Eine Autohupe in der Ferne, fünf kurze Töne, brachte Piper zum Bellen. Die Mückenlampen verströmten einen Zitronenduft, den die Insekten in fünfzehn Zentimeter Abstand von der Flamme respektierten. Jenseits davon stachen sie auf Teufel komm raus.
Regina und Lisa waren nach einem Streit mit Jinx, die sich weigerte, sie zu begleiten, nach Hause gegangen.
R. J. streckte sich auf einer Gartenliege aus und rauchte die letzte Lucky Strike des Abends. Zumindest schwor sie, daß es die letzte sei. Mignon drehte an ihren goldenen Ohrsteckern. Vic, Chris und Jinx saßen um R. J. herum.
Die Huptöne näherten sich im» Tamm-ta-tatammtammRhythmus«.
«Bunny hat gewonnen. «R. J. lachte.
Fünf Minuten später hielt Bunny reifenquietschend an und sprang aus ihrem Auto.»Ja!«Sie kam herübergehüpft, hielt ihren silbernen Pokal in die Höhe.»Ich hab den Wanderpokal in den Ruhestand versetzt. Jetzt gehört er mir. Drei Jahre hintereinander gewonnen. Ich hab gewußt, daß ich's kann.«
R. J. stand auf und umarmte sie innig.»Einen Drink zur Feier des Sieges?«
«Ich mach ihn dir. «Vic küßte ihre Tante auf die Wange, ging ins Haus und kam kurz darauf mit einem Gin Ricky in einem beschlagenen Glas zurück.
«Ehrlich, ich war mir nicht sicher, ob es dieses Jahr klappen würde. «Bunny, die sich ans Fußende der Gartenliege ihrer Schwester gesetzt hatte, griff nach dem Drink.»Babs Rendell hat es mir sehr schwer gemacht. Aber am sechzehnten Loch wußte ich, ich könnte es schaffen, wenn ich die nächsten zwei Löcher Par spielen konnte. Sie hat das fünfzehnte vermasselt. Knifflig, das fünfzehnte. «Sie trank selig von ihrem Gin Ricky.»Feucht heute Abend.«
«Kann man wohl sagen. «R. J. streckte die langen Beine aus.»Mignon, überlasse Tante Bunny bitte deinen Stuhl.«»Danke. «Bunny erstarrte, ehe sie ihren Steiß auf den Stuhl sinken ließ.»Was hast du getan!«
«Ohrlöcher stechen lassen. «Mignon gab sich nonchalant.
«Orgy!«
«Ich hab's ihr nicht erlaubt.«
«Wer ist die Missetäterin?«
«Ich. «Mignon ließ sich auf Vics Liege plumpsen.»Ich hab Hojo dazu gekriegt, daß sie's mir macht.«
«Dem Mädchen dreh ich den Hals um«, schnaubte Bunny.»Wie konnte sie so was Blödes tun?«Sie hob die Hand.»Verzeihung, dumme Frage.«
«Passiert ist passiert. «Vic wechselte das Thema und kam wieder auf Tante Bunny zu sprechen.»Wie viele Schläge hast du heute gebraucht?«
«Einundsiebzig. Nicht schlecht.«
«Bunny, das ist Spitze. «R. J. drückte ihre Zigarette aus.
«Ich gewinne beim Golfen. Du gewinnst beim Tennis. «Sie zwinkerte ihrer Schwester zu.»Wo ist Frank?«
«Die Jungs sind in Heron Sound.«
«Da würde ich auch gern mal spielen. «Sie drückte ihr Glas an die Stirn.»Ich würde den Männern nicht weiter über den Weg trauen, als ich eine angezündete Zigarette werfen kann, Frank ausgenommen. Als sie das letzte Mal losgezogen sind, hat Ted Baptista sich einen Porsche gekauft. Er sagte, er mußte ihn einfach haben. «Sie sah Jinx an, die zuckte mit den Achseln.»Und Randy Goswell wurde buchstäblich mit runtergelassenen Hosen erwischt, und Arnold Burgess mußte ihn vor seiner Frau beschützen. Sie kam wie zufällig vorbei, was heißt, daß sie ihren Mann sehr gut kennt.«
«Ich finde, wir sind besser dran, wenn wir die Männer nicht so gut kennen«, meinte R. J. nachdenklich.
«Meiner ist noch im Club. Er ist nach der Arbeit vorbeigekommen, um bei der Fete zu helfen. Jinx, eh ich's vergesse, deine Brüder haben an der Ergebnistafel gute Arbeit geleistet. Boo ist schon fast so groß wie Teddy. «Bunny plapperte weiter, glücklich über ihren Sieg, glücklich in dieser Gesellschaft.»… Tommy Rendell hat beim Bankett einen kurzen Trinkspruch losgelassen, Babs möge zwar nur den zweiten Platz beim Turnier haben, aber sie habe den ersten Platz in seinem Herzen. Ich hätte kotzen können.«
«Noch einen Gin Ricky?«, fragte Vic.
«Nein, ich muß heute Abend nach Hause fahren, obwohl, wenn ich mich sinnlos besaufen würde, dann würde meine liebe Schwester mich den Rausch bestimmt auf der Veranda ausschlafen lassen und mich am Morgen mit Wasser begießen.«
«Wäre nicht das erste Mal.«
Bunny zog den Winkel ihres hübschen Mundes hoch.»Ach komm, ich war noch auf dem College in Sweet Briar, als ich das letzte Mal betrunken war. «Sie lugte über den Rand ihres Glases.»Mir war hinterher tagelang schlecht, und ich hab geschworen, mich nie wieder zu besaufen. Hab ich auch nicht. Und das muß ich dir lassen, Vic, ich hab dich nie betrunken gesehen.«
«Das macht das College«, lautete die knappe Antwort.
«Apropos College, dein Freund war heute der Star.«
«Ich hab vergessen, mir die Übertragung anzuhören«, sagte Vic.
«Mmm, mmm, du solltest ihm lieber mehr Beachtung schenken. Geh beim nächsten Heimspiel hin. Okay, bei Auswärtsspielen kannst du nach Hause kommen. Aber bei den Spielen auf dem Campus mußt du in der ersten Reihe sitzen. «Sie blickte auf die Lichter am anderen Ufer des James, ein weißer Schimmer, hier und da durchsetzt mit einem grünen oder roten Licht, das sich langsam auf dem Fluß bewegte, ein Boot, das in der Stille dahinglitt.»Wenn du nicht auf den Jungen aufpaßt, tut's eine andere.«
«Er kann selbst auf sich aufpassen. «Vic lachte gutmütig.
«Ha. Kein Mann kann selbst auf sich aufpassen. Eine Frau kann ohne Mann leben, ein Mann aber nicht ohne Frau. «Sie äußerte dies mit viel Überzeugung und ein bißchen Humor.»Was meinst du, Orgy?«
«Sie sind abhängiger als wir. Das ist meine feste Überzeugung.«
«Heirate ihn jetzt. Danach könnt ihr zusammenwachsen. Je länger du wartest, desto eigenwilliger wirst du, und dann ist es nicht leicht. «Sie atmete aus.»Gott sei Dank hast du einen gefunden, der reich ist.«
«Wenn du ihn nicht willst, nehm ich ihn«, sagte Jinx.
«Was gibst du mir für ihn?«
«Wie wär's mit dem Porsche von meinem Dad?«
«Ooh. «Vic tat so, als sei es eine schwere Entscheidung.
«Ihr seid alle schlimm, aber keine ist heute Abend so schlimm wie Mignon. «Tante Bunny, die nach der ganzen Aufregung langsam wieder zur Besinnung kam, ließ den Kopf ans Stuhlkissen sinken, während ihre Hand Pipers Rücken kraulte.
«Findest du nicht, daß ich älter aussehe?«Mignon sah ihre Tante herausfordernd an.
«Du siehst aus wie eine fünfzehnjährige aufgetakelte Fregatte.«
«Frikadelle«, witzelte Vic, um die Fregatte abzumildern.
«Boulette«, fügte Jinx an.
«Klops«, fiel Chris ein.
«Würstchen. «Mignon spielte die Überlegene.
«Hört mal, ihr Lieben, ich geh lieber nach Hause, solange ich noch kann. Ich hab bald keinen Funken Energie mehr im Leib. «Bunny setzte sich auf und griff nach ihrem Pokal.»In ein paar Jahren werden eure Kinder den Riesenpokal im Club betrachten und dort>1978, 1979, 1980 Beatrice McKenna< eingraviert sehen.«
«Was ist mit 1981 und 1982? Du hast noch viele Jahre vor dir«, sagte R. J. die sich für ihre Schwester freute.
«Hoffentlich, aber an die Spitze klettern ist leichter als oben bleiben. Ein ganzer Schwung Damen ist mir auf den Fersen.«
«Wenn du noch mal drei Jahre hintereinander gewinnst, kannst du einem zweiten Pokal zur ewigen Ruhe verhelfen. Dann ist dein Kaminsims symmetrisch, ein Pokal auf jeder Seite. «R. J. stand auf, um ihre Schwester zum Auto zu begleiten.
«Ich geh ins Bett. «Jinx strebte zum Haus.
Mignon warf sich auf die frei gewordene Liege.»Laßt uns die ganze Nacht aufbleiben und Gruselgeschichten erzählen.«
Vic wollte draußen sitzen und sich mit Chris unterhalten. Sie wollte wissen, wo sie in die Grundschule und auf die Highschool gegangen war. Was ihre Lieblingsbücher, — filme, — bands waren. Was sie nach dem Examen mit ihrem Leben anfangen wollte. Sie wußte nicht, warum sie das wissen wollte, sie wollte es einfach. Aber Mignon würde dabei stören, und sie hatte keine Lust, sich mit ihrer Schwester anzulegen.
«Erzählt ihr euch Gruselgeschichten. Ich geh auch schlafen. «Vic stand auf.
«Ich auch. «Chris erhob sich, streckte die Arme über den Kopf, so daß sich ihre Brüste hoben.
Vic konnte die Augen nicht abwenden von dieser Bewegung oder den schönen Brüsten. Sie hatte es immer ausgesprochen dämlich gefunden, daß Jungs sich auf eine einzige Körperpartie, die Brüste, konzentrierten. Sie fragte sich, wieso sie ihr früher nicht aufgefallen waren. Oder warum ein anmutiger Hals ohne Adamsapfel sie früher nie an einen Schwan erinnert hatte. Sie hatte das Gefühl, Frauen nie richtig gesehen zu haben. Sie war blind gewesen für die Schönheit der Hälfte der Menschheit. Nicht, daß sie eine schöne Frau nicht von einer unterscheiden konnte, die weniger von der Natur gesegnet war. Es war ihr nur nie bewußt geworden. Ihr war ein bißchen zumute wie damals, als sie zum ersten Mal Mozart richtig gehört hatte. Sie hatte ihn immer für einen Klimperkomponisten gehalten und konnte nicht verstehen, warum ihre Eltern seine Werke so schätzten. Eines Tages hatte sie beim Laubrechen — das Radio draußen war auf den Klassiksender eingestellt — Töne in äußerster Vollkommenheit gehört, in ihrer ganzen Harmonie, Anmut und Bewegtheit, die pure ungehemmte Freude. Das Rauschen des James war mit Mozart im Einklang gewesen.
Genauso war ihr jetzt zumute.
Jinx war schon unter der Dusche. Mignon, die herumgrummelte, daß sie richtig gruselige Geschichten erzählen könnte von gruseligen Käfern, die aus Augenhöhlen krochen, hopste hinter Vic und Chris her, als sie die lange Treppe hochgingen, deren breiter Absatz auf das Wasser hinaussah.
Oben auf dem Treppenabsatz umarmte Mignon Vic und gab ihr einen Kuß, dann umarmte sie Chris und gab auch ihr einen Kuß.
«Ich bin froh, daß ihr dabei wart, als ich die Ohrlöcher gestochen gekriegt habe.«
«Wir waren nicht dabei — genau genommen. «Vic lächelte sie an.»Und wie hast du Hojo rumgekriegt?«
Mignons Stimme wurde lebhaft.»Sie hatte gerade nichts andres zu tun.«
«Aha. «Vic schüttelte den Kopf.
«Mignon, die Ohrringe stehen dir wirklich gut. «Chris hatte die Hand auf dem Messingknauf ihrer Zimmertür.
«Echt?«Mignon klatschte in die Hände, dann breitete sie sie aus und schlang die Arme um Chris' Hals.»Du bist so was von cool. Ich bin froh, daß meine Schwester dich mit nach Hause gebracht hat.«
Chris erwiderte die Umarmung.»Ich auch. «Als Mignon Chris losließ, stellte Chris sich auf die Zehenspitzen und küßte Vic auf die Wange.»Gute Nacht, danke für den herrlichen Tag.«
Als Vic einzuschlafen versuchte, brannte ihr der Kuß auf der Wange.