganzen fünfzehn Jahren hab ich keine derartige Wunde gesehen.«

»Ich fürchte, Ballistik schlägt nicht in mein Fach«, antwortete Smiley nach einer weiteren Denkpause.

»Nein, hab ich eigentlich auch nicht angenommen. Genug gese­hen, Sir?«

Hatte Smiley offenbar nicht.

»Die meisten Leute erwarten allen Ernstes einen Brustschuß, nicht wahr, Sir?« bemerkte der Superintendent geistreich. Er hatte gelernt, daß harmloses Geplauder bei derartigen Gelegen­heiten manchmal die Atmosphäre auflockere. »Ein Kügelchen, das ein schmuckes Loch bohrt. Das erwarten die meisten. Opfer sinkt sacht in die Knie zum Klang himmlischer Chöre. Kommt wahrscheinlich vom Fernsehen. Während eine echte Kugel ei­nem heutzutage einen Arm oder ein Bein abreißen kann, wie mir meine Freunde in Braun berichten.« Seine Stimme nahm einen sachlicheren Ton an. »Hatte er denn einen Schnurrbart, Sir? Mein Sergeant bildet sich ein, die Spur weißer Haare über der Oberlippe entdeckt zu haben.«

»Einen militärischen«, sagte Smiley nach einer langen Pause, und zeichnete mit Daumen und Zeigefinger die Form auf seiner eige­nen Lippe nach, während sein Blick nicht von der Leiche des al­ten Mannes wich. »Ob ich wohl den Inhalt seiner Taschen prü­fen könnte, Superintendent?«

»Sergeant Pike.«

»Sir!«

»Decken Sie ihn wieder zu und sagen Sie Mr. Murgotroyd, er soll im Kastenwagen den Tascheninhalt für mich bereithalten, das heißt, das, was sie davon übrig gelassen haben. Beeilung«, fügte der Superintendent gewohnheitsmäßig hinzu.

»Sir!«

»Und hören Sie.« Der Superintendent hatte den Sergeant sanft am Oberarm genommen. »Sagen Sie diesem jungen Constable Hall, daß ich ihm nicht verbieten kann, sich zu übergeben, aber ich verbitte mir seine blasphemische Redeweise.« Denn der Su­perintendent war im Privatleben ein praktizierender Christ und machte kein Hehl daraus. »Hier lang, Mr. Smiley, Sir«, fügte er, wieder zu seinem freundlicheren Ton zurückfindend, hinzu. Als sie ein Stück die Allee hinaufgingen, verlor sich allmählich das Geschnatter aus den Funkgeräten, und sie hörten statt dessen den ärgerlichen Flügelschlag von Krähen und das Grollen der Stadt. Der Superintendent schritt scharf aus, wobei er sich links von der abgesperrten Fläche hielt. Smiley zappelte hinter ihm her. Ein fensterloser Kastenwagen parkte zwischen den Bäu­men, die hintere Tür war offen, und im Inneren brannte ein schwaches Licht. Sie stiegen ein und setzten sich auf harte Bänke. Mr. Murgotroyd hatte graues Haar und trug einen grauen An­zug. Er kauerte vor ihnen, mit einem Plastiksack in der Hand, der wie ein durchsichtiger Kopfkissenbezug aussah. Der Sack war oben zugeschnürt, und er löste den Knoten. Darinnen schwammen kleinere Beutel. Mr. Murgotroyd fischte sie nach­einander heraus, und der Superintendent las im Licht seiner Handlampe die Aufschriften, ehe er die Beutel an Smiley zur Be­gutachtung weiterreichte.

»Eine abgegriffene Lederbörse kontinentaler Machart. Zur Hälfte in der Tasche, zur Hälfte draußen, Jacke, links. Sie haben die Münzen bei der Leiche gesehen - zweiundsiebzig Pence. Das war alles an Geld, was er bei sich hatte. Hat er gewöhnlich eine Brieftasche getragen, Sir?«

»Keine Ahnung.«

»Wir vermuten, daß sie die Brieftasche kassierten, sich an die Börse machten und dann davonliefen. Ein Bund Schlüssel, Haus und sonstige, Hose, rechts . . .«Er fuhr fort, doch Smileys forschende Aufmerksamkeit ließ nicht nach. Manche Leute tun so, als hätten sie ein gutes Gedächtnis, sagte sich der Superinten­dent, dem Smileys Konzentrationsvermögen nicht entging, manche haben eins. Nach der Einschätzung des Superintenden­ten war ein gutes Gedächtnis die bessere Hälfte der Intelligenz, er stellte es über alle anderen geistigen Fähigkeiten; und Smiley, das wußte er, besaß eins. »Ein Benutzerausweis der Stadtbüche­rei von Paddington, ausgestellt auf den Namen W. Miller, eine Schachtel Swan Vesta Streichhölzer, angebrochen, Mantel links. Eine Aufenthaltsgenehmigung für Ausländer, Nummer wie an­gegeben, ebenfalls auf den Namen Wladimir Miller. Ein Fläsch­chen Tabletten, Mantel links. Wofür waren die Tabletten, Sir, irgendeine Vermutung? Marke Sustac, was immer das sein mag, zwei bis dreimal täglich einzunehmen?«

»Herz«, sagte Smiley.

»Und eine Quittung über dreizehn Pfund vom Mini-Taxi-Dienst Schnell und Sicher, Islington, Nord 1.«

»Kann ich sehen?« sagte Smiley, und der Superintendent hielt die Quittung so, daß er das Datum und die Unterschrift des Fahrers lesen konnte, J. Lamb in Schönschrift mit einem wilden Schnör­kel darunter.

Die nächste Tüte enthielt ein Stück Tafelkreide, gelb und wun­derbarerweise unzerbrochen. Das zugespitzte Ende war wie von einem einzigen Strich braun gefärbt, doch das dicke Ende war unbenutzt.

»Gelbe Kreidespur auch an linker Hand«, ließ Mr. Murgotroyd sich zum erstenmal vernehmen. Seine Gesichtshaut war grau wie Stein. Auch seine Stimme war grau und traurig wie die eines Lei­chenbestatters. »Wir haben uns gefragt, ob er wohl im Lehrberuf tätig war«, fügte Mr. Murgotroyd hinzu, doch Smiley ging ab­sichtlich oder versehentlich nicht darauf ein, und der Superin­tendent ließ es dabei bewenden.

Und ein zweites Taschentuch, Baumwolle, diesmal von Mr. Murgotroyd vorgewiesen, teils blutig, teils sauber und sorgfältig zu einem scharfen Dreieck für die Brusttasche gebügelt.

»Wahrscheinlich auf dem Weg zu einer Party, haben wir uns überlegt«, sagte Mr. Murgotroyd, diesmal ohne jede Hoffnung. »Crime and Ops über Funk, Sir«, rief eine Stimme aus dem Vor­derteil des Wagens.

Wortlos verschwand der Superintendent in die Dunkelheit und ließ Smiley unter dem deprimierten Blick Mr. Murgotroyds zu­rück.

»Sind Sie irgendein Experte, Sir?« fragte Mr. Murgotroyd, nachdem er seinen Gast lange und düster gemustert hatte. »Nein. Nein, leider nicht«, sagte Smiley.

»Innenministerium, Sir?«

»Tut mir leid, auch nicht Innenministerium«, sagte Smiley leicht kopfschüttelnd, als teile er Mr. Murgotroyds Ratlosigkeit.

»Meine Vorgesetzten machen sich ein bißchen Sorge wegen der Presse, Mr. Smiley«, sagte der Superintendent, als er den Kopf wieder in den Wagen steckte. »Scheinen schon hierher unter­wegs zu sein, Sir.«

Smiley kletterte hastig hinaus. Die beiden Männer standen ein­ander in der Allee gegenüber.

»Sie waren sehr freundlich«, sagte Smiley. »Vielen Dank.«

»Keine Ursache«, sagte der Superintendent.

»Sie erinnern sich nicht zufällig, in welcher Tasche die Kreide war, oder?« fragte Smiley.

»Mantel, links«, antwortete der Superintendent leicht über­rascht.

»Und die Durchsuchung - könnten Sie mir nochmals Ihre ge­naue Ansicht darüber geben?«

»Entweder, sie hatten keine Zeit mehr, ihn umzudrehen, oder es lag ihnen nichts daran. Knieten neben ihm nieder, angelten nach der Brieftasche, wollten an seine Börse. Verstreuten dabei ein paar Dinge. Hatten dann genug.«

»Vielen Dank«, sagte Smiley wieder.

Und einen Augenblick später war er mit einer Behendigkeit, die man ihm bei seiner Korpulenz nicht zugetraut hätte, zwischen den Bäumen verschwunden. Jedoch nicht, ehe der Superintendent, unter Hintanstellung der bis dahin geübten Diskretion, den Strahl seiner Handlampe voll auf Smileys Gesicht gerichtet und einen intensiven geschulten Blick auf die legendären Züge getan hatte, und sei es nur, um später einmal, als Greis, seinen Enkelkindern erzählen zu können: wie George Smiley, einst Chef des Geheimdienstes und damals im Ruhestand, eines nachts aus dem Nebel auftauchte, um einen toten Ausländer zu beäugen, der unter höchst unerfreulichen Umständen ums Le­ben gekommen war.

Nicht eigentlich ein Gesicht, überlegte der Superintendent. Nicht, wenn es so von unten mit einer Stablampe indirekt ange­leuchtet wurde. Eher eine ganze Reihe von Gesichtern. Eher ein Patchwork aus verschiedenen Altern, Leuten und Mühen. So­gar, dachte der Superintendent, aus verschiedenen Glaubensbe­kenntnissen.

»Der Beste, den ich je gekannt habe«, hatte der alte Mendel, sein Vorgänger im Amt, dem Superintendent unlängst bei einem freundschaftlichen Glas Bier anvertraut. Mendel war jetzt pen­sioniert, wie Smiley. Aber Mendel wußte, wovon er sprach, und er mochte die Circus-Clowns ebensowenig wie der Superinten­dent - Amateurfatzken, die einem dazwischenpfuschten, und meist noch dazu krumme Hunde. Nicht so Smiley. Smiley war anders, hatte Mendel gesagt. Smiley war der Beste - ganz einfach der beste Fall-Bearbeiter, den Mendel je gekannt hatte, und der alte Mendel wußte, wovon er sprach.

Eine Abtei, entschied der Superintendent. Genau das war er, eine Abtei. Er würde das bei nächster Gelegenheit in seine Pre­digt einarbeiten. Eine Abtei, zusammengesetzt aus allen mögli­chen einander widersprechenden Altern, Stilen und Überzeu­gungen. Der Superintendent fand an dieser Metapher immer mehr Gefallen, je länger er bei ihr verweilte. Er würde sie, sobald er nach Hause kam, zunächst an seiner Frau ausprobieren: der Mensch als Architektur Gottes, meine Liebe, geprägt von der Hand der Zeiten, unendlich in seinem Streben und in seiner Viel­falt . . . Doch hier legte der Superintendent seiner rhetorischen Phantasie Zügel an. Vielleicht doch nicht, dachte er. Vielleicht schießen wir ein bißchen über das Ziel hinaus, mein Freund. Da war noch etwas an diesem Gesicht, was der Superintendent nicht so leicht vergessen würde. Später sprach er mit dem alten Mendel darüber, wie über so viele andere Dinge. Die Feuchtig­keit. Er hatte sie zuerst für Tau gehalten - doch sollte es Tau sein, wieso war dann das Gesicht des Superintendent strohtrocken? Es war nicht Tau, und es war auch nicht Schmerz, wenn seine Ahnung zutraf. Es war etwas, was den Superintendent gelegent­lich selber ankam, und auch die Jungens, sogar die härtesten; es übermannte sie, und der Superintendent hielt danach Ausschau wie ein Falke. Gewöhnlich bei Kinderfällen, wo einem die Wi­dersinnigkeit durch Mark und Knochen ging - Kindesmißhand­lungen, Kindesentführungen, Kindermorde. Man brach nicht zusammen noch raufte man sich das Haar oder was dergleichen Theater mehr war. Man legte nur wie von ungefähr die Hand ans Gesicht und fand es feucht und fragte sich, wofür zum Teufel Christus eigentlich gestorben sei, falls ER überhaupt jemals ge­storben war.

Und wenn man in dieser Stimmung war, sagte sich der Superin­tendent leicht schaudernd, dann nahm man am besten ein paar Tage Urlaub und fuhr mit seiner Frau nach Margate, sonst sprang man, ehe man recht wußte, wie es kam, mit den Leuten ein bißchen rauher um, als einem selber bekömmlich war.

»Sergeant!« brüllte der Superintendent.

Das bärtige Gesicht tauchte vor ihm auf.

»Scheinwerfer an und alles auf Normal bringen«, befahl der Su­perintendent. »Und sagen Sie Inspector Hallowes, er soll gefäl­ligst hier antanzen und sich nützlich machen. Beeilung.«

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