II


In einem Abteil dritter Klasse desselben Zugs sagte zu der Zeit Gregory Banks gerade zu seiner Frau: «Deine Tante hat ja wohl nicht alle Tassen im Schrank!»

«Tante Cora?» Susan antwortete gleichmütig. «Na ja, soweit ich weiß, galt sie immer als ein bisschen einfältig.»

«Irgendjemand sollte sie wirklich zur Vernunft bringen, damit sie solche Sachen nicht einfach so herausposaunt», meinte George Crossfield, der den beiden gegenübersaß, scharf. «Das könnte die Leute noch auf komische Gedanken bringen.»

Rosamund Shane zog gerade angelegentlich den Schwung ihrer Lippen nach. «Was eine solche Schlampe sagt, darauf gibt doch sowieso niemand was», murmelte sie. «Mit den Klamotten und den kilometerlangen Jett-Ketten ...»

«Man sollte ihr den Mund stopfen», sagte George.

«Also gut, Süßer», lachte Rosamund, steckte ihren Lippenstift weg und betrachtete selbstgefällig ihr Spiegelbild. «Stopf du ihr doch den Mund.»

«Ich finde, George hat Recht», warf unerwartet ihr Mann ein. «Es ist so leicht, die Gerüchteküche in Gang zu setzen.»

«Wäre das so schlimm?» Rosamund dachte über ihre Frage nach. Die geschwungenen Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln. «Das könnte doch lustig sein.»

«Lustig?», fragten vier Stimmen unisono.

«Ein Mord in der Familie», sagte Rosamund. «Spannend!»

Gregory Banks kam der Gedanke, dass Susans Cousine, von ihrem anziehenden Äußeren einmal abgesehen, eine gewisse Ähnlichkeit mit ihrer Tante Cora besaß. Ihre nächsten Worte bestärkten diesen Eindruck noch.

«Wenn er wirklich ermordet wurde - wer könnte es gewesen sein?», fragte Rosamund.

Ihr Blick wanderte nachdenklich durchs Abteil.

«Sein Tod kommt uns doch allen sehr gelegen», fuhr sie langsam fort. «Michael und ich sind absolut pleite. Mick hat eine wirklich fantastische Rolle am Sandbourne Theatre angeboten bekommen, müsste aber noch eine Weile darauf warten. Jetzt, wo wir im Geld schwimmen, können wir’s uns leisten. Wir könnten sogar selbst ein Stück produzieren, wenn wir Lust dazu haben. Ich denke da auch schon an eins, das eine wunderbare Rolle hat ...»

Niemand achtete auf Rosamunds begeisterte Ausführungen.

Alle waren ganz mit ihrer eigenen unmittelbaren Zukunft beschäftigt.

«Gerade noch davongekommen», dachte George. «Jetzt kann ich das Geld zurückgeben, ohne dass jemand davon erfährt ... Aber es stand Spitz auf Knopf.»

Gregory schloss die Augen und legte den Kopf an die Rük-kenlehne. Der Sklaverei entkommen.

Susan brach das Schweigen mit ihrer klaren, eher spröden Stimme. «Natürlich tut es mir Leid um den armen Onkel Richard, aber schließlich war er doch schon sehr alt, und Morti-mer ist tot, und er hatte nichts mehr, wofür sich noch zu leben lohnte. Und es wäre schrecklich für ihn gewesen, noch jahrelang todkrank weiterzuleben. Für ihn war’s viel besser, so plötzlich abzudanken, ohne viel Aufhebens.»

Ihre harten, zuversichtlichen jungen Augen wurden weicher, als sie die versunkene Miene ihres Mannes betrachtete. Sie liebte Greg über alles. Unbewusst ahnte sie, dass sie Greg weniger bedeutete als er ihr - aber das steigerte ihre Leidenschaft nur noch. Greg gehörte ihr, für ihn würde sie alles tun. Wirklich alles ...

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