I


Das Telegramm traf gegen sechs Uhr abends ein.

Wie eigens verlangt, wurde es persönlich zugestellt und nicht per Telefon übermittelt. Hercule Poirot, der sich schon geraume Zeit in der Nähe der Haustür herumgetrieben hatte, riss es Lanscombe förmlich aus der Hand, als dieser es vom Boten entgegen nahm.

Mit ebenso untypischer Hast öffnete er das Schreiben. Innen standen drei Worte und eine Unterschrift.

Poirot stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.

Dann holte er aus seiner Hosentasche eine Ein-Pfund-Note und reichte sie dem verblüfften Botenjungen.

«Es gibt Momente, in denen man jegliche Sparsamkeit fahren lassen muss», sagte er zu Lanscombe.

«Das könnte möglich sein, Sir», erwiderte Lanscombe höflich.

«Wo ist Inspector Morton?», fragte Poirot.

«Einer der Herren Polizisten» - Lanscombe sprach mit Abscheu und deutete damit subtil an, dass gewisse Dinge wie Namen von Polizisten sofort der Vergessenheit anheim fielen -«ist fort. Der andere hält sich meines Wissens im Herrenzimmer auf.»

«Großartig», sagte Poirot. «Ich gehe sofort zu ihm.»

Er versetzte Lanscombe einen Klaps auf die Schulter. «Courage! Wir stehen kurz vor dem Ziel!»

Lanscombe sah ein wenig bestürzt drein; wieso sollte der exotische ausländische Herr kurz vor dem Ziel stehen, wo seine Abfahrt doch erst bevorstand?

«Planen Sie denn nicht, den Zug um einundzwanzig Uhr dreißig zu nehmen, Sir?», fragte er.

«Geben Sie die Hoffnung nicht auf.» Damit wandte Poirot sich zum Gehen, drehte sich dann aber noch einmal um. «Erinnern Sie sich noch an die ersten Worte, die Mrs. Lansquenet zu Ihnen sagte, als sie am Tag der Beerdigung Ihres gnädigen Herren hier ankam?»

«Daran erinnere ich mich sehr gut, Sir.» Lanscombes Gesicht hellte sich auf. «Miss Cora - verzeihen Sie, Mrs. Lansquenet -irgendwie denke ich immer noch als Miss Cora an sie ...»

«Das kann ich verstehen.»

«Sie sagte zu mir:

Poirot nickte.

«Ja», sagte er. «Das habe ich erwartet. Doch, das war sehr typisch.»

Er ging auf der Suche nach Inspector Morton ins Herrenzimmer und reichte ihm wortlos das Telegramm.

Morton las es verwundert.

«Ich verstehe kein Wort.»

«Die Zeit ist gekommen, mich Ihnen zu erklären.»

Inspector Morton grinste.

«Sie klingen wie eine junge Dame aus einem viktorianischen Melodram. Aber es ist wirklich Zeit, dass Sie mit etwas herausrücken. Recht viel länger kann ich diese Farce nicht aufrechterhalten. Der junge Banks besteht immer noch darauf, dass er Richard Abernethie vergiftet hat, und prahlt, dass wir ihm nie etwas werden nachweisen können. Was ich einfach nicht verstehe, ist, warum bei jedem Mord immer jemand aufkreuzt und erklärt, er sei’s gewesen! Was versprechen die Leute sich davon? Das geht über meinen Verstand.»

«In diesem Fall vermutlich Flucht vor der Aufgabe, Selbstverantwortung zu übernehmen - anders gesagt: das Sanatorium Forsdyke.»

«Broadmoor ist wohl wahrscheinlicher.»

«Das könnte denselben Zweck erfüllen.»

«Hat er es wirklich getan, Poirot? Diese Gilchrist hat mir dieselbe Geschichte erzählt wie Ihnen, und das würde gut zu dem passen, was Richard Abernethie über seine Nichte sagte. Wenn ihr Mann es getan hat, dann ist sie daran beteiligt. Irgendwie kann ich mir zwar nicht vorstellen, dass das Mädchen eine ganze Reihe von Verbrechen begeht. Aber sie würde vor nichts Halt machen, um ihn zu schützen.»

«Ich werde Ihnen alles berichten ...»

«Ja, ja, berichten Sie mir alles! Und jetzt beeilen Sie sich schon, Mann Gottes!»

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