Hercule Poirot saß im viktorianischen Sommerhaus. Er holte seine große Uhr aus der Tasche und legte sie vor sich auf den Tisch.
Er hatte verkündet, dass er mit dem Zwölf-Uhr-Zug fahren würde. Eine halbe Stunde blieb ihm also noch Zeit. Eine halbe Stunde, in der jemand einen Entschluss fassen und ihn aufsuchen könnte. Vielleicht nicht nur eine Person ...
Das Sommerhaus war von den meisten Fenstern des Hauses aus gut zu sehen. Sicher würde bald jemand kommen?
Wenn nicht, dann war seine Kenntnis der menschlichen Natur ungenügend und seine These inkorrekt.
Er wartete. Über seinem Kopf saß eine Spinne in ihrem Netz und lauerte auf eine Fliege.
Als Erstes kam Miss Gilchrist. Sie war aufgebracht und bekümmert und redete ziemlich inkohärent.
«Ach, Mr. Pontarlier ... ich kann mir Ihren anderen Namen nicht merken», begann sie. «Ich musste einfach kommen und mit Ihnen reden, obwohl ich es nicht gerne tue - aber ich habe das Gefühl, dass es meine Pflicht ist. Ich meine, nach dem, was heute Morgen mit der armen Mrs. Leo passiert ist ... Und ich finde, Mrs. Shane hat völlig Recht - das war kein Zufall, und bestimmt kein Schlaganfall - wie Mrs. Timothy meinte. Mein Vater hat mal einen Schlaganfall gehabt und das war völlig anders und außerdem hat der Arzt klar und deutlich Gehirnerschütterung gesagt.»
Sie hielt inne, holte Luft und sah Poirot flehentlich in die Augen.
«Ja.» Poirots Stimme war sanft und ermunternd. «Sie möchten mir etwas sagen?»
«Wie gesagt, ich tue es nicht gern - sie ist so nett zu mir gewesen. Sie hat mir die Stelle bei Mrs. Timothy verschafft und alles. Sie ist wirklich sehr nett zu mir gewesen. Deswegen komme ich mir so undankbar vor. Sie hat mir sogar Mrs. Lansquenets Bisamjacke gegeben, die wirklich wunderschön ist und mir wunderbar passt, weil es bei Pelz keine Rolle spielt, wenn er etwas zu groß ist Und als ich ihr die Amethystbrosche zurückgeben wollte, wollte sie nichts davon hören »
«Sie sprechen von Mrs Banks?», erkundigte Poirot sich leise.
«Ja, sehen Sie ...» Miss Gilchrist blickte zu Boden und spiel-te verzweifelt mit den Fingern. Dann schaute sie auf und schluckte heftig. «Wissen Sie, ich habe gelauscht!»
«Sie meinen, Sie haben zufällig eine Unterhaltung mit angehört.»
«Nein.» Miss Gilchrist schüttelte mit heroischer Entschlossenheit den Kopf. «Ich möchte lieber die Wahrheit sagen. Und es ist nicht so schlimm, das Ihnen zu sagen, weil Sie kein Engländer sind.»
Hercule Poirot verstand, was sie sagen wollte, ohne Anstoß daran zu nehmen.
«Sie meinen, ein Ausländer hält es für selbstverständlich, dass man hinter Türen lauscht und Briefe öffnet oder herumliegende Briefe liest?»
«O nein, ich würde nie einen Brief öffnen, der nicht an mich adressiert ist», protestierte Miss Gilchrist empört. «Das würde ich nie tun. Aber ich habe gelauscht, an dem Tag - an dem Tag, als Mr Richard Abernethie seine Schwester besuchte. Ich war neugierig, wissen Sie, weil er nach all den Jahren so plötzlich auftauchte. Ich wollte den Grund wissen ... und ... und ... wissen Sie, wenn das Leben etwas eintönig ist und man wenig Freunde hat, dann interessiert man sich eben ... ich meine, wenn man mit jemandem zusammenlebt.»
«Nur zu verständlich »
«Ja, ich finde es auch verständlich ... Aber natürlich ist es deswegen trotzdem nicht richtig. Aber ich hab’s getan. Und ich habe gehört, was er sagte!»
«Sie haben gehört, was Mr. Abernethie zu Mrs. Lansquenet sagte?»
«Ja. Er sagte etwas wie
Ich konnte nicht genau hören, was Mrs. Lansquenet darauf sagte, aber ich habe das Wort
Miss Gilchrist brach ab.
«Ich verstehe, ich verstehe», murmelte Poirot.
«Aber ich wollte das nie weitersagen und niemandem erzählen. Ich glaube nicht, dass Mrs. Lansquenet das gewollt hätte. Aber jetzt, nach dem Überfall auf Mrs. Leo heute Morgen und dann sagen Sie so beiläufig, das sei ein Zufall. Aber Monsieur Pontarlier, das war kein Zufall!»
Poirot lächelte.
«Nein, es war kein Zufall», pflichtete er bei. «Ich danke Ihnen, Miss Gilchrist, dass Sie zu mir gekommen sind. Das war sehr wichtig.»