XII

Bodendiek streicht wie eine große schwarze Krähe durch den Nebel. »Nun«, fragt er jovial. »Verbessern Sie noch immer die Welt?«

»Ich betrachte sie«, erwidere ich.

»Aha! Der Philosoph! Und was finden Sie?«

Ich schaue in sein munteres Gesicht, das rot und naß vom Regen unter dem Schlapphut leuchtet. »Ich finde, daß das Christentum die Welt in zweitausend Jahren nicht wesentlich weitergebracht hat«, erwidere ich.

Einen Augenblick verändert sich die wohlwollend überlegene Miene; dann ist sie wieder wie vorher. »Meinen Sie nicht, daß Sie ein bißchen jung für solche Urteile sind?«

»Ja – aber finden Sie nicht, daß es ein trostloses Argument ist, jemand seine Jugend vorzuwerfen? Haben Sie nichts anderes?«

»Ich habe eine ganze Menge anderes. Aber nicht gegen solche Albernheiten. Wissen Sie nicht, daß jede Verallgemeinerung ein Zeichen von Oberflächlichkeit ist?«

»Ja«, sage ich müde. »Ich habe das auch nur gesagt, weil es regnet. Im übrigen ist etwas daran. Ich studiere seit einigen Wochen Geschichte, wenn ich nicht schlafen kann.«

»Warum? Auch weil es ab und zu regnet?«

Ich ignoriere den harmlosen Schuß. »Weil ich mich vor vorzeitigen Zynismus und lokaler Verzweiflung bewahren möchte. Es ist nicht jedermanns Sache, mit einfachem Glauben an die heilige Dreifaltigkeit darüber hinwegzusehen, daß wir mitten drin sind, einen neuen Krieg vorzubereiten – nachdem wir gerade einen verloren haben, den Sie und Ihre Herren Kollegen von den verschiedenen protestantischen Bekenntnissen im Namen Gottes und der Liebe zum Nächsten gesegnet und geweiht haben – ich will zugeben, Sie etwas gedämpfter und verlegener – Ihre Kollegen dafür um so munterer, in Uniform, mit den Kreuzen rasselnd und siegschnaubend.«

Bodendiek schüttelt den Regen von seinem schwarzen Hut. »Wir haben den Sterbenden im Felde den letzten Trost gespendet – das scheinen Sie völlig vergessen zu haben.«

»Sie hätten es nicht dazu kommen lassen sollen! Warum haben Sie nicht gestreikt? Warum haben Sie Ihren Gläubigen den Krieg nicht verboten? Das wäre Ihre Aufgabe gewesen. Aber die Zeiten der Märtyrer sind vorbei. Dafür habe ich oft genug, wenn ich zum Feldgottesdienst mußte, die Gebete um die Siege unserer Waffen gehört. Glauben Sie, daß Christus für den Sieg der Galiläer gegen die Philister gebetet hätte?«

»Der Regen«, erwidert Bodendiek gemessen,»scheint Sie ungewöhnlich emotionell und demagogisch zu machen. Sie wissen anscheinend schon recht gut, daß man auf geschickte Weise, mit Auslassungen, Umdrehungen und einseitiger Darstellung, alles in der Welt angreifen und angreifbar machen kann.«

»Das weiß ich. Deshalb studiere ich ja Geschichte. Man hat uns in der Schule und im Religionsunterricht immer von den dunklen, primitiven, grausamen vorchristlichen Zeiten erzählt. Ich lese das nach und finde, daß wir nicht viel besser sind – abgesehen von den Erfolgen in Technik und Wissenschaft. Die aber benutzen wir zum größten Teil nur, um mehr Menschen töten zu können.«

»Wenn man etwas beweisen will, kann man alles beweisen, lieber Freund. Das Gegenteil auch. Für jede vorgefaßte Meinung lassen sich Beweise erbringen.«

»Das weiß ich auch«, sage ich. »Die Kirche hat das auf das brillanteste vorgemacht, als sie die Gnostiker erledigte.«

»Die Gnostiker! Was wissen denn Sie von denen?« fragt Bodendiek mit beleidigendem Erstaunen.

»Genug, um den Verdacht zu haben, daß sie der tolerantere Teil des Christentums waren. Und alles, was ich bis jetzt in meinem Leben gelernt habe, ist, Toleranz zu schätzen.«

»Toleranz -« sagt Bodendiek.

»Toleranz!« wiederhole ich. »Rücksicht auf den anderen. Verständnis für den anderen. Jeden auf seine Weise leben lassen. Toleranz, die in unserm geliebten Vaterlande ein Fremdwort ist.«

»Mit einem Wort, Anarchie«, erwidert Bodendiek leise und plötzlich sehr scharf.

Wir stehen vor der Kapelle. Die Lichter sind angezündet, und die bunten Fenster schimmern tröstlich in den wehenden Regen. Aus der offenen Tür kommt der schwache Geruch von Weihrauch. »Toleranz, Herr Vikar«, sage ich. »Nicht Anarchie, und Sie wissen den Unterschied. Aber Sie dürfen ihn nicht zugeben, weil Ihre Kirche ihn nicht hat. Sie sind alleinseligmachend! Niemand besitzt den Himmel, nur Sie! Keiner kann lossprechen, nur Sie! Sie haben das Monopol. Es gibt keine Religion außer der Ihren! Sie sind eine Diktatur! Wie können Sie da tolerant sein?«

»Wir brauchen es nicht zu sein. Wir haben die Wahrheit.«

»Natürlich«, sage ich und zeige auf die erleuchteten Fenster. »Das dort! Trost für Lebensangst. Denke nicht mehr; ich weiß alles für dich! Die Versprechung des Himmels und die Drohung mit der Hölle – spielen auf den einfachsten Emotionen – was hat das mit der Wahrheit zu tun, dieser Fata Morgana unseres Gehirns?«

»Schöne Worte«, erklärt Bodendiek, längst wieder friedlich, überlegen und leicht spöttisch.

»Ja, das ist alles, was wir haben – schöne Worte«, sage ich, ärgerlich über mich selbst. »Und Sie haben auch nichts anderes – schöne Worte.«

Bodendiek tritt in die Kapelle. »Wir haben die heiligen Sakramente -«

»Ja -«

»Und den Glauben, der nur Schwachköpfen, denen ihr bißchen Schädel Verdauungsbeschwerden macht, als Dummheit und Weltflucht erscheint, Sie harmloser Regenwurm im Acker der Trivialität.«

»Bravo!« sage ich. »Endlich werden auch Sie poetisch. Allerdings stark spätbarock.«

Bodendiek lacht plötzlich. »Mein lieber Bodmer«, erklärt er. »In den fast zweitausend Jahren des Bestehens der Kirche ist schon aus manchem Saulus ein Paulus geworden. Und wir haben in dieser Zeit größere Zwerge gesehen und überstanden als Sie. Krabbeln Sie nur munter weiter. Am Ende jedes Weges steht Gott und wartet auf Sie.«

Er verschwindet mit seinem Regenschirm in der Sakristei, ein wohlgenährter Mann im schwarzen Gehrock. In einer halben Stunde wird er, phantastischer gekleidet als ein Husarengeneral, wieder heraustreten und ein Vertreter Gottes sein. Es sind die Uniformen, sagte Valentin Busch nach der zweiten Flasche Johannisberger, während Eduard Knobloch in Melancholie und Mordgedanken versank, nur die Uniformen. Nimm ihnen die Kostüme weg, und es gibt keinen Menschen mehr, der Soldat sein will.


Ich gehe nach der Andacht mit Isabelle in der Allee spazieren. Es regnet hier unregelmäßiger – als hockten Schatten in den Bäumen, die sich mit Wasser besprengen. Isabelle trägt einen hochgeschlossenen dunklen Regenmantel und eine kleine Kappe, die das Haar verdeckt. Nichts ist von ihr zu sehen als das Gesicht, das durch das Dunkel schimmert wie ein schmaler Mond. Das Wetter ist kalt und windig, und niemand außer uns ist mehr im Garten. Ich habe Bodendiek und den schwarzen Ärger, der manchmal grundlos wie eine schmutzige Fontäne aus mir hervorschießt, längst vergessen. Isabelle geht dicht neben mir, ich höre ihre Schritte durch den Regen und spüre ihre Bewegungen und ihre Wärme, und es scheint die einzige Wärme zu sein, die in der Welt übriggeblieben ist.

Sie bleibt plötzlich stehen. Ihr Gesicht ist blaß und entschlossen, und ihre Augen scheinen fast schwarz zu sein.

»Du liebst mich nicht genug«, stößt sie hervor.

Ich sehe sie überrascht an. »Es ist, soviel ich kann«, sage ich.

Sie steht eine Weile schweigend. »Nicht genug«, murmelt sie dann. »Nie genug! Es ist nie genug!«

»Ja«, sage ich. »Wahrscheinlich ist es nie genug. Nie im Leben, nie, mit niemandem. Wahrscheinlich ist es immer zu wenig, und das ist das Elend der Welt.«

»Es ist nicht genug«, wiederholt Isabelle, als hätte sie mich nicht gehört. »Sonst wären wir nicht noch zwei.«

»Du meinst, sonst wären wir eins?«

Sie nickt.

Ich denke an das Gespräch mit Georg, während wir den Glühwein tranken. »Wir werden immer zwei bleiben müssen, Isabelle«, sage ich vorsichtig. »Aber wir können uns lieben und glauben, wir wären nicht mehr zwei.«

»Glaubst du, wir sind schon einmal eins gewesen?«

»Das weiß ich nicht. Niemand könnte so etwas wissen. Man würde keine Erinnerung haben.«

Sie sieht mich starr aus dem Dunkel an. »Das ist es, Rudolf«, flüstert sie. »Man hat keine. An nichts. Warum nicht? Man sucht und sucht. Warum ist alles fort? Es ist doch so viel dagewesen! Nur das weiß man noch! Aber nichts anderes mehr. Warum weiß man es nicht mehr? Du und ich, war das nicht einmal schon? Sag es! Sag es doch! Wo ist es jetzt, Rudolf?«

Der Wind wirft einen Schwall Wasser klatschend über uns weg. Vieles ist so, als wäre es schon einmal gewesen, denke ich. Es kommt oft ganz nahe wieder heran und steht vor einem, und man weiß, es war schon einmal da, genauso, man weiß sogar einen Augenblick fast noch, wie es weitergehen muß, aber dann entschwindet es, wenn man es fassen will, wie Rauch oder eine tote Erinnerung.

»Wir könnten uns nie erinnern, Isabelle«, sage ich. »Es wäre so wie mit dem Regen. Er ist auch etwas, das eins geworden ist, aus zwei Gasen, Sauerstoff und Wasserstoff, die nun nicht mehr wissen, daß sie einmal Gase waren. Sie sind jetzt nur noch Regen und haben keine Erinnerung an das Vorher.«

»Oder wie Tränen«, sagt Isabelle. »Aber Tränen sind voll von Erinnerungen.«

Wir gehen eine Zeitlang schweigend weiter. Ich denke an die sonderbaren Momente, wenn einen unvermutet das Doppelgängergesicht einer scheinbaren Erinnerung über viele Leben hinweg jäh anzusehen scheint. Der Kies knirscht unter unseren Schuhen. Hinter der Mauer des Gartens hupt langgezogen ein Auto, als warte es auf jemand, der entfliehen will.

»Dann ist sie wie Tod«, sagt Isabelle schließlich.

»Was?«

»Liebe. Vollkommene Liebe.«

»Wer weiß das, Isabelle? Ich glaube, niemand kann das jemals wissen. Wir erkennen immer nur etwas, solange wir jeder noch ein Ich sind. Wenn unsere Ichs miteinander verschmölzen, so wäre es wie beim Regen.Wir wären ein neues Ich und könnten uns an die einzelnen früheren Ichs nicht mehr erinnern. Wir wären etwas anderes – so verschieden wie Regen von Luft – nicht mehr ein gesteigertes Ich – durch ein Du.«

»Und wenn Liebe vollkommen wäre, so daß wir verschmölzen, dann wäre es wie Tod?«

»Vielleicht«, sage ich zögernd. »Aber nicht so wie Vernichtung. Was Tod ist, weiß niemand, Isabelle. Man kann ihn deshalb mit nichts vergleichen. Aber wir würden uns sicher nicht mehr als Selbst fühlen. Wir würden nur wieder ein anderes einsames Ich werden.«

»Dann muß Liebe immer unvollkommen sein?«

»Sie ist vollkommen genug«, sage ich und verfluche mich, weil ich mit meiner pedantischen Schulmeisterei wieder so weit in ein Gespräch hineingeraten bin.

Isabelle schüttelt den Kopf. »Weiche nicht aus, Rudolf! Sie muß unvollkommen sein, ich sehe das jetzt. Wenn sie vollkommen wäre, gäbe es einen Blitz, und nichts wäre mehr da.«

»Es wäre noch etwas da – aber jenseits von unserer Erkenntnis.«

»So wie der Tod?«

Ich sehe sie an. »Wer weiß das?« sage ich vorsichtig, um sie nicht weiter zu erregen. »Vielleicht hat der Tod einen ganz falschen Namen. Wir sehen ihn immer nur von einer Seite. Vielleicht ist er die vollkommene Liebe zwischen Gott und uns.«

Der Wind wirft einen Schwall Regen durch die Blätter der Bäume, die ihn mit Geisterhänden weiterwerfen. Isabelle schweigt eine Weile. »Ist Liebe deshalb so traurig?« fragt sie dann.

»Sie ist nicht traurig. Sie macht nur traurig, weil sie unerfüllbar und nicht zu halten ist.«

Isabelle bleibt stehen. »Warum, Rudolf?« sagt sie plötzlich sehr heftig und stampft mit den Füßen. »Warum muß das so sein?«

Ich sehe in das blasse, gespannte Gesicht. »Es ist das Glück«, sage ich.

Sie starrt mich an. »Das ist das Glück?«

Ich nicke.

»Das kann nicht sein! Es ist doch nichts als Unglück!«

Sie wirft sich gegen mich, und ich halte sie fest. Ich fühle, wie das Schluchzen gegen ihre Schultern stößt. »Weine nicht«, sage ich. »Was würde sein, wenn man um so etwas schon weinen wollte?«

»Um was denn sonst?«

Ja, um was sonst, denke ich. Um alles andere, um das Elend auf diesem verfluchten Planeten, aber nicht um das. »Es ist kein Unglück, Isabelle«, sage ich. »Es ist das Glück. Wir haben nur so törichte Namen wie „vollkommen“ und „unvollkommen“ dafür.«

»Nein, nein!« Sie schüttelt heftig den Kopf und läßt sich nicht trösten. Sie weint und klammert sich an mich, und ich halte sie in den Armen und fühle, daß nicht ich recht habe, sondern sie, daß sie es ist, die keine Kompromisse kennt, daß in ihr noch das erste, einzige Warum brennt, das vor aller Verschüttung durch den Mörtel des Daseins da war, die erste Frage des erwachten Selbst.

»Es ist kein Unglück«, sage ich trotzdem. »Unglück ist etwas ganz anderes, Isabelle.«

»Was?«

»Unglück ist nicht, daß man nie ganz eins werden kann. Unglück ist, daß man sich immerfort verlassen muß, jeden Tag und jede Stunde. Man weiß es und kann es nicht aufhalten, es rinnt einem durch die Hände und ist das Kostbarste, was es gibt, und man kann es doch nicht halten. Immer stirbt einer zuerst. Immer bleibt einer zurück.«

Sie sieht auf. »Wie kann man verlassen, was man nicht hat?«

»Man kann es«, erwidere ich bitter. »Und wie man es kann! Es gibt viele Stufen des Verlassens und des Verlassenwerdens, und jede ist schmerzlich, und viele sind wie der Tod.«

Isabelles Tränen haben aufgehört. »Woher weißt du das?« sagt sie. »Du bist doch noch nicht alt.«

Ich bin alt genug, denke ich. Ein Stück von mir ist alt geworden, als ich aus dem Kriege zurückkam. »Ich weiß es«, sage ich. »Ich habe es erfahren.«

Ich habe es erfahren, denke ich. Wie oft habe ich den Tag verlassen müssen, und die Stunde, und das Dasein, und den Baum im Morgenlicht, und meine Hände, und meine Gedanken, und es war jedesmal für immer, und wenn ich zurückkam, war ich ein anderer. Man kann viel verlassen und muß stets alles hinter sich lassen, wenn man dem Tode entgegentreten muß, man ist immer nackt vor ihm, und wenn man zurückfindet, muß man alles neu erwerben, was man zurückgelassen hat.

Isabelles Gesicht schimmert vor mir in der Regennacht, und eine plötzliche Zärtlichkeit überströmt mich. Ich spüre wieder, in welcher Einsamkeit sie lebt, unerschrocken, allein mit ihren Gesichten, bedroht von ihnen und ihnen hingegeben, ohne Dach, unter das sie flüchten könnte, ohne Entspannung und ohne Ablenkung, ausgesetzt allen Winden des Herzens, ohne Hilfe von irgend jemand, ohne Klage und ohne Mitleid mit sich selbst. Du süßes, furchtloses Herz, denke ich, unberührt und pfeilgerade zum Wesentlichen allein hinzielend, auch wenn du es nicht erreichst und dich verirrst – aber wer verirrte sich nicht? Und haben nicht fast alle längst aufgegeben? Wo beginnt der Irrtum, das Narrentum, die Feigheit, und wo die Weisheit und wo der letzte Mut?«

Eine Glocke läutet. Isabelle erschrickt. »Es ist Zeit«, sage ich. »Du mußt hineingehen. Sie warten auf dich.«

»Kommst du mit?«

»Ja.«

Wir gehen dem Hause zu. Als wir aus der Allee treten, empfängt uns ein Sprühregen, den der Wind in kurzen Stößen wie einen nassen Schleier umherfegt. Isabelle drückt sich an mich. Ich blikke den Hügel hinunter zur Stadt. Nichts ist zu sehen. Nebel und Regen haben uns isoliert. Nirgendwo sieht man mehr ein Licht, wir sind ganz allein. Isabelle geht neben mir, als gehörte sie für immer zu mir und als hätte sie kein Gewicht, und es scheint mir wieder, als habe sie wirklich keines und sei wie die Figuren in Legenden und Träumen, bei denen auch andere Gesetze gelten als im täglichen Dasein.

Wir stehen unter der Tür. »Komm!« sagt sie.

Ich schüttle den Kopf. »Ich kann nicht. Heute nicht.«

Sie schweigt und sieht mich an, gerade und klar, ohne Vorwurf und ohne Enttäuschung; aber etwas in ihr scheint auf einmal erloschen zu sein. Ich senke die Augen. Mir ist, als hätte ich ein Kind geschlagen oder eine Schwalbe getötet. »Heute nicht«, sage ich. »Später. Morgen. »

Sie dreht sich wortlos um und geht in die Halle. Ich sehe die Schwester mit ihr die Treppe hinaufsteigen und habe plötzlich das Gefühl, etwas, das man nur einmal im Leben findet, unwiederbringlich verloren zu haben.

Verwirrt stehe ich herum. Was hätte ich schon tun können? Und wie bin ich in all dieses wieder hineingeraten? Ich wollte es doch nicht! Dieser verfluchte Regen!

Langsam gehe ich dem Haupthause zu. Wernicke kommt im weißen Mantel mit einem Regenschirm heraus. »Haben Sie Fräulein Terhoven abgeliefert?«

»Ja.«

»Gut. Kümmern Sie sich doch weiter etwas um sie. Besuchen Sie sie auch einmal tagsüber, wenn Sie Zeit haben.«

»Warum?«

»Darauf kriegen Sie keine Antwort«, erwidert Wernicke. »Aber sie ist ruhig, wenn sie mit Ihnen zusammen war. Es ist gut für sie. Genügt das?«

»Sie hält mich für jemand anders.«

»Das macht nichts. Mir kommt es nicht auf Sie an – nur auf meine Kranken.« Wernicke blinzelt durch die Sprühnässe. »Bodendiek hat Sie heute abend gelobt.«

»Was? – Dazu hatte er wahrhaftig keinen Grund!«

»Er behauptet, Sie seien auf dem Weg zurück. Zum Beichtstuhl und zur Kommunion.«

»So etwas!« erkläre ich, ehrlich entrüstet.

»Verkennen Sie die Weisheit der Kirche nicht! Sie ist die einzige Diktatur, die seit zweitausend Jahren nicht gestürzt worden ist.«


Ich gehe zur Stadt hinunter. Nebel weht seine grauen Fahnen durch den Regen. Isabelle geistert durch meine Gedanken. Ich habe sie im Stich gelassen; das ist es, was sie jetzt glaubt, ich weiß es. Ich sollte überhaupt nicht mehr hinaufgehen, denke ich. Es verwirrt mich nur, und ich bin ohnehin verwirrt genug. Aber was wäre, wenn sie nicht mehr da wäre? Würde es nicht so sein, als fehle mir das Wichtigste, das, was nie alt und verbraucht und alltäglich werden kann, weil man es nie besitzt?

Ich komme zum Hause des Schuhmachermeisters Karl Brill. Aus der Schuhbesohlanstalt dringen die Klänge eines Grammophons. Ich bin heute abend hier zu einem Herrenabend eingeladen. Es ist einer der berühmten Abende, an denen Frau Beckmann ihre akrobatische Kunst zum besten gibt. Ich zögere einen Augenblick – ich fühle mich wahrhaftig nicht danach -, aber dann trete ich ein. Gerade deshalb.

Ein Schwall von Tabaksrauch und Biergeruch empfängt mich. Karl Brill steht auf und umarmt mich, leicht schwankend. Er hat einen ebenso kahlen Kopf wie Georg Kroll, aber er trägt dafür alle seine Haare unter der Nase in einem mächtigen Walroßschnurrbart. »Sie kommen zur rechten Zeit«, erklärt er. »Die Wetten sind gelegt. Wir brauchen nur bessere Musik als dieses dumme Grammophon! Wie wäre es mit dem Donauwellenwalzer?«

»Gemacht!«

Das Klavier ist bereits in die Schnellbesohlanstalt geschafft worden. Es steht vor den Maschinen. Im vorderen Teil des Raumes sind die Schuhe und das Leder beiseite geschoben worden, und überall, wo es geht, sind Stühle und ein paar Sessel verteilt. Ein Faß Bier ist aufgelegt, und ein paar Flaschen Schnaps sind schon leer. Eine zweite Batterie steht auf dem Ladentisch. Auf dem Tisch liegt auch ein großer, mit Watte umwickelter Nagel neben einem kräftigen Schusterhammer.

Ich schmettere den Donauwellenwalzer herunter. Im Qualm schwanken die Bundesbrüder von Karl Brill umher. Sie sind bereits gut geladen. Karl stellt ein Glas Bier und einen doppelten Steinhäger Schnaps auf das Klavier.

»Klara bereitet sich vor«, sagt er. »Wir haben über drei Millionen in Wetten zusammen. Hoffentlich ist sie in Höchstform; sonst bin ich halb bankrott.«

Er blinzelt mir zu. »Spielen Sie etwas sehr Schmissiges, wenn es soweit ist. Das facht sie immer mächtig an. Sie ist ja verrückt mit Musik.«

»Ich werde den „Einzug der Gladiatoren“ spielen. Aber wie wäre es mit einer kleinen Seitenwette für mich?«

Karl blickt auf. »Lieber Herr Bodmer«, sagt er verletzt.

»Sie wollen doch nicht gegen Klara wetten! Wie können Sie dann überzeugend spielen?«

»Nicht gegen sie. Mit ihr. Eine Seitenwette.«

»Wieviel?« fragt Karl rasch.

»Lumpige achtzigtausend«, erwidere ich. »Es ist mein ganzes Vermögen.«

Karl überlegt einen Augenblick. Dann dreht er sich um.

»Ist noch jemand da, der achtzigtausend wetten will? Gegen unseren Klavierspieler?«

»Ich!« Ein dicker Mann tritt vor, holt Geld aus einem kleinen Köfferchen und knallt es auf den Ladentisch.

Ich lege mein Geld daneben. »Der Gott der Diebe beschütze mich«, sage ich. »Sonst bin ich morgen aufs Mittagessen allein angewiesen.«

»Also los!« sagt Karl Brill.

Der Nagel wird herumgezeigt. Dann tritt Karl an die Wand, setzt ihn in der Höhe eines menschlichen Gesäßes an und schlägt ihn zu einem Drittel ein. Er schlägt weniger stark, als seine Gebärden es vermuten lassen.

»Sitzt gut und fest«, sagt er und tut, als rüttele er kräftig an dem Nagel.

»Das werden wir erst einmal prüfen.«

Der Dicke, der gegen mich gewettet hat, tritt vor. Er bewegt den Nagel und grinst. »Karl«, sagt er hohnlachend. »Den blase ich ja aus der Wand. Gib mal den Hammer her.«

»Blase ihn erst aus der Wand.«

Der Dicke bläst nicht. Er zerrt kräftig, und der Nagel ist draußen. »Mit meiner Hand«, sagt Karl Brill,»kann ich einen Nagel durch eine Tischplatte schlagen. Mit meinem Hintern nicht. Wenn ihr solche Bedingungen stellt, lassen wir das Ganze lieber sein.«

Der Dicke antwortet nicht. Er nimmt den Hammer und schlägt den Nagel an einer anderen Stelle der Wand ein.

»Hier, wie ist das?«

Karl Brill prüft. Etwa sechs oder sieben Zentimeter des Nagels ragen noch aus der Wand. »Zu fest. Den kann man nicht einmal mit der Hand mehr herausreißen.«

»Entweder – oder«, erklärt der Dicke.

Karl prüft noch einmal. Der Dicke legt den Hammer auf den Ladentisch und merkt nicht, daß Karl jedesmal, wenn er probiert, wie fest der Nagel sei, ihn dadurch lockert.

»Ich kann keine Wette eins zu eins darauf annehmen«, sagt Karl schließlich. »Nur zwei zu eins, und auch da muß ich verlieren.«

Sie einigen sich auf sechs zu vier. Ein Haufen Geld türmt sich auf dem Ladentisch. Karl hat noch zweimal entrüstet an dem Nagel gezerrt, um zu zeigen, wie unmöglich die Wette sei. Jetzt spiele ich den »Einzug der Gladiatoren«, und bald darauf rauscht Frau Beckmann in die Werkstatt, in einen losen, lachsroten chinesischen Kimono gekleidet, mit eingestickten Päonien und einem Phönix auf dem Rücken.

Sie ist eine imposante Figur mit dem Kopf eines Bullenbeißers, aber eines eher hübschen Bullenbeißers. Sie hat reiches, krauses, schwarzes Haar und glänzende Kirschenaugen – der Rest ist bullenbeißerisch, besonders das Kinn. Der Körper ist mächtig und völlig aus Eisen. Ein Paar steinharter Brüste ragt wie ein Bollwerk hervor, dann kommt eine im Verhältnis zierliche Taille und dann das berühmte Gesäß, um das es hier geht. Es ist gewaltig und ebenfalls steinhart. Selbst einem Schmied soll es angeblich unmöglich sein, hineinzukneifen, wenn Frau Beckmann es anspannt; er bricht sich eher die Finger. Karl Brill hat auch damit schon Wetten gewonnen, allerdings nur im intimsten Freundeskreise. Heute, wo der Dicke dabei ist, wird nur das andere Experiment gemacht – den Nagel mit dem Gesäß aus der Wand zu reißen.

Alles geht sehr sportlich und kavaliersmäßig zu; Frau Beckmann grüßt zwar, ist aber sonst reserviert und beinahe abweisend. Sie betrachtet die Angelegenheit nur von der sportlich-geschäftlichen Seite. Ruhig stellt sie sich mit dem Rücken zur Wand, hinter einen niedrigen Paravent, macht ein paar fachmännische Bewegungen und steht dann still, das Kinn gereckt, bereit, und ernst, wie es sich bei einer großen sportlichen Leistung geziemt.

Ich breche den Marsch ab und beginne zwei tiefe Triller, die klingen sollen wie die Trommeln beim Todessprung im Zirkus Busch. Frau Beckmann strafft sich und entspannt sich. Sie strafft sich noch zweimal. Karl Brill wird nervös. Frau Beckmann erstarrt wieder, die Augen zur Decke gerichtet, die Zähne zusammengebissen. Dann klappert es, und sie tritt von der Wand weg. Der Nagel liegt auf dem Boden.

Ich spiele »Das Gebet einer Jungfrau«, eine ihrer Lieblingsnummern. Sie dankt mit einem graziösen Neigen ihres starken Hauptes, wünscht eine wohlklingende »Gute Nacht allerseits«, rafft den Kimono enger um sich herum und entschwindet.

Karl Brill kassiert. Er reicht mir mein Geld herüber. Der Dicke inspiziert den Nagel und die Wand. »Fabelhaft«, sagt er.

Ich spiele das »Alpenglühen« und das »Weserlied«, zwei weitere Favoriten Frau Beckmanns. Sie kann sie im oberen Stock hören. Karl blinzelt mir stolz zu; er ist ja schließlich der Besitzer dieser imposanten Kneifzange. Steinhäger, Bier und Korn fließen. Ich trinke ein paar mit und spiele weiter. Es paßt mir, jetzt nicht allein zu sein. Ich möchte nachdenken, und trotzdem auf keinen Fall nachdenken. Meine Hände sind voll einer unbekannten Zärtlichkeit, etwas weht und scheint sich an mich zu drängen, die Werkstatt verschwindet, der Regen ist wieder da, der Nebel und Isabelle und das Dunkel. Sie ist nicht krank, denke ich, und weiß doch, daß sie es ist – aber wenn sie krank ist, dann sind wir alle noch kränker -

Ein lauter Streit weckt mich. Der Dicke hat Frau Beckmanns Formen nicht vergessen können. Angefeuert durch eine Anzahl Schnäpse hat er Karl Brill ein dreifaches Angebot gemacht: fünf Millionen für einen Nachmittag mit Frau Beckmann zum Tee – eine Million für ein kurzes Gespräch jetzt, bei dem er sie wahrscheinlich zu einem ehrenhaften Abendessen ohne Karl Brill einladen möchte – und zwei Millionen für ein paar gute Griffe an das Prachtstück der Beckmannschen Anatomie, hier in der Werkstatt, unter Brüdern in fröhlicher Gesellschaft, also durchaus ehrenhaft.

Jetzt aber zeigt sich der Charakter Karls. Wenn der Dicke nur sportlich interessiert wäre, könnte er die Griffe vielleicht haben, schon gegen eine Wette von solch einer Lumperei wie hunderttausend Mark – aber in bockhafter Lust wird sogar der Gedanke an einen solchen Griff von Karl als schwere Beleidigung empfunden. »So eine Schweinerei!« brüllt er. »Ich dachte, ich hätte nur Kavaliere hier!«

»Ich bin Kavalier«, lallt der Dicke. »Deshalb ja mein Angebot.«

»Sie sind ein Schwein.«

»Das auch. Sonst wäre ich ja kein Kavalier. Sie sollten stolz sein, bei einer solchen Dame – haben Sie denn kein Herz in der Brust? Was kann ich machen, wenn meine Natur sich in mir aufbäumt? Wozu sind Sie beleidigt? Sie sind doch nicht mit ihr verheiratet!«

Ich sehe, wie Karl Brill zuckt, als hätte man ihn angeschossen. Er lebt in wilder Ehe mit Frau Beckmann, die eigentlich seine Haushälterin ist. Warum er sie nicht heiratet, weiß niemand – höchstens aus derselben Hartnäckigkeit seines Charakters heraus, mit der er auch im Winter ein Loch ins Eis haut, um schwimmen zu können. Trotzdem ist dies seine schwache Stelle.

»Ich«, stottert der Dicke,»würde ein solches Juwel auf Händen tragen und sie in Samt und Seide hüllen – Seide, rote Seide -«, er schluchzt fast und malt üppige Formen in die Luft. Die Flasche neben ihm ist leer. Es ist ein tragischer Fall von Liebe auf den ersten Blick. Ich spiele weiter. Die Vorstellung, daß der Dicke Frau Beckmann auf Händen tragen könnte, ist zuviel für mich.

»Raus!« erklärt Karl Brill. »Es ist genug. Ich hasse es, Gäste rauszuschmeißen, aber -«

Ein furchtbarer Schrei ertönt aus dem Hintergrund. Wir springen auf. Ein kleiner Mann tanzt dort herum. Karl stürzt auf ihn zu, greift nach einer Schere und stellt eine Maschine ab. Der kleine Mann wird ohnmächtig.

»Verdammt! Wer kann auch wissen, daß er im Suff an der Schnellbesohlmaschine herumspielt!« flucht Karl.

Wir besichtigen die Hand. Ein paar Fäden hängen heraus. Es hat ihn zwischen Zeigefinger und Daumen im weichen Fleisch erwischt – ein Glück. Karl gießt Schnaps auf die Wunde, und der kleine Mann kommt zu sich.

»Amputiert?« fragt er voll Grauen, als er seine Hand in Karls Pfoten sieht.

»Unsinn, der Arm ist noch dran.«

Der Mann seufzt erleichtert, als Karl ihm den Arm vor seinen Augen schüttelt. »Blutvergiftung, was?« fragt er.

»Nein. Aber die Maschine wird rostig von deinem Blut. Wir werden deine Flosse mit Alkohol waschen, Jod draufschmieren und sie verbinden.«

»Jod? Tut das nicht weh?«

»Es beißt eine Sekunde. So, als ob deine Hand einen sehr scharfen Schnaps trinkt.«

Der kleine Mann reißt seine Hand weg. »Den Schnaps trinke ich lieber selbst.«

Er holt ein nicht zu sauberes Taschentuch hervor, wickelt es um die Pfote und greift nach der Flasche. Karl grinst. Dann sieht er umher und wird unruhig. »Wo ist der Dicke?«

Keiner weiß es. »Vielleicht hat er sich dünne gemacht«, sagt jemand und bekommt einen Schluckauf vor Lachen über seinen Witz.

Die Tür öffnet sich. Der Dicke erscheint; waagerecht vornübergebeugt stolpert er herein, hinter ihm, im lachsfarbenen Kimono, Frau Beckmann. Sie hat ihm die Arme nach hinten hochgedreht und stößt ihn in die Werkstatt. Mit einem kräftigen Schubs läßt sie los. Der Dicke fällt vornüber in die Abteilung für Damenschuhe. Frau Beckmann macht eine Bewegung, als stäube sie sich die Hände ab, und geht hinaus. Karl Brill tut einen riesigen Satz. Er zerrt den Dicken hoch. »Meine Arme!« wimmert der verschmähte Liebhaber. »Sie hat sie mir ausgedreht! Und mein Bauch! Oh, mein Bauch! Was für ein Schlag!«

Er braucht uns nichts zu erklären. Frau Beckmann ist ein ebenbürtiger Gegner für Karl Brill, den Winterschwimmer und erstklassigen Turner, und hat ihm bereits zweimal einen Arm gebrochen, ganz zu schweigen von dem, was sie mit einer Vase oder einem Schüreisen anrichten kann. Es ist noch kein halbes Jahr her, daß zwei Einbrecher von ihr nachts in der Werkstatt überrascht wurden. Beide lagen hinterher wochenlang im Krankenhaus, und einer hat sich nie von einem Hieb mit einem eisernen Fußmodell über den Schädel erholt, bei dem er gleichzeitig ein Ohr verlor. Er redet wirr seitdem.

Karl schleppt den Dicken ans Licht. Er ist weiß vor Wut, aber er kann nichts mehr tun – der Dicke ist fertig. Es ist, als wolle er einen schwer Typhuskranken verprügeln. Der Dicke muß einen fürchterlichen Schlag in die Organe erhalten haben, mit denen er sündigen wollte. Er ist unfähig zu gehen. Karl kann ihn nicht einmal rauswerfen. Wir legen ihn in den Hintergrund auf das Abfalleder.

»Das Schöne bei Karl ist, daß es immer so gemütlich ist«, sagt jemand, der versucht, das Klavier mit Bier zu tränken.


Ich gehe durch die Große Straße nach Hause. Mein Kopf schwimmt; ich habe zuviel getrunken, aber das wollte ich auch. Der Nebel treibt über die vereinzelten Lichter, die noch in den Schaufenstern brennen, und webt goldene Schleier um die Laternen. Im Fenster eines Schlächterladens blüht ein Alpenrosenstock neben einem geschlachteten Ferkel, dem eine Zitrone in die blasse Schnauze geklemmt worden ist. Würste liegen traulich im Kreise herum. Es ist ein Stimmungsbild, das Schönheit und Zweck harmonisch vereint. Ich stehe eine Zeitlang davor und wandere dann weiter.

Auf dem dunklen Hof pralle ich im Nebel gegen einen Schatten. Es ist der alte Knopf, der wieder einmal vor dem schwarzen Obelisken steht. Ich bin mit voller Wucht gegen ihn gerannt, und er taumelt und schlingt beide Arme um den Obelisken, als wolle er ihn erklettern. »Es tut mir leid, daß ich Sie gestoßen habe«, sage ich. »Aber weshalb stehen Sie auch hier? Können Sie Ihre Geschäfte denn wirklich nicht in Ihrer Wohnung erledigen? Oder, wenn Sie schon ein Freiluftakrobat sind, warum nicht an einer Straßenecke?«

Knopf läßt den Obelisken los. »Verdammt, jetzt ist es in die Hose gegangen«, murmelt er.

»Das schadet Ihnen nichts. Nun erledigen Sie den Rest meinetwegen schon hier.«

»Zu spät.«

Knopf stolpert zu seiner Tür hinüber. Ich gehe die Treppen hinauf und beschließe, Isabelle von dem Geld, das ich bei Karl Brill gewonnen habe, morgen einen Strauß Blumen zu schicken. Zwar bringt mir so etwas gewöhnlich nur Unglück, aber ich weiß nun einmal nichts anderes. Eine Zeitlang stehe ich noch am Fenster und sehe hinaus in die Nacht und beginne dann etwas beschämt und sehr leise, Worte und Sätze zu flüstern, die ich gerne einmal jemandem sagen möchte, aber für die ich niemanden habe, außer vielleicht Isabelle – doch die weiß ja nicht einmal, wer ich überhaupt bin. Doch wer weiß das schon von irgend jemand?

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