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»Das funktioniert nie.«

»Sei doch nich so pessimistisch, Gräfin. Versuch’s einfach.«

Rhapsody wandte sich dem schmunzelnden Riesen zu. »Versteh doch. Eine Schmiede dieser Größenordnung lässt sich nicht so ohne weiteres hochfahren. Selbst wenn wir eine Woche Zeit zum Einheizen hätten, würden wir allenfalls auf Temperaturen kommen, die Eis zum Schmelzen bringen, mehr aber auch nicht.«

»Wir müssen ja auch nichts zum Schmelzen bringen«, entgegnete Achmed geduldig. »Es reicht, wenn sich die Luft erwärmen lässt. Im Übrigen scheint da ohnehin eine Warmfront aufzuziehen; das sieht man an den Wolken. Und wenn du an deine Feuertaufe zurückdenkst und dich feste darauf konzentrierst, sollte es doch mit dem Teufel zugehen, wenn’s uns nicht gelänge, den Bolg weiszumachen, dass ich ihnen meinen warmen Odem ins Gesicht blase.«

»Wenn ihnen das, was da tatsächlich aus deinem Mund kommt, in doppelter Dosis um die Nase wehte, hätten wir leichtes Spiel«, frotzelte Jo, die den Blasebalg bediente und das von den anderen beschickte Feuer anfachte. »Vielleicht sollten wir ein bisschen Stinkkraut in die Flammen werfen.«

Grunthor rieb sich das Kinn. »Das war gar nich so verkehrt.«

»Vielleicht ein anderes Mal. Trotzdem, schönen Dank für den Vorschlag, Jo«, sagte Achmed und wandte sich der Sängerin zu. »Fertig? Beeilung, es ist bald Morgen.«

Rhapsody blickte auf den riesigen, mit Kupferspangen verstärkten Blasebalg, der voller Löcher war und schlaff herabhing. Auch all die anderen Gerätschaften in der tief im Berg verborgenen Schmiede waren von so gewaltigen Ausmaßen, dass es einem die Sprache verschlug. Früher hatten hier bestimmt an die tausend Arbeiter rund um die Uhr schuften müssen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Die vier hatten einen Berg mit Kohle ausfindig gemacht, dazu auch Schaufeln und Schubkarren für den Transport zur Esse.

Hier und da lagen vereinzelt Skelette auf dem Boden, Überreste der Arbeiter, die nicht mehr hatten fliehen können, als Gwylliams Berg von den Firbolg überrannt worden war. Die Gebeine waren, von Rhapsody mit einem Trauerlied bedacht, als Erstes den Flammen übergeben worden, gut vierhundert Jahre zu spät. Dem Knochenbau nach mussten die Nain – als solche wusste Achmed die Toten zu identifizieren, und Grunthor bestätigte dies – ungemein kräftig gewesen sein, breite Schultern und einen mächtigen Brustkasten gehabt haben.

Rhapsody holte nun tief Luft, legte die Hände an den Rand der Esse, konzentrierte sich und vertrieb alle Zweifel, die ihr seit der Eroberung des Berges zu schaffen machten.

Sie rief ihr Seelenfeuer auf, ließ es tönen und summte mit geöffnetem Mund, bis ihm eine Musik entsprang, die durch die ganze Höhle hallte. Sie spürte die Flammen auflodern, das Gesicht bescheinen und die Kleider so heiß werden, dass sie sich zu entzünden drohten.

Wie von fern hörte sie die Rufe der anderen, die nun mit vereinten Kräften den riesigen Blasebalg bewegten. Rhapsody blendete alle äußeren Geräusche aus und richtete ihre Sinne allein auf die brennende Kohle in der tiefen Esse.

Das Feuer brauste bald so laut, dass es alles andere übertönte, sogar den Blasebalg, der wie ein gigantischer Dudelsack quietschte.

Als schließlich die Ventilklappen kreischend aufgingen, verlor Rhapsody ihre Konzentration und taumelte rücklings über den Rand der Esse. Zum Glück war Achmed zur Stelle, um sie am Fallen zu hindern. Und wieder drangen ihr die Schreie der Bolg ans Ohr, die aber diesmal nicht von Schmerz und Entsetzen zeugten, sondern von Begeisterung.

»Genug. Schließt das Ventil«, verlangte Achmed von Grunthor und Jo. »Sonst gewöhnen sie sich an die Wärme, obwohl der Winter noch ein paar Wochen anhalten wird.« Und dann an Rhapsody gewandt: »Du hast’s geschafft.«

Sie war sichtlich erschöpft. »Ja. Ich hoffe, man wird mir irgendwann vergeben. Ich selbst werde mir wohl nie verzeihen können.«

Gurrn fürchtete den Nachtmann sehr, noch viel mehr als Hraggel, obwohl er diesem gerade unmittelbar gegenüberstand. Als Häuptling des Klans, der sich Blutiger Fang nannte, spielte Hraggel seine Vormachtstellung aus, wo er nur konnte, und schikanierte andere nach Lust und Laune, so auch Gurrn.

Er hatte die Überfälle der Soldaten von Roland überlebt und sogar ein zerbrochenes Schwert als Trophäe zurückbehalten. Er war der mächtigste Bolg von Griwen, der Region an der Westflanke. Und ganz und gar unerschrocken: Hraggel hatte keine Angst vor dem Nachtmann, auch dann nicht, als dessen Stimme und Atem aus dem Innern der Erde zu kommen schienen.

Gurrn kochte vor Wut, als er nun tatenlos mit ansehen musste, wie Hraggel die Vorräte plünderte, die er, Gurrn, angelegt hatte, um sich und seine Familie über den Winter zu bringen.

Auch die anderen Klan-Mitglieder beobachteten Hraggel mit hasserfüllten Blicken. Er hatte Gurrns Frau bedroht und hielt ihr Kind gepackt; der Junge zeterte, die Frau schluchzte. Und Gurrn hielt sich zurück. Hraggel würde sich mit den Vorräten zufrieden geben und das Kind wieder laufen lassen, es sei denn, ihm stünde gerade der Sinn nach Grausamkeiten.

Plötzlich hielt Hraggel inne. Er ließ das Kind fallen und langte mit der Hand, die sich soeben noch an Gurrns Vorräten vergriffen hatte, an seinen Hals. Den teilte eine dünne rote Spur, gezogen von knochigen weißen Händen, die aus der Dunkelheit aufgetaucht waren. Schnell breitete sich die rote Spur zu einem großen Fleck aus.

Gurrn erhaschte einen Blick von zwei seltsamen Augen, die hinter der zu Boden sinkenden Leiche Hraggels aus dem Dunkel stachen. Die Umrisse des Nachtmanns waren kaum zu erkennen; er schien selbst Teil der Dunkelheit zu sein, so formlos wie flüssiges Schwarz.

»Morgen.« Die Stimme klang wie das trockene Wispern des Todes. Mit weit aufgerissenen Augen stand die Familie da und sah die Gestalt wieder in den Schatten wegtauchen.

Am zehnten Tag sammelten sich die ersten Firbolg bei Sonnenaufgang am Rand der Schlucht. Achmed hatte sie über den genauen Zeitpunkt im Unklaren gelassen, und so kamen nach und nach im Laufe des Tages immer mehr – die Augen und die Klauen und die Beuschel, alle Stämme des Gebirges, das die Grenze zu den Bolgländern bildete.

Jenseits der Schlucht, die deren Länder von denen der Bergbewohner trennte, waren etliche Mitglieder der Stämme und Klans zusammengelaufen, die in der Heide oder noch tiefer im Verborgenen Reich ihre Wohnungen hatten. Ihre Neugier war auch Vorsicht. Sie ahnten, dass dieser neue Kriegsherr irgendwann auch zu ihnen kommen würde.

Die untergehende Sonne hatte die höchsten Bergspitzen erreicht, als es unter den Versammelten plötzlich still wurde. Den ganzen Tag über hatte es viel Lärm, Gedränge und Streit um Plätze und Positionen gegeben, doch weil niemand wusste, an welcher Stelle der erwartete König seinen Auftritt haben würde, war es unmöglich vorherzubestimmen, wo man ihm am nächsten sein konnte.

Entsprechend gereizt war die Stimmung.

Die Stille, die sich nun breit machte, hatte einen Grund. Im Ausgang des Tunnels, der an den Rand der Schlucht mündete, eben da, wo Achmed seine Ansprache zu halten gedachte, war Rhapsody aufgetaucht, um den Namen des Schweigens zu flüstern. Der hallte nun von den Felsen wider und legte sich so schwer auf die Menge, dass deren Geschwätz sofort verstummte. Achmed lächelte zufrieden. Es schien, als wären fast alle Anwohner gekommen.

Allerdings fehlten diejenigen vom Klan Berg-Auge, die zu den blutrünstigsten zählten. Grunthor hatte bereits die Vermutung geäußert, dass sie sich womöglich ins Verborgene Reich zurückzögen und dort auf eine Gelegenheit zum Angriff warteten. So schien es in der Tat zu sein, denn es war keines ihrer Zeichen auszumachen.

Achmed musterte sein Publikum. Es waren an die Dreißigtausend. Sie standen in Klüften, kauerten auf Felsvorsprüngen und starrten ihm entgegen. Manche drängten sich im Pulk tief unten in der Schlucht an den Rand der Felswand, die über hundert Klafter hoch aufragte.

Der Anblick beunruhigte ihn, und ihm war, als stünde er vor einer Grube voller Skorpione, die es nun zu durchqueren galt. Von jeder Spalte, von jeder Anhöhe starrten sie ihm entgegen, Vertreter jenes Menschenschlags, der sich vermischt hatte mit allen anderen Spezies, die jemals miteinander in Kontakt gekommen waren.

Ihnen allen war eine eigentümlich verquere Schönheit eigen, ein Aussehen, das die Menschen abschreckte und so zur Arterhaltung beitrug. Achmed hatte noch nie ein Volk gesehen, das so anpassungsfähig und gleichzeitig in sich so verschieden war. Die Bolg überlebten selbst härteste Bedingungen und stellten sich auf alles ein. Und er gehörte dazu.

Noch ein anderer Vergleich drängte sich ihm auf: vor einem Rudel schlafender Wölfe zu stehen. Die Häuptlinge der einzelnen Stämme hielten von erhöhter Position Ausschau. Umso tiefer würde ihr Absturz sein.

In jedes Gesicht – oder bei manchen Klans auf jeden Arm – war das entsprechende Klan-Mal eingebrannt beziehungsweise eingeritzt. Ob Blutige Klaue, Fang oder Schattenstehler – die Herkunft war am Zeichen in der Haut eindeutig auszumachen. Statt gewebter Kleidung trugen die meisten Fellstücke, die gleichzeitig als Harnisch dienten. Schon bei der Ausstattung der Kinder wurde mehr Wert auf Schutz als auf Bequemlichkeit gelegt, was aber letztlich illusorisch war, denn die Kleider wechselten von einem Kind zum anderen und waren am Ende so zerrissen und zerschlissen, dass sie nicht einmal mehr zum Schutz vor dem Wind taugten.

Rhapsody stand in Wartestellung hinter Achmed. Er hörte, wie sie nach Luft schnappte, und wusste sofort, warum. Die Kinder waren ganz vorn aufgestellt worden, ganz dicht bei den Felsvorsprängen, wie zur Opferung bereit. Er sah, wie sie sich auf die Lippen biss, und es war klar, dass sie sich hier unter diesen Leuten ganz und gar fremd vorkam. Doch dann heiterte ihre Miene ein wenig auf, und sie fing zu lächeln an.

Er folgte ihrem Blick und entdeckte die Ursache für ihren Stimmungswandel: kleine, dunkle Gesichter, die ihr zugewandt waren und trotzig grinsten. Kinder. Rhapsody wurde weich, sobald sie Kinder sah. Diese Schwäche gefiel ihm an ihr, auch wenn sie jetzt eine Gefahr darstellte, die er nicht riskieren mochte.

Grunthor war inzwischen auch zur Stelle. Es war Zeit zu beginnen.

Achmed holte tief Luft. Während der vergangenen sechs Tage hatte er sich gründlich vorbereitet und die Kadenzen eingeübt, die nach Rhapsodys Vorschlag die musikalische Grundstruktur seiner Rede an die neuen Untertanen bilden sollten.

Die Rede war wie eine Symphonie aufgebaut, mit einer Ouvertüre und einzelnen Sätzen. Sein angeborenes Rhythmusgefühl für die bolgische Sprache hatte sich aufs Trefflichste mit ihren Kompositionsfähigkeiten verbunden, sodass er sich berechtigte Hoffnungen machen konnte, dass sich mit seiner Ansprache ein gewaltsamer Aufstand vermeiden ließe. Er schaute auf die wartenden Firbolg und stellte sich ihren Blicken.

»Ich bin euer neuer König. Ihr lebt im Berg, und der Berg steht mir zu Diensten wie auch in Kürze die Heide, die Schlucht und das Verborgene Reich. Ylorc wird wieder zur Großmacht aufsteigen und ruhmreicher sein als je zuvor. Nie mehr werden wir uns von Roland erniedrigen lassen.«

Ein rasselndes Raunen ging durch die Menge der versammelten Bolg; es hallte vom Berg wider, erfüllte die Schlucht, schwang auf der Heide nach und reichte bis tief in die Gebiete dahinter. An manchen Stellen lösten sich Steinlawinen, Staubwolken stiegen auf. Achmed lächelte. Die Ouvertüre war gelungen. Jetzt konzentrierte er sich auf den Beginn des Eröffnungssatzes, der den Rhythmus des aus der Schlucht schallenden Echos aufgreifen sollte.

»Was immer ihr einmal gewesen sein mochtet, jetzt seid ihr ohne Kraft. Ziellos irrt ihr umher, und jeder Schritt tut euch weh. Nicht so, wenn ihr euch mir anschließt. Dann wird es sein, als setzte sich der Berg in Bewegung. Ich bin anders als die Könige und Kriegsherren, die ihr kennt. Wir werden wieder Leben in den Berg bringen und über unsere Feinde bestimmen. Ist einer unter euch, der mir die Krone verwehrt?«

Achmed wusste, in welche Richtung er blicken musste. Den ganzen Nachmittag über waren sie auf ihren Lauschposten gewesen und hatten die Pläne der ankommenden Bolg ausspioniert. Er wusste, dass sich ein gewisser Janthir Knochenspalter, ein Klauen-Häuptling, der in direkter Linie von Gwylliam abzustammen behauptete, als der rechtmäßige Herrscher über die Bergvölker verstand. Er würde Einwand erheben müssen. Schließlich hatte er einen Ruf zu verteidigen, nämlich den Ruf, besonders grausam und machthungrig zu sein.

Knochenspalter hatte sich zwischen zwei mannshohen Felsbrocken positioniert, vielleicht um sich vor möglichem Pfeilbeschuss zu schützen oder um verborgen zu bleiben, bis es ihm gefiel, offen in Erscheinung zu treten. Nun zog er sein schweres, uraltes Schwert, dessen Klinge den Schein der vielen Feuer widerspiegelte, die in der Schlucht brannten.

Mit lautem Gebrüll trat er zwischen den Felsen hervor und hob das Schwert. »Ich, der wahre Herrscher über den Berg! Und ich werde dir, Eindringling, die Luft abschnüren und den kalten wie den heißen Atem rauben. In dieser Nacht noch werde ich deine Augen schlucken.«

Alle Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf Achmed, der sehr viel kleiner und dünner war als Janthir Knochenspalter. Nach den Sitten der Firbolg war nun er an der Reihe, sich aufzuplustern und die Herausforderung anzunehmen.

Achmed schmunzelte überheblich. »Du hast starke Schultern. Ich hätte vielleicht Verwendung für dich. Wenn du dich als gefügig erweist, könnte ich dir einen Posten als Häuptling einräumen. Deine Länder habe ich schon in Besitz genommen. Leiste mir Gefolgschaft, und ich werde über deine Drohungen gnädig hinwegsehen.«

Janthir antwortete mit wütendem Gebrüll und übelsten Beleidigungen, die von den Felsen widerhallten und sich zu einem unverständlichen Getöse mischten. Achmed spürte, wie Rhapsody hinter ihm, obwohl im Schatten verborgen, vor Angst zu zittern anfing.

»Wie du willst«, entgegnete Achmed geduldig, und seine Stimme verriet nicht die Spur von Nervosität oder Ärger. »Du hattest deine Chance. So groß meine Macht auch ist, sie reicht nicht aus, um einen Narren vor sich selbst in Schutz zu nehmen. Wie gesagt, der Berg steht mir zu Diensten. Wie wahr meine Worte sind, wirst du nun am eigenen Leib zu spüren bekommen.«

Zum Entsetzen der Zuschauer spaltete sich einer der beiden Felsblöcke, die Janthir flankierten. Die zwei Hälften hoben vom Boden ab, entwanden seiner Hand das Schwert und enthaupteten ihn. Noch bevor sich das Grauen als Schrei artikulieren konnte, kugelte der Kopf von der Klippe in die Schlucht. Ihm folgte das Schwert. Unmittelbar darauf senkte sich der Fels, nun wieder eins geworden, zurück auf seinen Platz. Der ganze Vorgang hatte nicht länger als ein Dutzend beschleunigte Herzschläge gedauert.

»Will mich noch jemand herausfordern?«

Unter den Versammelten wurde nicht einmal ein Räuspern laut; zu hören waren nur das Knistern der Feuer und der Wind, der heulend durch die Schlucht strich.

»Wohlan, hört, was ihr zu tun habt. Jeder Klan wird fünf seiner besten Krieger sowie ein Kind mitsamt seiner Mutter an mich abtreten. Die Krieger sollen meine Leibgarde sein und eine Ausbildung erhalten, die sie den besten Soldaten Rolands überlegen macht. Jedes Kind wird einer Prüfung unterzogen. Wenn es sie besteht, mache ich ihm ein Geschenk. Wählt aus mit Bedacht. Ihr habt drei Tage Zeit. Denen, die an meiner Entschlossenheit zweifeln, sei gesagt: Ich komme. Wer sich nicht fügt, ist meiner Strafe sicher.«

Achmed schaute über die schweigende Menge und schmunzelte angesichts der angsterfüllten Blicke, die auf ihn gerichtet waren. Dann zog er sich von dem Felsvorsprung zurück und verschwand im Tunnel, wo er Rhapsody, die immer noch zitterte, bei der Hand nahm und mit ihr in die Tiefen von Canrif zurückkehrte.

»Nun, ich habe wahrhaftig schon viel erlebt, und das war sicher eine der widerwärtigsten Szenen.«

Grunthor zeigte sich irritiert. »Wovon redest du? War doch großartig. Jedenfalls ging die Sache ganz ohne Blutvergießen über die Bühne. Die Bolg wählen jetzt ihre Hauptmänner aus, und wir können morgen schon mit der Ausbildung beginnen. Was soll daran widerwärtig sein?«

»Ich denke, Janthir würde, was das Blutvergießen angeht, zu einer anderen Einschätzung gelangen«, entgegnete Rhapsody, die unter Mithilfe von Jo Verbandsmaterial und andere Mittel zur Wundebehandlung zusammenpackte.

»Mag ja sein, aber der alte Knabe wird sich dazu nich mehr äußern können.«

»Eine Gemeinheit ist es, dass ich nicht mitkommen und zusehen durfte«, maulte Jo. »Scheint ja richtig aufregend gewesen zu sein.«

Rhapsody hatte schon eine Antwort auf der Zunge, besann sich dann aber eines anderen und schwieg. Achmed und Grunthor sonnten sich in ihrem Triumph. Sie wollte ihnen den Spaß nicht verderben.

»Wann machen wir uns über die Heide her?«

Achmed blickte von der Skizze auf, an der er gerade arbeitete. »Ich würde sagen, in spätestens zwei Wochen haben wir mit der Heide und den Randgebieten des Verborgenen Reiches eine Front aufgebaut, an der sich die Frühjahrsputzkolonne aus Roland die Zähne ausbeißen wird. Das wird dann hoffentlich auch die restlichen Bolg, die jetzt noch zögern, für uns einnehmen.«

Saltar schloss die brennenden Augen, als sich der kalte Nebel auf sein Gesicht und die Schultern senkte.

Der Geist war gekommen. Saltar hatte damit gerechnet, seit er von der durch den neuen Kriegsherrn einberufenen Versammlung in der Schlucht am Rand der Heide wusste.

Was siehst du?

»Noch nichts. Es ist alles noch umwölkt«, antwortete Saltar. immer hörte er die Stimme im Innern, und wie immer war sie ihm wie eine Marter.

Sieh gefälligst genauer hin. Fahnde nach dem, der im Windschatten wandert.

Saltar schloss ein zweites Mal die Augen und spürte, wie das Brennen ein wenig nachließ. Er legte wieder die Hand auf die Brust, sah aber immer noch nicht klarer.

»Noch nichts«, wiederholte er. »Aber er wird kommen.«

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