«Wird dir dein Anhänger nicht zu schwer?«Nachdenklich berührte R. J. den schweren, starken Feldstecher, den ihre Schwester um den Hals hängen hatte.
«Lohnt sich aber. Guck, wir können hier rein und raus. «Bunny zeigte auf die abschüssige Wiese.
R. J. klopfte mit der Spitze ihres rechten Stiefels gegen ihren linken Knöchel, so daß der sandige Lehm abfiel.»Ja. Und da drüben ist viel Schatten. Ein guter Platz für Azaleen. Die gehen weg wie warme Semmeln. Unten am Wasser können wir Weiden wachsen lassen. Weiden lieben Wasser. Judasbäume, mmmm, muß ich mir überlegen. Hab meine Bodenkarte mit. «Sie griff in ihre Jackentasche.»Bunny.«
Mit dem Feldstecher beobachtete Bunny einen Rotschwanzbussard.»Weißt du, R. J. eine ganze Welt ist da oben in der Luft. «Sie ließ das Fernglas sinken und sah auf den Boden.»Und da unten auch.«
«Und mit der müssen wir arbeiten. «R. J. kniete sich hin, zog ihr Taschenmesser hervor, senkte die Klinge in die feuchte Erde, schnitt Stoppel ab.»Schau. «Dann zeigte sie auf die entsprechende Stelle auf der Karte, die Bunny aufgeschlagen hatte.
Beide Schwestern hockten sich hin und betrachteten die Karte.»Versandet, wenn wir auf höheres Gelände kommen.«
«Ja, aber wir können diese Erde trotzdem nutzen. Es gibt zähes Zeug, das da wachsen kann, oder wir können Töpfe reinstellen mit guter Erde drin, dann sind die Pflanzen schon in Töpfen, und wenn sie zwei, drei Jahre alt sind, sind sie fertig zum Verkauf. Dann müssen wir sie nicht eintopfen.«
«Gute Idee.«
«Das einzige Problem ist, wir müssen die Töpfe jetzt kaufen. Ich hatte gehofft, nicht zu viel Geld ausgeben zu müssen. Wir müssen Saatgut auf lange Sicht kaufen, wir verdienen mehr, wenn wir aus Samen ziehen. Aber mit irgendwas müssen wir sofort anfangen. Wir brauchen Schößlinge, kleine, aber die Winzlinge werden trotzdem ein paar Dollar pro Stück kosten, je nach Strauch- oder Baumsorte. Und dann brauchen wir einen Traktor, einen Düngerstreuer. Das geht ins Geld.«
«Ich übernehm den Traktor. Du stellst das Land zur Verfügung«, sagte Bunny entschlossen.
«Gut. «R. J. lächelte und schaute dann wieder auf die Karte.»Hier, das Land am Fluß entlang außer vor dem Haus können wir für Grassoden nehmen. Rollrasen ist ein einträgliches Geschäft. Aber das Land ist relativ flach, es ist guter Schwemmboden. Wir müssen den Rasen in Bahnen abstechen. Wieder ein teures Zusatzgerät für den Traktor.«
Bunny betrachtete die Zahlen, die R. J. mit Bleistift an den rechten Rand der Bodenkarte gekritzelt hatte.»Du warst fleißig.«
Sie standen auf. Ein Spaziergang von einem knappen Kilometer, und sie würden zu Hause sein.
«Ich arbeite gern. Ist immer besser.«
«Frank?«
R. J. zuckte mit den Achseln.»Er hat den Vertrag aufgelöst, hat sein Testament geändert. Ich muß nicht für seine Schulden aufkommen. Mit den Anteilen, die er noch hat, wird er seine Schulden bezahlen können. Sagt er. Wer weiß? Einen etwaigen Überschuß bekommen die Mädchen, halbehalbe. Er hat gestern Abend im Beisein von zwei Zeugen alles unterschrieben.«
«Diskret, hoffe ich.«
«Ja. Frank ist natürlich deprimiert. «R. J. hob die Stimme.»Aber es gibt keine andere Möglichkeit. Der Mensch kann nicht aus seiner Haut. Man ist, was man ist. Man mag die Situation erkennen können, die einen zur Tat treibt, aber wer eine Spielernatur ist, der bleibt es sein Leben lang.«
«Glaubst du nicht, daß die Menschen sich ändern können?«
«Kaum. Sieh uns an, Bunny. Haben wir uns verändert?«
«Mein Spiegel sagt ja.«
«Das ist oberflächlich. Innerlich.«
«Doch. Du bist eine Mutter. Das hat dich verändert. Was mich betrifft«, sie wand die Zeigefinger um den Riemen ihres Feldstechers,»die Jugend schleicht sich davon und mit ihr die Vorstellung, daß die Zukunft aufregend ist. Ich lebe von einem Tag zum anderen.«
Sie gingen durch den Wald, die Kiefernnadeln dämpften ihre Schritte.
«Man kann nur an einem Tag auf einmal leben«, sagte R. J. schließlich.»Und vielleicht verlieren wir unsere Illusionen. Etwas Besseres löst sie ab.«
«Ich hab nichts Besseres gefunden. Du hast die Mädchen. Deine Hoffnungen sind in ihrer Zukunft — oder nicht?«
«Sicher, aber ich habe auch eine Zukunft. Unsere Gärtnerei in Betrieb nehmen. «Sie schob die Hände in die Taschen.»Ich weiß nicht, wie wir's schaffen werden, Bunny, es ist Schwerstarbeit, und wir können uns keine Hilfskräfte leisten. Aber verdammt, wir werden's schaffen.«
«Ich tu's, um abzunehmen. «Bunny konnte hart arbeiten, was nicht hieß, daß sie es gern tat.»Und um Geld zu verdienen. Ich hab nicht das Gefühl, noch zur Firma zu gehören. Don fragt mich um Rat. Das tut er gern, aber wenn ich hinkomme, ist es nicht mehr wie früher. Der Betrieb ist so groß geworden, die Leute haben ihre Büros, es gibt verschiedene Abteilungen, und ich bin einfach nur Dons Frau.«
«Ach Herzchen, alle wissen, daß du der führende Kopf bist. Die Wallace-Mädels sind wegen ihrer Cadillacs zu dir gekommen. Die Leute wissen Bescheid.«
Bunny hob ihren Feldstecher an die Augen, um ein riesengroßes Nest in einem Baum zu betrachten.»Hmm, Raubvögel, könnte auch ein Eichhörnchen sein. Ich hab noch nie so viele Eichhörnchen gesehen wie dieses Jahr.«
«Charly hat Frank gestern Nachmittag im Büro angerufen.«
«Ich hab's gewußt!«
R. J. lächelte.»Noch wissen wir nichts, aber er hat sich für den ersten Samstag im Dezember zu einem Gespräch mit ihm verabredet.«
Bunny, den Feldstecher jetzt wieder an der Brust, klatschte in die Hände.»Ich hab's gewußt. Eine Weihnachtsverlobung.«
«Man soll das Pferd nicht beim Schwanz aufzäumen. «R. J. hakte sich bei ihrer Schwester ein.»Ich rechne damit, daß er um die Hand unserer Tochter anhalten wird — aber ach, Bunny, sie ist noch so jung. Sie sind beide so jung.«»Die Jugend ist an den Jungen verschwendet. Wer hat das
gesagt?«
«Du in jüngster Zeit. «R. J. zog Bunny enger an sich.
«Jung und biegsam. Sie werden leichter zusammenwachsen, sie verstehen sich großartig. Ein gutes Paar und eine glänzende Partie. Sie werden niemanden unbeeindruckt lassen.«
«Dich am allerwenigsten.«
Bunny lachte über sich selbst.»Wenn das Geld futsch ist, fliegt die Liebe zum Fenster raus. Für Vic wird das Geld nie futsch sein, wenn sie ein Vermögen wie dieses heiratet. Ein so schönes Mädchen, mein Gott, R. J. es ist, als sähe ich dich mit zweiundzwanzig wieder vor mir. Nur der Haarschnitt ist anders und die Kleidung. Richtig unheimlich.«
«Meine Liebe ist nicht zum Fenster rausgeflogen.«
«Du bist die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Für die meisten Leute sind Geld und Liebe miteinander verknüpft. «Sie hielt inne.»Aber Vic und Charly sind süß zu zweit. Sie passen einfach gut zusammen.«
«Sieht so aus.«
«Seine Familie wird ihm einen guten Start ermöglichen.«
«Hoffentlich.«
«Das wird deine Last erleichtern.«
«Vic ist keine Last.«
«So war das nicht gemeint. Du weißt, wie ich's gemeint habe.«
«Ich müßte lügen, wenn ich sagen wollte, ich würde mir keine Unterstützung wünschen. Oder zumindest Sorgenfreiheit. «R. J. blieb stehen, als sie aus dem Wald traten. Die Spätnachmittagssonne strahlte auf den kleinen alten Pfirsichgarten.
«Moms Pfirsichbäume. Sie tragen immer noch«, staunte Bunny.
«Hab auch 'ne Menge geerntet. Die Scharlachtangare und Goldamseln lieben, was übrig bleibt. Ich finde Obstbäume einfach faszinierend.«
«Viel Arbeit.«
«Bunny, alles macht viel Arbeit.«
«Ich nehme an, deshalb ist es wichtig, die Arbeit zu tun, die einem gefällt.«
Sie hörten in der Ferne eine Hupe, und Piper fing an zu bellen.
«Das sind sicher die Mädchen vom College. «R. J. ging schneller.»Vic hat gesagt, sie will Jinx absetzen. «Sie strahlte.»Das wird ein herrliches Erntedankfest. Ich muß für so vieles dankbar sein.«
«Gesundheit geht vor. Gott, ich hör mich an wie 'ne alte Schachtel, und es hat mich wahnsinnig gemacht, wenn Mutter das gesagt hat, aber es stimmt. «Sie stiegen über die heruntergefallenen Pfirsiche.
«Es muß schön für Vic sein, eine gute Freundin im gleichen Alter zu haben«, dachte R. J. laut.»Mignon ist so viel jünger. Das hat mir immer Sorgen gemacht. Es war, als hätte ich zwei Kinder, die keine richtigen Schwestern sind. Vic und Jinx waren mehr wie Schwestern als Vic und Mignon. Jetzt sind sie und Chris ein Herz und eine Seele. Aber ich muß sagen, Mignon ist in den letzten Monaten sehr erwachsen geworden.«
«Du bist eine gute Mutter, R. J.«, sagte Bunny.
R. J. strahlte.»Danke, Bun.«
«Ich beneide dich, aber dann denke ich manchmal, hätte ich in der Nacht dreimal aufstehen wollen, mit einem Kind, und mit Masern, Keuchhusten und Mumps? Und die Widerworte. Ich weiß nicht, ob ich das gekonnt hätte.«
«Klar hättest du. Machst du Witze? Unsere Mutter hat uns doch auch großgezogen.«
Lachend erklommen sie die letzte kleine Anhöhe, bevor das Haus in Sicht kam. Und als wären sie selbst zwei CollegeMädchen, rasten sie zum Haus, wobei Bunny ihren Feldstecher festhielt.
Vic und Chris, die mit der ausgelassenen Piper schmusten, sahen die zwei auf sich zugerannt kommen.
«Mädels, wir sind zu Hause!«Lachend lief R. J. voraus und blickte über die Schulter zurück.
«Ich würde gewinnen, wenn ich das Fernglas nicht hätte!«
«Der Bunny-Anhänger«, rief R. J. als sie bei ihrer ältesten Tochter ankam und sie fest in die Arme schloß. Dann umarmte sie Chris genauso herzlich.
Bunny, die ein bißchen außer Atem geraten war, trat hinzu.»Fröhliches Thanksgiving!«