II


Dieses Mal bat Hercule Poirot seine Zuhörer, sich im großen Salon zu versammeln.

Auf den Gesichtern, die sich ihm zuwandten, lag eher Belustigung als Spannung. Mit der Ankunft von Inspector Morton und Superintendent Parwell hatte ein Gefühl von Bedrohung um sich gegriffen. Angesichts der uniformierten Polizisten, die Verhöre führten und Aussagen verlangten, war Privatdetektiv Hercule Poirot beinahe zu einer Art Witzfigur verblasst.

Timothy brachte die allgemeine Empfindung zum Ausdruck, als er im gut vernehmbaren Flüsterton zu seiner Frau sagte: «Aufgeblasener kleiner Wichtigtuer! Entwhistle hat wohl den Verstand verloren - was anderes kann man das nicht nennen!»

Der allgemeinen Stimmung nach zu urteilen, würde Hercule Poirot große Mühe haben, die gewünschte Wirkung zu erzielen.

Er begann auf seine etwas hochtrabende Art.

«Zum zweiten Male verkünde ich meine bevorstehende Abfahrt! Heute Vormittag setzte ich sie für den Zug um zwölf Uhr an. Heute Abend verkünde ich sie für den Zug um neun Uhr dreißig - das heißt, gleich nach dem Abendessen. Ich fahre, weil es hier nichts mehr für mich zu tun gibt.»

«Das hätte ich ihm die ganze Zeit schon sagen können.» Timothy war nicht bereit, seine Kommentare für sich zu behalten. «Es hat überhaupt nie etwas für ihn zu tun gegeben. Diese Frechheit!»

«Ursprünglich kam ich hierher, um ein Rätsel zu lösen. Das Rätsel ist gelöst. Lassen Sie mich zuerst die verschiedenen Punkte ansprechen, auf die der vortreffliche Mr. Entwhistle mich aufmerksam machte.

Zum einen stirbt Mr. Richard Abernethie eines plötzlichen Todes. Zum Zweiten sagt seine Schwester Cora Lansquenet nach seiner Beerdigung:

Nun, wie ich Ihnen heute Vormittag bereits erklärte, ich bin im Verlauf meiner Ermittlung auf nichts - überhaupt nichts -gestoßen, das den Verdacht erhärtet, Mr. Abernethie sei vergiftet worden. Gleichermaßen, wie ich hinzufügen muss, habe ich nichts entdeckt, das einen Tod durch Gift schlüssig widerlegt. Doch wenn wir fortfahren, gestalten sich die Dinge einfacher. Es steht außer Zweifel, dass Cora Lansquenet bei der Beerdigung ihre Aufsehen erregende Frage stellte. Darüber herrscht Einstimmigkeit. Ebenso unstrittig ist, dass Mrs. Lansquenet am darauf folgenden Tag ermordet wird - mittels eines Beils. Lassen Sie uns nun das vierte Element der Handlungsreihe eingehender betrachten. Der Paketpostbote ist sich relativ sicher -obwohl er keinen Eid darauf schwören möchte -, dass er das Päckchen mit dem Hochzeitskuchen nicht zustellte. Wenn dem so ist, dann wurde das Päckchen von Hand abgegeben. Und obwohl wir keine cunbekannte Person) ausschließen können, müssen wir doch unser besonderes Augenmerk auf die Personen richten, die tatsächlich anwesend und in der Lage waren, das Päckchen dort hinzulegen, wo es in der Folge gefunden wurde. Dabei handelt es sich um Miss Gilchrist selbst; um Susan Banks, die an jenem Tag zur gerichtlichen Untersuchung gekommen war; Mr. Entwhistle - aber ja doch, wir müssen auch Mr. Entwhistle einbeziehen; schließlich war auch er zugegen, als Cora ihre Aufsehen erregende Bemerkung machte! Und noch zwei weitere Personen waren anwesend. Ein alter Herr, der sich als ein gewisser Mr. Guthrie ausgab, ein Kunstkritiker, und eine Nonne oder mehrere Nonnen, die am frühen Vormittag an die Tür klopften und um eine Spende baten.

Ich beschloss, von der Voraussetzung auszugehen, dass die Erinnerung des Paketpostboten korrekt war. Somit musste die kleine Gruppe von Verdächtigen eingehend untersucht werden. Miss Gilchrist profitierte in keinster Weise von Richard Abernethies Tod und nur in sehr kleinem Maße von Mrs. Lansquenets - im Gegenteil, deren Ableben beraubte sie ihrer Arbeitsstelle und brachte sie in die missliche Lage, eine neue Stelle suchen zu müssen. Zudem wurde Miss Gilchrist erwiesenermaßen mit einer Arsenvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert.

Susan Banks profitierte durchaus von Richard Abernethies Tod und in kleinerem Umfang auch von Mrs. Lansquenets -obwohl das Motiv hier zweifellos eher in Sicherheit begründet läge. Sie hätte guten Grund haben können zu glauben, dass Miss Gilchrist eine Unterhaltung zwischen Cora Lansquenet und ihrem Bruder mit angehört hatte, in der sie namentlich erwähnt wurde, und so beschloss sie, dass Miss Gilchrist ausgeschaltet werden musste. Vergessen Sie nicht, sie selbst weigerte sich, den Hochzeitskuchen zu essen, und wollte den Arzt, als Miss Gilchrist nachts von Übelkeit befallen wurde, auch erst am folgenden Tag rufen.

Mr. Entwhistle profitierte von keinem der beiden Todesfälle - aber er hatte beträchtlichen Einfluss auf Mr. Abernethies Geschäfte und die Treuhandfonds ausgeübt, und es hätte einen guten Grund geben können, weshalb Richard Abernethies Leben nicht allzu lange währen sollte. Aber - werden Sie einwenden -, wenn es Mr. Entwhistle war, warum sollte er sich dann an mich wenden?

Und darauf antworte ich: Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Mörder seiner Sache allzu sicher ist.

Nun kommen wir zu denjenigen, die ich die beiden Außenstehenden nennen möchte - Mr. Guthrie und eine Nonne. Wenn Mr. Guthrie tatsächlich Mr. Guthrie der Kunstkritiker ist, dann ist er freigesprochen. Dasselbe gilt für die Nonne, wenn sie tatsächlich eine Nonne ist. Die Frage lautet - sind diese Leute das, wofür sie sich ausgeben, oder sind sie jemand anders?

Und ich muss hinzufügen, es zieht sich offenbar das sehr seltsame - motif, möchte ich es einmal nennen - einer Nonne durch die ganzen Ereignisse. Eine Nonne kommt an die Tür von Mr. Timothy Abernethies Haus, und Miss Gilchrist glaubt, es handelt sich um dieselbe Nonne, die sie in Lytchett St. Mary gesehen hat. Zudem stand eine Nonne, oder zwei Nonnen, am Tag vor Mr. Abernethies Tod hier an der Haustür ...»

«Drei zu eins, dass es die Nonne war», murmelte George Crossfield.

«Das sind also einige Elemente unseres Rätsels», fuhr Poirot fort. «Der Tod Richard Abernethies, die Ermordung von Cora Lansquenet, der vergiftete Hochzeitskuchen, das motif der .

Ich möchte einige weitere Elemente des Falls hinzufügen, die meine Aufmerksamkeit erregten.

Der Besuch eines Kunstkritikers, der Geruch nach Ölfarbe, eine Postkarte des Hafens von Polflexan und schließlich ein Wachsblumenstrauß auf dem Malachittisch, wo jetzt eine chinesische Vase steht.

Es war das Erwägen all dieser Elemente, das mich zur Wahrheit führte - und ich stehe nun kurz davor, Ihnen diese Wahrheit zu eröffnen.

Den ersten Teil erzählte ich Ihnen bereits heute Vormittag. Richard Abernethie ist plötzlich gestorben - und es hätte keinen Anlass gegeben, Argwohn zu schöpfen, wenn seine Schwester Cora bei der Beerdigung nicht die sonderbare Bemerkung gemacht hätte, die sie nun einmal machte. Der einzige Hinweis, dass Richard Abernethie ermordet worden sein könnte, besteht in diesen Worten. Als Folge davon waren Sie alle der Ansicht, dass tatsächlich ein Mord stattgefunden hatte, und Sie glaubten das - weniger wegen der Worte an sich als vielmehr wegen des Charakters von Cora Lansquenet. Denn Cora Lansquenet war dafür bekannt, in peinlichen Momenten die Wahrheit zu sagen. Das heißt, der Verdacht, dass Richard ermordet worden war, kam nicht nur wegen Coras Worten auf, sondern vor allem wegen Cora selbst.

Und nun komme ich zu der Frage, die ich mir plötzlich selbst stellte:

Wie gut kannten Sie alle Cora Lansquenet?»

Er schwieg einen Moment.

«Was meinen Sie damit?», fragte Susan scharf.

«Gar nicht gut - das ist die Antwort!», fuhr Poirot fort. «Die jüngere Generation hatte sie überhaupt nie kennen gelernt oder wenn, dann nur als kleine Kinder. Im Grunde waren an jenem Tag nur drei Leute im Haus, die Cora Lansquenet überhaupt kannten: der Butler, der alt und praktisch blind ist; Mrs. Timothy Abernethie, die sie nur wenige Male gesehen hatte, und das in der Zeit vor ihrer eigenen Hochzeit; und Mrs. Leo Aber-nethie, die sie recht gut kannte, aber seit über zwanzig Jahren nicht mehr gesehen hatte.

Also sagte ich mir: Angenommen, es war gar nicht Cora Lansquenet, die an jenem Tag an der Beerdigung teilnahm?»

«Wollen Sie damit sagen, dass Tante Cora nicht Tante Cora war?» Susan klang ungläubig. «Wollen Sie sagen, dass gar nicht Tante Cora ermordet wurde, sondern jemand anders?»

«O nein, es war Cora Lansquenet, die ermordet wurde. Aber es war nicht Cora Lansquenet, die am Tag zuvor der Beerdigung ihres Bruders beiwohnte. Die Frau, die an dem Tag kam, kam aus nur einem Grunde - um die Tatsache von Richards plötzlichem Tod zu ihrem Vorteil auszunutzen. Und um in den Köpfen seiner Anverwandten den Verdacht zu erwecken, er sei ermordet worden. Was ihr glänzend gelang!»

«Unsinn! Warum? Wozu sollte das gut sein?», fragte Maude aufgebracht.

«Warum? Um die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Mord abzulenken. Vom Mord an Cora Lansquenet selbst. Denn wenn Cora sagt, dass Richard ermordet worden ist, und sie am folgenden Tag selbst ermordet wird, werden die beiden Todesfälle in Zusammenhang gebracht, als Ursache und Wirkung. Aber wenn nur Cora ermordet und ihr Haus ausgeraubt wird und wenn die Theorie vom Raubüberfall die Polizei nicht überzeugt, wo beginnt sie ihre Suche dann? In unmittelbarer Umgebung, nicht wahr? Der Verdacht fällt als Erstes auf die Frau, die mit ihr im Haus lebte.»

Miss Gilchrist protestierte fast ein wenig zu schrill. «Aber kommen Sie - wirklich - Mr. Pontarlier - Sie wollen doch nicht behaupten, ich würde wegen einer Amethystbrosche und einigen wertlosen Bildern einen Mord begehen?»

«Nein», räumte Poirot ein. «Etwas mehr war es schon. Unter den Bildern war eines, Miss Gilchrist, das den Hafen von Pol-flexan darstellte und das, wie Mrs. Banks scharfsichtig bemerkte, nach einer Postkarte gemalt wurde, auf der die alte Pier noch abgebildet war. Aber Mrs. Lansquenet malte immer nach der Natur. Da fiel mir wieder ein, dass Mr. Entwhistle erwähnt hatte, es habe im Haus nach Ölfarbe gerochen, als er das erste Mal dort war. Sie können doch malen, nicht wahr, Miss Gilchrist? Ihr Vater war Maler und Sie verstanden einiges von Malerei. Angenommen, eines der Bilder, die Cora billig auf einem Trödelmarkt gekauft hatte, war sehr wertvoll. Angenommen, sie selbst erkannte das nicht, Sie aber bemerkten es. Sie wussten, dass Cora bald den Besuch eines alten Freundes erwartete, der ein bekannter Kunstkritiker war. Dann stirbt plötzlich ihr Bruder - und Ihnen kommt ein Plan in den Sinn. Es ist ganz leicht, ihr morgens ein Beruhigungsmittel in den Tee zu geben, so dass sie den ganzen Tag der Beerdigung bewusstlos im Bett liegt, während Sie in Enderby ihre Rolle übernehmen. Sie kannten Enderby sehr gut aus ihren Erzählungen. Cora hatte, wie Menschen eines gewissen Alters es zu tun pflegen, häufig über ihre Kindheit gesprochen. Es war sehr leicht für Sie, als Erstes dem alten Lanscombe gegenüber eine Bemerkung über Baisergebäck und Hütten fallen zu lassen, um ihm Ihre Identität glaubhaft zu versichern, falls er daran zweifeln sollte. Doch, Sie haben Ihr Wissen von Enderby an dem Tag sehr gut eingesetzt, mit Anspielungen auf dieses, mit Erinnerungen an jenes. Niemand vermutete, dass Sie nicht Cora waren. Sie trugen Coras Kleidung, ein wenig ausgepolstert, und da Cora immer falsche Ponyfransen anlegte, konnten Sie ihr das leicht nachmachen. In den letzten zwanzig Jahren hatte niemand Cora gesehen - und in zwanzig Jahren verändern Leute sich so stark, dass man oft den Satz hört: Aber Manierismen vergisst man nicht, und Cora hatte bestimmte unverkennbare Manierismen, die Sie vor dem Spiegel sorgfältig einstudierten.

Und genau da machten Sie sinnigerweise Ihren ersten Fehler. Sie vergaßen, dass ein Spiegelbild stets seitenverkehrt ist. Als Sie im Spiegel die perfekte Wiedergabe von Coras vogelartiger Kopfhaltung sahen, bemerkten Sie nicht, dass es falsche Seite war. Sie wussten, dass Cora - sagen wir - den Kopf stets nach rechts neigte, aber Sie vergaßen, dass Sie ihren eignen Kopf nach links legen mussten, um die Wirkung im Spiegel zu erzielen.

Das war die Sache, die Helen Abernethie verstörte, als Sie Ihre berühmte Bemerkung fallen ließen. Irgendetwas kam ihr vor. Mir selbst wurde neulich abends bewusst, was in einem solchen Fall passiert - das war, als Rosamund Shane eine überraschende Bemerkung machte. Alle schauen unwillkürlich zu der Person, die spricht. Als Mrs. Leo also sagte, etwas habe , musste es etwas sein, das mit Cora Lansquenet zusammenhing. Neulich abends, nach dem Gespräch über Spiegelbilder und wie man sich selbst sieht, glaube ich, dass Mrs. Leo vor einem Spiegel saß. Ihr Gesicht ist relativ symmetrisch. Vermutlich dachte sie an Cora, erinnerte sich daran, wie Cora den Kopf nach rechts zu legen pflegte, tat es, schaute in den Spiegel - und da kam ihr das Bild natürlich nicht richtig vor. Schlagartig wurde ihr klar, was am Tag der Beerdigung nicht gestimmt hatte. Sie kam zu dem Ergebnis: Entweder hatte Cora sich angewöhnt, den Kopf auf die andere Seite zu legen - was höchst unwahrscheinlich war -, oder Cora war nicht Cora gewesen. Weder das eine noch das andere schien für sie Sinn zu ergeben. Aber sie war entschlossen, Mr. Entwhistle auf der Stelle von ihrer Entdeckung zu berichten. Eine zweite Person, die stets früh aufsteht, folgte ihr nach unten, und aus Angst, was Helen Abernethie aufdek-ken könnte, schlug sie ihr mit einem schweren Türhemmer auf den Kopf.»

Poirot hielt kurz inne.

«Ich kann Ihnen bereits jetzt sagen, Miss Gilchrist», fuhr er fort, «dass die Gehirnerschütterung, die Mrs. Abernethie erlitten hat, nicht schwerwiegend ist. Sie wird uns bald ihre eigene Geschichte schildern können.»

«Ich habe nichts dergleichen getan», sagte Miss Gilchrist. «Das Ganze ist eine infame Lüge.»

«Das waren damals wirklich Sie», meinte Michael Shane plötzlich. Er hatte Miss Gilchrist unverwandt betrachtet. «Das hätte mir früher auffallen müssen - ich hatte das vage Gefühl, Sie irgendwo schon einmal gesehen zu haben ... aber natürlich schaut man sich ...» Er brach ab.

«Nein, eine Hausdame schaut man sich natürlich nicht genau an.» Miss Gilchrists Stimme zitterte ein wenig. «Domestiken! Dienstmädchen! Eine bessere Putzhilfe! Aber fahren Sie nur fort, Monsieur Poirot. Fahren Sie mit Ihrer fantastisch unsinnigen Geschichte fort!»

«Die Andeutung, es könnte ein Mord gewesen sein, war natürlich nur der erste Schritt», griff Poirot seinen Faden wieder auf. «Sie hatten noch mehr in der Hinterhand. Sie waren jederzeit bereit zu gestehen, dass Sie ein Gespräch zwischen Richard und seiner Schwester belauscht hatten. Was er ihr erzählte, war zweifellos, dass er nicht mehr lange zu leben hatte, und das erklärt auch einen etwas ominösen Satz in dem Brief, den er ihr bei seiner Rückkehr nach Enderby schrieb. Die war eine weitere Ihrer Erfindungen. Die Nonne - oder vielmehr, die Nonnen -, die am Tag der gerichtlichen Untersuchung vor der Haustür standen, brachten Sie auf die Idee, eine Nonne zu erfinden, die Sie verfolgte, und diese Ausrede setzten Sie ein, als Sie hören wollten, was Mrs. Timothy ihrer Schwägerin in Enderby am Telefon sagte. Und auch, weil Sie sie hierher begleiten wollten, um zu sehen, wie sich alles weiter entwickelte. Sich selbst mit Arsen zu vergiften - schwer, aber nicht tödlich -, ist ein altbekanntes Motiv - und ich muss an dieser Stelle anmerken, dass eben dieser Umstand Inspector Mortons Verdacht auf Sie lenkte.»

«Aber das Bild?», wollte Rosamund wissen. «Was für ein Bild ist es denn?»

Bedächtig faltete Poirot ein Telegramm auf.

«Heute Morgen rief ich Mr. Entwhistle an, der ein sehr verantwortungsbewusster Mann ist, und trug ihm auf, nach Stans-field Grange zu fahren und auf Anweisung von Mr. Abernethie selbst» - an dieser Stelle warf Poirot Timothy einen einschüchternden Blick zu - «die Bilder in Miss Gilchrists Zimmer zu durchsuchen und dasjenige vom Hafen in Polflexan mitzunehmen mit der Ausrede, es solle als Überraschung für Miss Gil-christ neu gerahmt werden. Ich trug ihm auf, es nach London zu Mr. Guthrie zu bringen, den ich per Telegramm vorgewarnt hatte. Das rasch hingetuschte Bild von Polflexan wurde entfernt, das ursprüngliche Bild kam zum Vorschein.»

Er hielt das Telegramm hoch. «Eindeutig ein Vermeer. Guthrie.»

Wie elektrisiert stieß Miss Gilchrist einen Schrei aus.

«Ich habe gewusst, dass es ein Vermeer ist. Ich hab’s gewusst! Aber sie hat keine Ahnung gehabt. Das ganze Gerede von Rembrandts und italienischen Primitiven und dabei unfähig, einen Vermeer zu erkennen, der direkt vor ihrer Nase liegt! Ewiges Gefasel über Kunst - und nicht die blasseste Ahnung! Dumm wie Bohnenstroh war sie. Hat ständig von diesem Haus geschwärmt - von Enderby, und was sie als Kinder hier alles gemacht haben, von Richard und Timothy und Laura und allen anderen. Und erstickt im Geld sind sie! Das Beste von allem haben sie immer gehabt, die Kinder. Sie haben ja keine Ahnung, wie geisttötend es ist, jemandem zuzuhören, der Stunde um Stunde, Tag um Tag immer über dasselbe redet. Und zu sagen: und Zu tun, als würde es einen interessieren, und dabei war es öde, öde, einfach öde! Und nichts, worauf man sich freuen kann ... Und dann - ein Vermeer! Neulich habe ich in der Zeitung gelesen, dass ein Vermeer für mehr als fünftausend Pfund verkauft wurde!»

«Sie haben sie umgebracht - auf die grausame Art - wegen fünftausend Pfund?» Susan war fassungslos.

«Mit fünftausend Pfund könnte man einen Teesalon pachten und einrichten», erklärte Poirot.

Miss Gilchrist wandte sich zu ihm.

«Wenigstens Sie verstehen mich», sagte sie. «Das war die einzige Chance, die ich je bekommen würde. Ich musste etwas Kapital haben.» In ihrer Stimme schwang die Obsession ihres Traums mit. «Ich wollte ihn Palm Tree nennen. Und kleine Kamele als Speisekartenhalter. Manchmal kann man wirklich hübsches Porzellan finden - zweite Wahl - und nicht das hässliche weiße Zeug. Ich wollte den Teesalon in einer feinen Gegend aufmachen, wo feine Gäste kommen würden. Ich hatte an Rye gedacht ... oder vielleicht Chichester ... Es wäre bestimmt schön geworden.» Sie schwieg eine Weile, dann fuhr sie verträumt fort: «Eichentische - und kleine Korbstühle mit rotweiß gestreiften Kissen ...»

Einige Sekunden wirkte der Teesalon, den es nie geben würde, realer als die viktorianische Behäbigkeit des Salons in En-derby .

Inspector Morton brach den Bann.

Miss Gilchrist verhielt sich äußerst zuvorkommend. «Aber natürlich», sagte sie. «Sofort. Ich möchte Ihnen keinerlei Schwierigkeiten bereiten. Wenn ich den Palm Tree nicht haben kann, ist alles andere relativ gleichgültig ...»

Sie ging mit ihm aus dem Zimmer.

Susan sagte erschüttert: «Ich hätte mir nie gedacht, dass ein Mörder damenhaft sein könnte. Es ist schrecklich ...»

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