13

Julius saß in der Dunkelheit der Schenke und legte die Finger um den ersten Becher Wein, den er seit fast einem Jahr zu Gesicht bekam. Von draußen drang der Straßenlärm des römischen Hafens herein, und das Gemurmel der Gespräche um ihn herum weckte heimatliche Gefühle, vor allem, wenn er die Augen schloss.

Pelitas goss sich den Wein ohne viele Umstände in die Kehle. Er hielt den Becher so lange hoch, bis er sicher war, dass auch der letzte Tropfen verschwunden war, ehe er ihn wieder auf den Tisch stellte und zufrieden seufzte.

»Ich glaube, wenn ich alleine hier wäre, würde ich meine Rüstung verkaufen und mich sinnlos betrinken«, sagte er. »Das ist lange überfällig.«

Die anderen nickten und tranken langsam oder schnell aus ihren eigenen Bechern, die sie mit ihren letzten gemeinsamen Münzen bezahlt hatten.

Der Rest der Männer, neu und alt, lagerte einige Meilen weit entfernt an der Küste, wohl verborgen vor den Blicken gelegentlicher Patrouillen. Nur die fünf waren in den Hafen gekommen, um zu entscheiden, wie es von hier aus weitergehen sollte. Es war seltsam, in der Nähe der ersten Lagerhäuser Legionären zu begegnen und von ihnen angerufen zu werden, doch die meisten der fünf Offiziere spürten in erster Linie Erleichterung. Mit der ersten, in klarem Latein ausgesprochenen Aufforderung, sich zu erkennen zu geben, waren die Monate an der Küste zu einem fernen Abenteuer geworden. Wenigstens hatte die Geschichte ihrer Gefangenschaft in Piratenhand die Soldaten nicht allzu sehr verwundert, als sie die sauberen Rüstungen und stabilen Waffen betrachteten, die sie trugen. Alleine dafür waren die Offiziere dankbar. Es wäre unerfreulich gewesen, als Bettler hier anzukommen.

»Wie lange dauert es noch, bis der Quästor kommt?«, fragte Prax und blickte Gaditicus an. Als Zenturio hatte er mit dem befehlshabenden römischen Offizier der Hafenstadt gesprochen. Dieser hatte sich bereit erklärt, sich später in dem Gasthaus in der Nähe des Hafens mit ihnen zu treffen. In dieser Hinsicht verspürten sie alle eine gewisse Spannung. Die anderen Offiziere hatten sich so sehr daran gewöhnt, sich in allen Fragen an Julius zu halten, dass ihnen die Erinnerung an ihre Ränge unangenehm war. Suetonius konnte sich kaum das Grinsen verkneifen.

Gaditicus nippte an seinem Wein und verzog leicht das Gesicht, als der Rebensaft auf einer wunden Stelle an seinem Zahnfleisch brannte.

»Er sagte, in der vierten Stunde, also haben wir noch ein bisschen Zeit. Er muss einen Bericht nach Rom schicken, dass wir noch am Leben und wohlauf sind. Zweifellos wird er uns Plätze auf einem Handelsschiff anbieten, das Kurs auf Rom nimmt.«

Wie die anderen auch machte er einen gedankenverlorenen Eindruck, als sei er kaum in der Lage, die Rückkehr in die Zivilisation zu begreifen. Als sich ein Mann hinter seinem Rücken vorbeidrängte und ihn dabei anstieß, fuhr Gaditicus zusammen. Sie hatten sich lange nicht mehr in dem Gedränge von Städten und Häfen aufgehalten.

»Ihr könnt ein Schiff nach Hause nehmen, wenn ihr wollt«, sagte Julius leise und sah die Männer am Tisch an. »Ich mache weiter.«

Eine Zeit lang antwortete niemand, dann sprach Prax.

»Uns eingerechnet sind wir achtunddreißig. Wie viele davon haben die nötige Disziplin und das Geschick, um zu kämpfen, Julius?«

»Mit den Offizieren der Accipiter würde ich sagen, nicht mehr als zwanzig. Der Rest ist das, was wir finden konnten, Bauern mit Schwertern.«

»Dann ist es unmöglich«, brummte Pelitas düster. »Selbst wenn wir Celsus finden, und die Götter wissen, das wird nicht einfach sein, haben wir nicht genug Männer, um ihn mit Sicherheit besiegen zu können.«

Julius schnaubte verärgert. »Glaubst du etwa, ich lasse unseren Plan so einfach fallen, nach allem, was wir erreicht haben? Dort draußen im Wald warten unsere Männer auf die Nachricht, uns nachzukommen. Meinst du, wir sollten sie einfach zurücklassen und nach Rom segeln? Das wäre nicht sehr ehrenvoll, Peli, überhaupt nicht! Ihr könnt nach Hause fahren, wenn ihr wollt, ich zwinge keinen von euch zum Bleiben, aber wenn ihr geht, verteile ich eure Lösegelder unter ihnen, sobald wir Celsus gefunden und geschlagen haben!«

Pelitas lachte leise über die wütenden Worte des jüngeren Manns.

»Glaubst du wirklich, wir können es schaffen? Du hast uns bis hierher gebracht, und selbst das hätte ich nie für möglich gehalten, wenn ich nicht gesehen hätte, wie du mit den Siedlungen umgesprungen bist. Wenn du sagst, wir machen weiter, dann bin ich bis zum Ende dabei.«

»Es ist zu schaffen«, sagte Julius voller Überzeugung. »Wir müssen an Bord eines Handelsschiffs und damit aufs offene Meer hinausfahren. Außer Sichtweite der Küste bieten wir uns ihnen so verlockend dar wie möglich. Wir wissen, dass die Piraten ihr Unwesen entlang dieser Küste treiben – sie müssen einfach anbeißen. Wenigstens sehen unsere Männer wie römische Legionäre aus, auch wenn manche von ihnen nicht allzu viel taugen. Wir stellen die guten Kämpfer nach vorne, um die Gegner zu täuschen.«

»Ich bleibe bis zum Schluss«, sagte Prax. »Ich brauche mein Lösegeld, um meinen Ruhestand genießen zu können.«

Gaditicus nickte schweigend. Julius’ Blick fiel nun auf denjenigen, den er schon am längsten kannte.

»Was ist mit dir, Suetonius. Fährst du nach Hause?«

Suetonius trommelte mit den Fingern auf den Holztisch. Er hatte von Anfang an gewusst, dass dieser Augenblick kommen würde, und sich geschworen, die erste Möglichkeit zur Heimkehr zu ergreifen. Von ihnen allen konnte seine Familie den Verlust des Lösegelds am leichtesten verschmerzen, aber der Gedanke an eine Rückkehr in Schande war bitter. In Rom gab es viele junge Offiziere, und die Zukunft sah nicht mehr so viel versprechend aus wie damals, als er zum ersten Mal auf dem Deck der Accipiter gestanden hatte. Sein Vater hatte eine schnelle Beförderung seines Sohns erwartet, und als das nicht geschah, hatte der Senator einfach nicht mehr weiter nachgefragt. Wenn er jetzt auf das Familiengut zurückkehrte und nichts als Niederlagen vorzuweisen hatte, würde das für alle sehr unangenehm werden.

Während die anderen ihn anblickten, kam ihm eine Idee, und er musste sich zusammenreißen, um sich nichts davon anmerken zu lassen. Wenn er vorsichtig war, gab es eine Möglichkeit, wie er im Triumph nach Hause zurückkehren konnte. Köstlicherweise beinhaltete diese Idee sogar Julius’ Vernichtung.

»Suetonius?«, wiederholte Julius.

»Ich bin dabei«, antwortete er fest, während er bereits andere Pläne schmiedete.

»Ausgezeichnet. Wir brauchen dich, Tonius«, erwiderte Julius.

Suetonius verzog keine Miene, obwohl er innerlich vor Wut kochte. Keiner von den Männern hielt viel von ihm, das wusste er, aber sein Vater würde das, was er vorhatte, gutheißen. Zum Wohle Roms.

»Reden wir übers Geschäft, meine Herren«, sagte Julius und senkte die Stimme, damit man sie außerhalb ihrer kleinen Gruppe nicht hören konnte. »Einer von uns muss zu den Männern zurückgehen und ihnen sagen, dass sie in den Hafen kommen sollen. Die Soldaten hier schienen nichts an der Geschichte mit dem Lösegeld auszusetzen zu haben, also sollen sie sie ruhig erzählen, wenn sie dazu befragt werden. Aber wir müssen trotzdem vorsichtig sein. Es nützt uns nichts, wenn einige von ihnen festgehalten werden, um am Morgen vom Quästor vernommen zu werden. Ich möchte mit der ersten Flut bei Tagesanbruch in See stechen, mit allen an Bord.«

»Können wir sie nicht in der Nacht herholen?«, fragte Pelitas.

»Wir kommen an den wenigen Legionärswachen vorbei, aber eine so große Gruppe Soldaten, die an Bord eines Handelsschiffes geht, würde den Piraten gemeldet werden. Zweifellos haben sie Spione hier, die ihnen berichten, welche Schiffe Gold und andere Güter mit sich führen, auf die sie es abgesehen haben. Ich würde es genauso machen. Vergesst nicht, dass die Accipiter hier angelegt hatte, ehe wir angegriffen wurden. Die Piraten haben schließlich genug Geld, um sich ein paar Spitzel zu leisten. Unser Problem ist, wie wir vierzig Leute an Bord kriegen, ohne dass die Falle zu offensichtlich ist. Ich halte es für besser, wenn wir es die ganze Nacht über mit kleinen Gruppen von je zwei oder drei Mann versuchen.«

»Wenn du Recht hast, haben sie Spione am Hafen, die uns sehen werden«, wandte Gaditicus leise ein.

Julius dachte einen Augenblick nach. »Dann müssen wir die Männer aufteilen. Stellt fest, wer von unseren Leuten schwimmen kann. Sie sollen durchs Wasser zum Schiff kommen, wo wir sie mit Seilen hochziehen. Heute Nacht ist der Mond nur ganz schmal, wir müssten es also schaffen, ohne entdeckt zu werden. Die Rüstungen und Schwerter tragen wir an Bord wie Handelsware. Am besten übernimmst du das, Pelitas. Du schwimmst wie ein Fisch. Kannst du sie um die Landzunge herumführen, sobald es dunkel geworden ist?«

»Es ist eine lange Strecke, aber ohne Rüstung geht es. Diese Jungs sind schließlich an der Küste aufgewachsen. Sie müssten es schaffen«, erwiderte Pelitas.

Julius griff in seinen Geldgürtel und zog zwei Silbermünzen hervor.

»Hast du nicht gesagt, das Geld wäre alle?«, sagte Prax fröhlich. »Wenn das so ist, nehme ich noch einen Becher, wenn du nichts dagegen hast.«

Julius schüttelte ernst den Kopf.

»Später vielleicht. Ich habe sie aufgehoben, damit ein paar von euch heute Abend hierher kommen und sich etwas zu trinken bestellen können. Jemand soll die Rolle eines Wachmannes spielen, an seinem letzten Abend, bevor er mit einer wertvollen Fracht ausläuft, denn genau das sollen die Spitzel den Piraten melden. Derjenige, der diese Rolle übernimmt, darf sich nicht betrinken oder umbringen lassen, deshalb brauche ich jemanden, der solide und verlässlich ist, vielleicht jemanden, der ein paar Jahre mehr Erfahrung hat als die meisten von uns.«

»In Ordnung, du brauchst nicht weiter darauf herumzureiten«, sagte Prax lächelnd. »Ich würde das gerne übernehmen. Bist du dabei, Gadi?«

Der Zenturio schüttelte leicht den Kopf und sah Julius an.

»Dieses Mal nicht. Ich möchte bei den Männern bleiben, falls etwas schief geht.«

»Ich mache mit«, ließ sich Suetonius plötzlich vernehmen.

Prax hob die Augenbrauen und zuckte dann die Achseln.

»Falls sonst niemand will«, fuhr Suetonius fort, der nicht zu eifrig erscheinen wollte. Dabei würde sich ihm die Chance bieten, sich von den anderen zu trennen. Prax nickte ihm zögernd zu, und Suetonius lehnte sich entspannt zurück.

»Ich habe gesehen, wie du die Schiffe gemustert hast, als wir hergekommen sind«, sagte Gaditicus zu Julius. Der junge Mann beugte sich vor, und sie steckten alle die Köpfe zusammen, um zu hören, was er zu sagen hatte.

»Es war eines darunter, das Proviant geladen hat«, sagte er leise. »Die Ventulus. Eine Trireme mit Segeln. Eine kleine Besatzung, die wir ohne große Probleme überwältigen können.«

»Dir ist doch klar«, bemerkte Suetonius, »dass wir selbst zu Piraten werden, wenn wir ein Schiff aus einem römischen Hafen stehlen?« Schon als er noch sprach, wusste er, dass es ein Fehler war, sie zu warnen, aber etwas in ihm konnte dieser Verlockung nicht widerstehen. Sie würden sich später daran erinnern und wissen, wer sie vor Julius’ wilden Plänen gerettet hatte. Die anderen erstarrten ein wenig, als sie über die Worte nachdachten, und Julius funkelte den jungen Wachoffizier wütend an.

»Nur wenn wir gesehen werden. Wenn dir das so wichtig ist, kannst du den Kapitän ja von deinem Anteil ausbezahlen«, sagte er.

Gaditicus runzelte die Stirn. »Nein. Er hat Recht. Ich möchte eines klarstellen: Von der Besatzung wird niemand getötet, und auch die Fracht wird nicht angerührt. Wenn wir erfolgreich sind, muss der Kapitän für seine Zeit und seine entgangenen Profite entschädigt werden.«

Er starrte Julius an, und die anderen spürten deutlich, wie die Spannung zwischen den beiden Männern in ein ungemütliches Schweigen umschlug. Die Frage, wer den Befehl über sie hatte, war so lange unbeantwortet geblieben, dass sie sie fast vergessen hatten, doch sie stand immer noch im Raum, und Gaditicus hatte die Accipiter einst mit eiserner Disziplin befehligt. Suetonius versuchte ein Grinsen ob des stummen Konflikts, den er verursacht hatte, zu unterdrücken.

Schließlich nickte Julius, und die Spannung ließ nach.

»In Ordnung«, sagte er. »Aber wie auch immer, ich möchte das Schiff bis zum Einbruch der Nacht in der Hand haben.«

Plötzlich ertönte über ihnen eine fremde Stimme, und sie lehnten sich alle wieder zurück.

»Wer ist hier der befehlshabende Offizier?«, fragte die Stimme und wiederholte damit unbewusst die Frage, die sich die meisten von ihnen auch gerade gestellt hatten. Julius betrachtete seinen Weinbecher.

»Ich war der Kapitän der Accipiter«, antwortete Gaditicus und stand auf, um den Neuankömmling zu begrüßen. Mehr noch als die Legionäre, die den Hafen bewachten, wirkte der Mann wie eine leibhaftige Erinnerung an Rom. Er trug auf der nackten Haut eine in großen Falten fallende Toga, die von einer silbernen Brosche mit einem eingravierten Adler zusammengehalten wurde.

Seine Haare waren kurz geschoren, und die Hand, die er Gaditicus entgegenstreckte, trug einen schweren Goldring am Ringfinger.

»Ihr seht gesünder aus als die meisten anderen Entführten, die wir hier im Hafen zu sehen bekommen. Mein Name ist Pravitas, ich bin hier der Quästor. Wie ich sehe, sind eure Becher leer, und ich selbst habe auch eine trockene Kehle.«

Er winkte einem Sklaven, der sofort herbeikam und ihre Becher mit einem Wein auffüllte, der deutlich besser war als der erste. Der Quästor war in seiner Hafenstadt offensichtlich wohl bekannt. Er war, was Julius sofort auffiel, ohne Wachen gekommen, ein weiteres Zeichen dafür, dass hier die Gesetze Roms eingehalten wurden. Andererseits trug er einen langen Dolch im Gürtel, den er zur Seite schob, ehe er sich zu ihnen auf die Bank setzte.

Als der Wein eingegossen war, hob der Quästor seinen Becher zu einem Trinkspruch. »Auf Rom, meine Herren.«

Sie wiederholten die Worte und nippten vorsichtig an dem Wein, den sie nicht einfach zu verschwenden gedachten, indem sie ihn mit einem Schluck hinunterstürzten. Schließlich wussten sie nicht, ob der Mann noch eine weitere Runde bestellen würde.

»Wie lange seid ihr festgehalten worden?«, fragte er, als sie ihre Becher wieder abgestellt hatten.

»Ungefähr sechs Monate, obwohl es nicht leicht war, die Zeit zu schätzen. Welchen Monat haben wir jetzt?«, antwortete Gaditicus.

Pravitas hob die Augenbrauen.

»Das war eine lange Gefangenschaft. Die Kalenden des Oktober sind gerade vergangen.«

Gaditicus überschlug es schnell im Kopf. »Wir wurden sechs Monate lang gefangen gehalten, aber wir haben drei weitere gebraucht, um diesen Hafen zu erreichen.«

»Dann müsst ihr sehr weit weg abgesetzt worden sein«, meinte Pravitas interessiert.

Gaditicus wollte nicht näher darauf eingehen, wie lange sie gebraucht hatten, um den neuen Soldaten beizubringen, zu kämpfen und Befehle zu befolgen, deshalb zuckte er nur die Achseln.

»Einige von uns waren verwundet. Wir sind nur langsam vorangekommen.«

»Aber was ist mit den Rüstungen und den Schwertern? Ich bin überrascht, dass euch die Piraten die nicht abgenommen haben«, hakte Pravitas nach.

Gaditicus überlegte, ob er lügen sollte, doch der Quästor konnte die fünf Männer mit Leichtigkeit einsperren lassen, wenn er das Gefühl hatte, dass sie etwas vor ihm verbargen. Trotz seines freundlichen Tonfalls wirkte er plötzlich argwöhnisch, deshalb versuchte Gaditicus, nah bei der Wahrheit zu bleiben.

»Die haben wir aus einer alten Waffenkammer einer römischen Siedlung. Wir mussten dafür arbeiten, aber da wir sowieso wieder in Form kommen mussten, kam uns das ganz gelegen.«

»Sehr großzügig. Allein die Schwerter müssen eine ziemliche Summe wert sein. Kannst du mir sagen, welche Siedlung das war?«

»Schau, Herr. Der alte Soldat, der sie uns überlassen hat, hat Römern geholfen, die viel durchmachen mussten. Dabei solltest du es belassen.«

Pravitas lehnte sich zurück, das Gesicht immer noch voller Neugierde. Es war eine schwierige Situation, und die fünf Offiziere musterten ihn durchdringend. Obwohl theoretisch alle Römer in der Provinz seiner Befehlsgewalt unterstanden, verfügte er hinsichtlich Soldaten nur über eingeschränkte Macht. Wenn er sie ohne Beweise verhaften ließ, würde der örtliche Befehlshaber der Legion sehr wütend werden.

»Nun gut. Ich lasse euch euer Geheimnis. Vielleicht sollte ich euch euer Besitzrecht an Ausrüstung im Wert eines Jahressolds beweisen lassen, aber vermutlich bleibt ihr nicht lange genug hier, um mich zu gründlicheren Nachforschungen zu zwingen?«

»Wir haben vor, mit dem ersten Schiff in See zu stechen«, erwiderte Gaditicus.

»Dann tut das, meine Herren. Soll ich eine Überfahrt für euch arrangieren, oder hat euch dieser ›alte Soldat‹ auch Geld für die Reise gegeben?«

»Wir kümmern uns selbst darum, vielen Dank«, sagte Gaditicus, der seine Verärgerung kaum noch verbergen konnte, gereizt.

»Dann bitte ich euch um eure Namen, um sie nach Rom zu melden, und werde euch dann in Frieden lassen«, erwiderte Pravitas. Sie nannten sie ihm, und er wiederholte sie, um sie sich einzuprägen. Dann erhob er sich und nickte steif.

»Viel Glück für die Heimreise, meine Herren«, sagte er, ehe er sich seinen Weg durch die geschäftige Gaststube auf die Straße hinaus bahnte.

»Misstrauischer Kerl«, grummelte Pelitas, als er gegangen war. Die anderen pflichteten ihm murmelnd bei.

»Jetzt müssen wir schnell handeln«, sagte Julius. »Der Quästor lässt uns ohne Zweifel von jemandem beobachten, bis wir die Provinz verlassen haben. Deshalb dürfte es jetzt ein bisschen schwieriger werden, den Plan umzusetzen.«

»Es war ja auch zu einfach«, sagte Prax. »Wir brauchten noch eine weitere Herausforderung.«

Julius und die anderen grinsten. Was auch passierte, es hatte sich eine Freundschaft gebildet, die niemals entstanden wäre, wenn sie noch auf der Accipiter gewesen wären.

»Geh schnell zurück zu den Männern, Peli. Falls du verfolgt wirst, erwarte ich, dass du die Verfolger abhängst, ehe du in die Nähe unserer Leute kommst. Wenn du sie nicht loswerden kannst, sollen die Männer die Beobachter fangen und fesseln, bis die Nacht vorüber ist. Wenn sie morgen vermisst werden, kann uns das egal sein. Dann sind wir schon längst weg.«

Pelitas stand auf, leerte seinen Becher und rülpste leise. Ohne ein weiteres Wort stiefelte er hinaus, und Julius blickte die drei Männer an, die zurückgeblieben waren.

»Und jetzt, meine Herren«, äffte er den Tonfall des Quästors nach, »begeben wir uns an Bord eines Handelsschiffes.«

Kapitän Durus von der Ventulus war ein höchst zufriedener Mann. Sein Frachtraum war zum Bersten mit Fellen und exotischen Hölzern gefüllt, die ihm in Italien ein kleines Vermögen einbringen würden. Der Stolz der Ladung waren zehn Stoßzähne aus Elfenbein, jeder so lang wie ein Mann. Die Tiere, die dafür gestorben waren, hatte er nie zu Gesicht bekommen, sondern die Ware von einem Händler im Hafen erworben, der sie wiederum bei Jägern weiter im Landesinnern eingetauscht hatte. Er wusste, dass er das Dreifache des Preises dafür bekommen würde, und beglückwünschte sich zu seinem Verhandlungsgeschick. Es hatte fast zwei Stunden gedauert, und er war gezwungen gewesen, ein paar wertlose Ballen Stoff als Teil des Geschäftes zu akzeptieren. Aber sogar diese würden ein paar Bronzemünzen für Sklavenkleidung einbringen, dachte er, also konnte er sich nicht beklagen. Es war eine äußerst erfolgreiche Fahrt gewesen, und auch wenn er die Ausgaben für Hafengebühren und den Proviant für die Mannschaft und die Sklaven abziehen musste, blieb ihm immer noch genug übrig, um seiner Frau die Perlen zu kaufen, die sie haben wollte, und sich selbst vielleicht ein neues Pferd. Einen guten Hengst, der die Stute seiner Frau decken konnte, falls er einen zu einem vernünftigen Preis bekam.

Seine Gedanken wurden von vier Soldaten unterbrochen, die den Kai entlangkamen, an dem die Ventulus festgemacht hatte. Vermutlich schickte sie dieser Quästor, der seine Nase überall hineinsteckte und den Hafen kontrollierte. Er seufzte leise, setzte aber gleichzeitig ein Lächeln auf, als sie auf ihn zutraten.

»Bitte um Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen«, sagte einer von ihnen.

»Natürlich«, erwiderte Durus, der sich fragte, ob sie noch eine weitere Steuer oder Bestechungsgeld von ihm erpressen wollten. Langsam war es wirklich genug.

»Was kann ich für euch tun?«, fragte er, als sie an Deck standen. Stirnrunzelnd bemerkte er, dass zwei von ihnen ihn überhaupt nicht beachteten und stattdessen sämtliche Einzelheiten des kleinen Handelsschiffs begutachteten. Der größte Teil seiner Besatzung hatte natürlich Landurlaub, deshalb lag es bis auf zwei Männer, die nicht weit entfernt an Deck standen, praktisch verlassen da.

»Wir müssen dir ein paar Fragen stellen, unter vier Augen«, sagte einer der Soldaten.

Durus bemühte sich ruhig zu bleiben. Hielten sie ihn für einen Schmuggler? Für einen Piraten? Er versuchte unschuldig auszusehen, doch man konnte immer etwas finden. Heutzutage gab es so viele Vorschriften, dass man unmöglich an alle denken konnte.

»In meiner Kajüte habe ich einen ausgezeichneten Wein. Dort können wir uns unterhalten«, sagte er und rang sich abermals ein Lächeln ab.

Sie folgten ihm, ohne ein Wort zu sagen.

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