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Frank war zwar nicht erfreut, aber er nahm die Nachricht gelassener auf, als R. J. oder Vic erwartet hatten. R. J. wollte in der Stadt noch ein paar Besorgungen machen und dann mit Frank nach Hause fahren. Sie bat Vic, Mignon von der Schule abzuholen.

Als Vic in ihrem wasserblau-weißen Impala vor der Surry Highschool herumfuhr, sah sie zu, wie sich die Zirruswolken rotgold färbten. Über dem Haupteingang der Schule hing ein großer Kranz, der Vic daran erinnerte, daß sie noch kein einziges Weihnachtsgeschenk gekauft hatte. Eine Bomberjacke aus Leder wäre genau das Richtige für Charly, aber die waren so teuer. Sie würde sich etwas anderes einfallen lassen müssen. Sie wollte Chris einen Ring kaufen, aber dann fand sie, das wäre das ideale Geschenk zum Examen. Vielleicht eine Halskette oder so etwas zu Weihnachten, je nachdem was es kostete.

Hinter ihr hielt ein kleiner Ranger-Transporter. Die Fahrerin drückte auf die Hupe. Vic drehte sich um und erkannte Teeney Rendell.

Vic stellte den Motor ab, stieg aus und ging zu dem Ranger.»Hey, was machst du zu Hause?«

«In Holyoke haben sie uns früher rausgelassen. Ich bin hier, um Walter abzuholen. Du siehst gut aus, wie immer.«

«Du auch. «Vic betrachtete Teeneys hellbraune Augen und Haare.»Das letzte Mal hab ich dich im Sommer gesehn.«

«Für nächsten Sommer hab ich 'nen Job in Cape Cod. Dort zahlen sie besser als hier. Ich nehme an, du wirst dich bald nach einem richtigen Job umsehen.«

«Ja.«

«Du findest bestimmt eine gute Stelle. Ich weiß es einfach. «In Teeneys Augen blitzte Erkenntnis auf.

Vic erkannte es auch, ein fühlbares Einverständnis. Ohne daß es ausgesprochen wurde, wußte sie, daß Teeney lesbisch war.

Die Schulglocke läutete; komisch, sie klang wie die Glocke bei einem Boxkampf.

«Stell dir vor, es gibt Zeiten, da vermisse ich diesen Bau. Ich vermisse es, auf der Highschool zu sein ohne einen Gedanken im Kopf. «Vic trat von dem Transporter zurück.

«Du hattest immer Gedanken im Kopf.«

Vic lachte.»Falls wir uns nicht mehr sehen, frohe Weihnachten.«

«Gleichfalls, Vic.«

Vic ging zu dem Impala und lehnte sich an die Beifahrertür. Sie wollte das Lesbischsein nicht zum Mittelpunkt ihres Lebens werden lassen, aber sie mußte sich auf eine neue Weise sehen. Schließlich hatte sie nur gelernt» normal «zu sein; dazu war sie erzogen worden. Sie würde ihre Erwartungen an sich selbst ändern müssen. Vielleicht war das wie das Erlernen einer neuen Sprache.

«Vic!«Mignon kam winkend zu ihr gehüpft. Bei ihr angekommen, schlang sie die Arme um ihre große Schwester und drückte sie fest.»Was machst du hier?«

«Dich chauffieren. Mom hat keine Zeit.«

«Bis bald, Walter. «Mignon winkte dem bestaussehenden Jungen der Abschlußklasse zu. Sie flüsterte:»Es tut mir weh, ihn bloß anzusehen. «Sie hob die Stimme, als sie Teeney in dem Ranger erkannte.»Hey, Teeney.«

«Hey, Mignon. «Teeney winkte, als sie den Ford-Transporter anließ und losfuhr.

Mignon nickte oder rief vorbeigehenden Schülern und Schülerinnen zu. Sie war ein beliebtes Mädchen. Vic bemerkte, daß sie sogar ein paar nette Worte zu Marjorie Solomon sagte.

«Sehr diszipliniert.«

Mignon rümpfte die Nase.»Weil du und Mom mich sonst grün und blau schlagen würdet. «Sie sprang ins Auto, hopste auf dem Sitz auf und ab.»Wann läßt du mich endlich diese Karre fahren?«

«Wenn du dein erstes graues Haar hast. «Vic ließ den Motor an und jagte den Wagen die Straße entlang, bloß um Mignon kreischen zu hören.

«Hey, wo fahren wir hin?«»Zu Onkel Don. Ich möchte telefonieren, ohne Mom und Dad dabeizuhaben. Ich kann das Telefon in Onkel Dons Büro benutzen.«

«O Baby. «Mignon verdrehte die Augen und machte Kußgeräusche.

«Rabenaas.«

«Lesbe.«

«Mignon, mach mal Pause, ja?«

«Apropos Pause, wieso bist du eigentlich zu Hause? Ich dachte, ihr macht erst nächste Woche Pause. «Mignon lächelte, sie fand sich geistreich.

«Ich bin in Schimpf und Schande zu Hause.«

Mignon drehte sich zu ihrer Schwester hin, ihr Körper war starr vor Spannung.»Haben sie's rausgekriegt?«

«Nein.«

«Weißt du, daß Charly hier war?«

«Ja.«

«Bist du deshalb zu Hause?«

«Ich bin zu Hause, weil ich vom College geflogen bin und ich es Mom und Dad sagen mußte.«

«Nein!«

«Doch.«

«Haben sie dich rausgeschmissen, weil du lesbisch bist?«

«Nein, verdammt noch mal, das weiß niemand außer dir, es sei denn du konntest deine große Klappe nicht halten.«

«Danke. «Mignon ließ sich in den Sitz zurückfallen.

«'tschuldige, Mignon, es war alles ein bißchen viel. Mom war sehr bekümmert. Dann sind wir zu Dad gefahren und haben es ihm erzählt. Er war prima. Ich meine, er hat mir nicht seinen Segen gegeben, aber er hat mich auch nicht verdammt. Ich hatte gedacht, ich würde das heil durchstehen, dennoch war mir wohl doch banger zumute, als mir bewußt gewesen war. Gott, es tut mir so Leid, Mom und Dad zu enttäuschen.«

Mignon klopfte mit einem Finger auf ihre Schulbücher.»Herrje, wie willst du ihnen dann das mit Chris verkleckern?«

«Ich weiß nicht, aber das muß noch ein bißchen warten. Eins nach dem andern.«

«Was hast du gemacht?«»Häh?«

«Was hast du gemacht, daß du vom College geflogen bist?«

«Och, ich bin zur katholischen Kirche gegangen und hab der Muttergottesstatue eine Grillschürze umgebunden, und ich hab ihr eine Kochmütze aufgesetzt und sie mit Kochgeräten und einem Grill ausgestattet.«

«Ist das cool!«Mignon klatschte in die Hände.»Obercool.«

Vic lachte.»Es war sehr lustig, aber man hat mich erwischt und aus die Maus.«

«Bist du deprimiert?«

«Ich dachte erst, ich bin's nicht, aber ein bißchen bin ich's wohl doch. Ich fahr morgen zurück, packe meine Sachen, versuche meine Restmiete auszurechnen, und dann nichts wie weg.«

«Und Chris?«

«Sie ist schließlich nicht aus der Welt, Mignon.«

«Will sie mit dir zusammenleben?«

«Nach ihrem Examen, ja.«

Sämtliche Laternenpfähle vor dem Autohaus waren mit Bändern in Rotgold-metallic umwunden. Ein riesiger Weihnachtsbaum nahm den Ehrenplatz hinter der großen Fensterscheibe ein und verdeckte Hojo auf ihrem Kommandoposten fast, aber nicht ganz.

Sie parkten.

«Tante Bunny ist hier«, warnte Mignon.»Hat ihr Fernglas um. Hält sie das für 'n modisches Accessoire oder was?«

«Onkel Don ist ihr perfektes Accessoire. «Vic wußte, daß sie Bunny über die Ereignisse unterrichten mußte, aber sie hoffte, sich heute einfach vorbeidrücken zu können, ohne die Katze aus dem Sack lassen zu müssen.

«Mignon, zeig mal her«, quiekte Hojo, als die Schwestern in den Ausstellungsraum kamen.

Mignon trottete hinüber.»Kreolen. Endlich. «Sie bemerkte Hojos Fingernägel.»O Hojo, ist das cool.«

Jeder Nagel war in einer anderen Farbe lackiert, und auf jedem war ein Stern, eine Sonne, ein Mond, ein Saturn oder ein anderer Planet.

Hojo drehte die Finger vor ihr hin und her.»Das Sonnensystem. Ich hab die Monde satt. Vier Stunden hab ich dafür gebraucht!«

«Ist das cool!«, wiederholte Mignon etwas weniger enthusiastisch. Vic ging zu Bunny.

«So eine Überraschung. Vorlesungen schon zu Ende?«

«Ja. «Das war nicht gelogen.

Bunny befühlte ihr Fernglas.»Ich kann den Gesichtsausdruck der Fahrer sehen, die vorbeifahren, und ich kann sagen, wer aufs Gelände kommt und wer nicht, ich schwör's. «Sie strich ihren Rock glatt.»Ich mußte heute in der Buchhaltung aushelfen. Lottie, Dons Buchhalterin, liegt mit Grippe im Bett. Ich glaub, es war Grippe. Bei Lottie weiß man nie. Sie ist die einzige nymphomanische Hypochonderin, die ich kenne.«

«Wo ist Onkel Don?«

«Kundendienst.«

«Meinst du, er hat was dagegen, wenn ich in seinem Büro telefoniere?«

«Nein. Geh ruhig rein. «Bunny deutete auf Dons Büro, einen kleinen Raum mit halbhohen Glasunterteilungen.

Vic setzte sich und rief Chris an.

«Hallo.«

«Du bist zu Hause. Gott sei Dank. «Vic atmete aus.

«Was ist passiert?«

«Alles in Ordnung. Sie sind nicht begeistert, aber es ist gut gegangen.«

«Ich hab mir solche Sorgen gemacht. «Chris' angenehme Stimme klang tiefer als sonst.

«Ich glaube, mir war ein bißchen banger als ich selbst wußte. Hey, ich komm morgen rüber. Das wird unser letztes Wochenende vor Weihnachten. Wär prima, es mit dir im Apartment zu verbringen, aber ich denke, nachdem ich bei Mom und Dad die Bombe hab hochgehen lassen, sollte ich am Wochenende lieber hier sein. Komm mit zu mir nach Hause. Es ist irgendwie kitschig, aber alle sind am Schmücken, und ich weiß nicht, es macht einfach Spaß.«

«Ist das wirklich okay? Sind deine Eltern nicht zu verärgert, um Besuch zu haben?«»Das geht in Ordnung. Ich hol dich um zwei ab, außer du läßt deine letzte Vorlesung sausen. Soll aber keine Empfehlung sein.«

«Zwei Uhr. «Chris wartete einen Moment.»Ich hab jede Minute an dich gedacht. Wirklich, Vic, ich hab mir solche Sorgen gemacht. Ich wünschte, ich hätte den Frevel auf meine Kappe nehmen können, aber das geht nicht. Ich liebe dich.«

«Ich dich auch.«

Sie verabschiedeten sich. Vic drückte auf die Gabel und rief dann in Charlys Wohnheim an. Nachdem drei andere Jungs den Hörer in der Hand gehabt hatten, der neben dem Apparat lag, hatte sie endlich Charly an der Strippe.

«Hey, Hübscher.«

«Vic, wie ist's gelaufen?«

«Ganz gut. Sie sind bekümmert, aber es geht.«

«Ich finde trotzdem, ich sollte.«

«Nicht. Laß gut sein. Es ist erledigt. Ich ruf an, um dir zu sagen, daß ich übers Wochenende zu Hause bleibe. Ich muß sehen, daß die Dinge im Lot bleiben, und ich muß Weihnachtseinkäufe machen. Ich will dich nicht dabeihaben, weil ich sonst nie dazu komme, dir ein Geschenk zu besorgen.«

«Das einzige Geschenk, das ich mir wünsche, bist du.«

Ein kleiner Stich durchfuhr ihre Brust.»Aber du kriegst auch noch was anderes.«

Er erwiderte:»Ich sollte wohl auch lieber ein paar Einkäufe machen, oder? Ich werde dich vermissen. Ich find's schrecklich, ohne dich zu sein. Du weißt ja nicht, wie froh ich bin, daß die Spielsaison vorbei ist.«

«Ich ruf dich am Wochenende an — das heißt, wenn ich durchkomme.«

«Ich ruf dich an. Ist wirklich alles okay mit dir?«

«Ja. Ich fühl mich mies wegen Mom und Dad, aber es geht schon.«

«Alles wird gut. Das verspreche ich dir.«

«Ich weiß.«

«Ich komm mir vor wie ein Schuft.«

«Charly, vergiß es. So ist es für alle am besten.«

«Ich liebe dich, Vic.«»Ich liebe dich auch, Charly.«

Er senkte die Stimme, in die sich ein frivoler Ton einschlich.»Weißt du was, ich kann nicht mal an dich denken, ohne daß mein Pimmel hochgeht. Du machst mich verrückt.«

Sie lachte.»Charly, wenn ich einen hätte, wär er auch steif.«

«Das ist ein echt abgedrehter Gedanke. «Er holte hörbar Luft.»Aber ich liebe dich.«

«Ich dich auch. Dann bis Montag.«

«Okay. Tschüß.«

«Tschüß. «Sie legte auf, ging hinaus und stieß beinahe mit Georgia Wallace zusammen, die gerade in den Ausstellungsraum gekommen war.»Verzeihung, Miss Wallace. Ich hab nicht geguckt, wo ich hingehe.«

«Das tut ihr jungen Leute nie. «Sie lächelte.»Ihr habt es immer eilig, irgendwo hinzukommen, und dann stellt ihr fest, daß dort nichts ist.«

«Hey«, rief Hojo. Sie verzichtete auf die Formalität, die ältere Frau mit ihrem Nachnamen anzureden.

«Diese Hojo«, Georgia schüttelte den Kopf,»die hat's faustdick hinter den Ohren. Ach, was gäbe ich für ein kleines bißchen von ihrer Energie. Ich bin völlig geschafft, weil Poppy langsam senil wird. Yolanda ist in der Küche, Sissy macht sich deswegen ins Hemd«, sie zog einen Mundwinkel hoch,»und ich hab ihr gesagt,>laß Yolanda in Frieden. Es macht ihn glücklich. Wie lange werden wir ihn noch bei uns haben?< Und ich darf bestenfalls Kuhfladen aufkehren. Sissy ist ja so verzogen. «Bei» so «sank ihre Stimme um eine Oktave.

Hojo führte ihre Finger vor.»Schön, nicht?«

Vic und Georgia betrachteten die Fingernägel, die jetzt über die Kante der Kommandozentrale hingen. Mignon machte sich neben Hojo am Computer zu schaffen.

«Hojo, Süße, Sie sind himmlisch«, trällerte Georgia.

«Hab mir die Nägel gemacht, hab meinen Push-up-BH an, Georgia, ich bin bereit fürs Leben. Kommen Sie, wir machen heute Abend ein Faß auf.«

«Hojo Schätzchen, Sie sind mir zu wild. Sie liegen eher auf Sissys Wellenlänge.«»Ach kommen Sie, Georgia, Sie sind ein super Typ«, schmeichelte Hojo.

«Hm. nicht heute Abend, aber irgendwann geh ich mal mit Ihnen aus. Ich muß mir die Haare machen und Sissy im Keller einsperren. Sie würde mich umbringen, wenn ich mich amüsieren ginge und sie zu Hause bleiben müßte.«

«Dann sperren Sie sie ein. «Hojos Hände flogen hoch, die vielen Armbänder klapperten wie Kastagnetten.

«Mignon, was machst du da?«, fragte Vic.

«Ich ruf den Lagerbestand auf, siehst du?«

Vic stieg auf das Podest.»Welchen Wagen möchtest du?«

«Deinen. Ich spiel bloß gern am Computer rum.«

«Komm jetzt. Hey, wir nehmen von unterwegs was zu essen mit, dann muß Mom nicht kochen. «Sie fuhren zu einem ChinaImbiß in der Nähe.

Während sie auf ihre Bestellung warteten, fragte Mignon:»Ist bei den Wallaces 'ne Schraube locker?«

«Für Surry County sind sie ganz normal.«

Mignon flüsterte:»Glaubst du, es gibt viele Lesben in Surry County?«

«Ich weiß nicht. Wieso?«

«Hm, du kriegst es bestimmt raus. Ich meine, wenn du dich outest, werden sie sich dir dann nicht zu erkennen geben?«

«Weiß ich doch nicht, Mignon. Ich denk nicht über so was nach.«

«Wenn sie's dir sagen, sagst du's mir.«

«Warum?«

«Weil's spannend ist.«

«Um Himmels willen. «Vic packte sie mit einer Hand im Nacken.»Klatschmadam.«

«Ich hab nicht gesagt, daß ich's weitersage, ich will bloß, daß du's mir sagst.«

«Vielleicht tu ich's, vielleicht auch nicht.«

Mignon stieß Vic die Finger in die Rippen, so daß sie ihren Hals loslassen mußte.»Wenn du's mir nicht sagst, mach ich Rabatz, der geht auf keine Kuhhaut.«

«Das ist muuht.«»Lahmer Witz. «Mignon kam wieder darauf zurück, daß sie wissen wollte, wer lesbisch war.»Wirklich, sag's mir, ja?«

«Mignon, das ist vertraulich. Die Betreffende hat vielleicht Angst. Ich kann ein Vertrauen nicht verletzen.«

«Du hast keine Angst«, sagte Mignon, als sie die weißen Schachteln in einem Pappkarton zum Auto trugen.

«Ich hab es noch niemandem erzählt außer dir. Ich hab's dir eigentlich nicht erzählt, du hast es rausgekriegt. Und ich hab Angst. Ich denke bloß nicht zu viel darüber nach, das ist alles.«

«Ist dir wirklich bange?«Mignon konnte sich nicht vorstellen, daß ihrer großen schönen Schwester richtig bange war.

«Natürlich.«

Mignon wurde ernst.»Ich will nicht, daß du mich außen vor läßt.«

Vic öffnete die hintere Tür, Mignon stellte den Pappkarton auf den Boden des Autos, dann nahm Vic sie in die Arme.»Du bist meine Schwester, ich laß dich nicht außen vor.«

«Ich will nicht, daß sich was ändert. Daß du in eine andere Welt ziehst und ich nicht.«

«Schätzchen, dazu wird es nicht kommen. Ich bin schließlich nicht auf einem anderen Planeten. «Dann hielt sie Mignon die Beifahrertür auf.»Ich weiß nicht, was wird, aber das weiß keiner. was morgen wird, meine ich.«

«Meinst du, es gibt Beratungsbücher, was man macht, wenn man eine lesbische Schwester hat?«

Vic schüttelte den Kopf, schloß die Tür, ging um das Auto herum auf ihre Seite und stieg ein.»Nein. Weißt du, was ich meine?«

«Was?«

«Die vielen Bücher, wie man dies in den Griff kriegt und jenes versteht — alles Quatsch. Es gibt keine Regeln. Überleg doch mal. Die Regeln, nach denen zu leben uns beigebracht wird, haben sich lauter tote Menschen ausgedacht. Menschen, die wir nie kennen werden und die uns nicht kennen. Wie Amerika. Alles von weißen besitzenden Männern festgelegt. Ich sage nicht, daß das alles schlecht ist, ich sage bloß, daß keiner an uns gedacht hat.«

«Frauen?«»Auch. Aber am meisten wundert mich, warum alle gewillt sind, toten Menschen zu glauben.«

Mignon dachte auf der Heimfahrt ausgiebig darüber nach.»Was ist mit dem Wissen der Jahrhunderte?«

«Okay, es gibt Wissen, es gibt Inhalte, die weitergegeben werden müssen, aber ich stehe auf dem Standpunkt, sofern ich einen habe«, sie lachte,»daß jeder Einzelne alles nachprüfen muß. Man kann nicht einfach etwas glauben, nur weil jemand einem sagt, daß man es glauben muß. Verdammt, was wissen die denn? Es ist nicht ihr Leben.«

«Ja.«

«Was ja?«

«Ich verstehe deinen Standpunkt. Verstehst du meinen?«

«Der wäre?«

«Ich will nicht aus deinem Leben ausgeschlossen sein.«

«Wirst du nicht.«

Vic dachte eine Weile nach, während sie an Boonie Ashleys Laden vorbeifuhren.»Wenn man bedenkt, was für eine Jammergestalt das Tier namens Mensch schon seit so langer Zeit ist, dann ist es ein Wunder, daß überhaupt jemand Kinder kriegt.«

«Alles Kacke, Kotze, Kokolores. «Mignon rümpfte angewidert die Nase.»Man sollte meinen, wenn Gott so schlau wäre, hätte er 'ne bessere Lösung rausgerückt.«

«Männer denken nicht an solche Sachen. «Vic lachte.»Vielleicht ist Gott ja doch ein Mann.«

«Deswegen beten die Menschen zur Jungfrau Maria. «Mignon verschränkte die Arme.

«Und guck, wie weit sie es gebracht hat. Marias Barbecue.«

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