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Einigermaßen gestärkt von ihrer Lucky Strike, hatte R. J. sich so weit gefaßt, daß sie imstande war, sich um die Steaks zu kümmern. Schlimm genug, daß Mignon sich Ohrlöcher hatte stechen lassen, aber noch viel schlimmer war es, daß sie es hinter ihrem Rücken getan hatte.

Frank würde zum Abendessen nicht zu Hause sein. Weil im Club die Damenmeisterschaften ausgetragen wurden, war er mit Randy Goswell, Arnold Burgess und Ted Baptista, losgezogen, um auf einem neuen Golfplatz bei Norfolk zu spielen. Die Jungs wollten sich amüsieren.

Die gescholtene Mignon trug die Ohrstecker, weil Vic ihre Mutter überzeugt hatte, daß es schlimmer wäre, sie herauszunehmen. Sie machte ihr plausibel, daß Mignon sich mit sechzehn sowieso Ohrlöcher stechen lassen würde. Es war nun mal geschehen, und warum eine Entzündung riskieren? Vic hatte ihre Mutter beiseite genommen und darauf hingewiesen, daß Mignon gut in der Schule war, nicht trank oder rauchte und sich bislang nicht mit dem anderen Geschlecht herumgetrieben hatte. Von Drogen ganz zu schweigen. R. J. zog an ihrer Zigarette, während ihre Älteste ihre Fürsprache beendete.

«Na schön. Ich bin überstimmt. «Sie holte Luft, die Spitze ihrer Zigarette setzte einen roten Punkt hinter ihren Satz.»Herzchen, du hast einen klugen Kopf auf deinen Schultern.«

Sie lachten, als R. J. Vic auf die breite Schulter klopfte und sie dann sacht zum Steg schob, wo Jinx und Chris die Boote beobachteten.

«Mom, wozu die vielen Teller?«, rief Mignon vom Hof.

«Regina und Lisa essen mit uns.«

«Was ist mit Teddy und Boo?«Das waren Jinx' Brüder, einer älter als Mignon, einer jünger.

«Sie assistieren im Club.«

«Cool. «Daß Mignon in Teddy verknallt war, der in die Abschlußklasse der Highschool ging, verriet sie niemandem.

«Weiß Jinx, daß ihre Mutter kommt?«Mignon brachte Gewürze nach draußen.

«Nein. Seit wann fragst du so viel? Mignon, du weißt, es gehört sich nicht, so viele Fragen zu stellen.«

«Ja, Ma'am. «Eine Pause, dann:»Freust du dich denn nicht, daß ich wißbegierig bin?«

Kopfschüttelnd lief R. J. zum Grill. Kaum stand Mignon mit dem Rücken zu Piper, schon schnappte die Hündin sich ein Steak vom Stapel, indem sie sich auf die Hinterbeine stellte, und flüchtete dann in Windeseile.

«Miststück. «R. J. schüttelte den Kopf. Sie beschattete die Augen und betrachtete die drei College-Studentinnen, die auf dem Steg saßen, von der tief stehenden Sonne mit Gold übergossen.»Jung müßte man sein«, dachte sie.

R. J. war durchaus kein verbitterter Mensch, und sie ertrug ihre Enttäuschungen mit Gleichmut. Sie liebte Frank trotz seiner Schwächen, aber die Geldsorgen zehrten an ihren Nerven. Manchmal fühlte sie sich innerlich alt. Alt und müde.

Chris saß zwischen Vic und Jinx; alle drei hatten die Füße im Wasser und die Sonne im Gesicht.

«Nee. «Jinx schüttelte den Kopf.

«Warum nicht?«Chris atmete den schweren Flußgeruch ein.

«Die amerikanischen Männer haben zu viel Angst vor den Frauen. Sie werden einer Frau niemals politische Macht geben«, erklärte Jinx.

«Lauf, Piper!«Vic sah soeben den Hund das Steak stibitzen.

Alle lachten.

«Du hast kein Wort gesagt. «Chris stieß Vic an.

«Politik«, Vic zuckte die Achseln,»interessiert mich nicht besonders.«

«Sie wird immer tun, was Charly ihr sagt. «Jinx wußte, daß sie Vic damit provozierte.

«Quatsch. «Jinx hatte ins Schwarze getroffen.

«Nach einer Footballprofi-Karriere wird er für ein öffentliches Amt kandidieren.«

Vic sah auf die Uhr.»Herrje, ich hab vergessen, mir die Übertragung von dem Spiel anzuhören. «Sie zuckte mit den Schultern.»Na wenn schon.«

«Du gehst ganz schön lässig mit ihm um«, sagte Chris. Ihr Tonfall enthielt keine Verurteilung.

«Weil Vic so irrsinnig schön ist, daß sie jeden haben kann, den sie will. «Jinx seufzte. Sie wünschte, sie wäre so schön.»Charly ist auf dem Campus eine große Nummer. «Sie verwendete den alten Ausdruck mit einem leicht spöttischen Ton in der Stimme.»Aber Vic ist auf ihre Art größer.«

«Jinx, nun mach mal halblang. «Vic ertrug es nicht, wegen ihres Aussehens gelobt zu werden. Es war schließlich nicht ihr Verdienst.

«Hm, ich vermute, sie könnte so gut wie jeden verführen«, meinte Chris.

Chris spritzte mit dem Fuß Wasser auf Vic.

Hitze, drückende, unkontrollierbare Hitze flackerte durch Vics Körper. Sie sah Chris tief in die Augen. Chris zwinkerte Vic diabolisch zu, die lächelte und sich dann wegdrehte.

Chris, die in einer Familie mit strengen Prinzipien aufgewachsen war, hatte überlebt, indem sie ihrem Rebellionsgeist freien Lauf ließ. Sie hatte nicht gewußt, wonach sie suchte, bis sie Vic begegnet war. Da war ein Teil ihres privaten Puzzles an seinen Platz gerückt. Sie wußte, daß sie mit Vic zusammen sein wollte.

«Wir müssen morgen den Sportteil gründlich studieren, damit du nachher so tun kannst, als hättest du die Übertragung gehört. «Jinx hatte Freunde in einem kleinen Segelboot entdeckt und winkte ihnen zu.

«Ich lüg ihn nicht an. Ich hab's einfach vergessen. «Vic sah die Insassen eines Bootes winken und winkte zurück. Sie wechselte das Thema.»Ob Tante Bunny das Turnier gewinnt?«

«Sie muß sehr gut sein, um mehr als einmal zu gewinnen. «Chris blinzelte, weil die Sonnenspiegelung auf dem Wasser sie blendete.

«Tante Bunny ist gut. Sie hätte Profigolferin werden können, aber dann hat sie Onkel Don geheiratet, und als sie jung war, war die Firma wohl noch nicht so gut durchorganisiert.«

«Muß eine Plackerei gewesen sein«, bemerkte Jinx.

«Man muß das Leben nehmen, wie es ist. «Vic plapperte das Savedge-Credo nach.

«Findest du?«Chris' Augenbrauen schnellten in die Höhe. Dies erschien ihr als das genaue Gegenteil ihrer eigenen Weltsicht.

«Ja.«

«Wie steht es damit, die Welt zu verbessern?«, fragte Chris.

«Man tut, was man kann, aber irgendwann muß man das Schicksal akzeptieren«, erwiderte Vic.

«Ich spreche nicht von Schicksal«, sagte Jinx.»Wir haben uns gestern Abend lange über Bestimmung und Schicksal unterhalten, und dann hat Vic mich Schokoladentorte essen lassen. Ich werde nie abnehmen.«

«Jinx. «Vic lachte.

«Wegen dir mußte ich den Kuchen essen«, zog Jinx sie auf.

«Das war nämlich so«, Vic drehte sich wieder zu Chris hin, worauf beide Magenflattern bekamen,»wir lagen im Bett, und auf einmal hörten wir eine kleine Stimme,>ich bin so einsam, bin im Kühlschrank eingeschlossen. Rette mich, rette mich, Jinx.< Da mußten wir natürlich tun, was wir konnten.«

«Jetzt hörst du dich an wie dein Vater. «Jinx zog die Füße aus dem Wasser.»Ich hab Mr. Savedge einmal gefragt, wie er die deutsche Panzerkolonne aufgehalten hat, und er sagte einfach, >ich habe getan, was ich konnte. < Wußtest du, daß ihm das Kriegsverdienstkreuz verliehen wurde, die Medaille, die gleich nach der Congressional Medal of Honor kommt, der höchsten Tapferkeitsauszeichnung?«

«Jinx, das will sie bestimmt nicht hören. «Vic fragte sich, ob sie getan haben könnte, was ihr Vater getan hatte. Sie wollte so tapfer sein wie Frank, sollte das Leben sie auf eine harte Probe stellen.

«Das Kriegsverdienstkreuz ist oft mit der Kriegsverdienstmedaille verwechselt worden, die so was wie eine Schreibstubenmedaille ist. «Jinx holte Luft.»Das hat mir mein Dad erzählt; er war Leutnant in Korea. Mr. Savedge spricht nicht darüber, aber die Männer wissen Bescheid, ich meine die Männer, die gekämpft haben. Sie. ich finde, sie sind anders als Männer, die nicht im Einsatz waren. Die Leute haben großen Respekt vor Vics Vater, obwohl er regelmäßig Geld verspekuliert.«

«Jinx.«

Jinx sah ein, daß sie nicht hätte aus der Schule plaudern dürfen.»'tschuldigung.«

Vic sagte einfach:»Dad kann nicht gut mit Geld umgehen.«

«Meiner schon, und er ist kalt wie ein Fisch. «Chris sagte es ohne Groll, eine Feststellung, nicht mehr und nicht weniger.

«Meiner versteht was davon — von Geld, meine ich — , aber er ist ein Draufgänger. Alle sagen, ich bin nach ihm geraten, und ich weiß nicht recht, ob das ein Kompliment ist«, meinte Jinx.

«Ist es. Dein Dad ist elektrisierend. «Vic lächelte.

«Mutter ist das Hinterletzte. «Wie aufs Stichwort kam Regina Baptista mit Lisa vorgefahren.

Vic kicherte.»Überraschung!«

«Verdammt!«Jinx stand auf.»Bin gleich wieder da.«

Als sie ging, lachten Vic und Chris, dann versanken sie in Schweigen und blickten auf den Fluß, spürten die gegenseitige Nähe.

Schließlich sagte Chris:»Du hast eine wunderbare Familie.«

«Danke. Es freut mich, daß du alle kennen lernen konntest, auch das kleine Monster.«

«Sie ist zum Schreien.«

«Schön, du kannst sie haben. «Vic dachte, sie würde vergehen.

«Guck mal, sie winken uns da oben. «Chris zog die Füße aus dem Wasser und stand mit einer einzigen fließenden Bewegung auf. Sie reichte Vic die Hand, und Vic ließ sich von der blonden Frau hochziehen. Eine Sekunde lang hielt Chris Vics Hand fest.

«Du bist stärker, als ich dachte.«

«Aber bestimmt nicht so stark wie du. Deine Mutter hat gesagt, du bist ein Kraftbolzen. «Chris ließ Vics Hand los.

Als sie in den Innenhof kamen, erfreute Regina R. J. mit den Wechselfällen der Mutterschaft.»Ich frage dich, Orgy, gibt es so was wie eine Eierstöcke-Rücknahme? Kann ich sie zurückgeben? Und Lisa, bilde dir bloß nicht ein, daß du dir Ohrlöcher stechen lassen kannst!«

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