Versehen mit der Vollmacht Jeremy Cloades hatte Poirot in London alle Auskünfte erhalten, an denen ihm lag. Sie ließen wenig Hoffnung. Das Haus, in dem Gordon Cloade umgekommen war, lag in Trümmern. Außer Mrs Cloade und David Hunter hatte keiner der Bewohner den Bombenangriff überlebt. Drei Dienstboten hatten sich außer der Familie im Haus befunden: Frederick Game, Elisabeth Game und Eileen Corrigan. Alle drei waren auf der Stelle tot gewesen. Gordon Cloade wurde noch lebend geborgen, starb aber auf dem Weg ins Krankenhaus, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Poirot notierte sich die Namen und Adressen je eines nahen Verwandten der drei Dienstboten.
»Möglich, dass sich auf diesem Weg der Hinweis finden lässt, nach dem ich suche.«
Der Beamte, an den Poirot sich gewandt hatte, schüttelte zweifelnd den Kopf. Das Ehepaar Games stammte aus Dorset, Eileen Corrigan kam aus Irland.
Poirots nächstes Ziel war Major Porters Wohnung.
Doch als er um die Ecke der Edge Street bog, bemerkte er voller Bestürzung einen postenstehenden Polizisten vor dem Haus, welches das Ziel seiner Schritte war.
Der Polizist hinderte Poirot am Eintreten.
»Nichts zu machen, Sir.«
»Was ist denn passiert?«
»Sie wohnen doch nicht hier?«, fragte der Polizist statt einer Antwort. »Wen wollen Sie denn besuchen?«
»Major Porter.«
»Sind Sie ein Verwandter oder Freund des Majors?«
»Nein, kein Verwandter, und als ein Freund würde ich mich auch nicht gerade bezeichnen. Aber was sollen diese Fragen?«
»Der Major hat sich erschossen, soviel ich weiß. Ah, da ist der Inspektor.«
Die Tür hatte sich geöffnet; zwei Herren betraten die Straße. Der eine musste der Inspektor des zuständigen Bezirks sein, im anderen erkannte Poirot Sergeant Graves von Warmsley Vale. Graves erkannte Poirot ebenfalls und machte ihn mit dem zuständigen Inspektor bekannt.
Zu dritt gingen sie ins Haus zurück.
»Sie haben uns in Warmsley Vale angerufen, und Inspektor Spence hat mich hergeschickt«, erklärte Graves.
»Selbstmord?«
»Ja. Ziemlich klarer Fall. Hat sich wohl die Gerichtsverhandlung und das ganze Drum und Dran zu sehr zu Herzen genommen. Außerdem soll er in finanziellen Schwierigkeiten gewesen sein. Na, wie’s so ist. Eines kommt zum anderen. Mit seinem eigenen Armeerevolver hat er sich erschossen.«
»Ist es erlaubt hinaufzugehen?«, fragte Poirot.
»Wenn Ihnen daran liegt. Führen Sie Monsieur Poirot hinauf, Sergeant«, ordnete der Inspektor an.
Graves ging die Treppe voran zu dem im ersten Stock gelegenen Zimmer.
»Vor ein paar Stunden muss es passiert sein«, berichtete er. »Niemand hat’s gehört. Die Vermieterin war gerade einkaufen.«
Poirot sah nachdenklich auf die stumme Gestalt im Sessel.
»Können Sie sich erklären, wieso er das getan hat?«, forschte Graves respektvoll.
Poirot erwiderte geistesabwesend:
»Ja, natürlich. Er hatte einen guten Grund. Da liegt die Schwierigkeit nicht.«
Der Meisterdetektiv trat an einen Schreibtisch, dessen Rolldeckel offen war. Er war tadellos aufgeräumt. In der Mitte stand ein Tintenlöscher, davor ein Schälchen mit einem Federhalter und zwei Bleistiften. Rechts lag ein Schächtelchen mit Büroklammern und ein Markenheft. Alles war am Platz und wie es sich gehörte. Ein ordentliches Leben und ein ordentlicher Tod. Natürlich – das war es! Etwas fehlte.
Zu Graves gewandt, fragte Poirot:
»Hinterließ er keinen Brief? Kein Blatt Papier mit ein paar Zeilen?«
Graves schüttelte den Kopf. »Wir haben nichts gefunden. Wäre eigentlich zu erwarten gewesen von einem Mann wie dem Major.«
»Sonderbar. Sehr sonderbar«, murmelte Poirot.