Kapitel 17: Sex mit Wladimir Putin – Geheimnisse aus allerhöchstem Bett

Im Jahr 2002 tauchte die Legende von Alina Kabajewa auf, der Olympiasiegerin in der Disziplin Rhythmische Sportgymnastik. Ich erinnere mich noch gut daran, wer mir wann und unter welchen Umständen das erste Mal von der angeblichen Affäre Putins mit der 19-jährigen Kabajewa erzählte. Ort der Handlung war eines der seinerzeit entstehenden »elitären« Cafés im Stadtzentrum Moskaus und die Informationsquelle ein (damals) offizieller Mitarbeiter von Präsident Putin, wobei anzumerken ist, dass er in keinerlei freundschaftlicher oder kameradschaftlicher Verbindung zum Autor dieser Zeilen steht.

Die Umstände des Zusammentreffens der Informationsquelle mit ihrem Adressaten sind absolut zufällig; man war einfach zur selben Zeit in einem Café und saß eine Weile an einem Tisch. Ich weiß noch, dass ich mir einen Ricard bestellt hatte, mein Lieblingsgetränk zu dieser Zeit; was mein Gesprächspartner trank, weiß ich nicht mehr.

Ja, ich war gern bereit zu glauben, dass Putin schon länger etwas mit dieser Sportlerin hat und sie sogar zwei Kinder von ihm zur Welt gebracht hatte. Warum eigentlich nicht? Dennoch gab es da einige Versprecher und Anlass zu zweifeln. Jeder, der sich halbwegs mit der Ethik des Kreml-Hofes auskennt, wird verstehen: Eine untergeordnete Hofschranze würde eine derartig heikle Angelegenheit nicht in aller Welt ausplaudern (zumal ich ein zufälliger Gesprächspartner war und dem Präsidentenhof nicht nahestand). Ich hatte den Verdacht – nein, ich war mir ziemlich sicher, dass der Patron persönlich daran interessiert war, diese Information durchsickern zu lassen.

Nun gibt es schon seit zehn Jahren Gerüchte über eine inoffizielle Putin-Kabajewa-Familie, und niemand schert sich darum, dass der russische Präsident, der normalerweise sehr verschlossen ist, wenn es um Privatangelegenheiten geht, sich erzürnen und böse rächen könnte. Von den beiden gemeinsamen Kindern des Monarchen und der Sportlerin kann man in den Redaktionen oppositionell-liberaler Verlagshäuser alles Mögliche hören, ohne dass jemand einen Hehl daraus macht. Nach der geheim-offiziellen Version leben beide Kinder in Putins Residenz Nowo-Ogarjowo, also genau dort, wo auch der völlig reale Labrador Conny und der Welpe der bulgarischen Schäferhündin Baffy zu Hause sind, die schon viele Menschen hundertfach im Fernsehen gesehen haben.

Sogar die Verkäuferinnen im Pelzgeschäft auf der Bolschaja Dmitrowka (eine Straße im Moskauer Stadtzentrum, zehn Minuten vom Kreml entfernt) können Ihnen erzählen, dass sich Alina Kabajewa bei ihnen regelmäßig mit Pelzmänteln ausstatten lässt und dabei nicht verheimlicht, dass man sie nach wie vor regelmäßig »zu Putin fährt«. Hier gibt es allerdings einen fatalen Widerspruch: Warum wird die Mutter zweier Kinder zu ihrem Mann gefahren, wenn die glücklichen Eltern und ihre Nachkommen angeblich zusammenleben?

Glaubwürdige Informationen über die Töchter des russischen Staatsmannes ‒ Maria (geboren 1985) und Jekaterina (geboren 1986) ‒ waren ebenfalls stets rar. Jahrelang hat Wladimir Putin sie vom großen Publikum ferngehalten. Und das nicht nur wegen seiner allgemeinen Verschlossenheit und seines Argwohns, sondern auch deshalb, weil er seine Töchter nicht zu Geiseln der Politik und einem potenziellen Hebel machen wollte, mit dem man ihn unter Druck setzen könnte. Zumal es stets ausreichend Personen gab, die ihre Kontakte zu den geliebten Zöglingen des Staatsoberhaupts zur Erzielung von durchaus konkreten materiellen Dividenden nutzen wollten.

Erst in der letzten Zeit ist einiges über Maria und Jekaterina Putina an die Oberfläche gedrungen, was vornehmlich mit dem in Putin erwachten »Mahatma-Gandhi-Syndrom« zu erklären ist ‒ dass zwischen ihm und Gott (fast) niemand mehr steht ‒ sowie mit der Tatsache, dass die Töchter erwachsen sind und eigene Familien haben.

Die ältere Tochter Maria ist mit dem niederländischen Staatsbürger Jorrit Joost Faassen liiert. Der studierte Architekt arbeitete Ende der 2000er-Jahre als einer der Top-Manager bei Stroytransgaz, einer Tochtergesellschaft von Gazprom. Vom Architekten Faassen und seiner Verbindung mit der Familie von Wladimir Putin erfuhr man im Herbst 2010 in Zusammenhang mit einem gewalttätigen Vorfall, der sich auf der Rubljowskoe-Chaussee in Moskau ereignete, an der sich die Residenzen der größten russischen Beamten und die Häuser Hunderter Vertreter der russischen Elite befinden.

Jorrit Joost Faassen saß ganz bescheiden am Lenkrad seines BMW, als ihn unter Verletzung aller möglichen Regeln einschließlich der Geschwindigkeitsbeschränkung eine luxuriöse Wagenkolonne gepanzerter Fahrzeuge überholte. Die Wagenkolonne drängte Putins Schwiegersohn in den Straßengraben, woraufhin einige schwarz gekleidete Männer mit furchterregendem Äußeren auf den Architekten zutraten. Es waren typische Bodyguards eines großen postsowjetischen Geschäftsmanns. Sie bedrohten den verschreckten Holländer und schlugen dabei einige Male mit Baseballschlägern auf seinen BWM ein. Nachdem sie damit dem Auto deutlichen materiellen und dem Besitzer moralischen Schaden zugefügt hatten, rasten sie weiter.

Der wichtigste Passagier der Wagenkolonne war der seinerzeit verhältnismäßig bekannte Banker Matwei Urin, der nicht wusste, mit wem er sich da eingelassen hatte und wie die Geschichte für ihn enden würde. Bereits fünfzehn Minuten später hielt die Polizei die Wagenkolonne im Moskauer Stadtzentrum auf der Straße Nowy Arbat an. Urin und seine Bodyguards wurden verhaftet. Bald stellte sich heraus, dass der Finanzier, der nicht die Gewohnheit hatte, an den angesagtesten Orten von Russland auf die Verkehrsregeln zu achten, sich größerer Geldwaschaktionen und der vorsätzlichen Ruinierung einiger Banken schuldig gemacht hatte, die Mitarbeiter seiner Security-Firma hingegen der Ausübung des Faustrechts. Matwei Urin wurde zu vier Jahren Gefängnis verurteilt und hat jetzt ausreichend Gelegenheit, sich an den stillen niederländischen Architekten zu erinnern.

Um die rasche Verhaftung von Urin & Co. kümmerte sich der Polizeigeneral Wladimir Kolokolzew, der damalige Chef der Hauptverwaltung Innere Angelegenheiten von Moskau. Putin ernannte Kolokolzew im Mai 2012 zum russischen Innenminister. Dabei traf der vorsichtige Präsident diese Entscheidung gegen die Meinung eines erheblichen Teils der polizeilichen Generalität, die sich um den ehemaligen Minister Raschid Nurgalijew scharte und 2010/2011 die sogenannte »Medwedew-Reform« der Polizei durchführte.

Man geht davon aus, dass die Geschichte mit Faassen und Urin bei der unerwarteten Beförderung von Kolokolzew keine geringe Rolle gespielt hat. Der General hatte schnell, ehrlich und gekonnt reagiert. Putin zeigte wieder einmal, dass er etwas von Dankbarkeit versteht, auch wenn eine solche Dankbarkeit selbstverständlich recht wenig mit der europäischen politischen Logik zu tun hat.

Der Lebensgefährte von Jekaterina, der jüngeren Tochter des Herrschers, ist der 30-jährige Kirill Schamalow, Sohn von Nikolai Schamalow, dem langjährigen Freund von Wladimir Putin und Teilhaber der legendären Datscha-Kooperative Ozero (See). Der Name von Nikolai Schamalow erlangte im Jahr 2010 wahrhaft internationale Berühmtheit, als sich der Skandal um die sogenannte Residenz am Cape Idokopas entzündete – einen luxuriösen Palast in der Ortschaft Praskowejewka am Ufer des Schwarzen Meeres, nicht weit von Sotschi entfernt.

Dabei handelt es sich um einen im Bau befindlichen »Erholungskomplex« am Meeresufer mit einer Fläche von 87 Hektar, der nach Plänen des bekannten italienischen Architekten Lanfranco Cirillo entsteht (und wohlbemerkt keineswegs nach denen von Jorrit Joost Faassen). Seit einiger Zeit heißt es, die Residenz sei für Putin persönlich bestimmt, und er sei nachgerade der Besitzer (über ein System von Offshore-Firmen).

Als Erster machte dies der Sankt Petersburger Unternehmer Sergei Kolessnikow im Dezember 2010 öffentlich – und zwar in einem auf Englisch und Russisch verfassten Brief über die Korruption, der an Medwedew adressiert und im Internet frei zugänglich war. In dem Brief hieß es, für Ministerpräsident Wladimir Putins private Nutzung entstehe am Ufer des Schwarzen Meeres in der Umgebung der Siedlung Praskowejewka seit 2005 ein »Erholungskomplex« sowie seit 2007 ein Weinberg zur Herstellung von Spitzenweinen. Das alles nannte Kolessnikow »Projekt Süden«, die Kosten des Projekts hatten nach Aussagen des Autors dieses offenen Briefes 1 Milliarde Dollar erreicht. Kolessnikow sagte, er habe diesen Brief geschrieben, damit die »russischen Bürger und der Präsident die Wahrheit erfahren«, und er erwartete von Dmitri Medwedew eine Antwort, die nie kam.

In diesem Brief an Medwedew sowie später in einem Fernsehinterview mit dem Sender RTVi (im Februar 2011) und anderen Medien legte Kolessnikow auch den Finanzierungsplan für die Bauarbeiten der Residenz offen. Nach seinen Angaben wurde unter Beteiligung von Putin im Jahr 1992 die Firma Petromed gegründet, die Projekte im Bereich Gesundheitsfürsorge realisiert und an der der Autor des Briefes Aktien hält. Als Putin im Jahr 2000 Präsident wurde, trat eben jener Nikolai Schamalow der Firma bei. Die Firma schaffte mit Spendengeldern von Oligarchen medizinische Geräte in Höhe von Dutzenden Millionen Dollar für russische Gesundheitseinrichtungen an. Dabei wurden 35 Prozent der Einnahmen auf ausländische Konten überwiesen. Schließlich hatte sich auf den von Schamalow kontrollierten Konten eine Summe von mehr als 148 Millionen Dollar angesammelt.

Nach Angaben des Autors der skandalösen Enthüllungen beauftragte Schalamow Kolessnikow 2005, die Firma Rosinwest zur Realisierung von Schiffbauprojekten, Bauvorhaben und Holzverarbeitung zu gründen. Die Eigentumsverhältnisse wurden hinter anonymen Inhaberaktien verborgen, wenngleich der grundlegende Teil der Aktien dieser Firma im Interesse von Putin verwaltet wurde.

Eines der Projekte von Rosinwest, das von Nikolai Schamalow persönlich geleitet wurde, war die Planung eines kleinen Komplexes in der Umgebung der Siedlung Praskowejewka. Das ursprüngliche Budget lag bei 400 Millionen Rubeln (14 Millionen Dollar). Für den Bau des Komplexes stellte die russische Regierung 73,96 Hektar eines Naturschutzparks zur Verfügung. Anfang 2007 wurde dann ein zweites Projekt gestartet – die Schaffung eines Weinbergs zur Herstellung von Spitzenweinen im Gebiet von Praskowejewka.

Mitte 2009 verfügte Putin nach Angaben von Herrn Kolessnikow den Stopp der Arbeiten an all diesen Projekten, um sich ausschließlich mit dem »Projekt Süden« zu befassen, für das er alle vorhandenen Mittel einsetzte. Im Oktober 2009, als Kolessnikow die Papiere zum letzten Mal sah, lagen die veranschlagten Kosten bereits bei 1 Milliarde Dollar.

2009 wurden alle Objekte und der Grund und Boden des »Projektes Süden« in das Eigentum der Privatfirma Indokopas GmbH überführt, die wiederum Nikolai Schamalow gehört. Den Unterlagen zufolge wurde der Komplex als seine Privatresidenz gebaut, der Name Putin taucht hier nirgends auf. Von hochrangigen Beamten ist nur der Name des Leiters des Präsidialamts Wladimir Koschin genannt, dessen Unterschrift unter den Papieren steht. Obwohl das Projekt einen privaten Charakter hat, werden die Bauarbeiten des Palasts von Spezstroy Rossija realisiert, und die Überwachung und Leitung hat der Föderale Dienst für Bewachung (FSO) übernommen.

Zwischen 2005 und 2010 wurden Mittel aus dem Staatshaushalt zur Finanzierung des Baus von Bergstraßen, Einrichtung von Überlandleitungen und einer speziellen Gaszufuhr zur Residenz verwendet. Um die Kosten, die Menge und das Sortiment der gelieferten Materialien geheim zu halten, habe Schamalow nach Worten von Kolessnikow beschlossen, sie unter Umgehung der üblichen Verzollung zu importieren, und sie mit Bargeld oder mit Geld von ausländischen Konten bezahlt.

Der Pressesprecher des Kreml wollte den Brief von Sergei Kolessnikow nach seiner Veröffentlichung Ende Dezember 2010 nicht kommentieren, und der Pressesprecher des Ministerpräsidenten Dmitri Peskow erklärte, Putin habe nichts mit diesem Palast am Schwarzen Meer zu tun. Nikolai Schamalow und sein Partner Dmitri Gorelow gaben auf die Anfrage der Zeitung Wedomosti keine Antwort, und auch die Firma Petromed lehnte es ab, Kolessnikows Brief zu kommentieren.

Der Leiter des Präsidialamts Wladimir Koschin dementierte entschieden die Nachrichten vom Bau neuer Residenzen für das Staatsoberhaupt Dmitri Medwedew und den Ministerpräsidenten Wladimir Putin: »Ich habe verschiedene Veröffentlichungen über irgendwelche Paläste gelesen, die gerade am Ufer des Schwarzen Meeres im Bezirk Gelendshika gebaut werden oder bereits gebaut wurden. Das alles hat nichts mit dem Präsidialamt oder dem Staatsoberhaupt zu tun. Wir haben derartige Baumaßnahmen nicht geführt, führen sie auch jetzt nicht und haben dies auch nicht vor«, erklärte Koschin, dessen Unterschrift unter den Baudokumenten steht. Am 18. Oktober 2012 erklärte Wladimir Koschin erneut, dass die Eine-Milliarden-Dollar-Residenz Putin nicht gehöre, und wem sonst, das wisse er nicht.

Informell bekräftigen die der Familie von Schamalow nahestehenden Quellen Folgendes: Sergei Kolessnikow hat höchstwahrscheinlich keine reine Weste. Seine Auseinandersetzung mit seinem Geschäftspartner entzündete sich durchaus nicht daran, dass Herr Kolessnikow sich auf einmal als kompromissloser Kämpfer gegen die Korruption zeigte, sondern weil beim Bau der Residenz »Idokopas« 120 Millionen Dollar verschwunden sind. Nikolai Schamalow verdächtigte – und beschuldigte offenbar auch inoffiziell – seinen jüngeren Partner.

Daraufhin begriff Kolessnikow, dass es für ihn brenzlig geworden war, und er wollte Russland verlassen. Gleichzeitig sorgte er für die Voraussetzungen, um im Westen politisches Asyl zu erhalten. Um als Opfer realer oder potenzieller Verfolgungen von Seiten der russischen Macht dazustehen, veröffentlichte er den berüchtigten Brief an Dmitri Medwedew. Gleichzeitig beteiligte er sich 2011/2012 verstärkt an der Finanzierung russischer oppositioneller Projekte, zum Beispiel des Systems für die Internetabstimmung »Demokratie-2«, dessen Initiator Putins unversöhnlicher Feind, der Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow war. (Die Programmierer wurden von dem IT-Manager Leonid Wolkow gestellt, der daraufhin Leiter des politischen Stabs des neuen Stars der russischen Opposition Alexei Nawalny wurde). Außerdem hatte er das öffentlich-rechtliche Netzfernsehen SoTV initiiert, dessen Chef der vormals als liberaler Journalist in Russland bekannte Igor Jakowenko wurde, der früher den Posten des Sekretärs des Russischen Journalistenverbands innehatte. Damit kam also ein Teil der sakramentalen 120 Millionen Dollar den Kreml-Kritikern zugute – klar und in bar.

Allerdings stellte Kolessnikow 2012 fest, dass Schamalow & Co. dem Skandal keinen internationalen oder darüber hinaus politischen Charakter zuerkennen wollten. Schon allein deswegen nicht, weil auch dem höchsten Boss Wladimir Putin eine solche Entwicklung der Ereignisse überhaupt nicht gefallen hätte. Er musste also bei den mitleidigen Ländern des Westens nicht um politisches Asyl bitten. Deswegen stellte er sowohl die Finanzierung von SoTV (geschlossen Herbst 2012) als auch von »Demokratie-2« (existiert noch, aber ohne Kolessnikow, vor allem dank Herrn Nawalny) ein.

Der Palast in Praskowejewka ist nicht für Putin selbst bestimmt, der auch so genügend staatliche Residenzen besitzt, einschließlich »Botscharow rutschej« direkt in Sotschi. Er ist für seine jüngste Tochter gedacht. Damit ist auch das gesteigerte Interesse von Nikolai Schamalow an diesem Projekt zu erklären.

Schließlich die angenehmste, wenn auch offiziell unbestätigte Neuigkeit: Wladimir Putin ist Großvater geworden. Letztes Jahr hat Maria Putina ein Kind zur Welt gebracht. Die Geburt fand am Morgen des 15. August 2012 in Bulgarien statt (nein, nicht in Russland, wo es um die Geburtshilfe mittlerweile schlecht bestellt ist!). Die Mitteilung mit dem Vermerk »fast geheim« stammt aus den bulgarischen Massenmedien. Bis heute gibt es keine offizielle Bestätigung oder ein Dementi dieser Information.

Das Kind kam per Kaiserschnitt zur Welt. Wie die russische Nachrichtenagentur Ura.ru mit Verweis auf die bulgarische Internetseite btvnews.bg mitteilte, wurde den russischen Massenmedien geraten, keine Details über die Geburt des Kindes in Umlauf zu bringen. Die bulgarischen Journalisten behaupten, Wladimir Putin sei kurz entschlossen nach Bulgarien aufgebrochen, habe die Geburtsklinik aufgesucht und seiner Tochter gratuliert. Der Enkel wurde angeblich Wladimir genannt – Wladimir Jorritowitsch Faassen. Das klingt gut, vor allem für russische Ohren, die alles Ausländische verzaubert.

Allerdings ist alles, was wir hier über die Sprösslinge und Erben des russischen Oberhaupts erzählen, Klatsch und Tratsch. Nicht mehr und nicht weniger.

Putin vermeidet nicht nur alles, was die allgemeine öffentliche Aufmerksamkeit auf das Leben seiner Angehörigen lenken könnte, er bemüht sich auch, sie von jeder aufdringlichen Beachtung abzuschirmen. Die Mitglieder der allerhöchsten Familie haben keinerlei offizielle Verpflichtungen, die es ermöglichen würden, ihr öffentliches oder privates Leben unter die Lupe zu nehmen. Man kann ihnen auch keine unbequemen Fragen stellen, wie sie gewöhnlich an Figuren des öffentlichen Lebens gerichtet werden.

Die bereits erwähnte Alina Kabajewa hingegen lebt wie auf dem Silbertablett. Sie ist Abgeordnete der Staatsduma (die zweite Legislaturperiode hintereinander), Stammgast bei Prominentenpartys und Wohltätigkeitsauktionen, ihr Gesicht ist ständig auf den Titelseiten von Hochglanzzeitschriften zu sehen. Wie konnte der zurückhaltende und verschlossene Putin etwas Derartiges zulassen? Warum reißen die Gerüchte über seine Zweitfamilie und seine unehelichen Kinder nicht ab, die dem Präsidenten eines derart konservativen Landes wie Russland offensichtlich schaden? Russland ist schließlich nicht Frankreich, wo Präsident François Mitterrand im Élysée-Palast vierzehn Jahre lang nicht nur seine Ehefrau Danielle, sondern auch seine uneheliche Tochter Mazarine und deren Mutter beherbergte. Ganz offensichtlich stimmt an der Geschichte von Putin und Kabajewa etwas nicht.

Ähnlich wie ich gestimmte Kritiker erinnern gern an die Geschichte der im Jahr 2008 geschlossenen Zeitung Moskowski korrespondent. Es gab eine solche Wochenzeitung, die der Bankier, Politiker und Eigentümer der Nationalen Reservebank (NRB), Alexander Lebedew, im Herbst 2007 gegründet hatte. Die Moskor genannte Zeitung verdankte ihre Existenz einem einzigen Grund: Lebedew wollte bei den Wahlen zur Staatsduma die Liste der Oppositionspartei »Gerechtes Russland« in der Hauptstadt Moskau anführen, und er brauchte ganz dringend ein Presseorgan, das absolut unabhängig war von dem damals übermächtigen Bürgermeister der Stadt, Juri Luschkow. Letztlich kandidierte Lebedew dann doch nicht: Der Kreml hatte ihm davon abgeraten, angeblich auf Bitte von Luschkow.

Und dann veröffentlichte Moskowski korrespondent im Frühjahr 2008 einen Leitartikel über die bevorstehende Hochzeit von Wladimir Putin und Alina Kabajewa. Man nannte sogar den Namen der Event-Agentur: das Art-Management-Center Karnawal-stil, dem die Heiratswilligen die feierliche Zeremonie anvertraut hatten. (Heute möchte ich nicht ausschließen, dass diese Firma an einer skandalösen Publikation interessiert war, um für sich lautstarke und gleichzeitig preisgünstige Werbung zu machen.) Sofort nach der Publikation wurde der Bankier Lebedew offenbar in die Lubjanka vorgeladen und in aller Härte auf die Unzulässigkeit derartiger Veröffentlichungen hingewiesen. Moskowski korrespondent wurde auf der Stelle geschlossen. Nach der offiziellen Version (von Lebedew) wegen des »Durchsickerns von Informationen, die im Widerspruch stehen zu Putins persönlichen wichtigen Interessen«.

Meine Nachforschungen hingegen brachten mich auf einen völlig anderen Ablauf der Ereignisse. Nachdem Alexander Lebedew davon Abstand genommen hatte, für Moskau zu kandidieren, verwandelte sich die Zeitung für ihn in einen Koffer ohne Griff. Das heißt, er brauchte sie einfach nicht mehr. Dennoch konnte der Bankier das nicht offen zugeben und die glücklose Zeitung auf ehrliche Weise schließen. Das macht man eben nicht in der Welt der russischen Oligarchen. Daher wurde die Intrige mit dem Scheinskandal um Kabajewa erdacht – nach dem Motto: Wir wollten den Moskowski korrespondent ja nicht schließen, wurden aber dazu gezwungen. Der Urheber und Vollstrecker dieser Intrige war der stellvertretende Chefredakteur dieser Zeitung und Veteran der russisch-sowjetischen Regenbogenpresse Igor Dudinski. Es ist nicht auszuschließen, dass jemand sogar ein Honorar von der Event-Agentur bekommen hat, die durch diese Publikation zur Berühmtheit wurde.

Aber auch das kann nicht ganz stimmen. Die Ehegeschichte von Alina Kabajewa erinnert ohnehin sehr an ein Hollywood-Melodrama. 2004 wurde bekanntgegeben, dass sie den Hauptmann der Miliz Dawid Musseliani heiraten wolle (der aus irgendeinem Grund kurz danach schon kein Hauptmann mehr war, sondern Oberst). Und so romantisch schrieb im Oktober 2004 die zu dieser Zeit überaus einflussreiche Boulevardzeitung Shisn darüber:

»Alina Kabajewa hat das Datum für ihre Hochzeit festgelegt. Sie soll im nächsten Sommer stattfinden. Wie Alina gegenüber Shisn äußerte, hat sie schon immer davon geträumt, im Sommer zu heiraten. Kabajewa wollte eigentlich schon in diesem Jahr den Bund der Ehe eingehen. Wegen ihrer Teilnahme an der Olympiade musste die Eheschließung jedoch auf den Sommer des nächsten Jahres verschoben werden.

»Natürlich hätte ich schon im Winter oder Frühling heiraten können, aber ich wollte keine Hochzeit in aller Eile«, gestand die Olympiasiegerin gegenüber Shisn ein. »Vor meinem endgültigen Abschied vom großen Sport möchte ich noch an einigen Wettkämpfen teilnehmen, die sehr wichtig für mich sind, zum Beispiel will ich zu einem Turnier nach Japan fliegen. Und dann kann ich mich in aller Ruhe um die Festvorbereitungen kümmern. Dawid und ich freuen uns sehr auf diesen Tag!«

Ungeachtet der Proteste ihrer Eltern, die sich entschieden gegen diese Ehe ausgesprochen hatten, zog Alina in die Wohnung ihres Verlobten im Moskauer Stadtzentrum.

»Sie bekannte, sie habe sich nicht vorstellen können, zu einer so leidenschaftlichen Liebe fähig zu sein. Ihren Auserwählten nennt die junge Frau »mein Süßer« und »mein Liebster«. Wenn sie zusammen sind, kann sie ihren begeisterten Blick nicht von Dawid abwenden … Sogar ihre Trainerin Irina Winer drückte beide Augen vor den Launen und Grillen der verliebten jungen Frau zu. Als sich Alina einmal fast zum Abflug nach Athen verspätete, sagte ihre Trainerin verärgert zu ihr: »Konntet ihr euch wieder nicht aneinander sattsehen!«

Obwohl beide sehr beschäftigt sind, telefonieren sie stündlich miteinander, nur um die Stimme des anderen zu hören. Kabajewa lässt alles stehen und liegen, nur um für eine Minute ihren Liebsten zu sehen, der ein hollywoodmäßiges Aussehen und aristokratische Manieren hat. Wenn es ginge, würden die Verliebten tagelang zusammenbleiben.«

Das süße Pärchen stellt seine Beziehung nicht zur Schau, man zeigt sich zusammen nur bei nahen Freunden. Aber Alina macht keinen Hehl daraus, dass sie ihren Verlobten auf seiner Arbeitsstelle, der Abteilung der Miliz im Bezirk Presnenskoe, besucht:

»Alle merken, dass die berühmte Kunstturnerin da ist, wenn ihr luxuriöses Auto in den Hof fährt. »Unsere Alina ist da!«, scherzen die Milizionäre. Dabei hat die Mannschaft höchsten Respekt vor den Gefühlen ihres stellvertretenden Chefs Dawid Gageniewitsch Musseliani.

›Man sieht sofort: Das ist wahre Liebe«, sagte einer der Mitarbeiter aus der Miliz-Abteilung Presnenskoe gegenüber der Shisn. »Als die Olympiade stattfand, war Dawid sehr aufgeregt. Und dann ist er nach Griechenland zu seiner Verlobten geflogen. Auch hier haben alle mit Alina mitgefiebert. Wir haben uns schon an sie gewöhnt. Sie ist ein sehr gutes Mädchen.‹«

Ohne die Hochzeit abzuwarten, schenkte der Verlobte ihr ein azurblaues Mercedes-Coupé. Doch Mitte 2005 stellte sich heraus, dass die Hochzeit verschoben wurde. Die Regenbogenpresse verbreitete zwei Versionen. Entweder hatte sich Dawid Musseliani noch nicht ganz von seiner vorherigen Frau Olga getrennt und Nana, seiner Tochter aus erster Ehe, zu viel Aufmerksamkeit geschenkt, was Alina verletzte. Oder die Sportlerin hatte einen neuen Verehrer, der reich und einflussreich war – den Baumagnaten Sergei Polonski, den man in Begleitung von Alina Kabajewa bei den Feierlichkeiten von »Stil-City 2005« antraf. Trotz allem bekräftigte die Olympiasiegerin im Dezember 2006 vor den Medien erneut, sie sei mit Oberst (ehemals Hauptmann) Musseliani zusammen und basta.

Später verlor sich ihre Spur. Wie einige Beobachter meinten, war das Paar mitsamt dem Tischinskaja-Platz verschwunden und hatte sich in Richtung Rubljowka entfernt, wo die teuersten Prestigesiedlungen der Moskauer Vororte liegen. Jedenfalls hätte diese Seifenoper wohl kaum stattfinden können oder so lange gedauert, wäre Alina Kabajewa schon seit 2002 (wie mir der Kreml-Beamte versicherte) die ständige Freundin des heutigen russischen Präsidenten, der so machtvoll und eifersüchtig ist.

Ich neige zu der Auffassung, dass die Liebesgeschichte von Putin und Kabajewa nur ein Ablenkungsmanöver ist (hier waren unserem Helden seine Erfahrungen als Tschekist von Nutzen). Ziel der Operation war die Vertuschung der Wahrheit, für die es zwei Versionen gibt:

•Putin sind Sex und ein Sexualleben fremd.

•Putin ist latent schwul.

Die Ränkespiele um Kabajewa werden schon viele Jahre mithilfe des einflussreichen Geschäftsmanns usbekischer Herkunft, Alischer Usmanow, am Leben gehalten. Er ist in der Russischen Föderation Hauptsponsor für Rhythmische Sportgymnastik. Seine ehemalige Ehefrau, Irina Winer, ist die wichtigste Trainerin der russischen Auswahlmannschaft dieser Sportart und außerdem Coach der schönen Alina. Im Hintergrund erscheint dann noch Sergei Jastrschembski, ein alter Freund von Usmanow und sein ehemaliger Kommilitone am staatlichen Moskauer Institut für Internationale Beziehungen. Er war auch Boris Jelzins Pressesprecher und Putins Assistent bei der »Berichterstattung über die Antiterrormaßnahmen in Tschetschenien«. Usmanow, der über Verbindungen zu kriminellen Kreisen verfügt, ist offensichtlich der Garant dafür, dass nie jemand die ganze Wahrheit erfährt. Und dass Alina Kabajewa nicht zu gesprächig wird.

Eine ähnliche Legende versuchten Putins Leute um die Operndiva Anna Netrebko zu spinnen. Das spielte sich vor allem 2009 bis 2010 ab, als die Kabajewa-Nummer sich ein wenig erschöpft hatte und nicht mehr ganz glaubwürdig wirkte. Wieder einmal waren in Moskau kremlnahe »Informanten« unterwegs, die von einer neuen Affäre des »Führers« erzählten – diesmal mit einer etwas erwachseneren Liebschaft. Die Netrebko-Version fand allerdings kein Gehör. Man hörte endgültig auf, an sie zu glauben, nachdem die Sängerin ihre Allianz mit dem uruguayischen Tenor Erwin Schrott und die Geburt ihres Kindes öffentlich gemacht hatte.

Besondere Beachtung verdient die Geschichte der Beziehungen zwischen Wladimir Putin und den überaus brutalen Bikern, insbesondere mit denen aus dem Club Notschnye wolki (Wölfe der Nacht) mit ihrem Anführer Alexander Saldostanow, genannt »der Chirurg«. In den entsprechenden Kreisen hält man den Club Wölfe der Nacht für ein Nest und eine Brutstätte andersartiger sexueller Neigungen.

Mein Bekannter A. A., ein einflussreicher Vertreter der Moskauer Schwulen-Community, ist davon überzeugt, Putin sei homosexuell, wenn vielleicht auch nur latent (was man closet gay nennt). Rein äußerlich gibt es gut zu beobachtende Verhaltensmuster eines closet gay, zum Beispiel WWPs rührende platonische Liebe zu dem bekannten Filmregisseur Alexander Sokurow, dessen Filme dank Putins persönlicher Fürsprache finanziell unterstützt werden. Aber das ist noch nicht alles. Nach einem in Kinokreisen verbreiteten Gerücht hat der Kreml-Herr einige lobbyistische Anstrengungen unternommen, damit Sokurows Film Faust auf dem venezianischen Filmfestival 2011 den Goldenen Löwen erhält.

Mir geht außerdem folgende Geschichte nicht aus dem Sinn. Zeit der Handlung: Mai 1999. Sergei Stepaschin, dem der Ruf, schwul zu sein, hartnäckig folgt, ist gerade anstelle von Jewgeni Primakow zum Ministerpräsidenten von Russland ernannt worden. Von vielen wird er bereits als überaus wahrscheinlicher Nachfolger von Boris Jelzin gehandelt. Ort der Handlung: das Büro eines zu diesem Zeitpunkt einflussreichen russischen Oligarchen. Handelnde Personen: der Oligarch und ich, sonst niemand. Der Oligarch fragt mich: »Was meinst du, wenn wir unseren Mann in den Kreml bringen, wie können wir ihn dann kontrollieren?«»Gar nicht«, antworte ich. »Der Status und die Befugnisse des russischen Präsidenten sind so umfassend (vor allem in der Vorstellung des Volkes), dass der von Ihnen eingeschleuste Nachfolger jederzeit seine Verpflichtungen vergessen beziehungsweise wie einst Zarin Anna Iwanowna ›die Konditionen zerreißen‹ kann.«»Das meine ich auch«, sagt der Oligarch. (Später stellt sich heraus, dass er nicht so dachte, sondern mir nur aus Höflichkeit zustimmte.) »Da fällt mir nur eines ein: die gleichgeschlechtliche Liebe. Ja, nur sie.« Er meinte damit, dass nur kompromittierendes Material bezüglich einer Homosexualität ein mehr oder weniger effektives Mittel sei, um im Fall der Fälle Druck auf den künftigen russischen Präsidenten auszuüben.

WWPs Ruf als Schwulen-Ikone festigte sich im Sommer 2007, als er mit Prinz Albert von Monaco nach Sibirien zum Angeln fuhr. Das Angeln endete mit einer wahrhaftig erotischen Fotosession, bei der Putin und Albert oben ohne posierten und ihre Angelruten in den Händen hielten. Die Fotos wurden in allen großen Zeitungen der Welt veröffentlicht. Die Schwulen-Community in Moskau war begeistert. Mir ist nicht genau bekannt, wie es um Alberts Ruf in dieser Hinsicht steht, auch wenn es verschiedene Gerüchte gab und gibt. Aber kurz danach wurde auf einmal bekannt, dass seine Geliebte auch eine junge Russin und Sportlerin ist, allerdings im Eiskunstlaufen – es handelte sich um Marina Anissina. Das Schema Putin–Kabajewa wurde also praktisch eins zu eins übertragen.

Fast jeder in der Expertengemeinschaft des Sports spricht davon, dass Prinz Albert, der eine bedeutende Figur in der internationalen Sportbewegung ist, seinem Freund Wladimir Putin geholfen hat, Sotschi als Austragungsort der Olympischen Winterspiele 2014 zu begünstigen, obwohl Sotschi im Vergleich mit objektiv stärkeren Konkurrenten – Salzburg und das koreanische Pyeongchang – zunächst kaum Chancen hatte.

Eine Sensation war das persönliche und öffentliche Zusammentreffen Wladimir Putins mit der 45-jährigen Masha Gessen, einer herausragenden Figur der LGBT-Community und bekannten Aktivistin im Kampf für die Rechte sexueller Minderheiten. Das Treffen fand am 11. September 2012 statt, am elften Jahrestag des schrecklichsten Terrorangriffs der Menschheitsgeschichte, und zwar in der Vorstadtresidenz des Präsidenten in Nowo-Ogarjowo. In den letzten Jahren regiert Putin ziemlich schwach und richtet seine Aufmerksamkeit eher auf seine persönlichen Probleme und Vorlieben – angefangen von den Bikern bis hin zu Tigern und Kranichen. Viele einflussreiche Personen – föderale Minister, Oberhäupter der Regionen und Milliardäre – können manchmal monatelang nicht zu ihm vordringen, um Fragen der staatlichen Lenkung zu besprechen.

Für Masha Gessen fand Putin jedoch sofort Zeit. Der Grund ihres Zusammentreffens übersteigt jegliche Vorstellungskraft. Im Januar 2012 leitete Frau Gessen die Zeitschrift Wokrug sweta – das Organ der Russischen Geografischen Gesellschaft (RGO), einer gesellschaftlichen Institution, als deren Patron Präsident Putin in Erscheinung tritt. Am 1. September trat Gessen von ihrem Posten zurück – angeblich als Zeichen des Protests gegen die Nötigung der Zeitschrift, von Putins Flug mit den Kranichen zu berichten. (Aus meiner Sicht war das ein durchaus beachtenswertes Ereignis. Allerdings stellte sich bald darauf heraus, dass Masha Gessen alles nur vorgetäuscht hatte: Ihr war in Wirklichkeit ein einträglicherer Posten bei der Rundfunkstation Swoboda angeboten worden, und die Geschichte mit Putins Flug hatte sie nur benutzt, um die kühne Oppositionelle zu mimen.)

Welchem Thema also widmete WWP eine ganze Stunde seiner kostbaren Zeit? Er redete auf Masha Gessen ein, sie solle bei der Zeitschrift bleiben! Dennoch konnte er sie nicht umstimmen, die LGBT-Aktivistin blieb unbeugsam, denn der Chefsessel im Moskauer Büro von Swoboda ist nun einmal wirklich attraktiver. Das Ereignis vom 11. September 2012 wird vor allem dadurch pikant, dass Masha Gessen zu Beginn des Jahres im Westen ein überaus kritisches Buch über ihren Gesprächspartner Putin herausgegeben hatte. Der Präsident musste von diesem Buch wissen – aber auch dieser Umstand hinderte ihn nicht daran, die Journalistin zu sich einzuladen und ihr geradezu militärische Ehren zuteil werden zu lassen, was sich schwerlich durch etwas anderes erklären lässt als durch seine krankhafte Neigung für kultverdächtige Vertreter sexueller Minderheiten.

Was an den Legenden von Wladimir Putins sexuellem Erscheinungsbild wahr ist und was nicht, wird nur die Zeit zeigen. Aber ich habe in diesem Punkt meine eigene Version. Putin ist ein äußerst verletzbarer Mensch, der nichts mehr fürchtet als Verrat. Deswegen öffnet er sich kaum und tut sich schwer, an die Aufrichtigkeit eines anderen Menschen zu glauben. Zu lieben und geliebt zu werden birgt immer das Risiko des Verrats in sich. Man kann kein vollwertiges Privatleben führen, wenn man sich mit dem Panzer einer perfekten psychologischen Sicherheit schützt. Und viele Beobachtungen zeigen, dass Putin diesen Panzer nicht abzulegen bereit ist.

Liebe und Verrat gehen oft Hand in Hand. Putin jedoch kann nicht einmal die Möglichkeit eines Verrats zulassen, egal, um wen oder was es sich handelt. Wenn es jemanden gibt, den er so sehr hasst, dass er ihn züchtigen will, dann ist es der Verräter. Deswegen ist sein Bett entgegen aller Erfindungen wahrscheinlich so wüst und leer wie die Welt vor der Erschaffung des Lichts.

Er ist einsam. Nur wer das ganze Ausmaß dieser Einsamkeit nicht kennt, kann diesen Mann beneiden, der zwischen den Attributen der gewaltigen, doch im Grunde nutzlosen russischen Macht verloren gegangen ist.

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