40

Das emotionale Knistern zwischen Vic und Chris blieb nicht unbemerkt, doch weder R. J. noch ihr Mann hätten die wahre Ursache erahnen können. Die stets großzügigen Savedges nahmen Chris von Herzen gern an den Feiertagen bei sich auf. Jinx und andere junge Menschen, die mit ihren Eltern nicht klar kamen, hatten im Laufe der Jahre oft den Weg zu den Savedges gefunden.

Das Essen mit den McKennas am Heiligen Abend war um sieben Uhr geplant.

Um halb fünf tauchte die Sonne am Horizont unter. Bunny hatte R. J. den ganzen Tag beim Kochen geholfen. Als die letzten Sonnenstrahlen die Landschaft übergossen, rief Don an und sagte, er habe sich ein bißchen verspätet, aber jetzt sei er endlich zu Hause. Er werde duschen, sich rasieren, anziehen und pünktlich bei den Savedges sein.

Um sechs rollte Edward Wallace in einem funkelnagelneuen Cadillac mit Georgia am Steuer durch die Zufahrt. Er brachte Yolanda einen Leckstein und mehrere in Scheiben geschnittene Äpfel, die er unter ihr Futter mischte.

Als er aufbrach, kam Bunny nach draußen, um noch einen Arm voll Holz zu holen.

«Frohe Weihnachten, Edward. Wann wird dein Transporter fertig?«

«Keine Ahnung. Georgia ist mit mir an der Werkstatt vorbeigefahren, aber ich glaube, da ist niemand mehr außer Don.«

«Du mußt dich irren. Er ist zu Hause.«

«Nein, ich hab seinen Wagen an der Seite stehen sehen — und einen neuen Dodge Ram.«

«Nora Schonfeld«, zischte Bunny leise.

R. J. fuhr zusammen, als Bunny in die Küche stürmte und das Holz vor den Küchenkamin warf.»Bunny!«

Bunny kümmerte sich nicht weiter um den Holzhaufen, den sie gerade abgeladen hatte.»Dieser Schuft! Er ist mit Nora Schonfeld im Büro. Edward hat ihr Auto gesehn.«

«Er ist ein alter Mann. Er wird sich geirrt haben.«»Edward ist ein alter Mann, aber ihm entgeht nichts. Ich schnapp mir Don. Dieses Weihnachten wird er nie vergessen!«Sie riß ihre Schürze herunter.

«Vic!«, rief R. J.

«Mom?«Vic kam in die Küche.

«Geh mit deiner Tante Bunny, ja? Sie wird es dir erklären, und du, hm, los, geht schon.«

«Ich brauch keine Aufpasserin!«, wütete Bunny.

«Mord am Heiligen Abend. Bunny, zähl bis zehn. Der alte Mann hat sich vermutlich geirrt.«

Vic warf ihre Daunenjacke über und lief wieder ins Wohnzimmer, um Chris und Mignon Bescheid zu sagen, daß sie eine Weile fort sein würde. Dann sprintete sie zum Auto, weil Bunny sonst wahrscheinlich ohne sie losgefahren wäre.

«Der kann was erleben!«Bunny nahm die Linkskurve hinter der Zufahrt so scharf, daß ihr Feldstecher auf den Boden gerutscht wäre, hätte Vic ihn nicht aufgefangen.

«Ja, Ma'am.«

«Er ist dort mit dieser Schlampe. Edward Wallace hat seinen Wagen und ihren Transporter beim Kundendienst stehen gesehen. Ich bring ihn um. Nein, der Tod ist zu gut für ihn. Vorher soll er nur leiden.«

«Er hat vielleicht ein anderes Auto genommen. Er hat schließlich jede Menge zur Auswahl.«

«Ich kenne ihn!«

«Fahr langsam, Tante Bunny.«

«Gut, daß du das mitkriegst. Die Männer sind alle gleich, Vic. Intrigante, verlogene, betrügerische Mistkerle. Denk daran, wenn du zum Traualtar schreitest.«

«Nicht so bald.«

«Der Ring an deinem Finger sagt was anderes. «Sie nahm wieder eine Kurve zu schnell.

«Tante Bunny, fahr langsamer.«

«Sei nicht so vernünftig! Du bist wie deine Mutter!«

«Ich möchte auch gern so alt werden wie meine Mutter.«

Bunny fuhr ein kleines bißchen langsamer.»Als ob er von mir nicht kriegen würde, was er will. Will er Sex, steh ich stets zur Verfügung. Merk dir das, verweigere dich Charly nie, wenn er Sex will. Wenn du das tust, sucht er ihn bei einer anderen. Männer halten Sex für ein Recht, nicht für ein Privileg.«

«Wir etwa nicht?«

«Werd nicht philosophisch. Frauen sind besser als Männer, und damit basta!«

«Ja, Ma'am.«

«Gott, ich hab gar nicht gewußt, daß der Laden so verdammt weit weg ist.«

«Tante Bunny, es ist nur eine Viertelstunde bis dahin. Du bist außer dir. Da kommt einem alles, äh, verzerrt vor.«

«Erzähl du mir nicht, was schief gelaufen ist. Du bist meine Nichte, nicht mein Guru.«

«Ja, Ma'am. «Vic fürchtete um die Sicherheit aller anderen Autos auf der Straße.

«Überleg es dir zweimal, ob du heiraten willst. Ich meine es ernst.«

Vic sagte tonlos:»Fahr langsam.«

«Wenn ich ihn nicht umbringe, könnte ich's an dir ausprobieren!«

Die glitzernden rotgoldenen Bänder bei McKenna-Dodge wehten im Wind, als Bunny das Tempo verlangsamte und von der Kundendienst-Einfahrt auf den Parkplatz schlich. Und wirklich, da stand Dons derzeitiges Auto neben einem neuen 1980er Ram. Aber das war nicht der von Nora Schonfeld.

Bunny richtete ihr neuestes, teuerstes Fernglas auf Dons Büro. Sie konnte mühelos durch die zahlreichen Fenster hindurchsehen.

«Siehst du ihn?«

«Nein. «Sie suchte das Terrain ab und hielt dann abrupt inne. Ein scharfes Einatmen verkündete, daß sie ihr Ziel gefunden hatte.

Vic griff nach dem Fernglas. Die fassungslose Bunny überließ es ihr. Vic bot sich das Schauspiel von Hojo auf ihrem Kommandoposten; ihre Hände umklammerten die Kante, die Beine waren gespreizt, der Rock hochgezogen, und Don rammelte von hinten drauflos. Es schien ein sehr fröhlicher Heiliger Abend zu sein bei McKenna-Dodge.

«O Scheiße. Das tut mir Leid, Tante Bunny.«

Bunny nahm Haltung an, ihre geistige Klarheit kehrte zurück.»Steig aus.«

«Wirklich, Tante Bunny. «

«Vic, steig aus.«

«Nein.«

«Dann schnall dich an. Es kann zu Turbulenzen kommen. «Sie lachte künstlich.»Diese Ansage wollte ich schon immer mal machen.«

Vic schnallte sich an und überlegte fieberhaft, was sie sagen könnte. Bunny wendete und fuhr zur Vorderseite der Autohandlung, schaltete zur Steigerung des Schreckens die Scheinwerfer ein, brachte den Motor auf Touren und krachte mitten durch die Glasscheibe in die Kommandozentrale.

Glas splitterte überall. Als Hojo die Scheinwerfer sah, koppelte sie sich von Don ab, hechtete über den Kommandoposten, rannte wie der Teufel zum Nebeneingang und schaffte es zu ihrem Auto.

Don, einen Schritt langsamer und etwas behindert durch eine Erektion — seine Schwanzspitze war so rot wie der Mantel vom Weihnachtsmann — , gelang es, sich hinter den Kommandoposten zu ducken, als der Wagen hinein krachte.

Bei noch laufendem Motor kurbelte Bunny ihr Fenster herunter.»Die Scheidungsunterlagen hast du morgen auf dem Schreibtisch. Fröhliche Weihnachten!«Sie setzte über das knirschende Glas zurück.

«Tante Bunny«, keuchte Vic.»Wir schaffen's nie bis nach Hause. Deine Reifen sind durchlöchert.«

«Du hast Recht. Geh, hol die Schlüssel von irgendeinem Wagen. Nein warte, wir nehmen den großen schwarzen Transporter draußen vor dem Eingang. Mir gehört jetzt der halbe Laden. unabhängig von dem Schuft! Das Auto ist mein Weihnachtsgeschenk für dich. «Sie schlug die Tür zu, schnappte sich ihr geliebtes Fernglas, während Vic zum Schlüsselbrett spurtete. Sie fand die Schlüssel für den schwarzen 1980er Ram- Halbtonner, lief zurück, nahm Bunny s Arm. Sie wollte nicht, daß Don von dort, wo immer er sich versteckt hatte, herauskam und Bunny zu Gott weiß was inspirierte.

Sie hörten Hojo mit durchgetretenem Gaspedal in ihrem roten Transporter um die Vorderseite der Autohandlung preschen.

«Die dreckige Hure knöpf ich mir später vor.«

«Gute Idee. Komm, Tante Bunny. Hast du deine Handtasche? Alles, was du aus deinem Wagen brauchst?«

Bunny drehte um und holte ihre Tasche. Dann ließ sie sich — ihre Gefühlsregungen schwankten zwischen Kampfeseuphorie und aufziehender Furcht — von Vic zu dem neuen Transporter führen.

Sie fuhren schweigend nach Surry Crossing zurück. Kaum waren sie durch die Hintertür, als Bunny beim Anblick ihrer Schwester in herzzerreißendes Schluchzen ausbrach. Frank, Mignon und Chris kamen in die Küche, um zu sehen, ob sie helfen konnten.

Die Arme um Bunny gelegt, sagte R. J. zu ihrem Mann:»Vielleicht beruhigt ein Scotch ihre Nerven. «Sie wandte sich an Mignon:»Herzchen, bring Tante Bunny Käse und Cracker. und einen Scotch mit Eis.«

«Ich will ihn nie wieder sehen«, tobte Bunny.

«Komm, wir gehen ins Wohnzimmer. «R. J. geleitete Bunny hinein.

Piper unter dem Baum schlug zum Gruß mit dem Schwanz.

Mignon stellte einen Teller Käse und Cracker auf den Couchtisch und reichte Bunny ihren Drink. Ein Feuer füllte das Zimmer mit tanzendem Licht, das Kirschholz verströmte seinen berauschenden Duft.

R. J. setzte Bunny aufs Sofa und sich daneben. Frank blieb stehen, er wußte nicht recht, was er sonst tun sollte. Mignon ließ sich in einen Ohrensessel plumpsen, Chris ebenso. Vic stellte sich neben ihren Vater.

«Frank, bereite die Scheidungsunterlagen vor.«

«Laß uns noch ein, zwei Tage warten«, riet er in beschwichtigendem Ton.

«Nein. Schenk mir die Scheidungspapiere zu Weihnachten. Ich gebe nicht klein bei und werd's mir nicht anders überlegen. Er hat eine Frau zu viel gehabt. Und den Transporter draußen schenke ich Vic.«

«Tante Bunny, ich kann das nicht.«

Bunny schnitt ihr das Wort ab.»Ich hätte dich verletzen können. Ich weiß, es war dumm, was ich getan habe, aber«, sie lachte bitter,»es hat sich gelohnt.«

R. J. rümpfte kurz die Nase, ihre Augenbrauen schnellten in die Höhe, dann faßte sie sich.»Bunny, was hast du getan?«

«Ich bin durch die Glasscheibe gefahren. Hab sie auf frischer Tat ertappt, in der verdammten Kommandozentrale — die ich entworfen habe.«

R. J. sah Vic an.

«Stimmt, sie ist durch die Scheibe gefahren. Wir haben den Wagen stehen lassen, wegen dem Glas. Ich nehme an, Onkel Don wird sich eine Erklärung für die Polizei und für die Versicherung einfallen lassen müssen.«

«>Ich hab meine Empfangsdame gebumst, als meine Frau durch die Glasscheibe fuhr.< Das dürfte dem Regulierungsbeauftragten gefallen. «Bunny lachte und weinte zugleich.

«Trink einen Schluck, Schätzchen. «R. J. hielt Bunny das Glas hin.

«Ich will keinen Drink. Ich will die Scheidung. «Sie deutete mit dem Finger auf Vic.»Überleg es dir zweimal, Victoria, überleg es dir zweimal. Charly mag jetzt ein wunderbarer Mensch sein, aber im mittleren Alter, da werden die Männer einfach. sie zeigen ihr wahres Gesicht.«

Frank überhörte das.»Möchtest du, daß ich in die Firma fahre und sehe, ob ich Don finden kann?«

Bunny, die Augen gerötet, überlegte.»Ist mir egal, ob er tot ist.«

Frank sah R. J. eine Weile an.»Hört mal, wir wollen doch nicht, daß das auf falsche Weise an die Presse gelangt. Mädels, hebt mir was vom Abendessen auf.«

«Wenn du meinen miesen Mann siehst, meinen baldigen ExEhemann, sag ihm, daß ich seine Visage nie wieder sehen will und daß ich ihn das nächste Mal umbringe.«

Frank antwortete nicht. Er ging aus dem Zimmer, zog seinen langen Kamelhaarmantel von Brooks Brothers an, der an den Ellbogen abgewetzt war, und öffnete die Hintertür, worauf ein Schwall kalter Luft hereinwehte.

«Dad. «Vic war ihm in die Diele gefolgt.»Meinst du, Onkel Don wird sie beim Sheriff verpfeifen?«

«Nein, aber sollte der Sheriff vorbeischauen, laß Bunny auf gar keinen Fall mit ihm sprechen. Aber ich glaube, dein Onkel Don dürfte im Moment froh sein, daß er am Leben ist. «Er stülpte sich seinen Hut auf den Kopf und ging.

Mignon kam zu Vic.»Schlimm, was?«

«Nicht gut.«

«Das war aber ganz schön cool.«

«Nicht, wenn man neben ihr saß. «Vic schüttelte den Kopf.

«Ich hab's gewußt.«

«Was hast du gewußt?«

«Daß Onkel Don Hojo bumst.«

«Herrgott Mignon, warum hast du nichts gesagt?«

«Weil ich ein Geheimnis für mich behalten kann«, erwiderte sie stolz.»Ich hab sie einmal erwischt, wie sie sich geküßt haben.«

«Also deswegen hat Hojo dir Ohrlöcher gestochen, obwohl sie genau wußte, daß Mom einen Anfall kriegen würde.«

«Ich hab sie aber nicht erpreßt. «Mignon schloß die Haustür. Die Kälte ließ sie schaudern.

«Hab vergessen, daß ich sie offen gelassen habe. «Vic fragte sich, wo sie mit ihren Gedanken war.»Es war richtig von dir, nichts zu sagen. Mom oder ich hätten nichts ändern können. Und wer möchte schon einer Frau eröffnen, daß ihr Mann mit einer anderen schläft. Du weißt, was mit dem Überbringer einer schlechten Botschaft geschah. «Sie fuhr sich mit dem Zeigefinger quer über den Hals.»Komm, wir gehn lieber wieder rein.«

Die zwei Schwestern platzten mitten in eine von Bunnys leidenschaftlichen Attacken.

Die leidgeprüfte Frau richtete ihren Blick auf Vic, als sie ins Zimmer trat.»Merk dir das. Besteh auf einem Ehevertrag. Jedes Schmuckstück, das er dir während der Ehe schenkt, gehört dir. Jegliches Vermögen, Aktien, Obligationen, alles, was von Wert ist, gehört dir zur Hälfte, weil du die Hälfte davon verdient hast. Ich weiß, daß du verliebt bist, aber mach das. Jetzt gleich. «Sie zeigte auf den großen Ring an Vics Finger.

Tränen liefen Chris übers Gesicht. Vic ging zu ihr, setzte sich auf die Sesselkante.»Ist ja gut. Komm, Chris, ist ja gut.«

Alle Gefühlsregungen des Tages hatten sich bei Chris aufgestaut.

Bestürzt setzte sich Mignon in den anderen Ohrensessel.

Bunny hielt ihre Tränen für einen Augenblick zurück.»Du auch, Chris. Merk dir das!«

Chris griff nach Vics Hand.

«Das war ein stürmischer Tag. «Vic hielt Chris' Hand.

«Was gibt's bei dir zu heulen?«Bunny dachte, daß sie mit ihrem Benehmen vielleicht Chris' Tränen ausgelöst hatte.

«Hier. «Mignon, die gern helfen wollte, hatte Chris einen Scotch eingeschenkt.

«Ich nehme an, mein Anblick macht keine Lust aufs Heiraten. «Bunny wischte sich mit dem Taschentuch, das R. J. ihr reichte, die Augen.»Du mußt die richtigen Papiere aufsetzen. Ganz egal, wie sehr du ihn im Moment liebst.«

Vic holte Luft und atmete dann langsam aus.»Mom, Tante Bunny, Mignon, ich werde Charly Harrison nicht heiraten.«

Sogar Bunny hörte zu weinen auf und starrte sie an.

R. J. nahm Bunnys Glas, trank von ihrem Scotch und reichte es dann ihrer Schwester, die fand, ein weiterer Schluck sei keine so schlechte Idee.

«Wow. «Mignon blinzelte.

«Es tut mir Leid. Es tut mir so Leid«, sagte Chris und fing wieder an zu weinen.

Vic klopfte ihr auf den Rücken.»Da gibt es nichts Leid zu tun. Es ist alles beschlossen.«

Bunny stellte die nahe liegende Frage:»Himmel noch mal, was ist hier eigentlich los?«

«Ich bin schwanger«, erklärte Chris schlicht und trocknete ihre Tränen.

Die verdutzte R. J. versuchte Chris zu beschwichtigen.»So etwas kommt vor, Liebes — wir helfen dir. Aber was hat das mit Vic und Charly zu tun?«

«Charly ist der Vater«, erklärte Vic ruhig.

«Hab ich's dir nicht gesagt, Männer sind Schweine!«Bunny tobte.»Den bring ich auch um. «Dann wandte sie sich an Chris.»Wie konntest du nur deine Freundin so hintergehen? Und diese ganze Familie, die dir nur Gastfreundschaft erwiesen hat?«

«Tante Bunny, hör auf. So ist es nicht. «Vics Stimme war eiskalt.

Da sie noch nie in diesem Ton mit ihrer Tante gesprochen hatte, war Stille garantiert. Aber nur für einen Augenblick. Bunny konnte sich nicht zurückhalten.

«Wie denn sonst? Sie haben dich beide betrogen!«Bunny kreischte es geradezu.

«Nein, haben sie nicht.«

R. J. schlug ganz ruhig vor:»Vielleicht kannst du uns aufklären.«

Mignon stand von dem Ohrensessel auf und stellte sich zu Vic. Sie wußte nicht, was kam, aber sie wollte ihrer Schwester beistehen.

Vic stand ebenfalls auf, behielt aber ihre Hand auf Chris' Schulter.»Es war eine Wende des Schicksals.«

«Nach meiner begrenzten Erfahrung«, sagte Bunny sarkastisch,»wird eine Schwangerschaft nicht durch eine Wende des Schicksals verursacht.«

«In diesem Fall schon. «Vic holte wieder Luft und atmete dann aus.»Wir sind alle miteinander ins Bett gegangen. Niemand hat irgendwen betrogen.«

«Wow. «Mignons Augen wurden so groß wie die Christbaumkugeln.

«Ihr alle?«Bunny versuchte das zu verarbeiten, aber ihr Verstand war benebelt.

«Charly, Chris und ich.«

«Victoria. «R. J. griff wieder nach dem Scotch.

«Mutter, es war nichts Schlimmes. Im Gegenteil, es war schön. Es ist einfach passiert. Wir waren glücklich. Wir haben uns geliebt.«

«Geliebt?«Bunny warf ihr einen feindseligen Blick zu.»Männer schlafen nicht mit anderen Frauen, wenn sie dich lieben.«

«Das tun sie wohl«, erklärte Vic ruhig.»Ich hab es angeregt. Es ging einzig und allein um die Liebe.«

«Aha«, sagte R. J. schlicht.

«Laß das Baby wegmachen«, fauchte Bunny.»Mach nicht drei Leben kaputt.«

«Nein. «Chris hatte die Sprache wiedergefunden.

«Sie macht nicht drei Leben kaputt. Charly, Chris und ich haben es durchgesprochen. Chris und ich werden das Kind aufziehen.«

«Was?«R. J. mußte beinahe würgen, dann fing sie an zu weinen.

Vic ging zu ihrer Mutter.»Mom, ist schon gut. Nicht weinen. Bitte nicht weinen.«

«Herzchen, du tust mir ja so Leid. Ich weiß, du liebst Charly und er liebt dich. Du brauchst nicht auf ihn zu verzichten und, also, ich versteh das alles nicht.«

«Sie wird einen anderen reichen Mann finden. Mit ihrer Schönheit könnte Vic einen verflixten arabischen Scheich heiraten und die Hälfte vom Öl der Welt besitzen.«

«Tante Bunny, ich heirate nicht.«

«Das sagst du jetzt. Das gibt sich wieder.«

«Mom, möchtest du noch einen Drink?«Vic reichte ihr das Glas.

«Kommt drauf an. «R. J.s grüne Augen suchten den Blick ihrer Tochter.

«Ich hab Charly gern, aber ich liebe Chris. Ihr seht also, was wir vorhaben, ist das Richtige.«

Mignon stand reglos.

«Wovon redest du?«, fragte Bunny brummig.

«Ich bin lesbisch.«

«Dann will ich meinen Transporter zurück!«

R. J. stellte das Glas auf den Couchtisch, sammelte sich, bis sie sich wieder gefaßt hatte.»Das muß sehr schmerzlich für dich sein, für euch beide. «Sie sah Chris an.

«Himmel, R. J. schlag sie ins Gesicht. «Bunny stand auf, aber R. J. zog sie wieder herunter.»Vic, du brauchst Urlaub von dir. Dann kommst du zur Vernunft«, fuhr Bunny fort.

«Bin ich schon. Ich bin froh, daß ich es gemerkt habe, bevor ich. Ach, das spielt jetzt keine Rolle. Wir drei haben unseren Beschluß gefaßt, und er ist gut.«»Ich sehe nicht, wie es ein guter Beschluß sein kann, uns zu erzählen, daß du lesbisch bist.«

«Das hat nichts mit dem Beschluß zu tun, Tante Bunny. «Mignon trat für Vic ein.

«Halt du den Mund«, knurrte Bunny sie an.

«Nein, Vic ist Vic. Sie hat nicht beschlossen, lesbisch zu sein.«

«Das geht vorbei. «Bunny verschränkte die Arme.

«Es geht nicht vorbei. Ich liebe Chris und sie liebt mich. «Vic versagte es sich zu weinen, trotz des Klumpens in ihrer Kehle.

«So ist es«, sagte Chris.

«Hast du immer so empfunden, Liebes?«, fragte R. J. ihre Tochter.

«Ich habe getan, was von mir erwartet wurde. Hab mich angepaßt. Ich habe keine Fragen gestellt. Ich bin ja nicht mit dem Wissen aufgewachsen, daß es einen anderen Weg gibt oder daß ich diesen anderen Weg gehen würde.«

«Hm. «R. J. überlegte eine Weile.»Ihr drei habt zuerst an das Kind gedacht, und das spricht für euch. Ich kann mir vorstellen, daß das alles ungeheuer schwierig ist. «Sie sah Chris an.»Ich bin froh, daß du das Baby behalten willst. «Dann sah sie Vic wieder an.»Ich glaube, ich werde eine Weile brauchen, um mich daran zu gewöhnen. Bist du deswegen vom College geflogen?«

«Nein, das war wirklich wegen der heiligen Jungfrau Maria.«

«Vic hat die Schuld für Charly und mich auf sich genommen. «Chris griff nach einem Papiertaschentuch.

«Verstehe.«

Das Schweigen, das folgte, wurde schließlich von Bunnys Geheul unterbrochen:»Und wo bleib ich?«

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