Eine blaßgraue Staubfahne — Splitt aus Austernschalen — wehte zu dem türkisblauen Himmel hinauf, der dieselbe Farbe hatte wie Vics 61er Impala. Mit dem offenen Verdeck und ihren im Wind flatternden Haaren verkörperten die drei Insassinnen pure Jugend, absolute Freiheit, gepaart mit absoluter Ungewißheit.
R. J. ging die sanfte Anhöhe zum Haus hinauf, einem schlichten Holzschindelhaus aus dem Jahre 1734. Der ursprüngliche Bau, eine Blockhütte, war 1642 bei einem Indianerüberfall abgebrannt. Man hatte sie trotzig wiederaufgebaut, und als Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, dem Tabak sei Dank, Geld aus England floß, hatte die dritte Vance-Generation ein solides Holzhaus gebaut mit großen Fenstern, ein untrügliches Zeichen für Wohlstand, und es Surry Crossing getauft.
Weiter westlich hinter Sloop Point grenzte Claremont Manor an Surry Crossing. Über den unendlich breiten Fluß konnte man von Sandy Point bis Dancing Point sehen. Der Blick allein lohnte die Plackerei und das Blutvergießen von Generationen.
Der Impala kam mit quietschenden Reifen zum Stehen (Gott verhüte, daß Vic jemals langsam führ), die Türen gingen auf, und Jinx sprang von hinten über den Fahrersitz.
Während alle sich umarmten und Chris vorgestellt und ihrerseits umarmt wurde, kam eine zweite Staubwolke in Sicht, begleitet von dem rauhen Dröhnen eines starken Dieselmotors. Am unteren Ende des langen Zufahrtsweges quietschten Bremsen, dann setzte sich das Dröhnen fort, da der Wagen schnell weiterfuhr.
«Hey. Bin gleich wieder da. Ich hol den Racker ab. «Während Vic in ihr Auto sprang und die Zufahrt hinunterpreschte, machten R. J. und Bunny mit Chris einen Rundgang, beginnend bei dem riesigen Walnußbaum, der unmittelbar nach dem Krieg von 1812 gepflanzt worden war.
Ihre Bücher unter dem Arm, blickte Mignon hoch und sah ihre ältere Schwester auf sie zurasen. Vic tat so, als würde sie sie ansteuern, dann trat sie auf die Bremse. Mignon heuchelte kühle Gelassenheit.
«Lahme Ente«, sagte die jüngere Savedge.
«Springt rein, Euer Verrücktheit.«
Mignon warf die Bücher auf den Rücksitz, dann stieg sie auf der Beifahrerseite ein.»Niedrigkeit.«
«Blödigkeit. «Vic wendete den Wagen.
«Sieh lieber zu, daß du keine neuen Reifen für diese Karre kaufen mußt, Vic. Du weißt, Dad hat was dagegen, wenn du Kunststücke auf zwei Rädern vollführst.«
«Dad ist nicht hier.«
Sie kicherten. Vic fuhr zurück zum Haus.
«Ich hab 'ne Eins in. «Mignon unterbrach sich.»Wer ist das?«
«Chris Carter. Eine Freundin vom College.«
«Wo ist Charly?«
«Hat morgen ein Footballspiel.«
«Oh. Gehst du hin?«
«Nein. Hab hier einiges zu tun.«
«Klar. «Mignons Ton deutete an, daß sie wußte, was mit >einiges< gemeint war, dabei hatte sie keine Ahnung. Sinnlos, es unbedingt rauskriegen zu wollen; Vic würde sie bloß an der Nase rumführen.
Gerade als Mignon hinzutrat, um sich Chris vorstellen zu lassen, sagte Tante Bunny:»Mein richtiger Name ist Beatrice. Wenn er für Dante gut genug war, sollte er auch für mich gut genug sein, aber Orgy, ich meine R. J. nennt mich Bunny, seit wir Krabbelkinder waren. Hallo, Mignon.«
«Hi, Tante Bunny.«
«Chris Carter, das ist meine schreckliche kleine Schwester Mignon Catlett Savedge. Ich hab ihren Mittelnamen mitgenannt, damit sie sich besser anhört, als sie wirklich ist.«
«Dein Mittelname ist. «Mignon war drauf und dranScheißhaufen zu sagen, dann besann sie sich, daß sie das nicht vor jemand tun sollte, den sie eben erst kennen gelernt hatte. Nun ja, eigentlich sollte eine Südstaatenlady so etwas überhaupt nicht in den Mund nehmen.»Dein zweiter Mittelname ist Knalltüte.«
«Klugschwätzerin. «Vic schubste Mignon.
«Ist gut jetzt, ihr zwei. «R. J. warf ihnenden gewissen Blick zu.»Chris, komm rein. Ich helfe dir mit deinem Gepäck.«
«Ich hol's schon. «Mignon hatte ihr Stichwort erkannt.
«Es sind bloß zwei Bücher auf dem Rücksitz und eine rote Stofftasche.«
«Alles klar.«
R. J. wandte sich an Jinx.»Schläfst du bei uns oder zu Hause?«
«Meiner Mutter muß man um jeden Preis aus dem Weg gehen. «Jinx zog die Mundwinkel hoch.
«Pfui, so was sagt man nicht. «Bunnys Tonfall ließ das genaue Gegenteil erkennen.
«Du mußt irgendwann zu ihr, wenn ich an Möbel kommen soll«, sagte Vic.
«Kommt Mädels, macht euch erst mal frisch. «R. J. scheuchte sie ins Haus. Bunny ging in die Küche, um für alle Eistee einzuschenken.
Als sie wieder herunterkamen, stellte sie Gläser hin und ein paar Sandwiches, die sie gemacht hatte. Sie trugen alles in den Innenhof.
«Spielst du morgen?«, fragte Vic ihre Tante.
«Sie gewinnt den dämlichen Golf-Cup jedes Jahr. «R. J. ließ sich die Butter auf ihrem Hühnchen-Sandwich schmecken.
«Sicher, aber schmälert das den Triumph? Spielst du Golf, Chris?«
«Nein, ich würd's aber gern lernen.«
«Bleib nur hier. Dann hast du keine andere Wahl. «Bunny sah das Sonnenlicht auf einem geblähten leuchtend gelb-roten Spinnaker glitzern und hob instinktiv ihren Feldstecher an die Augen.
«Tante Bunny trifft man selten ohne ihr Fernglas«, klärte Vic Chris auf.
«Ihr könnte ja was entgehen. «R. J. lachte.
«Sie wäre bestimmt eine gute Detektivin«, meinte Mignon.»Weißt du was, Tante Bun, ich denke ernsthaft über einen Beruf nach, und ich möchte gern Detektivin werden. «Mignon bewunderte den Klang ihrer eigenen Stimme.
«Das würde zu dir passen. «Vic griff nach den Kartoffelchips.
«Schnüfflerin«, fügte Jinx hinzu.
«Ich eine Schnüfflerin? Ha! Jinx, du solltest sehen, was deine kleine Schwester gemacht hat. «Mignon fuhr fort:»Sie hat ein Loch in die Jungs-Umkleide gebohrt und knöpft uns einen Dollar fürs Gucken ab.«
Bunny blinzelte.»Die meisten Männer zeigen's dir umsonst.«
«Chris. «R. J.s Stimme wurde seidenweich.»Wirklich beängstigend, welch großen Wert wir auf gutes Benehmen legen.«
Chris lachte.»Ich könnte Sie überraschen, Mrs. Savedge.«
«Das will ich hoffen. «R. J. lächelte.
«Ich bin in die Hockey-Juniorliga aufgenommen«, warf Mignon ein.
«Das war letzte Woche. «Vic schlug Mignon auf die Hand, als sie rüberlangte, um Vic die Hälfte von ihrem Sandwich zu mopsen.»Wenn du weiter so viel ißt, wirst du Torhüterin.«
«Torhüterinnen müssen schnell sein.«
«Tja, dann wird dein fetter Arsch wohl auf der Bank sitzen.«
«Vic«, mahnte R. J.
«Ist doch wahr«, sagte Vic.»Aber fetter Arsch hätte ich nicht sagen sollen. Wie war's mitüppiges Hinterteil«
«Wirklich, sehr witzig, ich könnte sterben vor Lachen. «Mignon war stinksauer.
«Laßt euch von uns nicht bremsen«, sagte Jinx, die praktisch zur Familie gehörte.
Als Mignon merkte, daß sie ins Hintertreffen geraten war, versuchte sie etwas anderes, um im Rampenlicht zu bleiben.»Chris, haben Mom und Tante Bunny dir die Geschichte des Hauses erzählt?«
«Haben wir. mehr oder weniger. «R. J. gab noch einen Löffel Zucker in ihren Tee.
«Warum das Haus gelb gestrichen ist?«
«Hm, nein«, sagte R. J.
Mignon erklärte eifrig:»1834 hat Robert Vance eine schöne Frau aus Wien in Österreich geheiratet, und sie hatte blaues Blut in den Adern. Sie hat das Haus gelb gestrichen, weil das die Farbe der kaiserlichen Bauten in Wien ist.«
«Muß eine Prinzessin gewesen sein. «Jinx sah Vic verschmitzt an.
«Ja, in unserer Familie fließt blaues Blut. «Vic schlug einen scherzhaften Ton an.»Mignon, die Kartoffelchip-Prinzessin.«
Mignon warf Jinx und Vic einen wütenden Blick zu.
«Es ist sehr schön, das Gelb mit den charlestongrünen Fensterläden«, bemerkte Chris.
«Prinzessin Bockmist«, flüsterte Vic Mignon zu, wobei sie das WortPrinzessin in die Länge zog.
«Ich hasse dich«, flüsterte Mignon zurück.
«Küßchen, Küßchen. «Vic schürzte die Lippen, und Mignon warf ihr blitzschnell eine Essiggurke ins Gesicht.
«Mignon. «R. J. bemühte sich um einen strengen Ton.
«Ich wollte, es wäre eine große Eiswaffel. Kaltes Erdbeereis, das ihr die Nase hochsteigt.«
Vic wischte sich das Gesicht ab.»Ich mag kein Erdbeereis.«
«Eben«, trällerte Mignon.
«Ich bin meinen zwei Nichten ja so dankbar. «Bunny beugte sich zu Chris vor.»Sie haben mich von jeglichem Kinderwunsch geheilt.«
«Mich haben sie auch geheilt«, meinte R. J. lakonisch.
Alle lachten. Bei Mignon dauerte es eine Sekunde, aber dann lachte sie mit.
Bunny warf einen Blick auf ihre goldene Rolex mit dem Jubilee-Armband. Bunny hatte ein Faible für teure Spielsachen.»Ich muß meinen Wagen abholen. «Sie sah Vic an.»Herzchen, fährst du mich zur Firma? Deine Mom hat alle Hände voll zu tun.«
«Klar, Tante Bunny. Chris, komm mit. Du kriegst Aussichten und Ansichten zu sehen. Jinx?«
«Klar, außer«, sie sah R. J. an,»Sie brauchen mich hier, um aufräumen zu helfen. «Sie hielt kurz inne.»Wo ist Piper?«
«Im Tabakschuppen«, antwortete R. J.»Ein Murmeltier oder ein Fuchs oder ein Stinktier, ich weiß es nicht genau, hat da einen Bau unter der Rückwand, und sie liegt auf der Lauer. Ich brauch dich nicht zum Aufräumen, aber danke für das Angebot, das meine reizenden pflichtbewußten Töchter unterlassen haben.«
«Mom, ich hätte dich gefragt«, protestierte Mignon.
«Ach ja?«Vic kniff Mignon.
«Ich hab dich nichts sagen gehört.«
«Wie konnte ich? Du hast geredet. Oh, wie ist das schön, nach Haus kommen und meine Schwester sehn.«
«Du bist gemein. «Mignon rümpfte die Nase, genoß aber sichtlich die Aufmerksamkeit.
Mit fünfzehn hatte sie noch ein bißchen Babyspeck auf den Rippen, aber den älteren Familienangehörigen war klar, daß Mignon sich zu einer hübschen Frau mausern würde, vielleicht nicht so schön wie ihre Mutter und ihre Schwester, aber durchaus attraktiv. Sie war ungeduldig, weil sie es noch nicht sehen konnte. Sie hatte das Gefühl, ewig zu brauchen, um erwachsen zu werden.
«Wenn's ein Fuchs oder ein Stinktier ist, kann man's riechen. «Vic stand auf und räumte ihren und Chris' Teller ab.
«Nicht unbedingt. «R. J. kannte sich mit Tieren aus.»Tiere können ihren Geruch an- und abstellen. Außerdem ist der alte Räuchergeruch im Schuppen noch sehr stark, und ich stecke meine Nase in keine Öffnung von einem Tierbau. Was, wenn da Junge drin sind?«
«Gute Frage«, erwiderte Vic und steuerte auf die Hintertür der Küche zu.»Aber es ist zu spät in der Saison, glaub ich.«
«Mom, wenn du aufhören würdest zu rauchen, würde dein Geruchssinn besser funktionieren«, meinte Mignon selbstgefällig.
«Ich weiß. «R. J. seufzte.»Ich kann jederzeit mit dem Rauchen aufhören, wenn ich will. Hab ich schon oft getan.«
«Also ich verzichte nicht auf meine Glimmstengel«, erklärte Bunny trotzig.»Eine Frau braucht ab und zu eine kleine Dosis, um sich den Tag zu verschönern. Besser als sich Pillen verschreiben zu lassen wie Nora Schonfeld und etliche andere, die ich euch nennen könnte.«
Nora Schonfeld war die sexy jüngere Frau, mit der Don in diesem Frühjahr ein Techtelmechtel gehabt hatte. Auf Bunnys Drängen hatte er ihr jedoch den Laufpaß gegeben.>Drängen< war Bunnys Beschönigung. Bei der Erwähnung des Namens sagte keine ein Wort. Kein einziges Wort.
Nach dieser kurzen peinlichen Pause meinte Vic, die ihrer Mutter mit jedem Tag ähnlicher wurde:»Aber du bist klüger als Mom, du rauchst wenigstens Filterzigaretten.«
«Dafür raucht sie doppelt so viele wie ich. «R. J. lachte.
«Tja… mag schon sein. «Bunny wurde lebhaft.»Aber ich mag meine Kools mit Menthol. Mir gefällt das Pinguin-Logo.«
«Ist doch alles Humbug«, meinte R. J. und lachte.»Die Kunststoff-Filter und die Chemikalien, die dem Tabak zugesetzt werden, machen ihn erst richtig schädlich, das schwör ich. Wenn du schon rauchst, dann rauch eine saubere Zigarette und damit hat sich's.«
Auf der Fahrt nach Surry kamen sie an Boonie Ashleys Verbrauchermarkt vorbei, drei Kilometer vom Haus entfernt. Der viel zu kleine Parkplatz war gedrängt voll; die Leute nahmen auf dem Heimweg schnell noch ein Brot mit — lieber noch ein Sechserpack Bier.
«Boonie ist das größte Klatschmaul«, klärte Mignon Chris auf. Sie hatte sie unterwegs auf Sehenswürdigkeiten hingewiesen. Zwischen historische Informationen streute sie Leckerbissen wie:»Hier hat Vic Dads Auto zu Schrott gefahren.«
«Männer sind viel schlimmere Klatschmäuler als Frauen«, verkündete Bunny über den Fahrtwind hinweg.»Sie nennen es bloß anders. Und wie sie jubeln, wenn einer von ihnen Mist baut. Mmm, mmm. «Sie intonierte dies, wie es für Südstaatenfrauen typisch war, das erste» Mmm «hoch und das zweite tiefer.
In Virginia waren ganze Frauenregimenter imstande, sich völlig ohne Worte zu verständigen.Mmm, mmm konnte so gut wie alles bedeuten.
Das Autohaus, gut anderthalb Kilometer außerhalb von Surry gelegen, war beeindruckend. In den riesigen Fenstern des Hauptgebäudes aus Stahl und Glas spiegelten sich der Himmel und die Kumuluswolken. Drinnen war ein erhöhter runder Empfangsbereich auf einem Podest. Hojo Haines, die hübsche, etwa zwanzigjährige Empfangsdame, residierte dort in der Kommandozentrale.
Mehrere kleinere Nebengebäude waren eher traditionell gehalten und mit sauberen weißen Schindeln verkleidet.
Der edle, blank polierte Terrazzofußboden des Hauptgebäudes wurde beherrscht von drei neuen Modellen, zwei Personen- und einem Lieferwagen; ein jeder wurde angestrahlt.
Wenn Kunden zum Haupteingang hereinkamen, begrüßte sie Hojo, die für Bunnys Geschmack etwas zu hübsch und ein bißchen zu jung war, und rief einen Verkäufer. Aber sie war vernünftig genug, sie sich einfach nur umschauen zu lassen, wenn sie das wünschten. Hojo trug mit Vorliebe hautenge Hosen, Blusen in leuchtenden Farben, hohe Absätze, große Ohrringe und extravagant lackierte Fingernägel. Sie behandelte die Kundschaft mit unfehlbarer Freundlichkeit.
Just in diesem Augenblick stand Hojo vor dem schönen Hauptgebäude und unterhielt sich mit niemand anderem als Nora Schonfeld. Noras Sohn, ein Klassenkamerad von Mignon, war bei seiner Mutter.
«Dieses Miststück. «Bunny konnte es sich nicht verkneifen.
Jinx beugte sich zu Chris hinüber und flüsterte ihr die Geschichte von Nora und Don ins Ohr.
Mignon machte große Augen. Dies konnte sich als ein hochinteressanter Ausflug erweisen. Tante Bunny war für ihre spontanen Reaktionen bekannt, im Gegensatz zu R. J. die sich immer unter Kontrolle hatte.
«Tante Bunny. «Vic überlegte rasch und warf einen Blick auf den Wartungsbereich.»Nora ist hier, weil ihr Transporter beim Kundendienst ist.«
Richtig. Nora Schonfelds Dodge Ram, ein nagelneues 1980er Modell, stand auf dem Kundendienst-Parkplatz.
«Miststück«, murmelte Bunny erneut, als Vic vor dem Schalter der Reparaturannahme anhielt.
Die Frau in der Kabine winkte Vic zu. Alle in der Firma kannten und mochten die schöne junge Frau. Welchen Job auch immer sie im Sommer angepackt hatte, sie hatte ihn kompetent und klaglos erledigt. Sie war sogar mit aufs Dach gestiegen, um Blinklichter auswechseln zu helfen, die nicht ordentlich montiert gewesen waren.
Als Bunny zum Schalter ging, um ihren Schlüssel zu holen, wandte sich Vic an Mignon.»Lauf hin und sieh zu, daß du Buzz und Nora in den Ausstellungsraum lotst. Mach schnell, Mignon, bevor es eine Szene gibt!«
So sehr Mignon eine Szene herbeiwünschte, gab sie sich doch damit zufrieden, eine wichtige Rolle in dem Drama zu spielen. Sie stürmte hinaus, lief zu Buzz und schaffte es, Hojo, Nora und Buzz in das Gebäude zu lotsen. Jinx sagte leise:»Die nächste Autohandlung ist in Williamsburg.«
«Ja, ein dummer Zufall, daß sie ausgerechnet hier ist, wenn Tante Bunny ihren Wagen abholen kommt.«
«Ist deine Tante nicht oft hier?«, fragte Chris.
«Doch, aber Onkel Don kann die Dinge meistens deichseln. Er hat jede Menge Erfahrung«, erwiderte Vic bitter.
«Ja, aber mit Nora war's anders. «Jinx verstummte rasch, als Bunny zurückkam.
«Danke, Mädels. Wir sehen uns morgen nach meinem Sieg.«
Bunny hatte sich so weit gefangen, daß sie zu ihrem Auto gehen konnte, ohne sich Don vorzuknöpfen. Sie wollte ihn später zur Rede stellen. Chris fiel auf, daß Bunny sich mit demselben energischen Gang bewegte, den alle Savedge-Frauen hatten; sie gingen mit einem leichten Wippen. Bunny sah sehr gut aus. Ihre Haarfarbe war ein natürliches intensives Kastanienbraun, ihre Schultern waren breit und ihre Hüften nicht zu ausladend. Sie trug ein paar Pfunde zu viel mit sich herum, aber es war unmöglich, von Bunny Savedge McKenna nicht gefesselt zu sein.
Was Chris von Nora erspäht hatte, genügte, um eine kurvenreiche Frau Anfang dreißig mit langen Haaren zu erkennen. Sie strahlte jenes unbeschreibliche gewisse Etwas aus das Männer bemerkten und mochten, Frauen jedoch bemerkten und ablehnten — gekünstelte Weiblichkeit.
Bunny war hübsch, Nora sexy.
Chris sah Vic an, die beides in Hülle und Fülle hatte. Was sie selbst betraf, war Chris sich nicht sicher, was sie hatte — aber sie wußte, daß es ihr nie an männlicher Beachtung fehlte.
Mignon kam zurückgesprintet.
«Gut gemacht«, lobte Vic.
«Hat Tante Bun keine Handgranate geworfen?«
«Noch nicht«, sagte Jinx, dann wandte sie sich Chris zu.»Willkommen in Surry County.«
Chris lachte.»Mir gefällt's hier.«
«Okay, Vic. «Mignon stieg vorne ein.
«Nicht okay. Chris, du sitzt vorne. Du bist der Gast.«
Dagegen konnte Mignon nichts einwenden, drum stieg sie zu Jinx auf den Rücksitz.
«Gehst du mit mir heute Abend zu dem Footballspiel? Wir spielen gegen Smithfield.«
«Nein. «Vic fuhr vom Parkplatz und winkte dabei den Leuten zum Abschied.»Hast du keine Verabredung?«
«Nein. «Mignon verzog das Gesicht.
«Was hast du gegen Buzz Schonfeld?«Jinx lächelte; sie wußte, wenn Mignon mit Buzz ginge, würde Bunny in Ohnmacht fallen.
«Sehr komisch. «Eine Pause.»Ich bin bei den Jungs nicht sehr gefragt. «Sie setzte sich aufrecht.»Chris, dich mögen sie bestimmt. Du bist schön.«
Chris wurde rot.»Danke.«
«Geh doch mit Lisa hin«, schlug Jinx vor. Lisa war ihre jüngere Schwester, auf die sie nicht allzu gut zu sprechen war.
«Vielleicht«, sagte Mignon ohne Überzeugung.
«Na komm, Mignon. Tu nicht so hilflos. Wenn du mit jemand zu dem Spiel gehen wolltest, würdest du gehen.«
Mignon zuckte mit den Achseln. Sie war ein beliebtes Mädchen, aber sie hatte mit den Hormonschüben in ihr und anderen zu kämpfen und wurde manchmal von der Ungehobeltheit ihrer Mitschüler im zweiten Highschooljahr überrumpelt.
«Kurskorrektur«, trällerte Jinx.»Heiß. Eis. Uns ist heiß.«
«.wir wollen Eis«, fielen die anderen ein.
Vic fuhr in die Stadt und steuerte die Eisdiele an. Die langen schrägen Sonnenstrahlen färbten sie alle bronzebraun, und der Wind blies Chris' Bluse auf, die sie wegen der Hitze ohnehin schon weit aufgeknöpft hatte.
Vic bemerkte das Sonnenlicht auf Chris' Brüsten, und unvermittelt schoß eine Flamme wie eine Eidechsenzunge durch sie hindurch.