Die Welt kam ihr schärfer konturiert und bunter vor, als Vic sich aus Chris' Apartment und die Treppe hinunter schlich. Sie meinte durch die Kiefernnadeln sehen zu können, wie die einzelnen Regentropfen in winzige Wasserpartikel zerplatzten.
Der weiße Türsturz über dem Eingang, die sanfte Welle in den Fensterscheiben aus mundgeblasenem Glas, das satte Grün eines jeden Grashalms — die Welt mit ihrem Reichtum und ihrer Schönheit sprang sie förmlich an.
Sie hatte der tief schlafenden Chris einen Zettel da gelassen. Vic mußte zu einer frühen Vorlesung.
Als sie zum Campus fuhr, erfreute die Struktur der Backsteingebäude, die im Regen dunkelorange glänzten, ihre Augen.
Die Gesichter ihrer Kommilitonen fesselten sie. Sie konnte sich nicht auf die Französische Revolution konzentrieren, saß nur da und sah dem Regen zu, dachte zurück an Chris' Atem auf ihrem Hals, an ihre Hände, ihren süßen Duft.
Nach der Vorlesung lief sie die Treppe hinunter, hinaus in den Regen. Zwei Menschen wollte sie sehen, Charly und Jinx: Jinx, weil sie mit ihr reden konnte, Charly, weil sie hoffte, sich so zu ihm hingezogen zu fühlen wie zu Chris. Sie hoffte irgendwie, sexuelles Erwachen würde bedeuten, daß sie auch für ihn erwachen würde.
Sie trat in das Gebäude der naturwissenschaftlichen Fakultät. Sie holte Charly meistens nach der Vorlesung ab. Dann gingen sie ins Stadion und rannten die Stufen hinauf und hinunter.
«Schönste!«Er stürmte zu ihr.
«Sag das noch mal. «Sie umarmte ihn, sie wollte seinen Körper fühlen, wollte, daß er den schleichenden Verdacht vertrieb, der ihr in Bezug auf sich selbst im Kopf herumging. Sie brauchte seine Beständigkeit, seine Liebe.
Er hielt sein Chemiebuch über ihren Kopf.
«Wenigstens werden wir es kühl haben.«
«Ich liebe den Regen. Ich liebe jeden einzelnen Tropfen.«
Er spürte ihr Glück, ein Strahlen, das ihn umfing.»Ich liebe dich.«»Das will ich hoffen. «Sie legte ihren Arm um seine schmale Taille.»Ich liebe dich. Ich vergesse es manchmal, vergesse es dir zu sagen.«
Sie parkte vor der Turnhalle, sie zogen sich in den Umkleidekabinen um und trafen sich auf der Aschenbahn. Gewöhnlich liefen sie vier Runden auf der Bahn und nahmen dann die Stufen in Angriff. Vics unbändige Energie erstaunte ihn. Sie spürte die Anstrengung in ihren Waden erst bei den letzten Stufen.
Hinterher setzten sie sich auf die unterste Stufe, beide durchnäßt.»Wenn wir uns ausziehen könnten, brauchten wir nicht zu duschen. «Er neigte den Kopf nach hinten, ließ seine Zunge vom Wasser kitzeln. Dann küßte er Vic, während das Regenwasser von ihm tropfte.
Sie lachte.»Regeln. Wir sollten uns ausziehen und hier im Regen stehen können. Wenn wir zu Hause wären, könnten wir's.«
«Dann nichts wie hin. «Er stand auf und zog sie mit sich.
«Im Ernst?«
«Ja. Zieh dich um. Laß uns fahren.«
Fünfzehn Minuten später waren sie im Auto und nach weiteren fünfundvierzig Minuten in Surry Crossing.
Piper bellte in der Küche, als Vic durch die Tür kam. R. J.s Auto war nicht da, also mußte sie unterwegs sein, Besorgungen machen.
«Komm. «Vic zog sich aus und legte ihre Sachen ordentlich auf einen Küchenstuhl.»Ich erkläre es Mom, falls sie bald nach Hause kommt. «Sie schnappte sich zwei Handtücher, während Charly sein T-Shirt und seine Jeans auszog.
Ein schmaler Streifen blonder Haare zog sich über seine Brustmuskeln, das untere Ende des Streifens verlief zu einem Büschel Schamhaare, die einen beeindruckenden Penis umgaben.
Sie hatten ein Jahr lang geknutscht und gefummelt nach dem Motto>dran, aber nicht drin<, aber sie hatten sich noch nie nackt gesehen.
«Gott, bist du schön. Du bist so schön. «Er konnte kaum atmen; ein Stechen im Kreuz sagte ihm, daß sein Schwanz bald in Habachtstellung gehen würde.
«Danke, gleichfalls. «Vic nahm die Handtücher vom Tisch, ergriff seine Hand, und sie rannten zum Fluß.
Piper, die den Regen bis obenhin satt hatte, blieb in der Küche.
«Herrlich!«Vic lachte, als sie beim Bootssteg ankamen. Sie ließ Charlys Hand los, streckte die Arme aus, blickte zum Himmel hoch. Der James plätscherte an den Steg.
Charly tat es ihr nach. Das Wasser rann in Bächen über seinen Körper. Er sah auf sein steifes Glied hinunter.»Ich kann das Ding nicht immer unter Kontrolle haben, verstehst du?«
Sie schlang ihre Arme um ihn.»Warum solltest du auch? Es bedeutet, daß du lebendig bist.«
«Ich bin lebendig, wenn ich mit dir zusammen bin. «Er küßte sie. Er dachte, wenn er in diesem Augenblick stürbe, würde er als glücklicher Mann sterben. Nun ja, wenn er in sie eindringen könnte, dann würde er als ekstatischer Mann sterben.
Charly wog neunzig Kilo. Er hatte starke Muskeln, schwere Knochen, ein kräftiges Kinn. Vic spürte seine Brusthaare an ihren Brüsten. Chris wog vielleicht sechzig Kilo bei einer Größe von ungefähr einssiebzig. Ihr Körper hatte einen süßen Geruch.
Vic fühlte keine brennende Begierde, aber sie fühlte ein Ziehen, eine Wärme. Sie spürte seinen Penis an ihrem Bauch, ein angenehmes Gefühl, seine Hitze, das Pochen. Sie wollte wissen, wie es war, wenn sie sich richtig liebten. Wenn es ihr gefiel, dann war sie vielleicht nicht lesbisch. Das schien ihr logisch.
Sie griff nach ihm, legte die Hand um seine befriedigende Schwellung. Seine Knie zitterten.
«Mußt du dich hinsetzen?«Sie lachte.
«Vic, ich kann nicht atmen. Ich kann nicht stehen. Ich kann nicht denken.«
«Wenn wir auf der Nordseite des Stegs ins Wasser gehen und Mom nach Hause kommt, sieht sie uns nicht, bevor wir merken, daß sie da ist.«
«Ich tue alles.«
Sie ließen sich ins Wasser gleiten, das wärmer war als der Regen. Der weiche Schlamm ringelte sich zwischen ihren Zehen. Der Regen, der jetzt stärker fiel, klatschte auf ihre Haut. Vic fuhr mit der Hand an Charly hinauf und hinunter, sie küßte ihn; dann wälzte sie sich über ihn, aber nicht auf ihn. Er lehnte sich gegen den bemoosten Holzsteg, froh über die Stütze. Trotz des beruhigenden Wassers zitterten seine Beine.
Sie trieben sich gegenseitig zum Wahnsinn, bis sie ihn bestieg, eine neue Empfindung, und keine unangenehme, als sie sich erst auf seinen beträchtlichen Umfang eingestellt hatte.
Charly, der im Regen schwitzte, als litte er unter Fieber, flüsterte:»Ich weiß nicht, wie lange ich mich noch zurückhalten kann.«
Ihre rechte Hand lag an seinem Nacken, die linke an seinem kräftigen Kreuz.»Nicht — nicht zurückhalten.«
Er hielt sie ganz fest, war aber so sanft, wie er nur sein konnte. Er ergoß sich binnen sechzig Sekunden.
Vic fand es schön zu spüren, wie er zum Orgasmus kam.
Sie wußte, daß sie es in einer anderen Stellung könnte. Diese hier war nicht gerade die leichteste.
Charly hatte bisher in seinem Leben mit zwei Frauen geschlafen. Die eine war seine Highschool-Freundin; sie hatten es hastig getrieben, wo immer es sich unentdeckt machen ließ. Die andere war seine erste Freundin auf dem William and Mary College, im ersten Studienjahr. Er hatte das Grundlegende gemeistert, aber er wußte, daß es noch eine Menge zu erfahren gab und konnte es nicht erwarten, das alles mit Vic zu erfahren. Aber er hatte eine solche Achtung, eine solche Ehrfurcht vor ihr, daß er nie gedrängt hatte. Zudem besaß Charly ein großartiges Gespür für Menschen. Er wußte, ohne daß man es ihm sagen mußte, daß Vic keine Frau war, die sich zu Sex oder sonst etwas drängen ließ.
Sie umklammerte ihn, küßte ihn, massierte sein Kreuz, bis er ihr entglitt.
«Meinst du, daß jetzt welche von diesen kleinen Teilchen im James herumschwimmen?«Sie küßte ihn auf die Wange.
Er seufzte.»Du fühlst dich so gut an. «Er hielt kurz inne, seine Rückenmuskeln spannten sich.»Vic, ich hab gar nicht dran gedacht, was. «
«Ich auch nicht. Ich trage die Konsequenzen, falls es welche geben sollte. «Ihr war die unerfreuliche Aussicht in den Sinn gekommen, daß es beim Hetero-Sex null Spontaneität geben durfte.
Für Vic kam es auf keinen Fall in Frage, die Pille zu nehmen. Sollten andere Frauen ihr hormonelles Gleichgewicht vermurksen. Sie wollte das nicht. Das hieß Kondome kaufen — sicher nicht in Surry County, wo jeder mit jedem schwätzte — oder sich ein Pessar anpassen lassen, was bedeutete, daß man Sex planen oder unterbrechen mußte, um es einzusetzen.
Mit Chris war aufpassen nicht angesagt.
«Ich will dich heiraten. Ich werde dich auf alle Fälle heiraten. «Er schauderte einen Moment.
«Du mußt zuerst fragen.«
«Das will ich und das werde ich. «Er küßte sie.
Charly entstammte derselben Gesellschaftsschicht wie Vic, wo man eine Frau nicht einfach bat, einen zu heiraten. Man sprach zuerst mit ihrem Vater. Wenn sie keinen Vater hatte, sprach man mit ihrer Mutter oder einer anderen Autoritätsperson. Die Regeln für korrektes Benehmen hatten jahrhundertelange Umwälzungen in Virginia überdauert. Sie würden sich nie ändern. Der Mann hielt um die Hand einer Frau an, und wenn sie den Antrag annahm, sollte er unbedingt in der Lage sein, für sie zu sorgen. Das konnte Charly glücklicherweise.
Gaben zwei Menschen sich einfach ohne das ganze schickliche Drum und Dran das Jawort, dann war das ein Armutszeugnis, selbst wenn sie reich waren.
Sie stiegen aus dem Wasser und gingen zurück zum Haus; der heftige Regen wusch den Flußgeruch ab. Piper grüßte sie schwanzwedelnd.
Vic wand ein Handtuch um Charly und eins um sich selbst. Dann rieb sie ihn ab und spürte, daß er wieder einen Steifen hatte.
«Vielleicht kriegen wir's hin, daß niemand was merkt.«
Sie rannten die Treppe hinauf, liefen in Vics Schlafzimmer und warfen sich auf ihr breites Bett.
Sie schlang die Beine um ihn, ganz so wie Chris es nachts zuvor mit ihr gemacht hatte. Der Höhepunkt war harmonisch. Charly kam im selben Augenblick wie sie; sie war dankbar, daß er es so lange ausgehalten hatte.
Er stützte sich auf die Ellbogen.»Welchem Umstand verdanke ich dieses denkwürdige Ereignis?«
«Ich hatte keine Lust mehr, noch länger zu warten. «Sie küßte ihn wieder.»Komm, laß uns duschen. «Als sie aufstand, lief sein Sperma aus ihr heraus.»Erstaunliches Zeug. «Sie lachte.
Ein wenig tropfte noch aus seinem Penis. Er wischte es mit dem Finger ab.»Gibt es Anstandsregeln für Körperflüssigkeiten?«
«Ich denke, wir lecken uns entweder sauber, wischen es ab oder waschen es weg. Davon haben sie mir im Benimmunterricht nichts gesagt. Ist bloß 'ne Vermutung.«
Sie duschten, liefen nach unten und zogen sich an.
Vic hatte gerade den Kühlschrank aufgemacht, als R. J. und Bunny hereinkamen. Nach einer stürmischen Begrüßung zog Bunny ein neues Fernglas aus einer glänzenden blauen Einkaufstüte.
«Zeiss zehn mal sechsundfünfzig. Damit kann ich nachts sehen.«
«Das ist ja Spitze, Tante Bunny.«
«Fragt nicht, was es gekostet hat. «Bunny reichte Charly das Glas. Als niemand fragte, fügte sie hinzu:»Ein Vermögen.«
«Das kann man wohl sagen. «R. J. ging zum Kühlschrank.»Hungrig? Dumme Frage. Setzt euch hin, alle miteinander. Ich werde ein kulinarisches Wunder vollbringen.«
«R. J. ich esse jeden Krümel, den du mir vorsetzt. «Bunny nahm das Fernglas wieder an sich, nachdem auch Vic es begutachtet hatte.»Ist es nicht einmalig? Ich würde ja sagen, guck mal durch, aber der Regen. «Bunny stand auf, hielt sich das Fernglas an die Augen.»Ich kann sogar bei diesem Wetter sehen. Oh, es ist einfach das Beste, das Allerallerbeste. Hier, Charly.«
Er stand auf, um durch das Glas zu sehen.»Donnerwetter, Mrs. McKenna, damit könnten Sie sich bei der Antiterroreinheit melden.«
Während sie plauderten, bereitete R. J. das Mittagessen für sie zu. Sie liebte es, Leute zu beköstigen. Im Nu hatte sie kaltes Roastbeef, einen Laib frisches Weizenvollkornbrot, Kartoffelsalat, Mayonnaise, Senf, saure Gurken und gefüllte Eier aufgetischt.
«Mom, du mußt geahnt haben, daß wir kommen.«
«Zufällig hatte deine Schwester hier gestern Abend eine Versammlung ihres Pep-Clubs, nur die Funktionäre, und das hier sind die Reste. Sie kann prima organisieren.«
Bunny legte immer wieder ihre Gabel hin und griff nach dem neuen Fernglas. Sie konnte die Hände nicht davon lassen.»Oh, ich bin hin und weg. Ich werde Don die Rechnung nicht zeigen. Ich hab's von meinem eigenen Konto bezahlt.«
«Charly, wir haben dich letztes Wochenende vermißt, und ich nehme an, dieses Wochenende werden wir dich wohl wieder vermissen«, sagte R. J.
«Es ist immer ein Vergnügen, Sie bei den Spielen dabei zu haben, Mrs. Savedge.«
«Vielleicht fahren wir übernächstes Wochenende alle zusammen zu einem Spiel hinüber. Dann kannst du hinterher mit uns zurückfahren und den Rest des Wochenendes hier verbringen.«
«Das wäre super. «Er lächelte. Er mochte R. J. gern und Bunny auch. Er hatte sie den Sommer über ein bißchen näher kennen gelernt, als er mit ihr und Frank Savedge Golf gespielt hatte.
«Was habt ihr getrieben, ihr zwei?«Bunny hoffte, sie würde eine ausweichende Antwort bekommen, irgendwas, das ihre Fantasie beflügelte, da Don sie in letzter Zeit nicht mehr beflügelte.
«Wir wollten im Regen in den Fluß springen«, sagte Charly.
«Oh. Vorsicht, ihr zwei — man kann nie wissen, was da drin rumschwimmt«, warnte Bunny.
«Du hast ja so Recht, Tante Bunny«, stimmte Vic ihr zu und lächelte.