28

Der Bote aus dem Senat traf am Anbruch des folgenden Tages ein. Tubruk brauchte eine Weile, bis er Julius geweckt hatte, und als der den Läufer endlich empfing, war er immer noch nicht richtig wach. Nach den vielen Monaten der Anspannung hatte diese eine Nacht im eigenen Haus nicht ausgereicht, um die Erschöpfung zu vertreiben, die tief in seinen Knochen steckte.

Julius fuhr sich mit der Hand durchs Haar, gähnte und lächelte den jungen Mann aus der Stadt verschlafen an.

»Ich bin Julius Cäsar. Welche Botschaft bringst du mir?«

»Der Senat wünscht deine Teilnahme an einer Vollversammlung heute Mittag, Herr«, antwortete der Bote eilig.

Julius blinzelte. »Das ist alles?«

Der Bote trat verlegen von einem Fuß auf den anderen.

»So lautet die offizielle Nachricht, Herr. Allerdings weiß ich aus dem, was unter den Laufburschen so geredet wird, noch etwas mehr.«

»Tubruk?«, sagte Julius und sah zu, wie der Gutsverwalter dem Mann eine Silbermünze reichte.

»Nun?«, erkundigte sich Julius, nachdem die Münze in einem verborgenen Beutel verschwunden war.

Der Bote lächelte.

»Es heißt, dir soll für deine Arbeit in Griechenland das Amt eines Tribuns verliehen werden.«

»Tribun?« Julius sah Tubruk an, der beim Antworten die Achseln zuckte.

»Das wäre eine Stufe weiter auf der Leiter«, bemerkte der Gutsverwalter betont gelassen und sah den Boten viel sagend an. Julius verstand und schickte den Mann in die Stadt zurück.

Sobald sie allein waren, schlug Tubruk seinem Schützling auf den Rücken.

»Herzlichen Glückwunsch! Erzählst du mir jetzt auch, wie du zu dieser Ehre kommst? Im Gegensatz zum Senat habe ich keine Boten, die ich ständig durch die Gegend schicken kann. Mir ist lediglich zu Ohren gekommen, dass du Mithridates geschlagen und eine ums Zwanzigfache überlegene Armee überrannt hast.«

Julius lachte überrascht auf.

»Nächste Woche, wenn die Gerüchte erst einmal in Rom kursieren, wird sie ums Dreißigfache überlegen gewesen sein. Vielleicht sollte ich die Gerüchte gar nicht erst richtig stellen«, fügte er mit einem schiefen Lächeln hinzu. »Komm, wir gehen ein Stück spazieren und ich erzähle dir die Einzelheiten. Ich will sehen, wo die neue Grenze verläuft.«

Er sah, wie sich Tubruks Stirn furchte, und lächelte, um den Mann aufzumuntern.

»Ich war überrascht, als Cornelia es mir erzählt hat. Ich hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet du Land verkaufst.«

»Sonst hätten wir nicht genug Lösegeld zusammenbekommen, mein Junge. Und dieses Haus hat nur einen Sohn.«

Julius drückte ihm in jäher Zuneigung die Schulter.

»Ich weiß. Ich wollte dich nur foppen. Du hast das Richtige getan, und ich habe genügend Geld, um es zurückzukaufen.«

»Ich habe es an Suetonius’ Vater verkauft«, sagte Tubruk grimmig.

Julius blieb stehen.

»Er muss gewusst haben, dass die Summe für das Lösegeld bestimmt ist. Schließlich musste auch er seinen Sohn auslösen. Hast du einen guten Preis bekommen?«

»Ehrlich gesagt nicht«, erwiderte Tubruk mit schmerzlich verzogenem Gesicht. »Er hat hart verhandelt, so dass ich mich von mehr Land trennen musste, als ich eigentlich vorhatte. Ich bin sicher, dass er es für ein gutes Geschäft gehalten hat, aber es war…«, er verzog das Gesicht, als hätte er auf etwas Bitteres gebissen, »…schändlich.«

Julius atmete tief durch.

»Zeig mir, wie viel wir an ihn verloren haben, dann überlegen wir, wie wir den Alten dazu bewegen, dass er es mir zurückgibt. Wenn er seinem Sohn auch nur annähernd ähnlich ist, dürfte das nicht einfach werden. Aber komm jetzt, ich will zurück sein, wenn meine Mutter aufsteht, Tubruk. Ich muss ihr… sehr viel erzählen.«

Etwas hielt Julius davon ab, Tubruk von der Kopfverletzung und den Anfällen zu erzählen, die danach aufgetreten waren. Zum Teil lag es daran, dass er sich dafür schämte, dass er seiner Mutter in den vergangenen Jahren so wenig Verständnis entgegengebracht hatte. Das musste er wieder gutmachen, das war ihm klar. In erster Linie jedoch wollte er kein Mitleid in den Augen des alten Gladiators sehen. Das, so glaubte er, würde er nicht ertragen.

Gemeinsam verließen sie die sicheren Mauern des Anwesens und schlenderten den Hügel hinauf und in die Wälder, die Julius als Junge so oft durchstreift hatte. Tubruk hörte zu, und Julius erzählte ihm alles, was in den Jahren, die er fernab von Rom verbracht hatte, geschehen war.

Die neue Grenze war durch einen festen Holzzaun gekennzeichnet, der quer über den Pfad verlief, auf dem Julius, wie er sich noch gut erinnerte, vor Jahren die Wolfsfalle für Suetonius ausgehoben hatte. Beim Anblick des Zauns auf dem Land, das seit Generationen seiner Familie gehört hatte, hätte er ihn am liebsten niedergerissen, doch er stützte sich nur nachdenklich mit den Unterarmen darauf.

»Ich kann ihm genug Gold anbieten, viel mehr, als das Land wert ist. Aber es ärgert mich, Tubruk. Ich mag es nicht, wenn ich betrogen werde.«

»Er kommt bestimmt heute Mittag zur Senatsversammlung. Dort kannst du ihm auf den Zahn fühlen. Vielleicht beurteilen wir den Mann falsch, und er bietet dir an, das Land zum gleichen Preis zurückzukaufen«, gab Tubruk zu bedenken, doch seine Zweifel standen ihm ins Gesicht geschrieben.

Julius klopfte mit den Knöcheln auf den stabilen Zaun und seufzte. »Da habe ich Zweifel. Suetonius müsste inzwischen zu Hause sein. Wir haben uns auf See und in Griechenland so manches Mal gestritten. Er tut mir bestimmt keinen Gefallen. Trotzdem hole ich mir das Land meines Vaters zurück. Mal sehen, was Marcus darüber denkt.«

»Du weißt, dass er jetzt Brutus heißt. Wusstest du, dass er es in der Bronzefaust bis zum Zenturio gebracht hat? Bestimmt möchte er auch deinen Rat hören, was die Primigenia angeht.«

Julius nickte, und bei dem Gedanken, sich wieder mit seinem alten Freund unterhalten zu können, zog ein Lächeln über sein Gesicht.

»Er muss der jüngste Feldherr sein, den Rom jemals gesehen hat«, meinte er schmunzelnd.

Tubruk schnaubte verächtlich. »Dann ist er ein Legat ohne Legion.« Plötzlich wurde er sehr ernst; seine Augen wurden kalt, als er sich erinnerte. »Nach Marius’ Tod hat Sulla den Namen aus den Annalen der Legion streichen lassen. Es war lange Zeit schrecklich in Rom. Niemand war mehr sicher, nicht einmal der Senat. Jeder, den Sulla als Staatsfeind bezeichnete, wurde aus seinem Haus gezerrt und ohne Gerichtsverfahren hingerichtet. Ich hatte mir schon überlegt, ob ich Cornelia und das Neugeborene wegbringen soll, aber…« Er verstummte und dachte daran, was Cornelia zu ihm gesagt hatte, als er in der vergangenen Nacht aus Aurelias Zimmer in sein eigenes zurückgekehrt war und Julius in tiefem Schlaf gelegen hatte.

Der alte Gladiator war zwischen seiner Treue zu Julius und zu Cornelia hin und her gerissen. Seine Beziehung zu beiden war viel mehr von väterlicher Liebe geprägt als von seinen Pflichten als Verwalter des Gutes. Er hasste Geheimnisse, aber er wusste, dass Cornelia Julius das, was mit Sulla vorgefallen war, selbst erzählen musste.

Julius schien nicht zu bemerken, dass Tubruk in Gedanken ganz woanders war. Er wälzte seine eigenen Probleme.

»Den Furien sei Dank, dass dieser Bastard tot ist, Tubruk. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn er noch am Leben wäre. Ich hätte dir schreiben können, dass du mit meiner Familie das Land verlässt, aber ein Leben im Exil wäre mein Ende gewesen. Ich kann nicht beschreiben, wie es sich angefühlt hat, als meine Füße nach so langer Zeit wieder römischen Boden berührt haben. Die Stärke dieses Landes ist mir erst richtig bewusst geworden, nachdem ich es verlassen hatte, kannst du das verstehen?«

»Du weißt, dass ich das verstehe, mein Junge. Ich weiß nicht, wie Cabera es aushält, ständig auf Wanderschaft zu sein. So ein wurzelloses Leben kann ich nicht begreifen, aber womöglich haben wir hier viel tiefere Wurzeln geschlagen als die meisten anderen.«

Julius ließ den Blick über die grünen Schatten des Waldes wandern, der so viele Erinnerungen barg, und seine Entschlossenheit wurde stärker. Er würde sich zurückholen, was man ihm genommen hatte.

Dann schoss ihm ein anderer Gedanke durch den Kopf. »Was ist mit Marius’ Haus in der Stadt?«

»Es ist verloren«, antwortete Tubruk, ohne ihn anzusehen. »Es wurde versteigert, nachdem Sulla zum Diktator ernannt wurde. Auf seinen Befehl hin haben sehr viele Grundstücke den Besitzer gewechselt. Crassus hat einen Teil davon gekauft, aber zum größten Teil waren diese Auktionen ein Mummenschanz, bei dem sich Sullas Parteigänger das Beste unter den Nagel gerissen haben.«

»Weißt du, wer jetzt dort wohnt?« Julius’ Stimme klang gepresst vor Zorn.

Tubruk zuckte die Achseln. »Es ging an Antonidus, Sullas Oberbefehlshaber, der aber nur einen Bruchteil seines Wertes dafür bezahlt hat. Wegen seiner Ergebenheit Sulla gegenüber wurde er überall ›Sullas Hund‹ genannt, aber er hat sehr viel Nutzen aus seinem Herrn gezogen.«

Julius ballte langsam die Faust. »Dieses Problem kann ich noch heute lösen, nach der Senatssitzung. Hat dieser Antonidus irgendwelche Soldaten unter seinem Kommando?«

Tubruk runzelte die Stirn, als er begriff, dann zuckte ein Lächeln um seine Mundwinkel. »Ein paar Wachen im Haus. Er besitzt einen Titularrang, den ihm niemand abgesprochen hat, aber er steht mit keiner bestimmten Legion in Verbindung. Du hast die Männer, um ihn hinauszuwerfen, wenn du schnell handelst.«

»Dann werde ich schnell handeln«, erwiderte Julius, wandte sich vom Zaun ab und blickte zurück auf das Anwesen. »Wird meine Mutter inzwischen wach sein?«

»Normalerweise ja. Sie schläft in letzter Zeit nicht sehr viel«, antwortete Tubruk. »Ihre Krankheit ist nicht schlimmer geworden, aber du solltest wissen, dass sie immer schwächer wird.«

Julius musterte den alten Gladiator, dessen Gefühle stets dichter unter der Oberfläche saßen, als er vorgab, mit großer Zuneigung. »Ohne dich wäre sie verloren«, sagte er.

Tubruk sah zur Seite und räusperte sich. Dann machten sie sich auf den Rückweg. Seine fortgesetzten Pflichten Aurelia gegenüber standen nicht zur Diskussion, trotz der Tatsache, dass er in den vorangegangenen paar Monaten immer öfter darüber nachgedacht hatte. Er dachte an sie, wenn er Clodia ansah und sich die Zuneigung eingestehen musste, die völlig überraschend wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Cornelias Amme war eine freundliche Frau, und sie hatte ihm zu verstehen gegeben, dass sie ihm die gleiche stille Liebe entgegenbrachte, die er für sie empfand. Doch da war Aurelia, die versorgt werden musste, und er wusste, dass er sich niemals in ein kleines Haus in der Stadt zurückziehen konnte, solange es diese Verpflichtung in seinem Leben gab, selbst wenn sie Clodia aus der Sklaverei freikaufen konnten, woran er nicht zweifelte. Es hatte keinen Sinn, sich Gedanken um die Zukunft zu machen, überlegte er, als sie sich dem Hof näherten, denn die Zukunft machte sich immer wieder über alle Pläne lustig. Es blieb ihnen nicht viel anderes übrig, als sich so gut wie möglich auf die Wendungen und Veränderungen einzustellen, die sie naturgemäß mit sich brachte.

Octavian erwartete sie am Tor. Julius sah ihn ausdruckslos an und blieb dann erstaunt stehen, als der kleine Junge sich tief vor ihm verneigte.

»Wen haben wir denn da?«, fragte er an Tubruk gewandt und wunderte sich, diesen vor Verlegenheit erröten zu sehen.

»Er heißt Octavian, Herr. Ich habe ihm versprochen, ihn dir vorzustellen, sobald es an der Zeit sei, aber es sieht ganz so aus, als hätte er schon wieder die Geduld verloren.«

Bei diesen strengen Worten wurde Octavian ein wenig blass. Es stimmte, dass er nicht mehr hatte warten können, doch er war nur weniger ungehorsam gewesen, als dass er angenommen hatte, Tubruk hätte seine Meinung geändert, was, wie er fand, etwas völlig anderes war.

»Tubruk kümmert sich um mich«, sagte er stolz zu Julius. »Ich lerne, wie man mit einem Gladius kämpft, wie man reitet und…«

Tubruk gab ihm einen sanften Klaps, der ihn zum Verstummen brachte. Die Verlegenheit des Verwalters wurde noch größer. Er hatte Julius alles erklären wollen, und es war ihm peinlich, dass es ihm jetzt ohne Vorwarnung an den Kopf geworfen wurde.

»Alexandria hat ihn mitgebracht«, sagte er und stieß Octavian mit einem kräftigen Schubs in Richtung der Ställe davon. »Er ist ein entfernter Verwandter von dir, aus der Familie der Schwester deines Großvaters. Aurelia hat ihn anscheinend ins Herz geschlossen, aber er muss immer noch lernen, wie man sich benimmt.«

»Und wie man mit dem Gladius kämpft und reitet?«, fragte Julius, der sich über Tubruks Verwirrung amüsierte. Den Verwalter derart durcheinander zu sehen, war etwas völlig Neues für ihn, deshalb ließ er die Angelegenheit mit Vergnügen ihren Lauf nehmen.

Tubruk kratzte sich hinter dem Ohr, zog eine Grimasse und schaute Octavian nach, der den Wink endlich verstanden hatte und sich trollte.

»Es war meine Idee. Er ist von größeren Jungen verprügelt worden, von irgendwelchen Lehrlingen in der Stadt, und ich dachte, ich könnte ihm beibringen, wie man sich schützt. Ich wollte das alles noch mit dir besprechen, aber…«

Jetzt platzte Julius laut heraus, und Tubruks verdutzter Gesichtsausdruck machte das Ganze auch nicht besser.

»Ich habe dich noch nie so nervös gesehen«, meinte er. »Es sieht ganz so aus, als hättest du einen Narren an dem kleinen Welpen gefressen.«

Irritiert von dem plötzlichen Stimmungswechsel zuckte Tubruk lediglich die Achseln. Es war typisch für Octavian, seine Anordnungen wieder einmal zu ignorieren. Jeder Tag schien für ihn ein neuer Anfang zu sein, der ihn sämtliche Lektionen und Strafen vergessen ließ.

»Für einen so kleinen Burschen ist er sehr eigensinnig. Jetzt, nachdem wir ihn ein bisschen ins Lot gebracht haben, erinnert er mich manchmal an dich.«

»Ich stelle nichts von dem in Frage, was du in meiner Abwesenheit getan hast, Tubruk. Wenn dein Urteil für meinen Vater gut genug war, dann ist es allemal gut genug für mich. Ich sehe mir den Jungen heute Abend genauer an, wenn ich wieder da bin. Ist er nicht ein bisschen zu klein, um sich auf den Gassen der Stadt zu prügeln?«

Tubruk nickte, er war erfreut, dass Julius nichts dagegen einzuwenden hatte. Er fragte sich, ob dies der richtige Moment war, zu erwähnen, dass der Junge ein eigenes Zimmer im Haus und sein eigenes Pony im Stall hatte. Wahrscheinlich nicht.

Immer noch lächelnd ging Julius auf das Hauptgebäude zu. Tubruk blieb allein im Hof stehen. Aus dem Augenwinkel bemerkte er eine kurze Bewegung beim Stall und seufzte. Der Junge hatte schon wieder gelauscht, wahrscheinlich aus Angst, dass man ihm sein Pferdchen wegnehmen würde – die einzige Drohung, mit der man bei ihm etwas erreichen konnte.

Julius saß schweigend im Ankleidezimmer seiner Mutter und sah zu, wie eine Sklavin die Salben und Farben auftrug, die ihren schlechten Zustand verbergen sollte. Die Tatsache, dass sie ihm erlaubte, sie ohne all dies zu sehen, erschreckte ihn ebenso sehr wie die Erkenntnis, wie dünn sie geworden war und wie krank sie aussah. Schon so lange hatte er sich geschworen, dass er mit ihr darüber reden wolle, wie gut er ihre Krankheit mittlerweile nachvollziehen konnte, und aus den Trümmern seiner Kindheit so etwas wie eine neue Freundschaft zu gewinnen. Jetzt, da es so weit war, wusste er nicht, wie er anfangen sollte. Die Frau, die dort vor dem Spiegel saß, war für ihn beinahe eine Fremde. Ihre Wangen waren zu tiefen Höhlen eingefallen, die sich der Farbe widersetzten, die die Sklavin dort verteilen wollte, und die durch die helleren Töne hindurchschimmerten wie ein über ihr schwebender Schatten des Todes. Ihre dunklen Augen waren matt und teilnahmslos, ihre Arme so mager, dass es ihn erbarmte, wenn er sie nur ansah.

Zumindest hatte Aurelia ihn erkannt. Sie hatte ihn mit Tränen in den Augen und einer schwächlichen Umarmung begrüßt, die er mit unendlicher Vorsicht erwidert hatte, da er das Gefühl hatte, er könne das zerbrechliche Wesen, zu dem sie geworden war, jederzeit zermalmen. Doch sogar dabei hatte sie leicht aufgekeucht, als er sie in die Arme genommen hatte, und sofort hatte er ein schlechtes Gewissen verspürt.

Nachdem die Sklavin die Gerätschaften in einem hübsch lackierten Kasten verstaut und sich mit einer Verbeugung zurückgezogen hatte, wandte sich Aurelia ihrem Sohn zu und versuchte sich an einem Lächeln, obwohl ihre Haut durch die Behandlung mit der Schminke knitterte wie Pergament.

Julius rang mit seinen Gefühlen. Cabera hatte ihm gesagt, sein Leiden sei ein anderes als das seiner Mutter, außerdem wusste er, dass sie niemals eine Verletzung erlitten hatte wie die, die ihn beinahe getötet hätte. Trotzdem hatten sie endlich etwas gemeinsam, auch wenn die Kluft unüberbrückbar schien.

»Ich… ich habe viel über dich nachgedacht, während ich weg war«, setzte er an.

Sie gab ihm keine Antwort, war allem Anschein nach völlig gebannt vom Anblick ihres Gesichts in der polierten Bronze. Ihre langen, dünnen Finger wanderten zu ihrem Hals und zu den Haaren, während sie sich hierhin und dorthin drehte und dabei die Stirn runzelte.

»Ich bin in der Schlacht verwundet worden und war lange krank«, versuchte Julius es weiter, »und danach hatte ich einen seltsamen Anfall. Er… hat mich an deine Krankheit erinnert, und ich war der Ansicht, dass ich es dir sagen sollte. Es tut mir Leid, dass ich dir nicht ein besserer Sohn gewesen bin. Ich habe damals nie begriffen, was du durchgemacht hast, aber als es mir selbst zugestoßen ist, war es, als hätte sich ein Fenster geöffnet. Es tut mir Leid.«

Er sah, wie ihre zitternden Hände ihr Gesicht streichelten und liebkosten, während er sprach, und dass ihre Bewegungen immer lebhafter wurden. Besorgt erhob er sich halb von seinem Stuhl und lenkte sie damit ab, so dass sie ihm das Gesicht zuwandte.

»Julius?«, flüsterte sie. Ihre Pupillen hatten sich geweitet, und ihre dunklen Augen schienen durch ihn hindurchzusehen.

»Ich bin hier«, sagte er betrübt und fragte sich, ob sie ihn überhaupt gehört hatte.

»Ich dachte, du hättest mich verlassen«, fuhr sie fort. Ihre Stimme jagte ihm einen Schauer über den Rücken.

»Nein. Ich bin zurückgekommen«, sagte er und spürte, wie seine Augen vor Kummer brannten.

»Geht es Gaius gut? Er ist so ein eigensinniger Junge«, sagte sie, schloss die Augen und senkte den Kopf, als wollte sie die Welt nicht weiter an sich heranlassen.

»Es… es geht ihm gut. Er hat dich sehr lieb«, antwortete Julius leise und hob die Hand, um sich die Tränen wegzuwischen.

Aurelia nickte und wandte sich wieder dem Spiegel und ihren versunkenen Betrachtungen zu.

»Das freut mich. Schickst du mir die Sklavin herein, damit sie sich um mich kümmert, mein Lieber? Ich glaube, ich brauche heute ein wenig Schminke, um den Tag zu ertragen.«

Julius nickte, erhob sich vollends und sah sie einen Moment lang an.

»Ich hole sie«, sagte er und ging hinaus.

Als die Sonnenuhr auf dem Forum den Mittag anzeigte, betrat Julius mit seinen Leibwächtern den großzügig angelegten Platz und schlug den kürzesten Weg zum Senatsgebäude ein. Dabei fielen ihm die Veränderungen auf, die die Stadt erfahren hatte, seit er fortgegangen war. Die Befestigungen, die Marius entlang der Mauern hatte errichten lassen, waren entfernt worden; man sah nur wenige Legionäre, und auch die wirkten entspannt, schlenderten mit ihren Mätressen durch die Straßen oder standen plaudernd zusammen. Von der erwarteten Anspannung war nichts zu spüren. Rom war wieder eine Stadt im Frieden. Ein Schauer überlief ihn, als er über die flachen grauen Steine schritt. Er hatte zehn Soldaten, die seinem Kommando unterstanden, mit in die Stadt gebracht, weil er sich in seiner formellen Kleidung, so ganz ohne Rüstung, in ihrer Begleitung wohler fühlte. Eine solche Vorsichtsmaßnahme schien völlig unnötig zu sein, und er wusste nicht genau, ob er sich darüber freute oder ärgerte. Die Schlacht um die Stadtmauern war ihm noch lebhaft in Erinnerung, als wäre er nie weg gewesen, doch die Leute, die sich in der kraftlosen Wintersonne im Freien aufhielten, lachten und scherzten miteinander. Sie sahen die Szenen nicht, die in seiner Vorstellung aufblitzten. Wieder sah er den gefallenen Marius und den Zusammenprall dunkler Gestalten, als Sullas Streitmacht die Verteidiger rings um ihren Feldherrn niedermachte.

Sein Mund zuckte vor Bitterkeit, als er daran dachte, wie jung und voller Lebensfreude er in jener Nacht gewesen war. Er war direkt aus seinem Hochzeitsbett herbeigeeilt, um zuzusehen, wie alle ihre Träume und Hoffnungen zerschlagen wurden und seine Zukunft eine unvorhersehbare Wendung nahm. Hätten sie Sulla besiegt, hätten sie Sulla doch nur besiegt, dann wären Rom so viele Jahre der Gewalt erspart geblieben, und die Republik hätte ihre ehemalige Würde wiedererlangt.

Trotz der harmlosen Stimmung auf dem Forum ließ er seine Männer am Fuße der breiten Marmorstufen Aufstellung nehmen, und wies sie an, wachsam zu bleiben. Nach Marius’ Tod hatte er gelernt, dass es in jedem Falle sicherer war, mit Schwierigkeiten zu rechnen, sogar vor dem Senatsgebäude.

Dann blickte Julius zu den bronzebeschlagenen Türen hinauf, die für die Versammlung entriegelt worden waren. Überall standen Senatoren zu zweien oder dreien beieinander, diskutierten die Themen des Tages und warteten darauf, dass die Sitzung einberufen wurde. Julius sah seinen Schwiegervater Cinna neben Crassus stehen und ging die Stufen hinauf, um sie zu begrüßen. Sie hatten die Köpfe zusammengesteckt, und Julius sah Zorn und Enttäuschung in ihren Gesichtern. Crassus war immer noch die gleiche braune Bohnenstange, als die ihn Julius in Erinnerung hatte. Der Mann sprach seinem Reichtum mit dem einfachen weißen Gewand und den schlichten Sandalen Hohn. Cinna hatte er zuletzt bei seiner Vermählung mit Cornelia gesehen. Von den beiden Senatoren hatte er sich in den dazwischen liegenden Jahren am meisten verändert. Als er sich umwandte, um Julius zu begrüßen, erschrak der jüngere Mann angesichts der tiefen Falten, die sich als sichtbares Zeichen seiner Sorgen in sein Gesicht eingegraben hatten. Cinna schenkte ihm ein müdes Lächeln, das Julius beklommen erwiderte. Eigentlich hatte er diesen Mann nie näher kennen gelernt.

»Der Wanderer kehrt zu uns zurück, sein Schwert und Bogen ruhen«, zitierte Crassus. »Dein Onkel wäre stolz auf dich, wenn er hier wäre.«

»Ich danke dir. Gerade eben habe ich an ihn gedacht«, erwiderte Julius. »Es ist nicht leicht, die Stadt nach so langer Zeit wiederzusehen, besonders hier, an diesem Ort. Ich rechne ständig damit, seine Stimme zu hören.«

»Solange Sulla am Leben war, durfte man seinen Namen nicht einmal erwähnen, wusstest du das?«, fragte Crassus und musterte ihn argwöhnisch. Nur ein leises Zucken um die Lippen verriet die Gefühle des jungen Mannes.

»Sullas Wünsche haben mir schon zu seinen Lebzeiten nicht viel bedeutet, umso weniger jetzt«, konterte er barsch. »Nach der Senatssitzung würde ich gerne das Grab des Marius besuchen, um ihm meine Ehrerbietung zu erweisen.«

Crassus und Cinna wechselten einen Blick, und Crassus berührte Julius mitfühlend am Arm.

»Es tut mir Leid, aber seine sterblichen Überreste wurden verschleppt und irgendwo verstreut. Einige von Sullas Soldaten haben das getan, obwohl er selbst es immer abgestritten hat. Wahrscheinlich hat er deshalb veranlasst, dass er verbrannt werden sollte, auch wenn Marius’ Freunde nicht so tief herabsinken würden.«

Er ließ die Hand sinken, als Julius sich zornig anspannte und sichtlich um seine Selbstbeherrschung kämpfte. Crassus redete ruhig weiter und gab ihm Zeit, sich wieder zu fassen.

»Das Erbe des Diktators peinigt uns noch immer in Form seiner Anhänger im Senat. Cato ist der Erste unter ihnen, und Catalus und Bibulus sind entschlossen, ihm überallhin zu folgen. Ich glaube, du kennst auch Senator Prandus, mit dessen Sohn du in Gefangenschaft geraten bist?«

Julius nickte. »Ich habe heute nach der Sitzung einiges mit ihm zu besprechen«, erwiderte er, jetzt nach außen hin wieder völlig ruhig. Verstohlen hielt er die rechte Hand mit der Linken fest, jäh besorgt, dass die in ihm brodelnden Gefühle ihm einen neuerlichen Anfall bescheren könnten, direkt hier auf den Stufen zum Senat, was ihn für alle Zukunft blamieren würde. Crassus tat so, als bemerke er es überhaupt nicht, wofür ihm Julius dankbar war.

»Nimm dich vor Prandus in Acht, Julius«, sagte Crassus ernst und beugte sich weiter vor, damit die anderen Senatoren, die dem Gebäude zustrebten, ihn nicht hören konnten. »Er verfügt jetzt über wichtige Verbindungen zu den Sullanern, und Cato zählt ihn zu seinen Freunden.«

Julius neigte den Kopf noch näher zu Crassus und flüsterte rau: »Diejenigen, die Sullas Freunde waren, sind meine Feinde.«

Ohne ein weiteres Wort wandte er sich von den beiden ab, stieg die letzten Stufen zu den Türen hinauf und verschwand in der Dunkelheit des Gebäudes.

Crassus und Cinna sahen einander mit verhaltenem Argwohn an, während sie ihm langsameren Schrittes folgten.

»Es scheint, als hätten wir die gleichen Ziele«, sagte Cinna leise.

Crassus nickte kurz, war jedoch nicht gewillt, das Thema weiter zu vertiefen, als sie zwischen ihren Amtskollegen ihren Sitzen zustrebten und dabei an Freunden wie Feinden vorüberkamen.

Sobald er die Versammlung betreten hatte, spürte Julius die vibrierende Energie in der Halle. Es gab nur wenige freie Plätze, so dass er sich mit einem Sitz in der dritten Reihe hinter dem Rednerpodium begnügen musste. Er nahm die Bilder und Geräusche mit großer Befriedigung in sich auf, denn er wusste, dass er endlich ins Herz der Macht zurückgekehrt war. Angesichts der vielen Fremden wünschte er, er wäre bei Crassus und seinem Schwiegervater geblieben, damit sie ihm Namen zu den neuen Gesichtern nennen könnten. Fürs Erste gab er sich jedoch damit zufrieden, zu beobachten und zu lernen, von den Raubtieren übersehen, bis er besser gerüstet war. Angesichts der Vorstellung von heftigen Kämpfen, die der Senat für ihn bedeutete, musste er in sich hineinlächeln. Es war ein falsches Bild, das wusste er. Hier konnten die Feinde diejenigen sein, die ihn am herzlichsten begrüßten, um dann, sobald er sich umgedreht hatte, Meuchelmörder auf ihn zu hetzen. Sein Vater hatte immer verächtlich von den meisten Mitgliedern dieser Nobilitas geredet, auch wenn er den wenigen, die ihre Ehre über die Politik stellten, einen widerwilligen Respekt entgegengebracht hatte.

Nachdem Ruhe im Saal eingekehrt war, sprach ein älterer Konsul, den Julius nicht kannte, den Tageseid. Alle Anwesenden erhoben sich gleichzeitig und lauschten den feierlichen Worten.

»Wir, die wir Rom sind, verpflichten unser Leben dem Frieden, unsere Kraft der Stadt selbst und unsere Ehre ihren Bürgern.«

Gemeinsam mit den anderen wiederholte Julius die getragenen Worte und spürte, wie Erregung aufkam. Das Herz der Welt schlug noch. Er lauschte mit äußerster Konzentration der Liste der Themen, die heute besprochen werden sollte, und schaffte es, nach außen hin unbeteiligt zu wirken, als der Konsul vorlas: »Den Posten eines Tribuns, verliehen an Gaius Julius Cäsar für seine Taten in Griechenland.« Einige derjenigen, die ihn kannten, drehten sich zu ihm um, weil sie seine Reaktion sehen wollten, aber er zeigte ihnen nichts, erfreut über die Warnung, die er von dem Boten erkauft hatte. In diesem Augenblick beschloss er, Ratgeber anzuheuern, mit deren Hilfe er jeden Tagungspunkt richtig verstehen konnte. Um die Anklagen vorzubereiten, die er erheben würde, sobald er den ersten Posten in seiner politischen Karriere innehatte, brauchte er vor allem Rechtsgelehrte. Mit grimmiger Gewissheit nahm er sich vor, den ersten Prozess vor dem Magistrat gegen Antonidus anzustrengen, nachdem er sich das Haus seines Onkels zurückgeholt hatte. Dass dies mit einer öffentlichen Verteidigung des Marius einhergehen würde, verschaffte ihm besondere Genugtuung.

Cato war an seiner massigen Gestalt leicht zu erkennen, doch Julius konnte sich nicht erinnern, ihn damals, bei seinem ersten Besuch im Senat, gesehen zu haben. Der Senator war geradezu obszön fettleibig, und seine Züge schienen in den wogenden Hautfalten zu versinken, so dass der Mann eigentlich von irgendwo tief hinter seinem Gesicht herausschaute. Er war von einer Schar von Freunden und Parteigängern umgeben, und an der Achtung, die man ihm entgegenbrachte, erkannte Julius, wie einflussreich dieser Mann war, genau wie Crassus ihn gewarnt hatte. Auch Suetonius’ Vater war anwesend, und ihre Blicke begegneten sich kurz, bevor der ältere Mann wegschaute und so tat, als hätte er Julius nicht bemerkt. Kurz darauf flüsterte er Cato etwas ins Ohr, woraufhin Julius Ziel eines eher amüsierten als besorgten Blickes wurde. Mit undurchdringlicher Miene prägte er sich den Mann als zukünftigen Feind ein und sah mit einigem Interesse, wie Catos Augen durch die Menge huschten und auf dem eintretenden Pompeius verharrten, bis dieser seinen Platz einnahm, der von seinen eigenen Anhängern freigehalten worden war.

Auch Julius beobachtete Pompeius und überlegte, inwiefern er sich verändert hatte. Die Tendenz zur Weichheit war völlig von Pompeius’ Erscheinung gewichen. Er sah durchtrainiert und muskulös aus, wie es sich für einen Soldaten ziemte, ein Windhund im Vergleich zu Cato. Seine Haut war von der Sonne tief gebräunt, und Julius fiel wieder ein, dass er einige Zeit als Oberbefehlshaber der Legionen in Spanien verbracht hatte. Zweifellos hatte ihm seine Aufgabe, die aufrührerischen Stämme in den Provinzen in Schach zu halten, das Fett von den Knochen gebrannt.

Pompeius erhob sich geschmeidig, um sich zum ersten Punkt zu Wort zu melden, und sprach von der Notwendigkeit, eine Streitmacht gegen die Piraten auszusenden, wobei er davon ausging, dass sie über eintausend Schiffe und zweitausend Dörfer geboten. Angesichts seiner eigenen bitteren Erfahrungen hörte ihm Julius mit Interesse zu, ein wenig schockiert darüber, dass man die Situation dermaßen außer Kontrolle hatte geraten lassen. Erstaunt sah er, wie sich andere erhoben, um die Zahlen des Pompeius zurückzuweisen und sich dagegen zu verwahren, ihre Streitkräfte noch weiter zu verteilen.

»Wenn ich genügend Schiffe und Männer hätte, würde ich die Meere innerhalb von vierzig Tagen von diesem Gesindel säubern«, blaffte Pompeius zurück, doch er wurde überstimmt und setzte sich mit verstimmt gerunzelter Stirn wieder.

Julius stimmte bei drei anderen Belangen mit ab, wobei ihm auffiel, dass Pompeius, Crassus und Cinna seine Ansichten jedes Mal teilten. Bei allen drei Angelegenheiten wurden sie überstimmt, und Julius spürte, wie sein Verdruss wuchs. Ein Sklavenaufstand in der Nähe des Vesuvius war schwierig niederzuschlagen gewesen, doch statt eine überlegene Streitmacht zu entsenden, gab der Senat lediglich die Erlaubnis, dass sich eine einzige Legion damit befassen sollte. Julius schüttelte ungläubig den Kopf. Zuerst war ihm nicht aufgefallen, wie übervorsichtig der Senat geworden war. Aus seiner Erfahrung mit Marius und seinen eigenen Schlachten wusste Julius, dass ein Imperium, das überleben wollte, stark sein musste, doch viele Senatoren waren blind gegenüber den Problemen, mit denen es ihre Heerführer rings um das Mare Internum zu tun hatten. Als über eine Stunde mit Reden vergangen war, verstand Julius die Ungeduld, die Männer wie Prax und Gaditicus den zaudernden Senatoren gegenüber empfanden, wesentlich besser. Er hatte erwartet, noble Ansichten und kühne Entscheidungen zu hören, die sich des Schwures als würdig erwiesen, den sie geleistet hatten, nicht ein derart kleinliches Gezänk und einander bekriegende Fraktionen.

Während er noch diesen Gedanken nachhing, verpasste er den nächsten Punkt, und erst der Klang seines eigenen Namens riss ihn aus seinen Tagträumen.

»…Cäsar, dem der Posten eines Militärtribuns verliehen werden soll, mit sämtlichen Rechten und Ehren, aus Dankbarkeit für den Sieg über Mithridates in Griechenland und die Inbesitznahme zweier Piratenschiffe.«

Alle Senatoren erhoben sich, selbst Cato stemmte sich schwerfällig auf die Beine.

Julius grinste jungenhaft, als sie ihm zujubelten, und tat, als bemerke er die Schweigenden unter ihnen nicht. Doch als sein Blick über die dichtbesetzten Reihen wanderte, prägte er sich jedes Gesicht ein.

Als er sich wieder setzte, schlug sein Herz heftig vor Aufregung. Als Tribun war es ihm erlaubt, Truppen auszuheben, und er kannte dreihundert Mann in nicht allzu weiter Ferne, die sich nur zu gern seinem Kommando unterstellen würden. Cato suchte seinen Blick und nickte ihm prüfend zu. Julius erwiderte die Geste mit einem offenen Lächeln. Es wäre dumm, den Mann zu warnen, dass er einen neuen Feind hatte.

Als die Bronzetore wieder aufgestoßen wurden, um das Tageslicht ins Haus des Senats einzulassen, beeilte sich Julius, um Suetonius’ Vater abzufangen, der soeben hinausging.

»Auf ein Wort, Senator«, sagte er und unterbrach damit eine Unterhaltung.

Senator Prandus drehte sich zu ihm um und hob erstaunt die Augenbrauen. »Ich wüsste nicht, was wir zu besprechen hätten, Cäsar«, erwiderte er.

Julius ignorierte den abweisenden Ton und fuhr fort, als handelte es sich um eine Angelegenheit zwischen alten Freunden. »Es geht um das Land, das mein Gutsverwalter dir verkauft hat, um das Lösegeld für mich zu beschaffen. Du weißt, dass es mir gelungen ist, das Gold zurückzuholen, darunter auch das für deinen Sohn. Ich würde mich gern mit dir zusammensetzen und über den Preis reden, für den das Land an meine Familie zurückgeht.«

Der Senator schüttelte kaum wahrnehmbar den Kopf. »Da muss ich dich leider enttäuschen. Ich wollte meinen Besitz schon seit langem erweitern und habe vor, ein zweites Haus für meinen Sohn zu bauen, sobald dieser Wald gerodet ist. Tut mir Leid, aber ich kann dir nicht helfen.«

Er schenkte Julius ein schmallippiges Lächeln und wandte sich wieder seinen Gefährten zu. Julius ergriff ihn am Arm, worauf Prandus sich mit einem Ruck losmachte und vor Zorn rot anlief.

»Vorsicht, junger Mann. Du befindest dich im Senat, nicht in irgendeinem Dorf in der Wildnis. Wenn du mich noch einmal anfasst, lasse ich dich festnehmen. Nach allem, was mir mein Sohn berichtet hat, gehörst du nicht zu der Sorte, mit der ich Geschäfte machen möchte.«

»Dann hat er vielleicht auch erwähnt, dass ich nicht zu der Sorte gehöre, die man gern zum Feind hat«, murmelte Julius. Er sprach so leise, dass ihn keiner der Umstehenden hören konnte.

Der Senator erstarrte einen Augenblick lang, während er über diese Drohung nachsann, dann drehte er sich steif um und eilte hinter Cato her, der eben durch die Tür ging.

Nachdenklich sah ihm Julius nach. Er hatte mit einer solchen Reaktion gerechnet, doch die Neuigkeit, dass Prandus ein neues Haus errichten lassen wollte, war ein schwerer Schlag für ihn. Von oben auf dem Hügel würde es auf sein eigenes Anwesen herabschauen, eine Position der Überlegenheit, die Suetonius mit Sicherheit gefallen würde. Er sah sich nach Crassus und Cinna um, weil er mit ihnen reden wollte, bevor sie wieder nach Hause gingen. In gewisser Hinsicht hatte Suetonius’ Vater nicht Unrecht. Wer in Rom Gewalt anwendete, schnitt sich rasch ins eigene Fleisch. Er würde umsichtig vorgehen müssen.

»Aber zuerst kommt Antonidus dran«, murmelte er vor sich hin. In diesem Fall war Gewalt absolut geboten.

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