Kapitel 33

Ein Tausch

Es kam zu einer komischen Szene. Jeremiah war durch das Überraschende seines Angriffs und durch sein Gewicht im Vorteil, aber der Schnaps, den er intus hatte, glich diesen Vorteil wieder aus. Joe war leichtfüßig und der Schnellere von beiden. Mit einer Geschwindigkeit, die sich jedem physikalischen Gesetz entzog, und mit der Flinkheit und Anmut einer jungen Gazelle sprang er über die Sessellehne, war in zwei Sätzen neben Jeremiah und schlug ihm das Buch aus den schwitzigen Händen. Jeremiah fluchte und schwankte wie ein betrunkener Elefant von einer Seite des Zimmers zur anderen, während Joe seinen ungeschickten Versuchen, wieder nach dem Buch zu greifen, gewandt auswich. Ich lag auf dem Boden, zu nichts zu gebrauchen, und musste hilflos zusehen. Nach dem Zusammenprall mit Jeremiahs ganzem Gewicht war mir fast die Luft weggeblieben.

Das Schauspiel dauerte keine Minute, dann sah sich Jeremiah gezwungen aufzugeben. Er ließ sich mit dem Rücken an der Wand zu Boden gleiten, wo er in höchst unwürdiger Position sitzen blieb, Beine gespreizt, Mund weit offen. Sein Gesicht war puterrot angelaufen, die Augen traten fast aus den Höhlen, und seine Lunge rasselte bei jedem Atemzug.

Joe stand über ihm, die Kleider unordentlich verrutscht, das Haar wilder denn je. Spinnenartig tanzte sein Schatten an der Wand. Ich rappelte mich auf und ging zu ihm.

»Ich muss doch Einspruch erheben gegen Euer Benehmen, Mr Ratchet«, sagte Joe tadelnd. »Von einem Mann Eures Ansehens hätte ich das nicht erwartet.«

Mühsam stand Jeremiah auf.

»Hört zu, Zabbidou«, sagte er, und jede Vortäuschung von Tränen und Reue war verschwunden. »Ihr scheint nicht zu begreifen. Ihr seid fertig hier. Die Dorfleute werden Euch holen und von hier verjagen. Aber bevor Ihr geht, will ich das Buch haben. Und ich bekomme immer, was ich haben will.«

Ich lachte. Armer Ratchet. Er selber war es, der nicht begriff. Nie würde Joe das Buch herausgeben.

»Ganz gewiss nicht«, sagte Joe. »Was in dem Buch steht, ist vertraulich, ich werde es nie aushändigen.«

»Ach, nun kommt schon, Joe«, beharrte Jeremiah, und Joe zuckte zusammen bei so viel plumper Vertraulichkeit. »Ziert Euch nicht so. Was nützt Euch das Buch noch? Warum wollt Ihr es mitnehmen, wo ich hier ordentlich Nutzen daraus ziehen kann? Wir sind doch beide Geschäftsleute, Zabbidou. Es zu behalten wäre schlichtweg boshaft von Euch.«

»Was würdet Ihr denn damit tun, Mr Ratchet?«, fragte Joe.

Überrascht sah Jeremiah auf. »Erpressung natürlich. Nur würde ich es schlauer anfangen als Ihr. Fünf Shilling an der Kirchentür? Nicht sehr anspruchsvoll, wenn ich das mal sagen darf.«

Mir blieb die Spucke weg bei so viel Dreistigkeit.

»Joe hat diesen Brief nicht geschrieben!«, fing ich an, aber wieder bedeutete mir Joe zu schweigen.

»Unter diesen Umständen, Mr Ratchet«, sagte er, »sehe ich mich nicht in der Lage, Euer Pfand anzunehmen. Ich glaube, Ihr müsst jetzt gehen.«

Jeremiah überraschte uns beide, indem er demutsvoll die Hände ausstreckte. »Wie Ihr wollt«, sagte er und ging lammfromm nach vorn in den Laden. Bei Salukis Glasbehälter blieb er stehen und legte die Hände auf den Deckel. Mein Mund wurde noch trockener. Was hatte er jetzt vor?

»Rückt das Buch heraus«, zischte er da plötzlich durch seine gelblichen Zähne. »Oder ich bring Euren kostbaren Frosch um.«

»Ich warne Euch«, sagte Joe ruhig. »Fasst den Frosch nicht an. Das hat er nicht gern.«

»Hat er nicht gern«, äffte Jeremiah ihn nach wie ein trotziges Kind. »Gebt mir das Buch, dann kommt es nicht so weit.«

»Fasst den Frosch nicht an!« Joes Stimme klang drohend.

»Ha!«, schrie Jeremiah, schleuderte den Deckel weg, griff in den Behälter und packte Saluki mit beiden Händen.

»Nein!«, schrie Joe, aber es war zu spät.

Jeremiah heulte auf und ließ den Frosch fallen. Mit einem dumpfen Laut landete Saluki auf dem Boden, wo sie reglos und leicht benommen sitzen blieb.

»Ich glaube, der Frosch hat mich gebissen«, sagte Jeremiah verwirrt, die Augen staunend aufgerissen. »Ich glaube, er hat mich gebissen.« Verzweifelt, doch immer noch nicht abgeschreckt, nahm er den Glasbehälter und hob ihn hoch über seinen Kopf.

»Gebt mir das verdammte Buch, oder der Frosch kriegt das hier ab!«

Joe und Saluki sahen ihn traurig an. »Glaubt mir«, sagte Joe und trat auf ihn zu, »es wird Euch nichts nützen.« Und damit überreichte er Jeremiah Ratchet das Schwarze Buch der Geheimnisse.

Triumphierend und mit glänzenden Augen griff Jeremiah danach. »Nun bin ich der Richter über diese Geheimnisse.«

Ohne ein weiteres Wort stapfte er hinaus und schlug die Tür hinter sich zu. Saluki kletterte anmutig und mit wohlbemessenen Bewegungen auf den Ladentisch und zurück in ihren Behälter. Joe legte den Deckel darauf, warf ein paar Insekten ins Glas, und der Frosch fraß, als sei nichts geschehen. Und komisch, ich hätte nie gedacht, dass ein Frosch irgendwie zufrieden aussehen könnte, aber genau so sah Saluki in diesem Moment aus, das schwöre ich. Ihre Farben leuchteten so intensiv, dass sie fast den Raum erhellten, und ihre klugen Augen schienen zu sagen: »Du bist gewarnt worden, Ratchet, du bist gewarnt worden.«

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