13

DasKlackklackklack ihrer Absätze auf dem glänzenden schwarzen Fußboden des Autohauses sandte eine Einladung aus. Hojo wiegte sich verführerisch auf den offenen halbhohen Riemchensandaletten.

Das geschwungene Empfangspult erinnerte Hojo an die Kommandobrücke eines Schlachtschiffs. Sie liebte es, ihren Posten einzunehmen. Da sie weit über Bodenhöhe saß, konnte sie auf die Verkäufer hinuntersehen und sich insgeheim über die leuchtenden kahlen Stellen auf ihren Köpfen lustig machen. Sie fühlte sich über alle erhaben.

Sie stieg zu ihrem Platz hinauf, nahm einen Drehbleistift und notierte Verkaufszahlen. Empfangsdame zu sein hatte seine Vorteile, einer davon war, daß es wenig Streß gab. Aber sie war nicht dumm. Sie wußte, Verkäufe waren Geld wert. Ihr Gehalt mochte wohl ein bißchen steigen, aber sie würde nie eine Provision einstreichen, wenn sie auf ihrem Hintern saß und den Laden überblickte. Still und heimlich befaßte sie sich mit dem Geschäft und den Produkten. Sie wollte der erste weibliche Autoverkäufer bei McKenna-Dodge/Toyota werden.

Die Eingangstür ging auf. Hojo schenkte Bunny und J.R. ein strahlendes Lächeln. Wie die meisten Frauen musterte sie unwillkürlich R. J. deren dezente Art sich zu kleiden perfekt zu ihr paßte. Hojo hing dem festen Glauben an, mehr sei mehr. Dennoch bewunderte sie R. J. da sie begriff, daß R. J. ihren Stil gefunden hatte und dabei blieb. Hojo sah sich noch als im Fortschritt begriffen, und mit fünfundzwanzig glaubte sie daran, daß sie Fortschritte machen konnte und würde.

«Guten Morgen, Mrs. McKenna, Mrs. Savedge.«

«Morgen, Hojo. «Bunny lächelte nicht, als sie zur Rückseite des erhöhten Empfangsbereiches ging und die drei Stufen hinaufstieg, die zu Hojo auf das Podest führten.

Hojo deckte ihre Papiere automatisch mit dem Unterarm zu. R. J. blieb unten stehen.

«Hojo, Sie haben Mignon Ohrlöcher gestochen, stimmt's?«Bunny verschränkte die Arme.

«Mit einer Nadel und Eiswürfeln. Sie hat kein bißchen gejammert. «Hojo lächelte.

«Wie kamen Sie dazu, so etwas zu tun?«Bunny gefiel sich darin, gegenüber den Angestellten einen strengen Ton anzuschlagen, ob es ihnen paßte oder nicht.

«Sie hat mich darum gebeten. «In Hojos Amethyst-Ohrringen spiegelten sich die Lichter der Deckenschiene.

«Sie ist erst fünfzehn«, blaffte Bunny.

«Das hab ich nicht gewußt. Sie ist ein großes Mädchen. «Hojo ließ sich von Bunny nicht einschüchtern.

«Sie ist groß«, bestätigte R. J.»Hat sie nicht gesagt, warum sie wollte, daß Sie es machen? Die meisten Mädchen gehen doch wohl ins Einkaufszentrum, um sich die Ohren mit so einem Dingsda durchstechen zu lassen, ich weiß nicht, wie nennt man das, Pistole? Da hätte sie allerdings ihren Ausweis vorzeigen müssen, und das mag erklären, warum sie zu Ihnen kam.«

Hojo stand auf und beugte sich zu R. J. hinunter.»Mrs. Savedge, sie hat gesagt, daß ihr meine Ohrringe gefallen und daß sie die Ohren von Courtney in der Schule gesehen hat, deshalb wollte sie, daß ich es mache.«

Courtney, sechzehn Jahre alt, war eine Klasse über Mignon.

«Das zeugt von schlechtem Urteilsvermögen. «Bunny ließ die Arme sinken.

Hojo atmete ein, zählte bis drei und antwortete dann gelassen:»Ich wußte nicht, daß Mignon erst fünfzehn ist, und ich wußte nicht, daß Mrs. Savedge dagegen war, daß sie sich Ohrlöcher stechen läßt.«

«Bunny, die Erklärung genügt mir. «R. J. sah aus dem Fenster auf die neuen Transporter, die glänzten wie bunte Gummibärchen.»Hojo, wir haben Ihnen diese Fragen gestellt, um zu erfahren, ob Mignon mir die Wahrheit gesagt hat. Das hat sie.«

«Wie geht's ihren Ohren?«, fragte Hojo eine Spur zu beflissen.

«Gut. Vic und ihre Freundin Chris haben ihr Goldstecker gekauft. Sie sieht wirklich niedlich aus. Ich wollte, daß sie wartet, bis sie sechzehn ist, das ist alles. Sie haben nichts Unrechtes getan. Mignon versteht es, die Leute um den Finger zu wickeln.«

«Sie ist der reinste Wirbelwind. «Hojo beugte sich weiter hinunter, ihre Brüste berührten die Pultplatte.»Vic ist so ruhig, und Mignon sprudelt nur so über.«

Bunny stieg wieder hinunter.»Bin gleich zurück, R. J. «Sie ging in Dons Büro, das voll gehängt war mit Fotografien von Bunny als Siegerin bei diversen Golfturnieren und von Don, der Seglerfische und Barrakudas in die Höhe hielt, die er alljährlich im Januar während seiner Flucht nach Florida gefangen hatte.

«Mmm, mmm, mmm. «Hojo sang die Laute halb, drei lange Töne, die weniger von Mißbilligung als von Belustigung kündeten.

R. J. zeigte auf einen feuerwehrroten Dodge-Halbtonner und lächelte zu Hojo hinauf.»Ein schönes Stück.«

«Wir sollten Fotos für Anzeigen aufnehmen. Sie würden ein prima Model abgeben. Sie und Vic könnten Werbung machen, verstehen Sie, so wie in dieser Mutter-Tochter-Reklame für Seife und so.«

«Hojo, das haben Sie nett gesagt.«

Hojo ging die Stufen hinunter und trat zu R. J. um den Transporter zu bewundern.»Sie hält ihren Mann an der kurzen Leine.«

R. J. die sich hütete, mit einer Angestellten ihre Schwester zu kritisieren, sagte:»Sie redet eben gern in der Firma mit. Hat einen guten Geschäftssinn.«

«Mr. McKenna sagt, wenn jemand die Mercedes-Konzession an Land zieht, dann Bunny. «Hojo hob ihren Rockzipfel, um damit einen Fingerabdruck auf der Glasscheibe abzuwischen, wobei sie noch mehr von ihrem durchtrainierten, femininen Körper sehen ließ.»Er sagt, Bunny möchte einen Mercedes fahren, aber solange wir nur Dodge und Toyota führen, kann sie nur diese Marken fahren.«

«Bunny würde am Steuer eines silbernen SL mit offenem Verdeck einfach super aussehen.«

«Würden wir das nicht alle?«Hojo lachte.»Sie hatten bestimmt viel Spaß als Schwestern.«

«Spaß haben wir immer noch.«»Ich meine, in der Schule und so.«

«Ja. Bunny war schon immer schlau. Sie war mit allen Wassern gewaschen. Ich habe mich mehr oder weniger mühsam durchgeschlagen. Sie ist viel klüger als ich«, sagte R. J. neidlos.

«Aber Sie sind so schön. «Hojo unterbrach sich und setzte flugs hinzu:»Und klug. Ich hab nie jemanden was anderes sagen hören, als daß Sie klug sind, Mrs. Savedge. Die Leute haben Respekt vor Ihnen und sie wissen, daß das Leben für Sie nicht immer leicht war.«

«Leicht ist es für keinen. «R. J. lächelte; sie wünschte, sie könnte ein Taschentuch nehmen und Hojo eine Portion Schminke aus dem Gesicht wischen.

Bunny erschien wieder.»Laß uns losdonnern.«

Wie aufs Stichwort krachten Donnerschläge,bumm, bumm, bumm, wie das Wummern einer fahrenden Planierraupe, ein Krachen nach dem anderen.

«Wo kommt das denn her?«Hojo rannte zu der Tür, die nach draußen führte.

Der klare, blaue Osthimmel bildete einen starken Kontrast zu dem dunklen, blauschwarzen Westhimmel, an dem sich Wolken zusammenzogen.

Bunny und R. J. gingen hinaus zu Bunnys Auto.»Mannomann — wir schaffen es noch gerade rechtzeitig nach Hause.«

Der Regen ergoß sich schon über Williamsburg, wusch die Schindelhäuser im alten Stadtzentrum sauber, spülte den Staub von dem großen schmiedeeisernen Tor zum Abgeordnetenhaus, durchtränkte die kadmiumgelben und roten Ringelblumen, die Chrysanthemen in allen Farben, die hohen Zinnien.

Maria, die jungfräuliche Muttergottes, schien zu weinen, als der Regen ihr heiteres Gesicht hinabrann. Vic und Chris standen auf dem gepflasterten Gehweg; der Rasen war schon durchweicht. Sie hatten sich nach der letzten Vorlesung des Tages getroffen.

Der Regen lief Chris den Nacken hinunter, das Rückgrat entlang, aber sie lachte.»Deine Führung durch Williamsburg ist originell. Du läßt die alten Gebäude aufleben.«

«Geschichte ist wichtig. Diese Marienstatue zum Beispiel erfüllt dir einen Wunsch, wenn du ihn während eines Gewitters äußerst. «Vic nahm Chris' Hand und zog sie zum Eingang von St. Bede, der durch ein Vordach geschützt war.

Ein Donnerschlag ertönte, gefolgt von rosa Licht. Sie konnten das Kreischen und Gelächter der Leute auf der Straße hören, die zu ihren Autos liefen, sich in Hauseingängen unterstellten.

«Der war nahe. «Chris blinzelte und drückte sich an Vic.

Vic legte ihren Arm um Chris' klatschnasse Schultern und zog ihren Hals zu sich heran. Sie beugte sich leicht über sie.»Der Nächste dürfte direkt über uns sein. «Sie ließ Chris kurz los und probierte, ob die Eingangstür offen war. Sie ging auf. Triefend traten sie ins Vestibül, gerade als ein greller Blitz in den Blitzableiter auf dem Gebäude neben dem kleinen gepflegten Rasen einschlug.

Die Temperatur fiel. Beide schauderten, die Opferlichter in kleinen roten Manschetten waren die einzige Beleuchtung, weil der Strom ausgefallen war. Außer ihnen war niemand in der Kirche.

«Wir tropfen den ganzen Fußboden voll«, sagte Chris, zu deren Füßen sich Wasserpfützen bildeten.

Wieder ein Donnerkrachen, sie fuhren zusammen und drängten sich lachend enger aneinander.»Bin ich froh, daß die Tür offen war. «Vic legte ihren Arm wieder um Chris.

«Ich auch.«

«Eben war der Himmel noch klar, und in der nächsten Sekunde kam Wind auf. «Vic beobachtete für ihr Leben gern Gewitter über dem James.»Ist dir schon mal aufgefallen, wie viele Sorten Regen es gibt?«

«Stürmischer Regen, sanfter Regen.«

«Es gibt Regen mit Tropfen, die hier und da fallen, dicke Tropfen wie nasse Tupfen. Dann gibt es Regen, bei dem das Wasser fällt wie ein Perlenvorhang, stetig, silbern. Manchmal fällt der Regen sanft, dann stark, dann wieder sanft, als hätte er einen Beschleuniger. Ich sehe ihm gerne zu. Ich habe Regen gesehen, der seitwärts auf unser Haus schlug. Im Neunzig — Grad-Winkel vom Erdboden. Das ist irre.«

«Ich mag das Geräusch.«»Vor allem auf einem Blechdach.«

Der Donner grollte, noch nahe, zog aber flußabwärts.

«Ich weiß nicht, ob ich das schon mal gehört habe«, sagte Chris.

«Irgendwann wirst du auf der Farm sein, wenn ein Gewitter kommt, dann gehe ich mit dir in den Tabakschuppen. Hört sich an wie diese Kügelchen, die aus Kinderluftgewehren abgeschossen werden, oder wenn es stark regnet, wie Gewehrkugeln. Und da steht man auf der festgestampften Erde und all die Räuchergerüche steigen auf. Gott, riecht das gut.«

«Ich weiß nicht, ob ich eine Tabakpflanze erkennen würde.«

Vic, die alles liebte, was wuchs, erwiderte:»Sie sind erstaunlich. Sie werden sehr groß. «Der starke Wind rüttelte an der schweren Tür. Chris drückte sich eng an Vic.»Hast du Angst vor Gewittern?«

Chris sagte:»Nein. doch, manchmal. «Sie sah Vic fest an. Chris schauderte, und ihr Herz klopfte.

Vic bekämpfte die Regung, sie zu küssen. Statt dessen legte sie den anderen Arm um sie.»Sobald es aufhört zu blitzen, können wir zum Auto rennen. Ich wollte, ich hätte da ein paar Sachen zum Anziehen drin.«

«Fahr mit mir zum coolsten Laden. Ich kaufe uns Shorts und Pullover.«

«Du mußt mir nichts kaufen.«

«Hey, ich war übers Wochenende bei euch zu Hause. Deine Mutter hat mich mit Essen voll gestopft. Das Wenigste, was ich tun kann, ist dir einen Pullover und Bermudashorts kaufen, bevor wir uns beide vor Kälte den Tod holen.«

«Heißt das, daß wir uns nackt ausziehen müssen?«, scherzte Vic.

«Kurz. «Chris stellte sich auf die Zehenspitzen in der Erwartung, daß sie gleich losrennen würden.»Los!«Am liebsten wäre sie im Vestibül stehen geblieben, hätte sich dort auf der Stelle ausgezogen und dann die Arme um Vics großen Körper geschlungen. Sie vermutete, daß die katholische Kirche das nicht gutheißen würde.

Chris öffnete die Tür. Der Regen, stetig, aber nicht peitschend, hatte die Rinnsteine gefüllt, die überall überliefen.

Sie stürmten zu dem Impala.

Vic fuhr weg vom Randstein, an dem Wasser entlang strömte. Überall lagen Blätter und kleine Zweige verstreut.»Bin ich froh, daß die Tür von St. Bede offen war.«

«Ich auch. «Chris zeigte auf einen entwurzelten Baum.»Wir hätten eine Kerze anzünden sollen, damit sie uns Glück bringt.«»Ich glaube, für unser Glück sind wir selbst verantwortlich.«

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