53

Rosentharn, der Hofmarschall von Bethania, räusperte sich und klopfte zaghaft an die Tür.

Es war ihm, als wartete er schon eine Ewigkeit, bis sich endlich die Stimme Seiner Hoheit meldete.

»Was ist? Wer da?«

»Rosentharn, Eure Hoheit.« Trotz verschlossener Tür konnte er hören, wie Tristan leise vor sich hin fluchte.

»Was willst du? Wenn es an der Grenze wieder Überfälle gegeben hat, will ich davon nichts hören, es sei denn, meiner eigenen Burg droht Gefahr.«

Rosentharn lockerte seinen Kragen. »Das ist es nicht, Hoheit. Ich komme gerade vom Nordtor, wo die Nachricht eingetroffen ist, dass die Dame Madeleine Canderre in Bethania erwartet wird.«

Die Tür ging einen Spaltbreit auf. Der Hohe Herrscher zeigte sich dahinter mit wild zerzaustem Haar.

»Wann?«

»Gegen Abend, Eure Hoheit.«

Tristan Steward raufte sich den ungekämmten Schopf. »Ahem, ja. Gut, danke, Rosentharn.«

»Nichts zu danken, Eure Hoheit.« Als die Tür wieder ins Schloss gefallen war, gestattete sich der Hofmarschall ein breites Grinsen. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und ging wieder auf seinen Posten.

»Unzucht! Schweinerei!«

Aus der anderen Zimmerecke tönte ein kehliges Kichern. »Wie Ihr meint, Hoheit. Ich stehe Euch ganz zu Diensten.« Tristan schmunzelte und schlug den Morgenmantel zu.

»Tut mir Leid, Prudy, meine Verlobte kommt.«

Prudence lachte. »Wenn Ihr noch einmal geruht, Euch verwöhnen zu lassen, wird Madeleine vielleicht denselben Ausruf tun können.«

»Ach, du bist so herrlich verkommen. Und das gefällt mir an dir besonders.«

Tristan wandte sich der Anrichte zu und füllte aus einer kristallenen Karaffe zwei Gläser mit Portwein, die er dann ans Bett trug. Er reichte Prudence das eine Glas, hob das andere an die Lippen und ließ seine Blicke über ihren Körper streifen. In seinen Augen zeigte sich plötzlich eine Melancholie, die er schnell hinterm Glasrand zu verstecken versuchte.

Je länger er sie anblickte, desto schwerer fiel es ihm zu glauben, dass sie beide an ein und demselben Tag geboren worden waren, nur Minuten auseinander. Trotz des Standesunterschiedes waren sie schon als Kinder unzertrennlich gewesen und im Laufe der Zeit einander so vertraut, als teilten sie ein Herz und eine Seele. Doch während er seine jugendliche Figur und straffe Haut nach all den Jahren noch hatte bewahren können, zeigte Prudence erste Alterserscheinungen, was indes für einen jeden unausweichlich war, der nicht dem Stamm der Cymrer angehörte.

Das war ihm immer schon bewusst gewesen, doch hatte er diesen Gedanken bislang erfolgreich verdrängen können. Vielleicht veranlasste ihn die bevorstehende Heirat, ein Resümee der vergangenen Jahre zu ziehen, Jahre, die im Flug verstrichen waren und ihn noch geschont hatten. Vielleicht lag es auch daran, dass er, sooft er mit seinen Gedanken allein war, Zweifel daran hegte, ob an seiner Person überhaupt etwas war, das mit der Zeit erkennbar zum Vorschein treten würde.

Wie auch immer, er sah sie jetzt mit anderen Augen, sah, dass der Schmelz von ihrer Haut verschwunden war, dass sich um ihre Augen und an den Mundwinkeln kleine Fältchen bildeten und dass auf den einst alabasterweißen Handrücken erste Flecken zu erkennen waren. Er schluckte und verspürte einen heißen Krampf im Schlund.

Prudence nahm den Kamm aus ihrem Haar und schüttelte die langen roten Locken aus, die im Schein des Kaminfeuers zu lodern schienen. Von den grauen Strähnen, die Tristan kurz zuvor entdeckt hatte, war jetzt nichts zu sehen. Sie lächelte ahnungsvoll und zog das seidene Betttuch bis unter die Arme.

»Woran denkst du, Tristan?«

Der Hohe Herrscher von Roland stellte das leere Glas auf dem Nachttischchen ab und nahm ihr das ihre aus der Hand. Dann setzte er sich auf die Bettkante, sah sie an, fuhr mit der Hand sanft über die Decke bis hinauf an ihren bloßen Hals, um den er seine Finger legte.

»Ich denke daran, dass ich sie nicht ausstehen kann.«

Prudence lehnte sich ins Kissen zurück; ihr Lächeln wich einer ernsteren Miene. »Ich weiß. Das war mir klar. Darum verstehe ich auch nicht, warum du Madeleine gewählt hast. Dieses nette Mädchen aus Yarim hätte viel besser zu dir gepasst. Wie war noch gleich ihr Name?«

»Lydia.«

»Richtig. Sie war hübsch und charmant, ihr Vater reich begütert. Was ist aus ihr geworden?«

»Sie hat Stephen geheiratet und ist vor ein paar Jahren bei einem Überfall der Lirin ums Leben gekommen.«

»Ach ja, natürlich, jetzt erinnere ich mich.« Prudence streckte die Hand aus und streichelte seinen struppigen Backenbart.

Tristan schlug das Betttuch auf, ohne den Blick von ihren Augen abzuwenden, die so verständnisvoll waren, unermesslich tief, und es ging eine Wärme von ihnen aus, von der er sich ganz umfangen fühlte, wie von jener heißen Quelle, in der sie sich vor vielen Jahren einmal geliebt hatten. Die gegenseitig geübte Aufrichtigkeit war das einzig Wahre in seinem Leben. Prudence wandte das Gesicht dem Feuer zu und schloss die Augen.

Mit der Fingerkuppe schöpfte Tristan einen Tropfen Port aus dem Kristallglas und betupfte damit ihre Brustwarze. Er spürte, wie sie unter seiner Berührung einatmend die Brust hob, gerade so wie damals als junge Frau, als er sie entjungfert hatte, und mit der Erinnerung daran kehrte die verloren gegangene Lust zurück.

Ihre Brust war im Vergleich zu damals merklich schlaffer geworden und wie die Handrücken mit braunen Flecken besprenkelt. Er schloss die Augen und rief das Bild in seiner Vorstellung auf, das sich ihm beim ersten Anblick ihrer Nacktheit offenbart hatte; die straffe Haut, von seiner zitternden Hand berührt, verfärbte sich rosig. Tristan beugte sich herab, schlürfte den Tropfen und versuchte, ihr den Schmerz zu verbergen, der sich, wie er spürte, in seiner Miene niederzuschlagen drohte. Er riss das Tuch vom Bett und warf es zu Boden.

Nackt vor ihm ausgestreckt, zog Prudence ihr Knie an und machte sich daran, den Gürtel seines Morgenmantels aufzuknoten.

»Warum verrätst du mir nicht den wahren Grund deines Kummers, Tristan?«

Seine Lippen ließen von der Brust ab und wanderten über die Bauchdecke.

»Wie kommst du darauf, dass ich Kummer haben könnte?«

Sie stieß ihn energisch zurück, richtete sich auf und drückte ein Kissen an die Brust. Sie war sichtlich verärgert.

»Ich war schon die Kurtisane deines Vaters, Tristan, und habe mir immer eingebildet, dich als Freund zu haben.«

Ihre Reaktion erschreckte ihn und ließ alle Lust von ihm abfallen. »Das ist doch auch so.«

»Dann mach mir nichts vor. Für solche Spielchen bin ich zu alt. Ich merke sofort, wenn dich etwas bedrückt, und kenne deine Stimmungen besser als du selbst. Sonst bist du mir gegenüber doch immer ganz offen. Wieso gibst du dich heute so verschlossen? Das ist nicht besonders stimulierend.«

Tristan seufzte. Sie hatte ihn ertappt. Es war nicht nur Melancholie, die ihm angesichts ihrer betrüblichen Alterung zu schaffen machte; es war mehr als das, mehr noch als der so abstoßende Gedanke, dass die Frau, die er liebte und der er regelmäßig beiwohnte, immer mehr seiner eigenen Mutter ähnlich wurde, ja, mehr sogar als die Furcht vor dem, was am Ende dieses Älterwerdens stünde und ihm verloren ginge.

Er konnte sich Rhapsody nicht mehr aus dem Kopf schlagen.

Seit sie vor seiner Tür gestanden hatte, ging sie ihm nicht mehr aus dem Sinn. Schlimmer noch, der Gedanke, dass sie freiwillig einem bolgischen Kriegsherrn zu Diensten war, ließ ihm die Haare zu Berge stehen. Die Vorstellung, dass ein solches Ungeheuer sie in den Armen hielt, wühlte ihn so sehr auf wie seine Reaktion auf sie. Normalerweise hätte er nach einer solch kurzen Begegnung nicht einmal ihren Namen behalten. Er schaute zurück auf Prudence und lächelte, als er sah, mit welch strengem Blick sie ihn bedachte.

»Na schön«, sagte er. »Ich verrate es dir, aber du musst versprechen, dass unser Schäferstündchen davon unberührt bleibt. Madeleine wird bald hier sein, und ich möchte bis dahin noch möglichst viel von dir haben.«

Prudence zeigte sich zufrieden und langte mit der Hand zu seinem Schoß. »Wie’s beliebt, Hoheit.«

Tristan blickte unter die Decke, um sich der Stimulation ihrer Hände hinzugeben und die heimlichen Gedanken zurückkehren zu lassen. Und so keimte die Lust wieder schnell in ihm auf.

»Du hast bestimmt schon von Canrif gehört, dem Land, über das die Cymrer einst geherrscht haben.«

»Ja«, antwortete Prudence, die sich mit Elan an ihm zu schaffen machte. »Es liegt, wenn ich mich recht erinnere, irgendwo in den Bergen im Osten.«

»So ist es. Seit nunmehr rund vierhundert Jahren wird es von den Firbolg besiedelt.«

Zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Bemühungen, ließ Prudence von ihm ab und griff mit beiden Händen in den Brustausschnitt seines Morgenmantels.

»Wer sind die Firbolg?«

Tristan kicherte. »Nicht wer, sondern was. Das sind Monstren, Halbaffen, die Ratten und ihresgleichen fressen. Und übrigens auch jeden Menschen, der ihnen in die Quere kommt.«

Prudence mimte auf entsetzt und streifte ihm den Morgenmantel über die Schultern. Ihr amüsiertes Grinsen wechselte in einen etwas echter wirkenden Ausdruck über, als sie seine muskulöse Brust sah, vom Feuerschein vorteilhaft ausgeleuchtet. Er sah immer noch genau so aus wie vor Jahren, als er sie zum ersten Mal aufgesucht hatte.

»Klingt schrecklich.«

»Das sind sie auch, glaubt mir. Ich muss mich jedes Jahr mit ihnen herumschlagen. Sie marodieren entlang der Grenze zu Bethe Corbair, wo wir sie dann aufgreifen. Bald ist es wieder so weit, dass wir mit dem Heer ausrücken und sie zurückwerfen müssen.«

Prudence zog ihre Beine an und legte beide Fußsohlen an seine Brust. Mit sanftem Druck stieß sie ihn vom Fußende des Betts auf den Boden. »Wenn ihr jedes Jahr gegen sie vorgeht, und das seit zehn Jahren oder so ...«

»Es sind fast zwanzig. Mein Vater hat schon damit angefangen.«

» ... also zwanzig. Wenn das schon so lange der Fall ist, was grämst du dich dann jetzt?«

Tristan packte sie bei den Fußgelenken, zog sie lachend auf dem Rücken an die Bettkante, beugte sich über die gespreizten Beine und umschmeichelte mit den Händen ihre Hüften, die mit den Jahren sehr viel üppiger geworden waren.

»Sie haben anscheinend einen neuen Kriegsherrn. Was das für uns bedeutet, ist mir noch nicht klar. Jedenfalls hat er mir einen Gesandten geschickt, eine Frau, die mir auf unsäglich dreiste Weise diktieren wollte, von der Tradition unserer Frühjahrssäuberung abzulassen.«

»Dabei handelt es sich wohl um den alljährlichen Einsatz gegen die Marodeure an der Grenze, wenn ich richtig verstehe.«

»Ja.« Tristans Hände glitten über ihren Bauch und die Taille und kamen dann auf ihren Brüsten zu liegen, zwischen denen ein goldenes Medaillon lag. Er schloss die Augen und stellte sie sich kleiner und fester vor, die Taille schlanker. Die Vorstellung brachte ihn zusätzlich in Wallung; er schmiegte sich seitlich an sie und liebkoste die schlaff gewordenen Brüste.

Prudence wölbte sich seiner Hand entgegen und fuhr streichelnd mit dem Fuß über seine Wade. »Ich verstehe das Problem noch nicht ganz. Warum ziehen sie sich nicht einfach von der Grenze zurück? Dann haben sie von unseren Soldaten auch keinen Ärger zu erwarten, stimmt’s?«

»Genau.«

»Und das hast du auch so der Gesandten gesagt?«

»Ja ... nun, ich habe sie zu ihrem Kriegsherrn zurückgeschickt mit der Nachricht, dass ich seine Forderung entschieden zurückweise.« Tristans Handflächen wurden feucht beim Gedanken an Rhapsodys Schönheit, an ihr goldenes Haar, die glatte, rosige Haut, an die grünen Augen, die vor lauter Wut scheinbar dunkler wurden.

Prudence ergriff eine seiner Hände und führte sie zwischen ihre Beine. »Und weshalb bist du nun so traurig, Tristan?«

Trotz der schlichten Hose, die die Gesandte trug, waren ihm die überirdisch schönen Beine ins Auge gestochen. Er erinnerte sich daran, wie sie die Beine übereinander geschlagen hatte, und sein Atem wurde flacher. Tristan spürte, wie seine Haut zu brennen anfing, wie die Hände ins Zittern gerieten, und er schämte sich für die Wunschvorstellung, dass die andere an Prudences Stelle bei ihm läge.

»Weil ich diesem Kriegsherrn nicht traue. Ich... ich glaube, er plant einen Angriff auf uns, jetzt... jetzt, da die Bolg angeblich vereint sind.«

Prudence richtete sich auf, presste die vor Schweiß glänzende Brust an die seine und schlang die Arme um ihn. Sie bewegte sich genau so, wie er es gern hatte, wie es zwischen ihnen seit Jahren der Vertrautheit eingespielt war. Aber aus irgendeinem Grunde war heute Nacht alles anders. Unter der gewohnten Oberfläche machte sich ein stärkeres, dunkleres Drängen bemerkbar.

Tristan griff in ihr Haar, was er sonst nur selten tat, wenn sie sich liebten. Er durchwühlte es, umwickelte die Finger mit ihren Locken.

Wie flüssiges Sonnenlicht, dachte er. Mit einer einfachen Schleife aus schwarzem Samt zusammengefasst. Allein seine Wut über ihre Worte hatten ihn davon abgehalten, über sie herzufallen und sie an den goldenen Locken mit sich zu Boden zu zerren.

»Und was gedenkst du nun zu tun, Tristan?«

Der Hohe Herrscher konnte nicht länger an sich halten. Er packte Prudence bei den Hüften, wälzte sich unter sie und ließ sie rittlings auf sich Platz nehmen. In der Hitze, die ihn umfing, spürte er das Feuer, das er in Rhapsodys Augen gesehen hatte und von dem ihm sonst nur in seinen leidenschaftlichsten Träumen eine Ahnung vermittelt war.

»Ich werde sie vernichten«, raunte er. »Ich werde ... alle Soldaten zusammentrommeln... und sie gegen diese Bestien... aufmarschieren lassen, dass keiner ... dieser elenden Bastarde übrig bleibt.« Inbrünstig, ungestüm presste er ihr seinen Mund auf die Lippen und benahm ihr den Atem.

Als er sich wilder und wilder gegen sie stemmte, löste sich Prudence von seinen Lippen, verkrallte beide Hände in seinen schweißnassen Haaren und hauchte ihm ins Ohr.

»Tristan?«

Er vermochte kaum einen Laut von sich zu geben. »Hhmmmmmm... ja?«

»Wie ist der Name dieser Frau?«

»Pru...«, keuchte er.

»Ihr Name, Tristan.«

»Rhapsody«, keuchte er in dem Moment, als das Feuer in ihm explodierte. »Rhapsody«, wiederholte er flüsternd und sank, erschlafft und beschämt, auf Prudence nieder.

Reglos lag er auf ihr, bis er allmählich wieder zu Sinnen kam und ihr Körper unter ihm kühler wurde. Als er es nicht länger vermeiden konnte, ihr in die Augen zu schauen, richtete er sich auf und suchte ihren Blick.

Der Ausdruck auf ihrem Gesicht war nicht der, den er erwartet hatte. Er war darauf gefasst gewesen, auf Ablehnung zu stoßen, sie in Verlegenheit zu sehen oder verletzt. Stattdessen zeigte sie sich gelassen und verständnisvoll.

»Verzeih mir, Prudy«, sagte er errötend.

Prudence drückte ihm einen Kuss auf die Wange und schlüpfte unter ihm zur Seite. »Du musst dich nicht entschuldigen, Liebster«, sagte sie, hob ihren Morgenmantel vom Boden auf und zog ihn an.

»Du bist mir nicht böse?«

»Warum sollte ich?«

Tristan fuhr sich mit der Hand durchs verschwitzte Haar. »Du wusstest Bescheid? Wie ist das möglich?«

Prudence trat vor das übergroße Fenster, zog den Vorhang beiseite und blickte hinaus in den weiten Himmel. Nach einer Weile drehte sie sich mit ernster Miene zu ihm um.

»Wir kennen uns schon so lange, Tristan. Erinnere dich: Ich wär’s, das kleine freche Kind der Küchenmagd, das sich mit dir vor deinem Vater in der Vorratskammer versteckt hat. Du langst mir mit deiner Hand schon fast seit vierzig Jahren unter den Rock. Ich weiß, ob du mich im Sinn hast oder jemand anderen. Ich weiß, du liebst mich, und du weißt, dass ich dich liebe, immer lieben werde. Ich verlange nicht von dir, dass du mich begehrst; es reicht mir, von dir geliebt zu werden. Es ist mir im Übrigen gar nicht recht, wenn du aus Mitleid mit mir ins Bett gehst, wie die letzten Male ...«

»Das stimmt nicht«, fiel er ihr empört ins Wort.

»Ach, mach dir doch nichts vor. Ich weiß genau, dass du an eine andere Frau gedacht hast. Du bist seit kurzem selbst im Schlaf dermaßen heftig erregt wie seit über zehn Jahren nicht, wenn du mich im Sinn hattest. Es freut mich aufrichtig, dass du nicht von Madeleine geträumt hast. Ich dachte schon, du hättest dich womöglich in sie vernarrt. Sie ist eine Hexe, nebenbei bemerkt.« Prudence brachte mit ihrem Lachen auch Tristan zum Schmunzeln.

Sie trat vom Fenster weg und vor den Frisiertisch, wo sie vor seinen Augen den Morgenmantel ablegte und ihr Kleid anzog. Nachdem sie flüchtig mit einem goldenen Kamm durch die zerzausten Locken gefahren war, wandte sie sich ihm wieder zu.

»Lass dir noch eins sagen, Tristan: So sehr du auch nach ihr verlangen magst, verlier nicht den Kopf wegen dieser Frau und hüte deine Hand, die Rolands Zepter führt. Ich spüre, dass du aus Lust oder Wut, jedenfalls aus einer Laune heraus erwägst, die Gewalt eskalieren zu lassen. Tu es nicht, Tristan. Kriege, die einer Frau wegen angezettelt werden, führen auf geradem Weg ins Verderben.«

Tristan zeigte sich verwundert. »Mir scheint, ich höre nicht recht«, erwiderte er trotzig. »Wenn ich Rolands Soldaten ins Feld schicke, geht es mir einzig und allein um den Schutz der Provinzen und ihrer Bewohner. Ich kann nicht glauben, dass du mir zutraust, ich würde Krieg führen, um einer Frau zu imponieren.«

»Nein? Aber es könnte doch sein, dass du es ihrem Herrn heimzahlen möchtest, dafür, dass sie ihn und nicht dich erwählt hat. Und wenn das nicht der Grund ist, mag es verletzter Stolz sein. Wie auch immer, lass dich nicht zur Gewalt hinreißen.«

Wütend wandte sich Tristan von ihr ab. Es schmerzte ihn zutiefst, sie solche erniedrigenden Worte sagen zu hören – zumal sie womöglich sogar ins Schwarze trafen.

»Prudence?«

Als er sich nach ihr umdrehte, war sie verschwunden.

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