Kapitel 20: Putin und die russische Opposition – Zwillingsbrüder

Weit verbreitet ist die Auffassung, Wladimir Putin habe während seiner gesamten Regierungszeit die russische Opposition auf Schritt und Tritt gehemmt, sie terrorisiert und unterdrückt und ihr alle Möglichkeiten für eine legale politische Tätigkeit genommen, nur um sie nicht an die Macht zu lassen. Ich riskiere die Behauptung, dass das nicht stimmt.

In der einen oder anderen Form habe ich mehr als zehn Jahre lang mit der Opposition zusammengearbeitet: von 2001 bis Anfang 2012. Dabei empfand ich große Erleichterung, als die Zusammenarbeit beendet war. Später meinte ich, ich hätte diese zehn fruchtlosen Jahre nur deshalb erlebt, weil ich an Masochismus und einer Art Minderwertigkeitskomplex litt. Nachdem ich bei einem erfahrenen Psychotherapeuten Hilfe gesucht hatte – bei mir selbst –, rottete ich dieses psychische Leiden mit Stumpf und Stiel aus und verätzte die Wunde mit einem glühenden Eisen.

Mir wurde bewusst, wie sinnlos es war, die heutige Opposition im modernen Russland zu unterstützen. Dabei war es völlig bedeutungslos, wie man sie unterstützte: finanziell, ideologisch, moralisch oder psychologisch. Denn die Opposition in Russland kämpfte nicht um die Macht. All diese Jahre war sie ein Teil der Macht, ihrer politischen und polittechnologischen Maschinerie. Die verschiedenen Oppositionellen kämpften weniger gegen die Regierung als gegen einander, und zwar um vorteilhafte Positionen innerhalb von Wladimir Putins System. Man könnte mir entgegenhalten, dass das in autoritären Gesellschaften oft vorkommt. Ja, das tut es. Aber durchaus nicht immer.

Der verstorbene Machthaber in Venezuela Hugo Chávez hatte ebenfalls einen Hang zum Autoritarismus und tat alles für die Festigung eines Regimes seiner räumlich wie auch zeitlich unbegrenzten Macht. (Der Herrgott gebot ihm auf allereinfachste und kompromisslose Weise Einhalt – im 59. Jahr seines ungestümen Lebens.) Dennoch hat es unter ihm immer eine völlig reale und handlungsfähige Opposition gegeben. Deren derzeitiger Führer Henrique Capriles Radonski (man beachte: er wurde 1972 geboren, ist also noch recht jung) ließ sich nicht nur auf den Gouverneursposten eines der Bundesstaaten wählen, sondern bot auch Chávez selbst bei den Präsidentenwahlen 2012 erfolgreich Paroli, indem er 44 Prozent der Stimmen erhielt, also nur etwas weniger als der Autokrat selbst. Nach dem Tod des venezolanischen Herrschers lag er bei den vorgezogenen Präsidentschaftswahlen 2013 nur knapp hinter dem Nachfolger Nicolás Maduro, indem er 49 Prozent der Wählerstimmen erhielt.

In Russland starb die Opposition alter Prägung im Oktober 1993. Sie verbrannte im Feuer des Weißen Hauses, im damaligen Haus des russischen Parlaments, das Boris Jelzin aufgelöst hatte und das danach auf seinen Befehl von Panzern beschossen wurde. Seitdem sind alle offiziellen Regimegegner ausschließlich damit beschäftigt, ihr aufkeimendes oder rudimentäres politisches Potenzial gegen das Wohlwollen des Kremls zu tauschen, das sich in finanziellen oder anderen, vergleichbaren Formen ausdrückt.

Wegbereiter einer solchen Herangehensweise und Schöpfer eines neuen oppositionellen Modells war fraglos Wladimir Schirinowski, Gründer und seit 1991 ständiges Oberhaupt der Liberal-Demokratischen Partei Russlands (LDPR). Er war bereits 1990 als Gründer der Liberal-Demokratischen Partei (LDP) der damals noch nicht zusammengebrochenen UdSSR in die große Politik gegangen. Initiiert hatte die Gründung dieser Partei das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei.

Bei der kommunistischen Leitung war damals bereits eine gewisse Vorstellung über politische Technologien herangereift. In der Endphase der politischen Existenz der KPdSU musste es einen künstlich geschaffenen, virtuellen Sparringpartner geben, um die Illusion einer Vielparteienlandschaft zu erzeugen. Schirinowski, ein begabter und charismatischer Mann (wenn auch damals öffentlich kaum bekannt), wurde für die Ausführung dieses Plans ausgewählt. Das war kein Zufall. Gewisse Quellen behaupten, der Politiker (geboren 1946 in Kasachstan, der eigentliche Name seines Vaters ist Edelstein) habe bereits in den 1970er-Jahren für den KGB der UdSSR in Kreisen sowjetischer Juden gearbeitet, die eine Ausreise nach Israel beantragt hatten. Das heißt, zur sowjetischen Macht hatte Herr Schirinowski ein durchaus spezielles Verhältnis.

Im August 1991 war die LDP der UdSSR die einzige politische Macht im Land, die den Anti-Gorbatschow-Putsch, den Ausnahmezustand und die Schaffung des Staatlichen Komitees für den Ausnahmezustand (GKTschP) unter Leitung des Vizepräsidenten der Sowjetunion, Gennadi Janajew, unterstützte. Bekanntlich scheiterte der Putsch, und die ihn angezettelt hatten, kamen ins Gefängnis.

Aber Schirinowski scheiterte nicht. Leicht fand er sich in der neuen, postsowjetischen politischen Realität zurecht. Die Liberal-Demokratische Partei eignete sich alle Losungen des zwei Monate vorher zusammengeschossenen Obersten Sowjets von Russland an, beanspruchte die Lorbeeren der Tragödie (die eigentlichen Verteidiger des Weißen Hauses saßen zu diesem Zeitpunkt im Gefängnis) und gewann im Dezember 1993 das erste Mal nach 1911 die Wahlen zur Staatsduma, wobei sie 22 Prozent der Stimmen erhielt und den ersten Platz in der Gesamtwertung einnahm. Damit lag sie vor der »Regierungspartei«, deren Rolle in dieser Zeit »Wahl Russlands« spielte – eine poröse Koalition anerkannter Liberaler unter Jegor Gaidar, der damaligen Ikone des russischen Liberalismus, kommissarischer Ministerpräsident und erster Ideologe radikaler Marktreformen der 1990er-Jahre.

Die progressive Öffentlichkeit war schockiert. Ihr schien, als käme der sowjetische Totalitarismus zurück, dazu noch mit faschistoidem Anstrich. (Schon viele Jahre tritt der Anführer der LDPR mit der Losung »Wir sind für die Russen, wir sind für die Armen!« auf, wobei er selbst recht wohlhabend ist.)

Aber die Befürchtungen waren unnötig. Nach seinem Sieg versuchte Schirinowski nicht, die reale Macht zu erlangen, sondern wollte in den Kreml. Dort einigte er sich mit Boris Jelzin und seiner Administration. Von nun an wurde die LDPR ein zuverlässiger Verbündeter der Regierung in allen Schlüsselfragen und erhielt dafür im Gegenzug finanzielle Unterstützung und administrative Garantien einer ständigen Wiederwahl in die Duma.

In zweitrangigen und nebensächlichen Dingen konnte Schirinowski ungemütlich werden, und in diesen Fällen stimmte die LDPR ganz dreist mit Nein. In der Regel geschah das immer dann, wenn von ihren Stimmen nichts abhing, weil die Stimmenmehrheit auch ohne die LDPR zusammenkam. In allen prinzipiellen Dingen jedoch – sei es die Bestätigung der Kandidatur eines »volksfeindlichen« Ministerpräsidenten, die Abstimmung über den Staatshaushalt oder gegen die Amtsenthebung von Boris Jelzin (1999) – solidarisierte sich die Fraktion der LDPR im Parlament stets mit dem Kreml.

Bis zum heutigen Tag sind die sogenannten Liberaldemokraten von Schirinowski im russischen Parlament die zuverlässigste und treuste Stütze des Kremls (das heißt, in hohem Maße unseres Helden Wladimir Putin). Sogar die Vertreter der wichtigsten Kremlpartei »Einiges Russland« können manchmal rebellieren und mäkeln. Die LDPR tut das nie.

Den treulosen Weg von Schirinowski schlug auch Gennadi Sjuganow ein, der Anführer aller Vertreter des russischen Kommunismus. Die von ihm (bis heute) geleitete Kommunistische Partei der Russischen Föderation gewann die Wahlen 1995 (indem sie die entscheidenden 22 Prozent der Stimmen erhielt). 1996, nach einer weiteren Präsidentenwahl in Russland, hatte Sjuganow reale Chancen, die Oberhand zu gewinnen und Herr im Kreml zu werden. Mit Stand von Januar 1996 lagen nach Angaben soziologischer Untersuchungen die Umfragewerte für Sjuganow über 30 Prozent, die für Jelzin bei 2 (!) Prozent. Der Anführer der KPRF hatte seinen Wahlkampf recht selbstsicher geführt, und zum Frühjahr 1996 gab es keinerlei Zweifel mehr, dass er die Wahlen gewinnen und der zweite demokratisch gewählte Präsident von Russland nach Jelzin werden würde.

Im Grunde waren die russischen Eliten bereits darauf vorbereitet. Wie die Politikerin Irina Chakamada damals sagte, standen die reichen und bekannten Leute bei Sjuganow Schlange. (Dieser Satz fiel auf der Präsentation von Chakamadas Buch Allgemeine Sache im Moskauer Café »Nostalgie«.) Im März 1996 unterschrieben dreizehn bekannte Geschäftsmänner, darunter der heute durch seine Gefängnisgeschichte bekannte Michail Chodorkowski, einen offenen Brief urbi et orbi »Heraus aus der Sackgasse«. Initiator war Boris Beresowski, der danach in Ungnade gefallene russische Geschäftsmann, der damals durchaus einflussreich war und Zugang zum Kreml hatte. Autor des Textes war der durch Skandale bekannt gewordene Theaterregisseur Sergei Kurginjan. Die grundlegende Idee des Briefes bestand darin, die Präsidentschaftswahlen, bei denen Boris Jelzin zur Niederlage verurteilt war, auszusetzen und durch einen politischen Pakt zu ersetzen, dessen wesentlicher Bestandteil lautete: Jelzin bleibt Staatsoberhaupt, Sjuganow wird Ministerpräsident und bildet die Regierung. Wie es in dem Papier hieß, »muss man sich entscheiden zwischen einem Krieg vor der Wahl und einem Frieden nach der Wahl«.

Ein mögliches Szenario zur Aussetzung der Wahl wurde damals im Kreml und seiner Umgebung stark diskutiert. Jelzins Mitstreiter in jener Zeit, allen voran der Leiter seiner Wachmannschaft Alexander Korschakow, waren davon überzeugt, man müsse die Wahlen um zwei Jahre verschieben. Denn den Wahlkampf hätte das alternde und trinkende Staatsoberhaupt mit seinen Herzproblemen physisch nicht durchgestanden. Daher dachte man sich verschiedene politische Begründungen aus. Zum Beispiel stimmte die Staatsduma im April 1996 unerwartet für die Kündigung der Verträge von Belowesch (1991), nach denen die Sowjetunion aufgelöst worden war. Jelzins Assistent für innenpolitische Fragen, Georgi Satarow (heute bekannt als äußerst liberaler und aufmüpfiger Politologe), ging damals unverzüglich bei den nationalen Fernsehkanälen auf Sendung und verkündete, die Duma habe faktisch die Existenz der Russischen Föderation als selbstständiger unabhängiger Staat annulliert, und unter diesen Umständen könne man die Präsidentenwahlen nicht wie geplant durchführen.

Alles änderte sich nach dem Forum von Davos 1996, wo die einflussreichsten russischen Geschäftsmänner und Oligarchen sich darin einig wurden, man müsse Jelzin um jeden Preis in eine zweite Amtszeit als Präsident hinüberretten. Die Motivation für diese Entscheidung formulierte der allgegenwärtige und damals unersetzbare Beresowski: Der Loser Boris Jelzin wird uns allen zu Dank verpflichtet sein, und dann ist er Wachs in unseren Händen. Mit dem Gewinner Sjuganow ist dies nicht möglich – wir würden nur in seiner Pflicht stehen.

Beresowski sollte recht behalten. Aber nicht nur deshalb, weil er die richtige Strategie vorgeschlagen hatte, sondern eher, weil er die Bereitschaft des Kommunistenführers zu einer politischen Kapitulation richtig eingeschätzt hatte. Und zwar ohne sichtbare und greifbare äußere Gründe. Aufgrund der Übereinkünfte von Davos wurde ein neuer Wahlstab für Jelzin gebildet, in dem es keine (für die liberale Öffentlichkeit) anrüchigen Figuren des Typus Korschakow mehr gab. Die Schlüsselrollen in diesem Wahlstab kamen Boris Beresowski, dem damaligen Eigentümer des Fernsehsenders NTW Wladimir Gussinski sowie dem Inhaber der Aktienmehrheit an der Firma Norilsk Nickel Wladimir Potanin zu.

Die unmittelbare Realisierung des Projekts von Jelzins Wiederwahl, ausgehend von den Tiefen seiner anfänglichen 2 Prozent, leiteten de facto vier Personen: Walentin Jumaschew (der künftige Schwiegersohn von Jelzin und sein ständiger Biograf, Leiter der Präsidentenadministration 1997/98), Anatoli Tschubais (nach Gaidar die zweite Ikone des russischen Liberalismus, Leiter der Präsidentenadministration der Russischen Föderation 1996/97), Igor Malaschenko (1996 Präsident des Fernsehsenders NTW und Kandidat für den Posten des Leiters der Präsidentenadministration) und schließlich der oben erwähnte Boris Beresowski selbst, der aufgrund seiner politischen Ambitionen sowohl als Stellvertretender Sekretär des russischen Sicherheitsrats als auch als geschäftsführender Sekretär der GUS-Staaten gedient hatte, jedoch nicht den wichtigsten angestrebten amtspolitischen Hauptpreis erlangt hatte – den Posten des Vorsitzenden des Direktorenrats von Gazprom.

Angeblich dachte sich dieser Stab einige kreative Rezepte aus, wodurch sich die Wahlkampfsituation im Handumdrehen veränderte. Das ist Unsinn. Der Stab setzte auf ein einfaches und leicht nachvollziehbares Szenario: die Fälschung der Wahlergebnisse. Denn einen ehrlichen Kampf hätte Jelzin nie gewinnen können, wer auch immer sein Gegner gewesen wäre. Alles Übrige, einschließlich der bekannten Wahlkampagne »Stimm ab oder verliere!«, die in die russischen Schulbücher eingegangen ist, war nur ein Ablenkungsmanöver. Es ist durchaus möglich, dass die am Leben gebliebenen Bosse des Jelzin-Stabs (Beresowski hat im März 2013 bekanntlich Selbstmord begangen) das nicht so sehen. Das ist auch verständlich: Ein Mensch wird nicht selten zur Geisel und zum Opfer der eigenen Propaganda, und die aufgesetzte Maske kann in diesen Fällen mit dem Gesicht verwachsen.

Kremlnahe Soziologen haben mir gegenüber in informellen Gesprächen zugegeben, dass im ersten Gang der Präsidentenwahlen 1996 Sjuganow Jelzin um 6 bis 7 Prozent überlegen war. (Nach offiziellen Angaben lag er um 3 Prozent hinter ihm: 32 gegen 35 Prozent.) Daher stammt auch der Mythos vom sogenannten »roten Gürtel«, einer Reihe von russischen Regionen, die für die Kommunisten gestimmt haben. In Wirklichkeit ist der »rote Gürtel« soziologische Fiktion und ein Bluff.

Zu dem nicht existierenden »Gürtel« zählte man einfach jene Subjekte der Russischen Föderation, deren Regionalregierungen keine Fälschungen zu Jelzins Gunsten zugelassen hatten. Deswegen gewann Sjuganow dort vollkommen ehrlich, während außerhalb des »roten Gürtels« Jelzin – unter Anwendung äußerst eigenartiger Methoden – den Sieg davontrug. Bemerkenswerterweise stimmte bei den Präsidentschaftswahlen 2000 der »rote Gürtel« im Wesentlichen nicht für den Kommunistenführer, sondern für Wladimir Putin, womit dieses allgemein verbreitete Geschwätz widerlegt ist und sich der berüchtigte »Gürtel« als Fiktion entpuppt.

Es versteht sich von selbst, dass auch Gennadi Sjuganow davon wusste. Aber er kämpfte nicht um seinen Sieg. Er zog es vor zu schweigen. Am 4. Juli 1996 gratulierte er nach der Verkündung der vorläufigen Ergebnisse dieser zweifelhaften Wahl Boris Jelzin eilig zum Sieg. Versuche, die von der Zentralen Wahlkommission der Russischen Föderation verkündeten Wahlergebnisse bei Gericht anzufechten oder das Volk auf die Straße zu bringen (wie es später im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts die Anführer der »Blumenrevolutionen« im postsowjetischen Raum taten), wurden nicht unternommen.

Sjuganow kam zu dem Schluss, dass er keine Macht brauche und dass es für ihn günstiger sei, der ewige Oppositionelle zu bleiben, den man nicht an die Regierungsspitze lasse, und dafür im Gegenzug vom Kreml politisch ausreichend versorgt zu werden – mit einem riesigen, mehr als 120 Quadratmeter großen Arbeitszimmer in der Staatsduma gegenüber vom Kreml, einem Audi A8 nebst Polizeieskorte und einer staatlichen Datscha im besten, ökologisch sauberen Randgebiet von Moskau. Dabei musste er für nichts Verantwortung tragen.

Damals kam auch der informelle Slogan der Kommunistischen Partei auf, der mit der Zeit zur Schattendevise aller russischen Oppositionellen wurde: Wir kommen unbedingt an die Macht, wenn sie uns Zutritt gewährt. Ich bin ein wenig stolz darauf, dass ich es war, der auf diesen Slogan gekommen ist.

Nach 1996 spielte die Fraktion der Kommunistischen Partei ungeachtet ihrer radikalen, regierungsfeindlichen Rhetorik in der Staatsduma dem Kreml in allen Themen von vorrangigem Interesse immer elegant und geübt zu. Die Kommunisten sorgten stets für die nötige Stimmenzahl für den von Boris Jelzin eingebrachten Ministerpräsidenten – sei es der brutale sowjetische Wirtschaftsfunktionär und Vater von Gazprom Viktor Tschernomyrdin oder der kleine »Chicagoer Junge« Sergei Kirijenko, den man wegen seiner Körpermaße und seiner unvorhergesehenen Kandidatur für den hohen staatlichen Posten 1998 »Überraschungsei« nannte.

1999 taten die Kommunisten alles – sei es, indem ein Teil ihrer Abgeordneten sich krank meldete oder ungültige Stimmen abgab –, um ein Amtsenthebungsverfahren gegen Boris Jelzin zu verhindern, obwohl sie diese Prozedur als eins ihrer wichtigsten politischen Ziele verkündet hatten, das den Hoffnungen und Wünschen der Wähler entsprach. Und unter Wladimir Putin stimmte die KP der Russischen Föderation immer nur dann mit Nein, wenn von ihren Stimmen nichts abhing. Kam es dagegen auf etwas an, lieferte sie zuverlässig die nötigen Ja-Stimmen (auch wenn es aufgrund des geringen Gewichts der kommunistischen Fraktion innerhalb der Verteilung im Parlament nicht viele waren).

Entsprechend dieser Logik agierte auch die 1993 gegründete und ebenfalls außerhalb von Russland bekannte Partei Jabloko unter ihrem Chef Grigori Jawlinski. Ja, innerhalb der Partei gab und gibt es echte aufmüpfige Kremlgegner wie den Politologen Andrei Piontkowski (er ist allerdings schon 74, und man mag ihn deswegen nicht recht einen Politiker mit Zukunft nennen). Aber eigentlich hängt die Partei ungeachtet ihrer flammenden Rhetorik und ihres geschärften Vermögens, anderen (nur nicht sich selbst) moralische Vorhaltungen zu machen, erwartungsvoll an den Lippen des Kremls.

Kein Zufall also, dass viele Schlüsselfiguren der Partei Jabloko die ihnen vom Kreml angebotenen hohen staatlichen Positionen sofort annahmen – angefangen von Igor Artemjew, der die Leitung der russischen Anti-Monopol-Behörde übernahm, bis zu Wladimir Lukin (der erste Buchstabe seines Familiennamens ist Teil der Abkürzung JABL, die den Parteinamen Jabloko bildet), der bereits 2006, in den finstersten Putin-Jahren, die keinerlei politischen Lichtschein verhießen, Menschenrechtsbeauftragter der Russischen Föderation wurde, also ein klassischer Ombudsmann.

Muss noch gesagt werden, dass sich der massenhafte Machtzuwachs, den die Mitglieder von Jabloko erlebten, ausgerechnet unter dem »blutigen Tyrannen« Wladimir Putin vollzog? Unter dem liberalen Jelzin war das kaum möglich gewesen. Und wenn doch, dann nur nach einer vorherigen Lossagung von Mutter Partei – so geschah es beispielsweise 1997 mit dem Ex-Jabloko-Mann Michail Sadornow, der auf Initiative des Ministerpräsidenten Viktor Tschernomyrdin zum russischen Finanzminister ernannt wurde.

Eine ähnliche Entwicklung nahm auch die Union der rechten Kräfte (SPS), die sich 1999, kurz vor den für den Kreml schicksalhaften Parlamentswahlen, aus verschiedenen Resten und Rudimenten von Dutzenden zwergenhaft kleiner liberaler Organisationen herausbildete. Damals wurde die Liste der SPS von Sergei Kirijenko angeführt, der danach (2007) Leiter der föderalen staatlichen Firmengruppe Rosatom wurde – dem Rechtsnachfolger des Ministeriums für Atomenergie von Russland.

Faktisch jedoch war der ewige Anatoli Tschubais Chef der SPS. Er hatte früher die auf dem Energiesektor tätige Firmengruppe Unified Energy System geleitet und steht heute Rosnano vor, das als wichtigstes Sammelbecken von Mitteln aus dem Staatshaushalt und anderen Quellen für die Entwicklung der sogenannten Nanotechnologie gilt. (Tatsächlich konzentriert sich Rosnano in Wirklichkeit vor allem auf Technologien der Lebensverlängerung und Erhaltung der Jugendlichkeit, die prinzipiell wichtig für die heutige russische Elite sind, weil sie ernsthaft meint, das große Geld könne ihnen die Tür zum ewigen Leben aufstoßen.)

Die Union der rechten Kräfte von Tschubais fiel von Zeit zu Zeit mit grausamer Kritik über den Kreml her. Aber 2001 taten die Union und allen voran ihrer formaler Vorsitzender Boris Nemzow – Jelzins ehemaliger Favorit, Ex-Gouverneur des Verwaltungsgebiets von Nischni Nowgorod und Vizeministerpräsident der Russischen Föderation – alles in ihrer Macht Stehende, damit der Fernsehsender NTW seine Unabhängigkeit verlor und unter die Kontrolle von Gazprom gelangte. Nemzow als Vorsitzender der SPS zeigte sich damals im engen Bündnis mit Alfred Koch, einem der Urheber der großen russischen Privatisierung nach Tschubais’ Rezept und 2001 Leiter der Holding Gazprom-Media. Zu dieser gehörte nach der gewaltsamen Übernahme im April 2001 auch NTW.

Ähnlich den Kommunisten lieferte die SPS in der Duma stets die geforderte Stimmenzahl bei für den Kreml sensiblen Abstimmungen, wobei hervorzuheben ist, dass sie ihr Vorgehen mit der dringenden Notwendigkeit des Kampfes gegen den Kommunismus, Faschismus und/oder Nationalismus motivierte. In derselben Weise hat die Kommunistische Partei ihre Schritte und Gesten im Interesse des Kremls stets mit dem »Schutz nationaler Interessen« vor äußeren Feinden und der »Kompradoren-Bourgeoisie« erklärt. (Dass ausgerechnet Boris Jelzin die Macht der Letztgenannten über Russland etabliert und Wladimir Putin sie gestärkt hatte, daran wollten die pseudokommunistischen Anführer traditionell lieber nicht denken.)

Das gesamte System einer fiktiven, durch und durch verlogenen Opposition, deren Werte sich prinzipiell in nichts von denen der Regierung unterscheiden, wurde durchaus nicht von Putin oder durch autoritäre Methoden geschaffen. Es bildete sich bereits unter Boris Jelzin heraus, und zwar durch freiwillige Initiative der Oppositionellen selbst. Sie zogen das schöne Leben in Umarmung mit dem Kreml einer realen Macht, der Verantwortlichkeit gegenüber dem Volk (wobei Macht und Verantwortung Zwillingsbrüder sind, die ohne einander nicht existieren können) und der Realisierung ihrer nominalen Parteiprogramme vor.

Etwas anderes ist es, dass Wladimir Putin im Unterschied zu Boris Jelzin ein Geschäftsmann ist und seiner Psyche nach ein Unternehmer. Besser als sein Vorgänger versteht er das Wesen und die Wirklichkeit der Korruption.

In dieser Hinsicht war die sogenannte systemfeindliche Opposition nicht zu beneiden. Sie befand sich außerhalb des Parlaments, war aber recht stark in den Massenmedien vertreten und versuchte, sich zum Hauptorganisator der Massenproteste auf dem Bolotnajaplatz und dem Sacharowprospekt zu erklären, die im Dezember 2011 nach den Wahlen der Abgeordneten zur Staatsduma, den schmählichsten in der postsowjetischen Geschichte, alle Aufmerksamkeit auf sich zogen.

Eine Opposition außerhalb des Systems – die also in den legalen Machtorganen einschließlich der Staatsduma nicht vertreten war – hat es schon immer gegeben, sogar in der sowjetischen Zeit. Eigentlich konnten während der gesamten Zeit des kommunistischen Regimes nur Systemgegner oppositionelle Ansichten äußern – zumindest bis 1990, als das faktische Mehrparteiensystem durch die Abschaffung von Artikel 6 der Verfassung der UdSSR über das politische Monopol der KPdSU legalisiert worden war. Unter diesen Regimegegnern dominierten Bürgerrechtler und Kämpfer für die Interessen verschiedener ethnischer »Minderheiten«, die in der UdSSR angeblich verfolgt wurden. (In Wirklichkeit hat die sowjetische Macht meiner Meinung nach die Institutionalisierung ganzer Nationen befördert, die ohne ihre direkte Einwirkung und ihren Einfluss nie entstanden wären. Hätte es die Revolution von 1917 nicht gegeben, wüsste die Welt bis heute nicht, dass es zum Beispiel Kirgisen gibt.)

1990 war die auffallendste oppositionelle Struktur außerhalb des Systems die Nationalbolschewistische Partei (NBP), eine Erfindung des bekannten Schriftstellers Eduard Limonow (Sawenko), Autor der furiosen Romane Fuck off America, Tagebuch eines Pechvogels und Der Henker. Eigentlich hat man die NBP mehr als Art-Projekt von Limonow denn als politische Organisation gesehen, und sie war es womöglich auch. Aber die Verfolgung der Nationalbolschewiken war durchaus kein Pappenstiel, wirkte ganz und gar unliterarisch und war ernst gemeint, besonders zu Putins Zeiten. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts gingen sowohl Limonow als auch einige Dutzend seiner Mitstreiter den Weg durch die Gefängnisse.

Eine neue Opposition außerhalb des Systems entstand 2005, als eine Gruppe russischer Medienstars – unter denen die Journalisten Julia Latynina und Sergei Parchomenko hervorzuheben sind – das sogenannte Komitee 2008 gründete. Zu ihrem Vorsitzenden wählten sie den Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow. Das Komitee 2008 stellte sich die ambitionierte Aufgabe, die Operation »Nachfolger« von 2008 zu verhindern. Allerdings wurden die Aktivitäten dieser informellen Struktur recht bald eingestellt. Zum einen lag es daran, dass die Leute vom Komitee keinen Lösungsplan für ihre Aufgabe finden konnten, zum anderen hatte sich herausgestellt, dass das Schachspiel etwas Individuelles und kein Mannschaftssport ist und dass Garri Kasparow als Einigungspolitiker nicht sonderlich taugt, weil er ganz klar und deutlich nicht in der Lage ist, den Ball weiterzuspielen.

Ein viel gewichtigeres und pompöseres Experiment wurde 2006 unternommen. Damals schufen die »Systemgegner« praktisch in voller Besetzung die Koalition »Anderes Russland«. Ihren Gründungskongress veranstalteten sie im Zentrum von Moskau, im Fünf-Sterne-Hotel Renaissance auf dem Olimpijskiprospekt. Vorsitzende von »Anderes Russland« wurden Garri Kasparow, Eduard Limonow und der ehemalige Ministerpräsident des Landes Michail Kassjanow, der dem Projekt zu zusätzlichem Glanz und allgemeiner Anerkennung verhalf. (Kassjanow ist bekannt als Politiker, der sich gut zu kleiden und teure Brillen richtig zu tragen weiß.) Selbst der Autor dieser Zeilen gehörte zu den aktiven Teilnehmern der Gründungsveranstaltung und hielt dort eine flammende Rede.

Zu jenem Zeitpunkt waren die Erinnerungen an die »Orangene Revolution« in der Ukraine (2004) noch frisch. Für einen langen Zeitraum wurde sie für die russischen maßlosen Oppositionellen zum Musterbeispiel. Und der Geruch dieser Revolution schwebte über den Versammelten im Hotel Renaissance, ähnlich wie der Diamantenstaub in der Hausknechtwohnung im Roman Zwölf Stühle von Ilf und Petrow.

Übrigens musste auch das »Andere Russland« die Erwartungen seiner ständigen und situativen Anhänger enttäuschen. Fast augenblicklich setzte zwischen Kassjanow, Kasparow und Limonow ein stiller, aber erbitterter Kampf um die Vorherrschaft ein, besonders in der Frage um die Benennung eines gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten der Koalition. (Als hätte der Kreml die Registrierung dieses Kandidaten zugelassen, haha.) Anfangs meinte man (stillschweigend), von der gesamten systemfeindlichen Opposition müsse Kassjanow der Anwärter auf den höchsten staatlichen Posten von Russland werden. Er war der Achtbarste der Troika, der sich in der bürokratischen Umgebung am besten positioniert hatte. Diesen Standpunkt nahm auch Limonow ein, auch wenn er in ideologischer Hinsicht dem Ex-Ministerpräsidenten recht fremd war. Kasparow jedoch hatte ganz andere Ansichten: Er schlug anfangs das ehemalige Oberhaupt der russischen Zentralbank, Viktor Geraschtschenko, vor, mit dem die Linken einverstanden waren, und dann sich selbst, womit niemand einverstanden war, außer der Schachspieler selbst sowie sein engster Mitstreiter und Berater – seine Mutter Klara Schagenowna Kasparowa.

Schließlich zerfiel »Anderes Russland« ganz banal bereits im Herbst 2007, weil es dem Druck des inneren Widerspruchs nicht standgehalten hatte. Zuerst löste sich Kassjanow ab, der beleidigt war, dass seine Kandidatur auf den Präsidentenposten keinen Konsens gefunden hatte. Dann verließen viele unabhängige Weggefährten wie ich die Koalition, die eingesehen hatten, dass hier nichts zu erwarten war.

Abgelöst wurde »Anderes Russland« außerhalb des Systems durch die sogenannte Nationale Assemblee, die sich als »Gegenparlament« positionierte. Initiatoren des Projekts waren ebenfalls Kasparow und Limonow. Bemerkenswert ist dieses Projekt nur dadurch, dass in diesem Zusammenhang zum ersten Mal der russische Schriftsteller Dmitri Bykow als Mensch mit politischen Ambitionen von sich reden machte. Er ist der wichtigste und einer der leistungsfähigsten Vielschreiber des gegenwärtigen Russland, Autor der klassischen, tonnenschweren Biografien von Boris Pasternak und Bulat Okudschawa.

Wie der Literaturkritiker Viktor Toporow (der während einer Operation 2013 starb) später sagte, bestand das Hauptergebnis der nationalen Proteste in einem so starken Wachstum von Dmitri Bykows Popularität, dass er schließlich für einen öffentlichen Auftritt etwa 10 000 Dollar verlangen konnte. Überflüssig zu sagen, dass die Nationale Assemblee erledigt war, bevor es überhaupt losging. Heute erinnert sich praktisch niemand an sie, nicht einmal diejenigen, die zu ihren formellen Mitgliedern gehörten (ich habe ein entsprechendes Experiment gemacht, es dient mir als Bestätigung.)

Allerdings schöpfte die russische Opposition außerhalb des Systems 2010 wieder Hoffnung. Wie ein russischer Klassiker es formulierte: Es drang ein Lichtstrahl ins Reich der Finsternis. Diese Hoffnung trug einen konkreten Namen – Alexei Nawalny. Über ihn ist noch genauer zu sprechen, denn heute ist er unstreitig der wichtigste Oppositionelle von Russland. Und noch hat er diesen Status ungeachtet vieler Nebenumstände nicht eingebüßt.

Er ist der ehemalige stellvertretende Leiter der Moskauer Organi­sation der Partei Jabloko und Initiator der ersten national­demo­kratischen Bewegung in der postsowjetischen Zeit, die eine Ideologie des postimperialen Nationalismus europäischen Musters predigt – Narod (Nationale Befreiungsbewegung von Russland). Das heißt, wir haben hier einen jungen, 1976 geborenen Politiker, der rechtzeitig begriffen hatte, dass Nationalismus nicht unbedingt etwas Muffiges sein muss, was nach saurer Kohlsuppe und abgetragenen Bastschuhen riecht, sondern dass Nationalismus und Demokratie durchaus vereinbar sind. Mehr noch: dass diese Verbindung bekanntlich eine Stütze der heutigen, zivilisierten, europäischen Politik ist. Und wenn Russland seine schwärenden europäischen Komplexe auskurieren und endlich ein europäisches Land werden will, dann ist die Nationaldemokratie eines der geeignetsten und klügsten Rezepte.

Nawalnys politische Karriere hat sich, wenn auch außerhalb der offiziellen Kreise, zielstrebig entwickelt. Mit großem Abstand zu seinen Konkurrenten – zu denen die zum damaligen Zeitpunkt bekanntesten Politiker gehörten, darunter Boris Nemzow und der einflussreiche Geschäftsmann Michail Prochorow – gewann er Anfang 2010 die im russischen Internet ausgetragenen, von der einflussreichen Zeitung Kommersant und dem Internetportal Gazeta.ru organisierten virtuellen Bürgermeisterwahlen für Moskau, indem er mehr als 40 Prozent der Stimmen erhielt. Dann konnte Nawalny gleichzeitig effektiv und effektvoll einige Korruptionsfälle entlarven, vor allem den Raub von 4 Milliarden Dollar aus der staatlichen Firmengruppe Transneft auf den Baustellen der Eastern Siberia–Pacific Ocean oil pipeline (ESPO).

Diese Geschichte wurde zu einem Gleichnis in aller Munde und brachte dem Enthüller Ruhm in ganz Russland ein. Auf dem Rücken des Skandals gründete Alexei Nawalny den Fonds für den Kampf gegen die Korruption, dessen geschäftsführender Direktor Wladimir Aschurkow wurde – ehemaliger Top-Manager des Alfa-Konsortiums, einer der größten Finanz-Industriegruppen des heutigen Russlands. Damit gab das Großkapital zu verstehen, dass es von vornherein bereit ist, Oppositionspolitik im »Format Nawalny« zu unterstützen.

Danach ging es für Nawalny steil bergauf. Ausführliche Artikel über ihn erschienen zunächst im New Yorker, dann auch in der einflussreichen Wochenzeitschrift Time, die den Artikel mit dem Titel »Kann dieser Mann Russland retten?« überschrieb.

Im Dezember 2011, während der ersten wirklichen Massenaktionen, wurde Nawalny bereits zum Star der Opposition ersten Ranges. Er war die auffallendste Figur auf der Demonstration am 5. Dezember in Moskau in Tschistye prudy gegen die Fälschung der Ergebnisse der Parlamentswahlen – sie fand einen Tag nach der Stimmauszählung statt, die der Partei »Einiges Russland« einen recht zweifelhaften Sieg brachte. Zur Demonstration fanden sich 10 000 Teilnehmer ein, was für die damalige Zeit sehr viel war – dass nur fünf Tage später auf dem Bolotnajaplatz fünfmal mehr Menschen zusammenkommen würden, konnte damals keiner ahnen.

Nach der Veranstaltung in Tschistye prudy machte sich Nawalny zusammen mit einigen seiner Mitstreiter (einschließlich Ilja Jaschins, einem herausragenden, doch im Schatten älterer Kameraden stehenden jungen Oppositionellen, der besser bekannt ist als Freund der Diva Xenija Sobtschak) auf einen nicht genehmigten Protestmarsch zum Gebäude der Zentralen Wahlkommission, um ihnen den »eisernen Vers ins Gesicht zu schleudern, übergossen mit Bitterkeit und Wut« (Lermontow). Der Durchbruch zum Gebäude der Zentralen Wahlkommission, das von einigen Reihen Polizisten bewacht wurde, endete so, wie er enden musste: mit einer zehntätigen Haft der Oppositionellen.

Die sentimentalen Moskauer Liberalen und die ihnen gleichgestellten Bürger, die nun schon 150 Jahre Mitleid mit russischen Revolutionären haben, sahen in diesem Marsch – und seinen milden Folgen des Freiheitsentzugs – eine verzweifelte Geste junger Waghälse. Das traf nur teilweise zu. Einerseits wusste Nawalny, der in seinem tiefsten Inneren bereits die Krone des wichtigsten Oppositionellen anprobiert hatte: Wenn man nicht im richtigen Moment hinter Gittern sitzt, wird man nie der Held der Protestherde.

Andererseits war es ihm wichtig, eine Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen 2013 zu vermeiden. Er hatte richtig eingeschätzt, dass a) die überwiegende Mehrheit der außersystemischen Opposition seine Kandidatur vorschlagen würde und es einigermaßen peinlich wäre, sie in einer solchen Situation abzulehnen, und er b) ohne größere finanzielle Mittel und den Zugang zu den wichtigsten föderalen Fernsehsendern nicht mit einer hohen Prozentzahl an Stimmen zu rechnen brauchte, ein demütigendes Ergebnis ihn jedoch vorzeitig als Nationalpolitiker erledigen und ihn in einen ebensolchen Außenseiter verwandeln konnte, wie es die übrigen Oppositionellen waren.

Die Aufgaben des neuen politischen Stars wurden von der Moskauer Polizei und einer speziellen Sammelstelle (der Strafvollzugsanstalt) auf dem Moskauer Simferopol-Boulevard glänzend gelöst – dort kommt man in Ordnungshaft, ein finsterer Ort, der sich jedoch hinsichtlich der Haftbedingungen äußerst vorteilhaft von den gewöhnlichen Strafgefängnissen abhebt. Späterhin spielte Nawalny nicht selten solche Kombinationen aus, dass er die Unterstützung seiner Verbündeten mobilisieren und gleichzeitig seine wahren Absichten der Fortsetzung seiner Karriere verbergen konnte. Doch darüber später mehr.

Vielleicht spielten die Werbetrommeln zu einem bestimmten Zeitpunkt seiner Karriere dem politischen Jungstar einen üblen Streich. Vielleicht lag es aber auch an etwas anderem, zum Beispiel an der inneren Unsicherheit und der Angst, die sich oft hinter Brutalität verbergen. 2012 wurde für Nawalny eine Zeit des Stillstands am Rande eines politischen Fiaskos. Er kam nicht voran, erlitt im Gegenteil herbe Rückschläge, nachdem er einen bestimmten Teil seiner schnell gewonnenen Anhängerschaft verloren hatte. Er gründete keine eigene Partei, leistete also dem vom Geschäftsmann Aschurkow initiierten Parteiprojekt Nationale Allianz zu wenig Unterstützung und schloss sich auch formal der neuen Struktur nicht an.

Im Herbst 2012 fanden die Wahlen zum sogenannten Koordinationsrat der Opposition statt. Man meinte, Nawalny würde sein Leiter werden, was es ihm erlaubt hätte, sich als halboffizieller und fast formaler Anführer aller russischer »Systemfeinde« zu positionieren. Doch das Projekt, in das ein bunt zusammengewürfelter Haufen von 35 nominalen Oppositionellen gewählt wurde, scheiterte. Wie im Falle der Partei Nationale Allianz drückte sich Nawalny vor dem geradezu garantierten Vorsitz im Rat und zog es vor, das Rampenlicht zu verlassen und die folgenschwere Verantwortung zu meiden.

Im ersten halben Jahr seiner Existenz brachte sich der Koordinationsrat der Opposition nur durch Folgendes in Erinnerung:

•Eine gemessen an der Lebenszeit der Organisation recht langwierige Ausarbeitung eines inneren Reglements.

•Öffentliche und leicht anrüchige Ränke zwischen den »Gemäßigten« (Xenija Sobtschak, Sergei Parchomenko u. a.) und den »Radikalen« (Garri Kasparow, Andrei Piontkowski u. a.), die im Rat als Untergruppen vertreten waren.

•Probleme mit der Bezahlung der überaus teuren Säle, die für die Durchführung von Sitzungen angemietet wurden.

•Eine faktische Torpedierung der Protestaktion im Dezember 2012: Ich neige immer mehr zu der Auffassung, der Koordinationsrat der Opposition habe die Ablehnung einer Koordination der Veranstaltung durch die hauptstädtischen Behörden bewusst provoziert, weil er eine geringe Beteiligung und folglich eine heftige Blamage für sich befürchtete.

•Die Herausbildung gewisser Arbeitsgruppen, die eine Strategie und Taktik für den Koordinationsrat der Opposition ausarbeiten sollten.

•Die Annahme einer Serie von quasi-politischen Verlautbarungen, die zu zitieren wegen ihrer Unbedeutendheit und fast völligen Inhaltslosigkeit sinnlos ist.

•Den Unwillen und die mangelnde Bereitschaft, in naher Zukunft zumindest relative Massendemonstrationen und -märsche zu organisieren.

Wenn der Koordinationsrat auch ursprünglich dafür geschaffen worden war, Nawalny zu promoten und ihn auf ein neues politisches Niveau zu heben, so können wir heute vor allem konstatieren, dass der (vor Kurzem noch) aussichtsreichste junge russische Politiker fast unter den Trümmern diese Quasistruktur begraben worden wäre. Übrigens hat sich für Alexei Nawalny 2013 eine neue Chance eröffnet. Und er hat diese Chance genutzt, bisher ist er damit überaus erfolgreich.

Gegen den Oppositionellen wurden gleichzeitig mehrere Strafanträge gestellt. Zum Beispiel die Anklage, Holz im Verwaltungsgebiet Kirow gestohlen zu haben (genannt Sache »Kirowles«), wo der künftige Star der Opposition 2009/2010 als Generalbevollmächtigter und Berater des Gouverneurs der Region, Nikita Belych, tätig gewesen war und viele kommerzielle Angelegenheiten geregelt hatte. Des Weiteren die Anklage wegen rechtswidriger Aneignung des Status eines Rechtsanwalts – wie sich herausstellte, hatte sich der Kämpfer für die Reinheit in Politik und Wirtschaft von Russland ohne eine höhere juristische Ausbildung als Direktor selbst noch zum Stellvertretenden Generaldirektor für juristische Fragen ernannt und sich auf dieser Grundlage eine Bescheinigung ausgestellt, mit der er formal Anspruch auf eine Rechtsanwaltslizenz erheben konnte. Dann die Anklage wegen Veruntreuung von Wahlkampfmitteln der Partei »Union rechter Kräfte« 2007, mit der Nawalny seinerzeit zusammenarbeitete. Und einige weitere Anklagen, in die wir uns nicht weiter vertiefen müssen.

Mit all diesen Anklagen beschäftigte sich das Ermittlungskomitee von Russland, das allein Wladimir Putin unterstellt ist. Sein Oberhaupt ist Alexander Bastrykin, der sich den Beinamen »Ältester« erworben hat, weil er der Älteste in Putins Studentengruppe in der Leningrader Schdanow-Universität gewesen war (1970 bis 1975). Man kennt ihn für seine hündische Ergebenheit, die er ausschließlich seinem Patron gegenüber zeigt. Denn unter den Beobachtern und überhaupt unter der progressiven russischen Öffentlichkeit hat sich die feste Überzeugung herausgebildet, dass es der Präsident persönlich war, der die Attacke gegen den frisch gebackenen Top-Oppositionellen genehmigt hatte.

Es ist durchaus möglich, dass diese Version stimmt. Putin ist ein Mensch mit einer zutiefst entwickelten Intuition. Er zieht eine intuitive Welterkenntnis der diskursiven (rationalen) vor. Dass Nawalny eine Gefahr darstellt, fühlte er sofort (wahrscheinlich irgendwann 2011). Es war eine diffuse Bedrohung, wie sie der große Meister Joda aus der Kultserie Star Wars in dem kleinen Anakin Skywalker erkannte, welcher sich im Laufe der Zeit in den Bösewicht Darth Vader verwandelte. Zuvor hatte er eine ähnliche Gefahr nur in Michail Chodorkowski erkannt, weswegen er ihn für dreizehn Jahre ins Gefängnis bracht (die dann zu elf Jahren wurden.)

Soweit wir diese durchdringende Lasertechnik verstehen und die geradezu weibliche Logik von Putin rekonstruieren können, erkannte das Staatsoberhaupt in dem jungen Mann:

•einen pathologischen Machthunger (den WWP selbst nie hatte oder hat, da ihm die Macht, wie wir bereits wissen, wie ein überreifer Apfel im Herbstgarten der russischen Geschichte auf den Kopf gefallen ist);

•eine absolutes, laborreines Fehlen einer Ideologie – derartige Oppositionelle bewaffnen sich zu einem konkreten Zeitpunkt stets mit den Ideen, die zur Überwindung einer weiteren Hürde auf dem Weg zur Macht nötig sind, da kann man Gift drauf nehmen;

•eine Soziopathie, das heißt ein Fehlen menschlicher Verbindlichkeiten. Für Nawalny gibt es weder Freunde noch Feinde, weder geliebte noch verhasste Menschen, die gesamte Menschheit besteht für ihn nur aus nützlichen und unnützen Menschen, und das auch nur in einem bestimmten Moment. Putin hingegen ist ein Produkt seiner menschlichen Verbindlichkeiten (dank deren sich seine ungezählten Freunde im heutigen Russland quietschfidel fühlen) und findet Soziopathen und Soziopathie verdächtig.

Vor allem ist Alexei Nawalny jung und bildschön (eine blonde Bestie, kein Südländer, es gibt nichts Asiatisches in seinem Äußeren, eine Seltenheit für das historische Russland, wo in jedem Russen ein kleiner Tatare, Jude oder Tschetschene steckt). Er hat alles, um die Macht in der entscheidenden Phase der Existenz Russlands zu ergreifen. Über Nawalny und das Geheimnis seines lokalen Erfolges werden wir im letzten Kapitel eingehender sprechen.

Außerdem ist womöglich das machtvolle Oberhaupt Tschetscheniens, Ramsan Kadyrow, ernsthaft böse auf Herrn Nawalny. Der Oppositionelle hatte ihn auf unkorrekte Weise mit üblen Worten belegt. Nein, im einfachen europäischen Sinne des Wortes ist General Kadyrow nicht empfindlich. Wenn man ihn einen großen Schurken nennt, dann ist er sogar zufrieden. Aber nie und nimmer darf man davon sprechen, dass er sich von Bergtieren sexuell angezogen fühlt – so etwas kann dieser Mann tschetschenischer Prägung nicht verzeihen, seine ethnische Ethik erlaubt es ihm nicht.

In letzter Zeit kursieren Gerüchte, es habe 2012 sogar den Plan gegeben, Nawalny zu vernichten. Doch die Abrechnung wurde im letzten Moment vom Kreml aufgehalten, der wusste, dass ein solches Szenario einer politischen Katastrophe gleichgekommen wäre. Ich übernehme es nicht, die Glaubwürdigkeit dieser Gerüchte einzuschätzen. Man nehme sie nur zur Kenntnis. Schließlich ist es möglich, dass dieses Buch eine Fortsetzung findet.

Im Endeffekt verschaffte der Strafprozess gegen Nawalny beim Gericht der Stadt Kirow dem Oppositionellen einen neuen Aufschwung und brachte ihn direkt zu den Bürgermeisterwahlen nach Moskau. Es waren vorgezogene Wahlen, die auf Initiative des Stadthauptmanns Sergei Sobjanin für den Juni angesetzt wurden, um damit, wie es hieß, bei einer landesweiten Wiedereinführung direkter Wahlen den Machthaber in der Hauptstadt zu legitimieren, den Ex-Präsident Dmitri Medwedew 2010 zuvor im Alleingang festgelegt hatte.

Was für Putin und seine Opposition aus dieser Legitimierung folgte, darüber werden wir im nächsten Kapitel sprechen. Vorerst möchte ich nur sagen, dass Nawalny endgültig zum Idol aller protestierenden Schichten wurde, nachdem er nicht weniger als 27,24 Prozent der Stimmen erhalten hatte. Das lag vor allem daran, dass er am 17. Juli in der Strafsache »Kirowles« zu fünf Jahren Haft verurteilt worden war. Das wiederum löste größte Empörung unter denen aus, die Putin nicht mögen. Am nächsten Tag, dem 18. Juli, entließ man ihn aus dem Gefängnis auf sensationelle Weise mit einer Meldeverpflichtung – bis zur Prüfung des Berufungsantrags des Angeklagten. Damit gab man ihm die Möglichkeit, an den Wahlen teilzunehmen und für eigene Interessen die gesamte bösartige und gutartige Protestenergie einzusetzen, die sich in der 15-Millionen-Hauptstadt angesammelt hatte.

Putin hat sich lange Jahre nicht mit der russischen Opposition auseinandergesetzt, weil er es nicht musste. Ich kenne die Opposition wie meine Westentasche. Die oppositionelle Tätigkeit in der postsowjetischen Russischen Föderation ist schon lange die wichtigste Form des Business geworden. Hierbei werden Wählerstimmen oder der Enthusiasmus im Volk (der sich etwa in der Energie auf dem Bolotnajaplatz ausdrückte) gegen Geld getauscht, mehr nicht. Deswegen trifft man in oppositionellen Kreisen nicht weniger Gauner und Diebe an als in der Regierungspartei, die im Volk als Partei der Gauner und Diebe bezeichnet wird. Nur verdient die eine Kategorie an ihrer Kreml-Nähe, die andere an einem demonstrativen Kampf gegen ihn. Darin liegt der ganze Unterschied.

Das grundlegende Schema für die Arbeit der Opposition in der Russischen Föderation innerhalb der letzten zwanzig Jahre lässt sich weitgehend zutreffend folgendermaßen beschreiben:

•Die Unversöhnlichkeit mit dem »blutigen Regime« (von Jelzin oder Putin) verkünden.

•Sich an potenzielle Sponsoren wenden (im Wesentlichen alle möglichen Flüchtlinge, die wegen Wirtschaftsvergehen gesucht werden) und sie um 100 Millionen Dollar für die Durchführung einer Revolution in der Russischen Föderation bitten.

•Gleich darauf im Kreml vorstellig werden und behaupten, man sei für 1 Million Dollar und jährlich sieben Fernsehauftritte im Ersten Kanal bereit, auf eine Revolution in der Russischen Föderation zu verzichten.

•Das Geld aus Punkt 2 und 3 teilweise erhalten.

•Verkünden, dass nichts zu ändern ist, solange Putin an der Macht bleibt.

•Verkünden, dass Putin niemals von der Macht lassen wird und man deswegen nichts ändern kann.

•Eine von vielen Pressekonferenzen durchführen zum Thema Repressionen, die am eigenen Leib in teuren Bars in Millionenstädten erfahren wurden, in denen man zu wenig Whisky eingeschenkt bekam.

Genau so, das können Sie meiner Erfahrung glauben, ging die Mehrheit der Oppositionellen innerhalb und außerhalb des Systems vor. Der Kreml unter Putin und in seinem Namen ist an der Lebensfähigkeit einer solchen Opposition interessiert. Denn sie sind vom selben Fleisch und Blut, siamesische Zwillinge, nur asymmetrisch – der eine groß, der andere klein.

Die Situation hat sich mit dem Erscheinen von Nawalny als einem Prätendenten auf die Macht erneuert – er ist echt und kein Papiertiger. Selbstverständlich jedoch ist Nawalny nicht Grund und Ursache, sondern eine Folge jener Prozesse, die sich im Inneren der russischen Gesellschaft während Wladimir Putins Amtszeit abgespielt haben.

Diese Macht hat sich selbst überlebt und beseitigt. Für den aktiven Teil der Gesellschaft, die Russischen Bildungsbürger (RuBiBü), die heute das Rückgrat der Triebkräfte des Protests gegen Putin bilden, hat sich der Präsident & Co. in einen Ehemann verwandelt, dessen man allgemein überdrüssig geworden ist, den die Ehefrau vor die Tür setzen will, egal, wie oft er ihr Blumen schenkt oder wie viele raffinierte Komplimente er ihr macht. In diesem Sinne hängt die Zukunft des politischen Ehemanns, dessen man überdrüssig ist, nicht mehr von den Früchten seiner Arbeit ab. Und auch nicht von wirtschaftlichen oder sozialen Kennziffern. Die Stabilität hat sich für die RuBiBü vom Heil in ein Übel verwandelt.

Ja, die RuBiBü machen nicht die Mehrheit der Bevölkerung des Landes aus. Aber wie immer in der Geschichte sind sie es, die die politische Mode und den Trend angeben. In diesem Sinne sind die Gedanken der 50 000 Menschen auf dem Moskauer Bolotnajaplatz wichtiger als die bewussten oder unbewussten Überzeugungen von 100 Mitarbeitern des Waggonbetriebs Uralwagonzawod in Nischne Tagilsk, wo Putin während seiner Wahlkampagne 2012 ständiger Gast war. (Nach seiner Wahl ernannte Putin den Abteilungsleiter Igor Cholmanskich, der sich durch besonders heftige Ergüsse seiner Ergebenheit gegenüber dem Präsidenten hervorgetan hatte, zu seinem Generalbevollmächtigten des Föderationskreises Ural.)

Das Land befindet sich mittlerweile in der Phase einer zweiten Perestroika, die wie die erste unter Michail Gorbatschow nach einer eigenen Führungsperson verlangt. Fünfundzwanzig Jahre lang war Boris Jelzin eine solche Führungsperson. Heute ist es Alexei Nawalny, der, wie sich herausstellte, fast alle an einen Tisch bringen kann – von den Ultranationalisten bis zu den ultraliberalen Kosmopoliten. Wie auch im Fall von Boris Jelzin gelingt ihm das, weil es ihm an einer wie auch immer gearteten Ideologie fehlt, wenn auch nicht nur deswegen.

Der Auslöser der Explosion dieser neuen Perestroika wurde der 24. September 2011. Es war der Tag der traurigen Rochade von Putin und Medwedew. Wäre sie nicht gewesen, hätten wir noch lange auf die Versammlung der Massen auf dem Bolotnajaplatz und auf dem Sacharowprospekt warten können, und die systemtreuen Liberalen würden uns bis heute etwas von dem »aussichtsreichen jungen Frontmann« Medwedew erzählen, der nur noch ein wenig Zeit braucht, um endgültig aus dem Schatten seines politischen, despotischen Vaters zu treten.

Nawalny ist das Symbol dieser Perestroika und ein Kind dieser Rochade.


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