Todesgedanken Sammeln sich über meinem Glück Wie dunkle Wolken Über der Silbersichel des Mondes.
Sterling A. Brown, Thoughts of Death
Der Natternkopf war beim Essen, als der Brandfuchs Meggie zu ihm brachte. Genau, wie sie es gelesen hatte. Der Saal, in dem er speiste, war so prächtig, dass der Thronsaal des Speckfürsten dagegen schlicht wie das Haus eines Bauern erschien. Die Fliesen, über die der Brandfuchs Meggie auf seinen Herrn zuzerrte, waren mit weißen Rosenblättern bestreut. Ein Meer von Kerzen brannte in klauenfüßigen Leuchtern und die Säulen, zwischen denen sie standen, waren verkleidet mit Silberschuppen. Das Kerzenlicht ließ sie schimmern wie Schlangenhaut. Unzählige Diener huschten zwischen diesen schuppigen Säulen umher, lautlos, die Köpfe gesenkt. Dienerinnen warteten, demütig aufgereiht, auf einen Wink ihres Herrn. Müde sahen sie alle aus, aus dem Schlaf gerissen, wie Fenoglio es beschrieben hatte. Einige lehnten den Rücken unauffällig gegen die teppichgeschmückten Wände.
Neben dem Natternkopf, an einem Tisch, der für hundert Gäste gedeckt schien, saß eine Frau, blass wie eine Porzellanpuppe, mit so kindlichem Gesicht, dass Meggie sie für die Tochter des Natternkopfs gehalten hätte, hätte sie es nicht besser gewusst. Der Silberfürst selbst aß mit Gier, als könnte er mit dem Essen, das in unzähligen Schalen auf dem mit schwarzem Tuch bedeckten Tisch stand, auch die eigene Angst verschlingen, doch seine Frau rührte nichts an. Es schien Meggie, dass der Anblick ihres gierig essenden Mannes ihr Übelkeit verursachte, immer wieder strich sie mit den beringten Händen über ihren gewölbten Leib. Seltsamerweise ließ sie die Schwangerschaft noch mehr wie ein Kind aussehen, ein Kind mit einem schmalen, bitteren Mund und kühlen Augen.
Hinter dem Natternkopf, den Fuß auf einem Schemel, die Laute auf den Schenkel gestützt, stand der Pfeifer mit seiner Silbernase und sang mit leiser Stimme, während seine Finger gelangweilt an den Saiten zupften. Aber Meggies Blick blieb nicht lange an ihm hängen. Sie hatte am Ende des Tisches jemanden entdeckt, der ihr nur zu bekannt war. Ihr Herz stolperte wie die Füße einer alten Frau, als Mortola ihren Blick erwiderte, mit einem Lächeln, das so voller Triumph war, dass Meggies Knie zu zittern begannen. Neben Mortola hockte der Mann, der Staubfinger in der Mühle verwundet hatte. Seine Hände waren bandagiert, und über der Stirn hatte das Feuer ihm eine Schneise ins Haar gebrannt. Basta hatte es noch schlimmer erwischt. Er saß neben Mortola, das Gesicht so verquollen und rot, dass Meggie ihn fast nicht erkannt hätte. Aber er war dem Tod erneut entkommen. Vielleicht taugten die Amulette doch etwas, die er immer trug.
Der Brandfuchs hielt Meggies Arm fest umklammert, während er in seinem schweren Fuchsmantel auf den Natternkopf zuschritt - als wollte er auf die Art zeigen, dass er den Vogel höchstpersönlich gefangen hatte. Grob stieß er sie vor die gedeckte Tafel und warf das gerahmte Foto zwischen die Schüsseln.
Der Natternkopf hob den Kopf und sah sie an, mit seinen blutunterlaufenen Augen, in denen Meggie immer noch die Spuren der schlimmen Nacht entdeckte, die Fenoglios Worte ihm beschert hatte. Als er die fettige Hand hob, verstummte der Pfeifer hinter ihm und lehnte die Laute gegen die Wand.
»Da ist sie!«, verkündete der Brandfuchs, während sein Herr sich mit einem bestickten Tuch das Fett von Fingern und Lippen wischte. »Ich wünschte, wir hätten von allen, die wir suchen, so ein Hexenbild, dann würden uns die Spitzel nicht ständig die Falschen bringen.«
Der Natternkopf hatte nach dem Foto gegriffen. Abschätzend verglich er es mit Meggie. Sie versuchte den Kopf zu senken, doch der Brandfuchs zwang ihr Gesicht hoch.
»Erstaunlich!«, stellte der Natternkopf fest. »Meine besten Maler hätten das Mädchen nicht annähernd so gut treffen können.« Gelangweilt griff er nach einem Silberstäbchen und stocherte damit in den Zähnen. »Mortola sagt, du bist eine Hexe. Ist das so?«
»Ja!«, antwortete Meggie und sah ihm direkt in die Augen. Nun musste sich zeigen, ob Fenoglios Worte erneut wahr werden würden. Wenn sie doch nur bis ganz ans Ende hätte lesen können! Sie war weit gekommen, aber unter ihrem Kleid spürte sie die Worte, die immer noch warteten. Vergiss sie, Meggie!, dachte sie. Jetzt musst du erst mal die Worte wahr machen, die du schon gelesen hast - und hoffen, dass der Natternkopf seine Rolle ebenso spielt wie du.
»Ja?«, wiederholte der Natternkopf. »Du gibst es also zu? Weißt du nicht, was ich gewöhnlich mit Hexen und Zauberern mache? Ich verbrenne sie.«
Die Worte. Er sprach Fenoglios Worte. Genau so, wie er sie ihm in den Mund gelegt hatte. Genau so, wie sie sie vor wenigen Stunden im Siechenhaus gelesen hatte.
Sie wusste, was sie antworten musste. Ganz selbstverständlich kamen ihr die Worte in den Sinn, als wären es ihre eigenen und nicht die von Fenoglio. Meggie blickte zu Basta und dem anderen Mann hinüber. Fenoglio hatte nichts von ihnen geschrieben, aber die Antwort passte dennoch genau. »Die Letzten, die gebrannt haben«, sagte sie mit ruhiger Stimme, »waren deine Männer. Dem Feuer befiehlt in dieser Welt nur einer, und das bist nicht du.«
Der Natternkopf stierte sie an - lauernd wie ein fetter Kater, der noch nicht wusste, wie er das Spiel mit der Maus, die er gefangen hatte, am vergnüglichsten gestalten sollte. »Ah!«, sagte er mit seiner schweren klebrigen Stimme. »Du redest vermutlich von dem Feuertänzer. Umgibt sich gern mit Wilderern und Wegelagerern. Was denkst du, wird er kommen und versuchen, dich zu retten? Dann könnte ich ihn endlich an das Feuer verfüttern, das ihm angeblich so gut gehorcht.«
»Mich muss niemand retten«, erwiderte Meggie. »Denn ich wäre auf jeden Fall zu dir gekommen. Auch wenn du mich nicht hättest herbringen lassen.«
Gelächter erhob sich zwischen den silbernen Säulen. Der Natternkopf aber lehnte sich über den Tisch und musterte sie mit unverhohlener Neugier.
»Ach was!«, sagte er. »Tatsächlich? Warum? Um mich anzuflehen, deinen Vater freizulassen? Er ist doch dein Vater, dieser Räuber, nicht wahr? Zumindest behauptet Mortola das. Sie sagt sogar, dass wir auch deine Mutter gefangen haben.«
Mortola! An die hatte Fenoglio nicht gedacht. Mit keinem Wort hatte er sie erwähnt, doch da saß sie, mit ihrem Elsterblick. Denk nicht dran, Meggie. Kalt! Sei kalt bis ins Herz, so wie damals, in der Nacht, als du den Schatten gerufen hast. Aber wo sollte sie nun die passende Antwort hernehmen? Improvisiere, Meggie, wie eine Schauspielerin, die ihren Text vergessen hat, dachte sie. Nun mach schon! Such dir eigene Worte und mische sie einfach unter die, die Fenoglio geschrieben hat, wie ein neues Gewürz.
»Die Elster hat Recht«, erwiderte sie dem Natternkopf. Und tatsächlich, ihre Stimme klang ruhig und fest, als klopfte ihr das Herz nicht in der Brust wie ein gehetztes kleines Tier. »Du hast meinen Vater gefangen, nachdem sie ihn fast getötet hat, und meine Mutter hältst du in deinem Kerker gefangen. Trotzdem bin ich nicht hier, um dich um Milde anzuflehen. Ich will dir einen Handel vorschlagen.«
»Nun hör sich einer die kleine Hexe an!« Bastas Stimme zitterte vor Hass. »Warum schneid ich sie nicht einfach in feine Scheiben und Ihr verfüttert sie an Eure Hunde?«
Aber der Natternkopf beachtete ihn nicht. Er wandte den Blick nicht von Meggies Gesicht, als suchte er darin nach dem, was sie nicht aussprach. Denk an Staubfinger, dachte sie.
Ihm sieht man auch nicht an, was er denkt oder fühlt. Versuch es! So schwer kann das doch nicht sein.
»Einen Handel?« Der Natternkopf griff nach der Hand seiner Frau, so beiläufig, als hätte er sie gerade neben seinem Teller gefunden. »Was willst du mir verkaufen, was ich mir nicht einfach nehmen kann?«
Seine Männer lachten. Und Meggie versuchte nicht zu beachten, dass ihre Finger taub vor Angst waren. Erneut waren es Fenoglios Worte, die ihr über die Lippen kamen. Worte, die sie vorgelesen hatte.
»Mein Vater«, fuhr sie mit mühsam beherrschter Stimme fort, »ist kein Räuber. Er ist ein Buchbinder und ein Zauberer. Er ist der Einzige, der den Tod nicht fürchtet. Hast du nicht seine Wunde gesehen? Haben die Bader dir nicht gesagt, dass die Verletzung ihn hätte töten müssen? Nichts kann ihn töten. Mortola hat es versucht, und ist er gestorben? Nein. Er hat Cosimo den Schönen zurückgeholt, obwohl die Weißen Frauen ihn schon dem Tod übergeben hatten, und wenn du ihn und meine Mutter freilässt, wirst du sie auch nicht mehr fürchten müssen, denn mein Vater - «, Meggie ließ sich Zeit mit den letzten Worten, »- kann dich unsterblich machen.«
Es wurde sehr still in dem großen Saal.
Bis Mortolas Stimme die Stille zerschnitt. »Sie lügt!«, rief sie. »Die kleine Hexe lügt! Glaubt ihr kein Wort. Es ist ihre Zunge, ihre verhexte Zunge. Sie ist ihre einzige Waffe. Ihr Vater kann sehr wohl sterben, o ja! Bringt ihn her, und ich beweise es Euch. Ich töte ihn selbst, vor Euren Augen, und diesmal mache ich es richtig!«
Nein! Meggies Herz begann zu rasen, als wollte es ihr aus der Brust springen. Was hatte sie angerichtet? Der Natternkopf starrte sie an, doch als er endlich sprach, schien es, als hätte er Mortolas Worte gar nicht gehört. »Wie?«, fragte er nur. »Wie sollte dein Vater zustande bringen, was du versprichst?« Er dachte schon jetzt an die nächste Nacht. Meggie sah es in seinen Augen. Er dachte an die Angst, die auf ihn wartete: noch größer als in der vergangenen Nacht, noch unerbittlicher.
Meggie beugte sich über den gedeckten Tisch. Sie sprach die Worte, als würde sie sie erneut vorlesen: »Mein Vater wird dir ein Buch binden!«, sagte sie so leise, dass außer dem Natternkopf höchstens seine puppenzarte Frau sie hören konnte. »Er wird es dir mit meiner Hilfe binden, ein Buch aus fünfhundert unbeschriebenen Blättern. Er wird es in Holz und Leder kleiden, mit Messingschließen versehen, und du wirst deinen Namen eigenhändig auf die erste Seite schreiben. Zum Dank aber wirst du ihn ziehen lassen, sobald er dir das Buch übergeben hat, und mit ihm alle, deren Leben er von dir fordert, und du wirst das Buch an einem Ort verbergen, den nur du kennst, denn wisse: Solange es dieses Buch gibt, wirst du unsterblich sein. Nichts wird dich töten können, keine Krankheit, keine Waffe - solange das Buch unbeschädigt bleibt.«
»Tatsächlich!« Der Natternkopf starrte sie an mit seinen blutunterlaufenen Augen. Sein Atem roch süß, wie nach zu schwerem Wein. »Und wenn es jemand verbrennt oder zerreißt? Papier ist keineswegs so haltbar wie Silber.«
»Du musst eben gut darauf aufpassen«, antwortete Meggie leise - und töten wird es dich trotzdem, setzte sie in Gedanken hinzu. Es war ihr, als hörte sie ihre eigene Stimme Fenoglios Worte noch einmal lesen (wie gut sie auf der Zunge geschmeckt hatten!): Doch eins verriet das Mädchen dem Natternkopf nicht: dass das Buch ihn nicht nur unsterblich machen, sondern auch töten konnte, nur dadurch, dass jemand drei Wörter auf seine weißen Seiten schrieb: Herz, Blut, Tod.
»Was flüstert sie da?« Mortola war aufgestanden, sie stützte die knochigen Fäuste auf den Tisch. »Hört nicht auf sie!«, fuhr sie den Natternkopf an. »Sie ist eine Hexe und eine Lügnerin! Wie oft noch soll ich Euch das sagen? Tötet sie, sie und ihren Vater, bevor sie Euch töten! Wahrscheinlich hat der Alte ihr all die Worte geschrieben, der Alte, von dem ich Euch erzählt habe!«
Zum ersten Mal wandte der Natternkopf sich zu ihr um, und für einen Augenblick fürchtete Meggie, er würde Mortola vielleicht doch glauben. Doch dann sah sie den Zorn in seinem Gesicht. »Sei still!«, fuhr er die Elster an. »Vielleicht hat Capricorn auf dich gehört, aber der ist fort, ebenso wie der Schatten, der ihn mächtig machte, und du bist an diesem Hof nur geduldet, weil du mir einige Dienste erwiesen hast! Aber ich will nichts mehr hören von deinem Gefasel über Zauberzungen und alte Männer, die Buchstaben zum Leben erwecken. Kein Wort mehr, oder ich stecke dich dorthin, wo du einst hergekommen bist - in die Küche zu den Mägden.«
Mortola wurde so weiß, als hätte sie kein Blut mehr in den Adern.
»Ich habe Euch gewarnt!«, sagte sie mit heiserer Stimme. »Vergesst das nicht!« Dann setzte sie sich mit versteinertem Gesicht wieder an ihren Platz. Basta warf ihr einen beunruhigten Blick zu, doch Mortola beachtete ihn nicht. Sie starrte nur Meggie an, so hasserfüllt, dass es ihr vorkam, als brenne ihr der Blick ein Loch ins Gesicht.
Der Natternkopf aber spießte mit seinem Messer einen der winzigen gebratenen Vögel auf, die vor ihm auf einer Silberplatte lagen, und schob ihn sich genüsslich zwischen die Lippen. Offenbar hatte ihm der Streit mit Mortola Appetit gemacht. »Habe ich dich richtig verstanden? Du würdest deinem Vater bei der Arbeit helfen?«, fragte er, während er einem Diener, der hastig hinzutrat, die feinen Knochen in die Hand spuckte. »Heißt das, er hat einer Tochter seine Kunst beigebracht, so wie ein Meister es gewöhnlich mit seinen Söhnen tut? Du weißt sicherlich, dass das in meinem Reich verboten ist, oder?«
Meggie sah ihn furchtlos an. Selbst diese Worte stammten aus Fenoglios Feder, jedes einzelne, und sie wusste, was der Natternkopf als Nächstes sagen würde - weil sie auch das gelesen hatte.
»Handwerkern, die gegen dieses Gesetz verstoßen, mein hübsches Kind«, fuhr er fort, »lasse ich gewöhnlich die rechte Hand abhacken. Aber nun gut, in diesem Fall werde ich eine Ausnahme machen. Weil es zu meinem Vorteil ist.«
Er tut es!, dachte Meggie. Er lässt mich zu Mo, genau wie Fenoglio es geplant hat. Das Glück machte sie verwegen. »Meine Mutter«, sagte sie, obwohl Fenoglio davon nichts geschrieben hatte. »Sie kann auch helfen, dann würde es noch schneller gehen.«
»Nein, nein!« Der Natternkopf lächelte so genüsslich, als schmeckte ihm die Enttäuschung in Meggies Augen besser als alles, was vor ihm auf den silbernen Platten wartete. »Deine Mutter bleibt im Kerker, als ein kleiner Ansporn für euch zwei, schnell zu arbeiten.« Ungeduldig gab er dem Brandfuchs ein Zeichen. »Worauf wartest du noch? Bringt sie zu ihrem Vater! Und sagt dem Bibliothekar, dass er noch heute Nacht alles beschaffen soll, was ein Buchbinder für seine Arbeit braucht.«
»Zu ihrem Vater?« Der Brandfuchs griff nach Meggies Arm, aber er tat keinen Schritt. »Ihr glaubt ihr das Hexengeschwätz doch nicht etwa!«
Meggie vergaß fast zu atmen. Was geschah nun? Nichts, was sie gelesen hatte. Kein Fuß rührte sich mehr in dem Saal, selbst die Diener verharrten dort, wo sie gerade standen, man konnte die Stille greifen. Aber der Brandfuchs sprach weiter: »Ein Buch, in das man den Tod sperrt! Nur ein Kind würde eine solche Geschichte glauben, und ein Kind hat sie sich einfallen lassen, um seinen Vater zu retten. Mortola hat Recht. Hängt ihn endlich auf, bevor wir zum Gespött der Bauern werden! Capricorn hätte es längst getan.«
»Capricorn?« Der Natternkopf spie den Namen aus wie einen der feinen Knochen, die er dem Diener in die Hand gespuckt hatte.
Er sah den Brandfuchs nicht an, während er sprach, doch seine plumpen Finger ballten sich auf dem Tisch zur Faust. »Seit Mortola zurück ist, höre ich diesen Namen sehr oft. Doch soweit ich weiß, ist Capricorn tot - auch seine Leib-und-Magen-Hexe hat das nicht verhindern können -, und du, Brandfuchs, hast offenbar vergessen, wer dein neuer Herr ist. Ich bin der Natternkopf! Meine Familie herrscht über dieses Land seit mehr als sieben Generationen, während dein alter
Herr nur der uneheliche Sohn eines rußverschmierten Schmiedes war! Du warst ein Brandstifter, ein Totschläger, nichts weiter, und ich habe dich zu meinem Herold gemacht. Etwas mehr Dankbarkeit wäre da schon angebracht, denke ich, oder willst du dir einen neuen Herrn suchen?«
Das Gesicht des Brandfuchses färbte sich fast ebenso rot wie sein Haar. »Nein, Euer Gnaden«, sagte er kaum hörbar. »Nein, das will ich nicht.«
»Gut!« Der Natternkopf spießte einen weiteren Vogel auf. Aufgeschichtet wie Kastanien warteten sie in ihrer Silberschale. »Dann tu jetzt, was ich gesagt habe. Bring das Mädchen zu ihrem Vater und sorge dafür, dass er sich bald an die Arbeit macht. Habt ihr diesen Bader mitgebracht, wie ich es befohlen habe, den Schleierkauz?«
Der Brandfuchs nickte, ohne seinen Herrn anzusehen.
»Gut. Lasst ihn zweimal am Tag nach ihrem Vater sehen. Wir wollen doch, dass es unseren Gefangenen gut geht, verstanden?«
»Verstanden«, antwortete der Brandfuchs heiser.
Er sah weder nach links noch nach rechts, als er Meggie aus dem Saal zerrte. Alle Augen folgten ihr - und wichen ihr aus, sobald sie die Blicke erwiderte. Hexe. So war sie schon einmal genannt worden, damals in Capricorns Dorf. Vielleicht stimmte es ja. In diesem Moment fühlte sie sich mächtig, so mächtig, als gehorchte die ganze Tintenwelt ihrer Zunge. Sie bringen mich zu Mo, dachte sie. Sie bringen mich zu ihm. Und für den Natternkopf wird das der Anfang von seinem Ende sein. Aber als die Diener die Saaltüren hinter ihnen geschlossen hatten, trat dem Brandfuchs ein Soldat in den Weg.
»Mortola lässt Euch etwas ausrichten!«, sagte er. »Ihr sollt das Mädchen durchsuchen, nach einem Blatt Papier oder sonst etwas Beschriebenem. Sie sagt, ihr sollt zuerst in den Ärmeln nachsehen, dort hat sie schon einmal etwas versteckt.«
Bevor Meggie ganz begriff, packte der Brandfuchs sie schon und schob ihr grob die Ärmel hoch. Als er dort nichts fand, wollte er ihr ins Kleid greifen, doch sie stieß seine Hände zurück und zog selbst das Pergament hervor. Der Brandfuchs riss es ihr aus den Fingern, starrte für einen Moment mit dem verständnislosen Blick eines Menschen, der nicht lesen kann, auf die Buchstaben und reichte das Pergament dann wortlos dem Soldaten.
Meggie war schwindlig vor Angst, als er sie weiterzerrte. Was, wenn Mortola das Blatt dem Natternkopf zeigte? Was, wenn, was, wenn.?
»Nun, geh schon!«, knurrte der Brandfuchs und stieß sie eine Treppe hinauf. Wie betäubt stolperte Meggie die steilen Stufen empor. Fenoglio, dachte sie, Fenoglio, hilf mir. Mortola weiß von unserem Plan.
»Bleib stehen!« Der Brandfuchs griff ihr grob ins Haar. Vier Soldaten, Gepanzerte, bewachten eine dreifach verriegelte Tür. Mit einem Kopfnicken befahl der Brandfuchs ihnen zu öffnen.
Mo!, dachte Meggie. Sie bringen mich tatsächlich zu ihm. Und dieser Gedanke löschte alle anderen. Selbst den an Mortola.