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Der Seelsorger, dem Vics Geständnis, von dem ihm Dekan Hansen berichtet hatte, zunächst nicht ganz geheuer war, stürzte sich alsbald voller Enthusiasmus darauf. Die Bestrafung einer schönen Frau verschaffte größere emotionale Revanche als die Bestrafung eines Mannes.

Pastor Whitby hatte Dekan Hansen und den zwei anderen Herren von der College-Verwaltung, die ihn begleiteten, großzügig Sherry angeboten.

Als ersten Schritt gedachte der Pastor einen Zeitungsreporter anzurufen und ihm die Story zu erzählen. Dekan Hansen wandte ein, das College habe dieses Jahr schon genug negative Schlagzeilen gemacht. Lieber vergeben und vergessen.

Der Pastor sträubte sich. Junge Leute müßten für ihre Missetaten zur Rechenschaft gezogen werden.

Als die Diskussion sich zu einem Monolog des Pastors ausweitete, wurde dem Dekan und seinen Kollegen klar, daß der einzige Weg, ihn zufrieden zu stellen und zugleich das College zu schützen, die Bestrafung Victoria Savedges war. Obwohl keiner von ihnen dies wünschte, zumal sie einen makellosen Ruf und gute Zensuren hatte, mußten die Erfordernisse des Ganzen über seine Teile gestellt werden.

Nach zwei Stunden, in denen der Pastor eifrig nach der Karaffe gegriffen hatte, endete die Besprechung. Der Pastor erklärte sich einverstanden, weder der Lokalzeitung noch dem Radio oder Fernsehen die Story zu berichten und Victorias Namen nicht zu nennen. Dekan Hansen würde sie vom William and Mary College verweisen. Der Kardinal-Newman-Gruppe auf dem Campus würde natürlich die Ehre zuteil werden, einen Vortrag des Seelsorgers über den Bibelauftrag bezüglich der Beziehungen zwischen Männern und Frauen geboten zu bekommen. Der Pastor hatte das Gefühl, daß die katholische College-Gruppe ihm aus dem Weg ging. Man versicherte ihm, daß die kirchlichen Gruppen des Campus alle sehr beschäftigt waren. Eine Kränkung sei nicht beabsichtigt. Das Semester vergehe halt wie im Fluge.

Mit einem breiten Lächeln schloß der beschwichtigte Pastor die Tür seines Amtszimmers. Alles andere als begeistert kehrten die drei Herren von der College-Verwaltung zum Campus zurück. Sie hatten den Kompromiß erreicht, daß der Vorfall nicht in Vics Zeugnis erwähnt wurde. Sie würde das College verlassen müssen, aber das würde in ihrer Akte unerwähnt bleiben.

Als Dekan Hansen Vic am späten Mittwochvormittag in sein Büro rief, war er von ihrer Ruhe beeindruckt. Aber er war ja von vornherein von ihr beeindruckt gewesen, als sie sich zu dem Streich bekannt hatte. Sie dankte ihm dafür, daß er ihr Zeugnis ohne Makel ließ.

Sie fragte, ob ihr die Arbeiten verloren gingen, die sie bislang angefertigt hatte. Dies würde bedeuten, daß sie, wohin auch immer sie wechselte, ein ganzes Jahr vollenden müßte statt ein Semester. Er sagte, leider würden ihr die Arbeiten verloren gehen. Es gebe keine andere Möglichkeit, da sie das Schlußexamen nicht ablegen könne.

Vic bat den Dekan, bis Freitag zu warten, bevor er ihre Eltern verständigte. Sie wolle nach Hause und selbst mit ihnen sprechen.

Er war einverstanden.

Vic gab ihm die Hand, ging hinaus und atmete die klare Herbstluft tief ein. Sie war voll gründlicher Entschlossenheit. Sie wußte nicht genau, warum, aber sie hatte ein gutes Gefühl.

Sie hinterließ im Wohnheim eine Nachricht für Charly und versprach, ihn am Abend anzurufen; sie werde morgen nach Hause fahren, um es ihren Eltern zu beichten.

Jinx hatte Vorlesung, darum ging Vic zu ihr nach Hause und hinterließ eine ähnliche Nachricht.

Sie spazierte über den Campus zurück und bemerkte die Symmetrie der eleganten Backsteingebäude, die von Ordnung kündete. Und Konformismus. Strenge. Ihr war, als sähe sie das William and Mary College, ihre Alma Mater, auf neue Weise und zum ersten Mal.

Chris entdeckte Vic, die im Flur vor ihrem Seminar über amerikanische Dichtkunst wartete.»Hallo.«

«Hallo.«

Schweigend gingen sie die Treppe hinunter auf den Rasen.

«Du siehst glücklich aus, Vic.«

«Bin ich auch. Ich bin ein freier Mensch«, sagte sie mit einem leisen Lächeln.

«O nein. «Chris teilte ihr Glück nicht. Sie fürchtete, daß Vic es in ein, zwei Jahren bereuen würde. Zudem hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie nicht ebenfalls gestanden hatte.

«Ich fühl mich, rein.«

«Und ich fühl mich mies, weil ich mich nicht dazu bekannt habe.«

«Du bist aufs Examen angewiesen, ich nicht. Außerdem war's meine Idee.«

«Ich hab mitgemacht.«

«Du hörst dich genauso an wie Charly.«

«Er hat Recht. «Es versetzte Chris jedes Mal einen Stich, wenn Charlys Name fiel.

«Ich weiß, was ich tue. Und jetzt laß uns nach Hause gehen und feiern. «Sie flüsterte ihr ins Ohr:»Ich mach dich so geil, daß du mich drum anflehen wirst.«

Chris wurde rot.»Vic, dein bloßer Anblick macht mich geil.«

«Dann eben noch geiler. «Vic hätte sie gern aufs Ohr geküßt.»Wir wollen uns lieben und lieben und nochmals lieben. Dann muß ich nach Hause und es hinter mich bringen. «Sie seufzte.

«Heute Abend?«

Vic antwortete nach einer Pause:»Morgen früh. Aber du wirst mich vielleicht fesseln müssen, um mich heute Abend festzuhalten. «Sie zwinkerte.

«Woher hast du nur diese Ideen?«Chris staunte über Vics unersättliche sexuelle Energie und Fantasie.

«Keine Ahnung. Aber bevor ich dich kannte, hatte ich sie nie.«

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