29

Als er an der Spitze seiner zehn Soldaten zu Marius’ altem Haus durch die Stadt ging, wurden schmerzvolle Erinnerungen in Julius wach. Er dachte an die Erregung und die Spannung, die er empfunden hatte, als die Energie, die den Feldherrn umgab, ihn erfasst hatte. Jede Straße, jede Biegung erinnerte ihn an jenen ersten Gang zum Senat, umgeben von den kampferprobtesten Männern der Primigenia. Wie alt war er damals gewesen – vierzehn? Alt genug, um die Lektion zu lernen, dass sich das Gesetz der Stärke beugte. Sogar Sulla war angesichts der Soldaten auf dem Forum verzagt, sobald das Pflaster nass vom Blut der drängelnden Menge gewesen war. Marius war der von ihm eingeforderte Triumph zuerkannt worden, und in der Folge davon war er Konsul geworden, auch wenn Sulla ihn am Ende zu Fall gebracht hatte. Der Kummer senkte sich schwer auf Julius, und er wünschte sich, wenigstens noch einen Moment mit dem glorreichen Heerführer erleben zu dürfen.

Keiner von Julius’ Männern war je in Rom gewesen; vier von ihnen stammten aus kleinen Dörfern irgendwo an der afrikanischen Küste. Sie gaben sich große Mühe, nicht allzu auffällig zu starren, aber es war ein vergeblicher Kampf, angesichts dieser sagenumwobenen Stadt, die hier vor ihren Augen Wirklichkeit wurde.

Ciro empfand schon wegen der Vielzahl der Menschen Ehrfurcht, die ihnen in den überfüllten Straßen begegneten, und anhand seiner Reaktionen betrachtete auch Julius die Stadt mit neuen Augen. So etwas gab es nirgendwo sonst auf der Welt. Die Gerüche von Speisen und Gewürzen vermischten sich mit Rufen und lautem Hämmern, das Gewoge der Passanten war ein einziges Durcheinander aus blauen, roten und goldenen Togas und Tuniken. Es war ein Fest der Sinne, an dessen Wundern sich Julius erfreute, und ihm fiel wieder ein, wie er an Marius’ Seite auf einem vergoldeten Streitwagen durch die links und rechts von jubelnden Menschen gesäumten Straßen gerollt war. Diese süße Herrlichkeit vermischte sich mit der Erinnerung an den Schmerz, der danach gefolgt war… und dennoch, er war an jenem Tage hier gewesen, war dabei gewesen.

Obwohl nur die längsten Straßen einen Namen trugen, fand sich Julius ohne Probleme zurecht und schlug beinahe unbewusst genau dieselbe Route ein, die er nach seinem ersten Besuch des Forums gewählt hatte. Nach und nach wurde es ringsum leerer und sauberer, als sie das Tal mit seinen Mietskasernen und verschlungenen Gassen verließen und auf der gepflasterten Straße den Hügel hinaufgingen. Hier verbargen auf beiden Seiten bescheidene Türen und Tore den Reichtum dahinter.

Julius ließ seine Männer hundert Fuß vor dem Tor, an das er sich erinnerte, anhalten und ging allein weiter. Als er es erreicht hatte, trat eine kleine, stämmige Gestalt in einer einfachen Sklaven-Tunika und Sandalen an das Türgitter, um ihn zu begrüßen. Obwohl der Mann höflich lächelte, bemerkte Julius, wie seine Augen in unwillkürlicher Vorsicht nach links und rechts huschten.

»Ich bin gekommen, um mit dem Eigentümer dieses Hauses zu reden«, sagte Julius und lächelte freundlich.

»Antonidus ist nicht hier«, antwortete der Torwärter misstrauisch.

Julius nickte, als hätte er mit dieser Nachricht gerechnet.

»Dann muss ich wohl auf ihn warten. Er muss die Nachricht, die ich ihm bringe, unbedingt erhalten.«

»Du kannst nicht herein, solange…«, setzte der Mann an.

Mit einer raschen Bewegung griff Julius durch das Gitter, so wie er es einst Renius hatte tun sehen. Der Torwärter zuckte erschrocken zurück und wäre ihm fast entwischt, doch dann packten Julius’ Finger seine Tunika und rissen ihn mit einem Ruck zurück ans Gitter.

»Mach das Tor auf«, raunte Julius dem zappelnden Mann ins Ohr.

»Niemals! Wenn du den Mann, dem dieses Haus gehört, kennen würdest, würdest du das nicht wagen. Wenn du mich nicht sofort loslässt, bist du noch vor Sonnenuntergang tot!«

Julius zog den Mann mit seinem ganzen Gewicht gegen die Metallstangen.

»Ich kenne ihn. Dieses Haus gehört mir. Und jetzt mach die Tür auf, sonst töte ich dich.«

»Dann töte mich… aber auch dann kommst du nicht herein«, knurrte der Mann und wehrte sich immer noch heftig.

Als er tief Luft holte, um laut um Hilfe zu rufen, musste Julius plötzlich angesichts seines Mutes grinsen. Ohne ein weiteres Wort langte er mit der anderen Hand durch die Gitterstäbe und hakte den Schlüssel vom Gürtel des Mannes. Der Torwärter keuchte empört, und Julius rief mit einem leisen Pfeifen seine Männer herbei.

»Hilfe!«, entfuhr es dem Torwächter gerade noch, bevor ihm Ciros breite Pranken den Mund verschlossen.

Julius schob den Schlüssel in das Loch in der Eisenplatte und lächelte, als es leise darin klickte. Er hob den Riegel an, und das Tor schwang auf, gerade als auf der anderen Seite zwei Wächter mit erhobenen Schwertern in den Hof getrabt kamen.

Rasch drängten Julius’ Männer hinein und entwaffneten sie. Gegen so viele hatten die Wachen keine Chance und ließen ihre Waffen fallen, sobald sie umzingelt waren; nur der Torwächter wurde vor Zorn dunkelrot im Gesicht, während er dies mit ansah. Er versuchte, Ciro in die Hand zu beißen, und bekam dafür einen derben Klaps.

»Fesselt sie und durchsucht das Haus. Ich will aber kein Blutvergießen«, befahl Julius und sah ungerührt zu, wie seine Männer paarweise in das ihm so vertraute Haus ausschwärmten.

Es hatte sich kaum etwas verändert. Der Brunnen war immer noch da, und auch den Garten hatte Antonidus so gelassen, wie er ihn vorgefunden hatte. Julius sah die Stelle, wo er Alexandria geküsst hatte, und er hätte ohne Führer den Weg zu ihrem Zimmer im Sklavenflügel gefunden. Es fiel ihm nicht schwer, sich vorzustellen, dass von irgendwoher Marius’ lautes Lachen ertönte, und in diesem Augenblick hätte er sehr viel dafür gegeben, den großen Mann noch einmal zu sehen. Mit einem Mal lasteten die traurigen Erinnerungen noch schwerer auf seinen Schultern.

Von den Sklaven und Dienern, die von seinen Männern in den Hof gebracht und mit fröhlicher Gründlichkeit gefesselt wurden, erkannte er keinen wieder. Einer oder zwei seiner Legionäre hatten Kratzspuren im Gesicht, doch Julius war froh, dass offensichtlich keinem der Gefangenen Gewalt angetan worden war. Wenn er seine Beschwerde erfolgreich durchbringen und sein Recht auf das Haus als überlebender Erbe antreten wollte, musste er sein Ziel friedlich erreichen, das wusste er. Die Magistratsmitglieder gehörten bestimmt zur Nobilitas, und jedes Blutvergießen mitten in der Stadt würde sie von Anfang an gegen ihn einnehmen.

Das Ganze nahm nicht viel Zeit in Anspruch. Seine Männer trugen die verschnürten Gefangenen ohne weitere Diskussionen hinaus auf die Straße; der Torwärter kam ganz zum Schluss an die Reihe. Obwohl man ihm einen Knebel in den Mund gesteckt hatte, schäumte er noch immer vor Zorn, als Ciro ihn draußen absetzte. Julius schloss eigenhändig das Tor und sperrte es mit dem erbeuteten Schlüssel ab, dann blinzelte er der wütenden Gestalt zu und drehte sich um.

Seine Männer standen in zwei Fünferreihen vor ihm. Das war nicht genug, um das Haus gegen einen entschlossenen Angriff zu halten, deshalb musste er zuallererst Melder zu seinem Gut schicken, um sofort fünfzig seiner besten Männer hierher in Bewegung zu setzen. Es war gut und schön, eine Strategie für den Rechtsstreit zu planen, letztendlich jedoch war derjenige, der tatsächlich im Besitz des Hauses war, eindeutig im Vorteil, und Julius hatte nicht vor, es bei Antonidus’ Rückkehr sogleich wieder zu verlieren.

Schließlich entsandte er drei seiner schnellsten Läufer in Botengewändern aus den Beständen des Hauses. Seine größte Sorge war, dass sie sich in der ihnen fremden Stadt verirrten, und er machte sich Vorwürfe, dass er keinen Einheimischen mitgebracht hatte, der ihnen den Weg bis zur Tiberbrücke zeigen konnte.

Als sie fort waren, wandte er sich mit einem verhaltenen Lächeln an seine Männer.

»Hab ich nicht gesagt, dass ich euch eine Unterkunft in Rom besorge?«

Sie lachten leise und sahen sich zufrieden um.

»Drei von euch müssen am Tor Wache halten. Die anderen lösen sie alle zwei Stunden ab. Bleibt wachsam. Antonidus wird bald zurückkommen, da bin ich sicher. Ruft mich, wenn es so weit ist.«

Der Gedanke an die bevorstehende Unterhaltung munterte ihn gewaltig auf. Die Wachen nahmen ihre Posten ein. Das Haus würde bis zum Abend sicher in seiner Hand sein, und dann konnte er sich darauf konzentrieren, Marius’ Namen in der Stadt wieder zu Ansehen zu verhelfen, selbst wenn er dazu gegen den ganzen Senat antreten musste.

Brutus und Cabera nahmen zwei von Julius’ Boten auf dem Gut in Empfang. Der dritte war noch einige Meilen hinter ihnen. Der befehlsgewohnte Brutus stellte die fünfzig Mann rasch zusammen und setzte sich mit ihnen in Richtung Stadt in Bewegung. Julius hatte nicht wissen können, dass so vielen Soldaten der Einlass verwehrt werden würde, deshalb ließ Brutus sie Rüstung und Waffen ablegen und schickte sie zu zweien oder dreien in die Stadt, wo sie sich außer Sichtweite der Stadtwachen, die die Augen des Senats in Rom waren, wieder zusammenfanden. Als Letztes traf der Karren mit ihren Waffen ein, den Brutus selbst begleitete, um den Hauptmann am Tor zu bestechen. Cabera zog eine Flasche Wein unter der Plane hervor und drückte sie dem Mann zusammen mit ein paar Münzen in die Hand, woraufhin dieser sie mit einem verschwörerischen Zwinkern durchwinkte.

»Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen oder aufregen soll, wie einfach das ging«, murmelte Brutus, als Cabera das Ochsenpaar, das den schweren Karren zog, mit einem Schnalzen der Zügel wieder antrieb. »Wenn das hier erledigt ist, hätte ich gut Lust, mir diesen Kerl am Tor mal vorzuknöpfen. Sich für so eine lächerliche Bestechung kaufen zu lassen!«

Cabera kicherte und ließ die Zügel auf die Rücken der Zugtiere klatschen.

»Andernfalls hätte er vielleicht Verdacht geschöpft. Nein, wir haben ihm gerade genug gegeben, dass er uns für Weinhändler hält, die den Stadtzoll umgehen wollen. Du siehst aus wie ein Leibwächter, und mich hat er wahrscheinlich für den reichen Geschäftsmann gehalten.«

»Dich hat er für den Fuhrknecht gehalten«, schnaubte Brutus verächtlich. »Mit diesem billigen alten Kittel siehst du nicht gerade wie ein reicher Geschäftsmann aus.« Statt einer Antwort ließ Cabera gereizt erneut die Lederzügel knallen.

Der Karren füllte die Straße gut aus; seine Räder passten genau zwischen die von den vielen Fußgängern benutzten Trittsteine. Sie konnten nirgends abbiegen oder eine Abkürzung einschlagen und kamen daher nur langsam zum Haus des Marius voran. Cabera hatte seinen Spaß daran, die anderen Fahrer anzubrüllen und jedem mit der Faust zu drohen, der vor ihnen die Straße kreuzte. Vier von Julius’ Männern schlossen sich ihnen an, offensichtlich erfreut, dass sie dem Wagen durch das verschlungene Labyrinth der Straßen nur zu folgen brauchten. Weder Brutus noch Cabera wagten es, sich nach ihnen umzudrehen, obwohl sich Brutus fragte, wie viele der Männer bei Sonnenuntergang wohl immer noch auf den Märkten umherirren würden. Er wusste, dass seine Anweisungen einfach und eindeutig gewesen waren, aber andererseits kannte er Rom inzwischen wieder recht gut, nachdem er ein paar Monate mit der Primigenia in ihren Unterkünften gearbeitet und seine Mutter einige Male besucht hatte. Er tat so, als werfe er einen prüfenden Blick auf die Karrenräder, und war erleichtert, dass ihr Gefolge inzwischen auf neun angewachsen war. Er hoffte, dass die Männer sich nicht allzu auffällig benahmen, sonst würden ihnen die neugierigen Römer rasch folgen, und eine spontane Prozession würde vor Marius’ altem Haus eintreffen, mit dem Wagen an der Spitze, und würde alle Versuche, heimlich zu Werke zu gehen, zunichte machen.

Als sie zu dem Hügel abbogen, der zu dem großen Haus hinaufführte, an das er sich noch so gut erinnerte, bemerkte Brutus eine wild gestikulierende Gestalt, die auf jemanden hinter dem Tor einschrie. Zumindest war die Straße hier breit genug, dass man anhalten konnte, ohne den gesamten Verkehr im Umkreis zum Erliegen zu bringen, dachte er dankbar.

»Steig ab und untersuch die Räder oder so«, zischte er Cabera zu, der widerwillig vom Kutschbock kletterte, um den Karren herumging und bei jedem Rad laut »Rad« sagte. Der schreiende Mann vor dem Tor schien den beladenen Karren überhaupt nicht zu bemerken, und Brutus riskierte einen zweiten Blick nach hinten. Beim Anblick der Truppe, die sich hinter ihnen versammelt hatte, musste er erstaunt blinzeln. Problematischer war, dass sie sich in einer langen Zweierreihe aufgestellt hatten, was sie trotz ihrer Zivilkleidung sehr verdächtig aussehen ließ– wie eine Gruppe Legionäre, die sich als harmlose Bürger verkleidet hatten. Brutus sprang vom Karren und rannte entrüstet auf sie zu.

»Ihr sollt nicht in Habachtstellung stehen, ihr Tölpel! Jedes Haus im ganzen Viertel wird seine Wächter losschicken, um nachzusehen, was hier draußen vor sich geht!«

Die Männer scharrten verlegen mit den Füßen, und Brutus hob verzweifelt den Blick gen Himmel. Da war einfach nichts zu machen. Schon waren die Diener und Wächter der angrenzenden Häuser an die Tore gekommen, um sich den unruhig durcheinander wimmelnden Trupp Soldaten anzusehen. Ringsumher hörte er aus der Ferne Alarmrufe.

»Na schön. Die Heimlichtuerei können wir vergessen. Holt euch eure Rüstungen und Schwerter vom Wagen und folgt mir zum Tor. Rasch! Der Senat kriegt einen Anfall, wenn er herausfindet, dass wir eine Armee in die Stadt geschleust haben!«

Alle Unsicherheit fiel von den Soldaten ab, die sich ohne weitere Umstände ihre Ausrüstung schnappten und sie anlegten. Nach wenigen Sekunden wies Brutus Cabera an, die Inspektion des Wagens zu beenden und endlich damit aufzuhören, die einzelnen Räder mit wachsendem Überdruss immer wieder zu benennen.

»Und jetzt vorwärts«, knurrte Brutus, dessen Wangen angesichts der stetig anwachsenden Zuschauerzahlen brannten. Sie marschierten in perfekter Formation auf das Tor zu, und er wurde einen Augenblick dadurch von seiner Verlegenheit abgelenkt, dass er die ihm folgenden Männer rasch und professionell begutachtete. Sie würden sich hervorragend für die Primigenia eignen.

Als Julius ihm seinen Standpunkt fertig dargelegt hatte, war Antonidus bleich vor Zorn.

»Wie kannst du es wagen!«, brüllte er. »Ich werde mich an den Senat wenden! Dieses Haus gehört mir, ich habe es rechtmäßig erworben, und ich werde dich töten lassen, ehe du es mir stiehlst!«

»Ich habe es niemandem gestohlen. Du hattest kein Recht, Geld für das Eigentum meines Onkels zu bieten«, wiederholte Julius gelassen; er genoss den Zorn des Mannes.

»Ein Feind des Staates, dessen Ländereien und andere Besitztümer konfisziert wurden. Ein Verräter!«, schrie Antonidus. Am liebsten hätte er durch die Gitterstäbe gegriffen und den unverschämten jungen Mann an der Kehle gepackt, aber die Wachen, die ihn dort drinnen nicht aus den Augen ließen, hatten ihre Schwerter gezückt und waren seinen eigenen zwei Männern schon zahlenmäßig überlegen. Rasch überlegte er, was Julius in den Zimmern des Hauses alles finden konnte. Gab es irgendwelche Hinweise, die ihn mit Pompeius’ Tochter in Verbindung brachten? Er glaubte es nicht, aber der Gedanke plagte ihn und verlieh seiner Wut einen Anflug von Panik.

»Ein Verräter, weil ihn Sulla so bezeichnet hat? Sulla, der seine eigene Stadt angegriffen hat?«, gab Julius mit zusammengekniffenen Augen zurück. »Dann trifft der Vorwurf wohl nicht zu! Marius hat den Senat vor einem Mann in Schutz genommen, der sich selbst zum Diktator ernannt hat. Er war ein Ehrenmann!«

Antonidus spuckte angewidert auf den Boden, wobei sein Speichel beinahe den Saum des immer noch gefesselten Torwärters getroffen hätte.

»Das für seine Ehre!«, brüllte er und packte das Torgitter mit beiden Händen.

Julius winkte einen seiner Männer vorwärts, und Antonidus war gezwungen, die Stäbe loszulassen.

»Lass deine Finger von meinem Eigentum«, sagte Julius.

Antonidus wollte gerade etwas erwidern, als ein Stück weiter unten auf der Straße das Klappern von Legionärssandalen laut wurde. Er drehte sich um, und auf seinem Gesicht zeigte sich ein gehässiges Grinsen.

»Jetzt werden wir ja sehen, du Verbrecher. Der Senat hat Soldaten hergeschickt, um die Ordnung wiederherzustellen. Ich werde dich verprügeln und dann auf der Straße liegen lassen, so wie du es mit meinen Männern getan hast.«

Er trat vom Tor zurück, um die Ankömmlinge in Empfang zu nehmen.

»Dieser Mann ist in mein Haus eingebrochen und hat meine Bediensteten misshandelt. Ich verlange, dass er sofort festgenommen wird«, sagte er zu dem nächstbesten Soldaten, wobei sich vor lauter Eifer weißer Schaum in seinen Mundwinkeln bildete.

»Na ja, der Kerl hat ein ganz freundliches Gesicht. Lass es ihn doch behalten«, antwortete Brutus grinsend.

Einige Sekunden lang begriff Antonidus überhaupt nichts mehr, erst dann sah er, wie viele bewaffnete Männer ohne Legionsinsignien da vor ihm standen.

Langsam wich er zurück, wobei er verächtlich das Kinn reckte. Brutus lachte ihn aus.

Antonidus trat zwischen die beiden Wachen, die angesichts so vieler möglicher Gegner jetzt, da er zeigte, dass sie zu ihm gehörten, nervös von einem Bein aufs andere traten.

»Der Senat wird mich anhören«, krächzte er mit vom Schreien heiserer Stimme.

»Sag deinen Herren, sie sollen einen Termin für eine Anhörung festlegen«, sagte Julius und ließ das Tor öffnen, damit Brutus mit seinen Männern hereinkonnte. »Ich werde meine Handlungen vor dem Gesetz rechtfertigen.«

Antonidus funkelte ihn böse an, dann machte er auf dem Absatz kehrt und marschierte mit seinen beiden Wachen im Schlepptau davon.

Julius hielt Brutus mit einer Berührung am Arm zurück, als dieser an ihm vorbeigehen wollte.

»Nicht ganz die stille und heimliche Zusammenkunft, die ich mir vorgestellt hatte, Brutus.«

Sein Freund schürzte die Lippen und war einen Augenblick lang nicht in der Lage, seinem Blick zu begegnen.

»Ich habe die Männer hergebracht, oder nicht? Du hast keine Ahnung, wie schwierig es ist, bewaffnete Männer in diese Stadt zu schleusen. Die Tage, in denen Marius eine halbe Hundertschaft hierhin und dorthin geschmuggelt hat, sind lange vorbei.«

Cabera gesellte sich zu ihnen, als er mit den letzten Soldaten durch das offene Tor geschlendert kam.

»Die Wachen am Stadttor haben mich für einen wohlhabenden Händler gehalten«, sagte er leichthin.

Sowohl Julius als auch Brutus ignorierten ihn. Sie starrten sich an. Schließlich senkte Brutus leicht den Kopf.

»Na schön, es hätte etwas unauffälliger verlaufen können.«

Noch während er sprach, ließ die Spannung zwischen ihnen nach, und Julius grinste.

»Es hat mir sehr gefallen, als er dachte, der Senat hätte euch geschickt«, sagte er lachend. »Dieser Augenblick war wohl allein schon den öffentlichen Auftritt der Männer wert.«

Brutus sah immer noch ein wenig betreten aus, doch ein leises Lächeln stahl sich bereits über sein Gesicht.

»Wahrscheinlich. Hör zu, der Senat erfährt jetzt von ihm, dass du so viele Männer hier hast. Das wird er nicht durchgehen lassen. Du solltest dir überlegen, ob du nicht einige von ihnen in die Unterkünfte der Primigenia verlegen willst.«

»Das werde ich wohl tun, aber noch nicht gleich, denn zuerst müssen wir ein paar Pläne schmieden. Auch meine anderen Zenturien sollten vom Gut hierher gebracht werden.« Julius kam ein plötzlicher Gedanke. »Wieso hat der Senat eigentlich nichts dagegen, dass die Primigenia in der Stadt ist?«

Brutus zuckte die Achseln. »Vergiss nicht, dass sie zwar in die Musterrollen der Legionen eingetragen sind, aber ihre Unterkünfte liegen eigentlich außerhalb der Mauern, im Norden, unweit des Quirinal-Tores. Ich habe einen der besten Ausbildungsplätze in ganz Rom und Renius als Schwertmeister. Du solltest es sehen.«

»Du hast so viel erreicht, Brutus«, sagte Julius und packte ihn an der Schulter. »Jetzt, da wir zurück sind, wird sich Rom rasch verändern. Ich bringe meine Männer zu dir, sobald ich sicher sein kann, dass Antonidus es nicht noch einmal versucht.«

Brutus ergriff den Arm des Freundes, und seine Begeisterung schäumte über.

»Wir brauchen deine Männer. Die Primigenia muss wachsen. Ich werde nicht eher rasten, bevor sie nicht ihre alte Stärke wiedererlangt hat. Marius…«

»Nein, Brutus.« Julius ließ den Arm fallen. »Du hast mich falsch verstanden. Meine Männer sind allein auf mich eingeschworen. Sie können nicht unter deinem Kommando dienen.« Er wollte seinen Freund nicht enttäuschen, doch es war besser, von Anfang an für Klarheit zu sorgen.

»Was?«, erwiderte Brutus verblüfft. »Hör mal, sie gehören keiner regulären Legion an, und die Primigenia besteht aus weniger als tausend Mann. Du brauchst nur…«

Julius schüttelte entschlossen den Kopf. »Ich helfe dir bei der Rekrutierung, so wie ich es versprochen habe, aber nicht mit diesen Männern. Tut mir Leid.«

Brutus sah ihn ungläubig an. »Aber ich baue die Primigenia für dich auf. Ich sollte dein Schwert in Rom sein, erinnerst du dich nicht mehr?«

»Ich erinnere mich genau«, antwortete Julius und nahm abermals seinen Arm. »Deine Freundschaft bedeutet mir mehr als alles andere, mit Ausnahme des Lebens meiner Frau und meiner Tochter. Dein Blut fließt durch meine Adern, erinnerst du dich noch daran? Mein Blut ist dein Blut.«

Er hielt inne und umschloss den Arm mit kräftigem Griff.

»Diese Männer hier sind meine Wölfe. Sie können nicht unter deinem Befehl dienen. Lass es dabei bewenden.«

Brutus entzog ihm seinen Arm mit einem Ruck. Seine Züge verhärteten sich. »Na schön. Behalte du deine Wölfe, während ich um jeden neuen Rekruten kämpfe. Ich kehre zu meinen Unterkünften und meinen eigenen Männern zurück. Wenn du deine Soldaten bringen willst, findest du mich dort. Dann können wir uns auch über ihre Unterbringungskosten unterhalten.«

Er wandte sich um und drehte den Schlüssel im Schloss, um das Tor zu öffnen.

»Marcus!«, rief Julius ihn von hinten an.

Brutus erstarrte einen Moment, dann öffnete er das Tor, ging davon und ließ es offen stehen.

Selbst in der Begleitung seiner beiden verbliebenen Wachen behielt Antonidus auf dem Weg durch die dunklen Gassen die Hand an dem Dolch, der in seinem Gürtel steckte. Die Durchgänge waren so schmal, dass sie in der Dunkelheit viel zu viel Verstecke für die Raptores boten, als dass sich Antonidus in falscher Sicherheit gewiegt hätte. Er atmete durch die Nase und versuchte die Pfützen zu ignorieren, die seine Sandalen gleich nach den ersten Schritten abseits der großen Straßen ruiniert hatten. Einer seiner Männer stieß einen unterdrückten Fluch aus, als er auf einem Haufen ausrutschte, der noch frisch genug war, um noch nicht völlig kalt zu sein.

Das Tageslicht drang ohnehin kaum in dieses Viertel Roms, bei Nacht jedoch waren die Schatten wahrhaft beängstigend. Hier gab es kein Gesetz, keine Soldaten, die zu Hilfe eilten, und auch keine Bürger, die beherzt auf einen Hilferuf herbeilaufen würden. Antonidus schloss die Finger noch fester um den Messergriff und zuckte zusammen, als etwas hastig vor ihren vorübereilenden Schritten davonhuschte. Er schaute nicht genauer hin, sondern stolperte fast blind weiter, zählte die Straßenecken, indem er sie mit den Händen ertastete. Drei Ecken von der Einmündung, dann vier weitere nach links.

Sogar in der Nacht waren hier Menschen zu Fuß unterwegs, Menschen, die sich in anderen Vierteln der Stadt niemals würden blicken lassen. Die Passanten, denen sie begegneten, unterhielten sich kaum, und auch dann nur sehr gedämpft. Hastende Gestalten schoben sich grußlos vorbei und gingen mit gesenkten Köpfen um die schmutzigen Pfützen herum. Dort, wo vereinzelte Fackeln den Weg ein paar Schritte weit erleuchteten, wichen sie dem Licht aus, als würden sie das Verderben auf sich ziehen, sobald sie in seinen Kreis traten.

Nur seine unbändige Wut ließ Antonidus weitergehen, aber auch das geschah nicht ohne Angst. Der Mann, den er kennen gelernt hatte, hatte ihn davor gewarnt, diese Straßen jemals ungebeten zu betreten, aber der Verlust seines Hauses verlieh ihm Mut, der aus Zorn geboren war. Doch sogar dieser drohte ihn in der Dunkelheit und dem wachsenden Unbehagen zu verlassen.

Endlich erreichte er den Ort, den er schon einmal gefunden hatte, eine Kreuzung von vier Gassen zwischen moderigen Mauern, irgendwo tief im Herzen dieses Irrgartens. Er blieb stehen und sah sich nach dem Mann um, mit dem er sich hier verabredet hatte, starrte angestrengt in die Dunkelheit. Irgendwo ganz in der Nähe tropfte Wasser auf einen Stein, und ein plötzliches Scharren von Füßen ließ seine Männer nervös herumwirbeln und mit ihren Dolchen in der Luft herumfuchteln, als wollten sie böse Geister abwehren.

»Man hat dir gesagt, dass du mich nicht vor der letzten Nacht des Monats aufsuchen sollst«, ließ sich eine zischende Stimme dicht am Ohr des Generals vernehmen.

Antonidus wäre vor Schreck fast hingefallen, denn seine Füße rutschten auf den nassen Steinen aus, als er vor der ganz nahe ertönenden Stimme zusammenzuckte. Sofort verließ sein Dolch den Gürtel, doch sein Handgelenk wurde so fest umschlossen, dass er hilflos war.

Der Mann, der ihm gegenüberstand, trug einen Kapuzenmantel aus dunklem, grobem Stoff, der seine Gesichtszüge verbarg, obwohl dies in der pechschwarzen Dunkelheit der Gassen kaum notwendig war. Bei dem eigenartigen, süßlichen Geruch, der ihm entströmte, hätte Antonidus beinahe gewürgt. Es war der Geruch von Krankheit und langsamer Fäulnis, der mit parfümiertem Öl überdeckt war, und er fragte sich einmal mehr, ob dieser Umhang nicht mehr verbergen sollte als nur eine Identität. Der dunkle Mann beugte sich so dicht an ihn heran, dass er sein Ohr mit den verborgenen Lippen beinahe berührte.

»Warum bist du hier hereingepoltert und hast die Hälfte meiner Kundschafter mit deinem Krach in Aufruhr versetzt?«

Die Stimme war ein zorniges Zischen, und so nahe, dass sie den süßlichen Geruch in einem warmen Atemschwall mitbrachte, bei dem Antonidus sich am liebsten übergeben hätte. Als die Kapuze seine Wange streifte, lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter.

»Ich musste kommen. Ich habe noch mehr Arbeit für dich. Arbeit, die schnell erledigt werden muss.«

Der Griff um sein Handgelenk wurde fester, so dass es ihm fast wehtat. Antonidus konnte den Kopf nicht zur Seite drehen, um den Mann direkt anzusehen, aus Angst davor, dass sich ihre Gesichter berühren würden. Stattdessen schaute er weg und versuchte bei dem Übelkeit erregenden Gestank, der jeden seiner Atemzüge zu vergiften schien, nicht angewidert den Mund zu verziehen.

Die dunkle Gestalt schnalzte geringschätzig mit der Zunge.

»Ich habe noch keinen Weg zu Crassus’ Sohn gefunden. Es ist zu früh für einen weiteren Auftrag. Überstürzte Eile lässt meine Brüder sterben. Du hast nicht genug gezahlt, als dass ich meine Männer in deinen Diensten verlieren könnte.«

»Vergiss Crassus. Er bedeutet mir nichts mehr. Ich will, dass du Cinnas Tochter ausfindig machst und sie tötest. Sie ist jetzt dein Ziel. Lass einen Hinweis mit Sullas Namen zurück, so wie du es bei Pompeius’ kleiner Hure getan hast.«

Antonidus spürte, wie sein Handgelenk sanft an seinen Gürtel geführt wurde. Er begriff, was man von ihm verlangte, und schob, sobald der Druck sich verringerte, den Dolch in den Gürtel zurück. Dann wartete er ab und blieb still stehen, weil er nicht wagte, seine Abscheu offen zu zeigen, indem er sich eilig zurückzog. Er wusste, dass bei der kleinsten Beleidigung weder er noch seine Männer die großen Straßen jemals wieder erreichen würden.

»Sie dürfte sehr gut bewacht sein. Du musst für die Leben derer bezahlen, die ich verlieren werde, um an sie heranzukommen. Zehntausend Sesterzen ist der Preis.«

Antonidus sog vor Schreck die Luft ein und biss die Zähne zusammen. Cato würde für die Summe aufkommen, da war er sicher. War es nicht seine Idee gewesen, diese Männer zu engagieren? Er nickte krampfhaft.

»Gut. Ich werde ihn zahlen. Ich lasse meine Wachen das Gold am verabredeten Tag hierher bringen, so wie beim letzten Mal.«

»Du wirst dir andere Wächter suchen müssen. Komm nie wieder uneingeladen hierher, sonst fällt der Preis dafür noch höher aus«, flüsterte die Stimme und entfernte sich schnell von ihm.

Rasche Schritte folgten, und im nächsten Augenblick spürte Antonidus, dass er allein war. Vorsichtig ging er zu der Stelle, wo eben noch seine Wachen gestanden hatten, fühlte mit seiner Hand nach unten und zuckte zurück, als er das Blut aus ihren durchtrennten Kehlen spürte. Er erschauerte und ging so rasch wie möglich den Weg zurück, den er gekommen war.

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