Wir wollten unseren neu gewonnenen und ebenso rasch wieder verlorenen Gefährten nicht zurücklassen, aber Elias und ich wussten nur zu gut, dass wir jedes Aufsehen vermeiden und den Konstablern aus dem Weg gehen mussten. Eine Vorführung bei Gericht würde schnell mit einem längeren Aufenthalt hinter Gittern enden, unabhängig davon, ob man sich etwas hatte zuschulden kommen lassen oder nicht, und ich war nicht in der Stimmung, mich vor einem Richter erklären zu müssen - nicht einmal vor dem allerhöchsten.
Anstatt uns den Widrigkeiten einer weiteren Bootsfahrt auszusetzen, nahmen wir eine Kutsche über die Brücke. Elias rang die Hände und biss sich auf die Lippe, und ich merkte, wie er seine Gefühle im Zaum hielt, indem er zu philosophischen Gedanken Zuflucht nahm. Selbst für jemanden wie mich, der ein Leben gewählt hat, in dem Gewalt oft eine Rolle spielt, war es nicht leicht, einen Menschen sterben zu sehen oder eben noch in einem Raum mit einem Menschen gesessen zu haben, von dem man Augenblicke später erfährt, dass er verbrannt ist. Als Arzt war Elias oft mit menschlichem Leid konfrontiert und musste in Ausübung seiner Tätigkeit auch selber so manches Leid zufügen, aber es ist schon etwas anderes, mitansehen zu müssen, wie ein Unschuldiger gewaltsam zu Tode kommt.
»Was hat er damit gemeint?«, brachte er endlich hervor. »Mit seinem letzten Satz? Was er über Miss Glade gesagt hat?«
Eine Ewigkeit schien vergangen zu sein, seit ich entdeckt hatte, dass Elias sich für Celia Glade interessierte, aber ich besaß jetzt nicht mehr die Kraft, darüber nachzudenken. In Hinblick auf all das, was sich seither zugetragen hatte, erschien mir dieser kleine Treuebruch als belanglos. »Es kann zwei Dinge bedeuten - entweder, dass wir ihre Hilfe suchen sollen oder eben, dass wir uns vor ihr in Acht nehmen müssen.«
Im dunklen Coupe der Droschke sah ich ihn nachdenklich mit dem Kopf nicken. »Und wie deutest du es?«
»Ich weiß nur, dass wir auf der Stelle Mr. Franco aufsuchen müssen. Ich muss erfahren, was er uns über diesen Teaser und Peppers Erfindung sagen kann.«
»Ich denke, er ist doch angeblich dein Freund? Kann es da sein, dass er mit der East India Company im Bunde ist?«
Ich schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Ich gehe eher davon aus, dass er Geld in eine Sache gesteckt hat, und sich damit ahnungslos zu einem Mitwisser machte, und dass Cobb ihn sich als sein erstes Opfer ausgesucht hat, weil es ihm einerseits so gelegen kam und andererseits, um mich auf eine falsche Fährte zu locken.«
»Damit Franco nicht dahinterkommt, was es mit dieser Erfindung wirklich auf sich hat und mit dir darüber spricht?«
»Das ist meine Vermutung. Aadil und Teaser haben angedeutet, dass er Pepper Mittel für die Weiterentwicklung seiner Erfindung vorschießen wollte, und darum geht es bei diesem Wahnsinn ja wohl in erster Linie. Wenn es uns gelänge, die Pläne für dieses Gerät in die Hände zu bekommen, müssten wir sie Ellershaw bringen, und zwar noch vor morgen Mittag.«
»Was? Wieso? Zur East India Company? Ist dir noch nicht aufgegangen, zu was für Schurkereien die fähig sind?«
»Natürlich ist es das, aber so verhält es sich eben mit solchen großen Unternehmen. Wir können sie nicht bitten, nicht zu sein, was sie sind. Ellershaw hat einmal bemerkt, die Po-litik brächte keine Lösung für die Probleme der Wirtschaft, sondern wäre das Problem der Handelshäuser. Aber darin hat er sich geirrt. Die East India Company ist das Biest, und dem Parlament obliegt es zu entscheiden, wie groß sein Käfig sein soll. Ich werde mich nicht mit dem Craven House anlegen, weil man dort auf Profit bedacht ist, und es kann weder viel schaden, Ellershaw die Pläne zu zeigen, noch, sie vor ihm geheim zu halten.«
»Und warum tun wir es dann?«
»In einer Sache bin ich mir bei Cobb ganz sicher: Er weiß von Peppers Plänen und ist ganz versessen darauf, sie in die Finger zu kriegen. Also müssen wir die Pläne so oder so finden. Wir wollen doch mal sehen, wer wen in der Hand hat, wenn ich drohe, die Pläne zu verbrennen oder sie dem Cra-ven House auszuliefern. Es wird Zeit, dass wir die Zügel an uns reißen. Mein Onkel ist tot. Mr. Franco sitzt im Gefängnis. Die Männer, von denen ich mir Unterstützung erhoffe, werden ermordet. Es wäre töricht zu glauben, dass es uns besser ergehen wird, also müssen wir neue Regeln für das Spiel aufstellen.«
»Cobb bedroht nun nur noch uns und deine Tante«, gab Elias zu bedenken. »Wenn wir seine Bedrohung ignorieren und sämtlichen Gerichtsvollziehern aus dem Wege gehen, die er uns an den Hals schickt, kann er uns nicht aufhalten. Und was deine Tante betrifft - ich bezweifle nicht, dass die gute Lady eine vorübergehende Unbequemlichkeit, so unangenehm sie für sie auch sein mag, überstehen wird, solange dies dir Zeit gibt zurückzuschlagen.«
Obwohl er es im Dunkeln nicht sehen konnte, lächelte ich ihm zu. Er hatte einen schrecklichen Abend hinter sich, unsere Freundschaft war einer Zerreißprobe ausgesetzt gewesen, aber ich hatte sehr wohl begriffen, was er eben gerade zu mir gesagt hatte. Er würde es darauf ankommen lassen, Cobbs Zorn auf sich zu ziehen, um mir zur Seite zu stehen.
Und ich wusste, dass er viel mehr als nur seine Freiheit aufs Spiel setzte. Elias war ein gut beleumundeter Arzt, zu dessen Patienten Männer und Frauen von Stand zählten. Aber er wollte das alles riskieren, um mir bei meinem Kampf gegen meine Feinde beizustehen.
»Ich danke dir«, sagte ich. »Mit ein bisschen Glück werden wir das alles vielleicht bald hinter uns haben. Aber erst nach unserem Gespräch mit Mr. Franco werden wir mehr wissen.«
»Also legen wir uns jetzt schlafen und warten, bis morgen früh das Gefängnis in der Fleet Street aufmacht?«
Ich musste seine Hoffnung leider zunichtemachen. »Nein, das kann nicht warten. Wir begeben uns augenblicklich dorthin.«
»Mitten in der Nacht wird man keine Besucher vorlassen.«
»Für eine Silbermünze ist alles jederzeit möglich«, sagte ich. »Das weißt du doch.«
»In der Tat«, sagte er, und die Bitterkeit in seiner Stimme war nicht zu überhören. »Hat uns diese ganze Geschichte das nicht längst bewiesen?«
Der Kutscher zierte sich, uns zur Fleet Street zu fahren. Er befürchtete wohl, wir könnten ihm seinen Lohn verweigern und dass er wegen der besonderen Gesetzmäßigkeiten in dem Viertel keine Möglichkeit hätte, ihn notfalls mit Hilfe eines Konstablers einzufordern. Eine Bezahlung im Voraus jedoch zerstreute seine Bedenken, obwohl er sich noch immer nicht sicher war, was er von zwei Männern halten sollte, die zu nächtlicher Stunde Einlass im Gefängnis begehrten. Nichtsdestotrotz erklärte er sich bereit, vor dem Tor auf uns zu warten, aber weder Elias noch ich waren allzu überrascht, als wir in dem Augenblick, da wir seiner Droschke den Rücken zugekehrt hatten, die Hufe klappern hörten.
Es war schon lange nach Mitternacht, so dass es mehrere Minuten dauerte, bis auf mein Pochen jemand erschien, um die
Klappe im Gefängnistor beiseitezuschieben und zu schauen, wer wir waren und was wir wollten.
»Wir müssen dringend einen Gefangenen besuchen«, sagte ich. »Einen gewissen Moses Franco. Ich muss sofort mit ihm sprechen.«
»Und ich muss wohl der König von Preußen sein«, erwiderte der Wärter. »Nachts keine Besuche. Wenn Ihr anständige Menschen wäret, wüsstet ihr das.« Er schnüffelte wie ein Jagdhund. »Ihr riecht ja wie die Schornsteinfeger.«
Ich ignorierte seine Bemerkung, denn er hatte ja recht damit. »Kommen wir zur Sache. Wie viel kostet es, um auf der Stelle zu dem Gefangenen vorgelassen zu werden?«
Er brauchte nicht lange zu überlegen. »Zwei Schillinge.«
Ich gab ihm die Münzen. »Es wäre besser, wenn man hier ein Schild mit den Preisen aushinge wie in einem Wirtshaus. Dann bräuchten die Besucher nicht erst lange zu fragen.«
»Vielleicht mag ich es, wenn man mich fragt«, erwiderte er. »Nun wartet hier, während ich euren Gefangenen hole.«
Wir drückten uns gegen die glatte Steinmauer, denn der Regen hatte immer noch nicht nachgelassen, und obwohl wir das vor gerade erst einer Stunde noch als ein großes Glück bezeichnet hatten, war uns nun kalt, und wir fühlten uns elend. Der Wärter schien eine Ewigkeit fortzubleiben, aber nach gut einer halben Stunde kam er schließlich zurück. »Ich kann euch nicht helfen«, sagte er zu mir. »Der Gefangene ist entlassen worden. Er ist nicht mehr da.«
Ich konnte kaum an mich halten. »Nicht mehr da? Wieso ist er nicht mehr da?«
»Da habe ich eine merkwürdige Geschichte erzählt bekommen. Ich wäre schon viel früher zurück gewesen, wenn ich sie mir nicht noch bis zum Ende hätte anhören wollen, und außerdem nahm ich an, dass ihr sie auch würdet erfahren wollen. Aber als ich einen Blick auf die Tafel mit den Tagespreisen warf, habe ich festgestellt, dass interessante Geschichten, die mit entlassenen Gefangenen zu tun haben, ebenfalls zwei Schillinge kosten, also gebt mir das Geld und seid froh, dass das Gefängnis in dieser Woche für unnötige Gänge nichts berechnet.«
Ich schob die zwei Münzen durch den Schlitz, und der Wärter schnappte sie sich. »Also, Folgendes habe ich gehört. Ein Gentleman ist hier aufgekreuzt und hat angeboten, die Schulden des Gefangenen abzulösen und die Unkosten für seinen Aufenthalt hier zu begleichen. Daran ist nichts Ungewöhnliches; das passiert natürlich dauernd, aber diesmal hat die Geschichte die Runde gemacht, denn scheinbar war der Knabe, der ihn ausgelöst hat, derselbe Mann, der ihn überhaupt erst hat einliefern lassen - ein Bursche namens Cobb. Und noch interessanter war, dass der Gefangene sich weigerte, mit ihm zu gehen, und sagte, er wolle lieber weiter im Gefängnis bleiben. Aber trotz allem, was Sie vorhin gesagt haben, betreiben wir hier kein Gasthaus, also hat es ein paar Schließer gebraucht, um den widerborstigen Mr. Franco in die Kutsche seines Wohltäters zu verfrachten.«
Mir war vor Schreck der Hals wie zugeschnürt. Gerade erst waren Elias und ich übereingekommen, dass Cobb mir nun mit nichts mehr drohen konnte, auf das ich nicht vorbereitet war, aber das schien auch ihm aufgegangen zu sein. Anstatt Mr. Franco im Gefängnis schmoren zu lassen, hatte er sich seiner bemächtigt. Mich packte eine solche Wut, dass ich entschlossener denn je war, mit aller Macht zurückzuschlagen -aber mehr denn je zuvor war mir schleierhaft, wie ich das anstellen sollte.
Am nächsten Morgen - es waren nur noch zwei Tage bis zur Versammlung der Anteilseigner - kam Elias wie verabredet zu mir in die Wohnung. Und er kam sogar so zeitig, wie ich ihn zu kommen gebeten hatte, was ein deutliches Zeichen war, dass ihn die Sorge ebenso umtrieb wie mich.
»Solltest du nicht im Craven House sein und die Dinge von dort angehen?«, fragte er mich.
»Da gibt es nichts anzugehen«, antwortete ich. »Wenn ich nicht die Pläne für Peppers Erfindung auftreibe, kann ich gar nichts tun. Aber ich hätte sie sehr gerne noch vor der Versammlung der Anteilseigner in Händen, denn wenn ich Eller-shaw seinen Triumph ermögliche, ärgert das Cobb. Doch zuallererst müssen wir Mr. Franco retten.«
»Und wie stellst du dir das vor?«
»Ich werde mir da schon was einfallen lassen. Auf jeden Fall müssen wir mit Celia Glade sprechen.«
Ich sah, wie er erst blass und dann rot im Gesicht wurde. »Hältst du das für einen guten Einfall? Es könnte doch sein, dass Mr. Baghat uns wirklich vor ihr warnen wollte.«
»Kann sein, aber vielleicht war es auch so gemeint, dass wir ihren Rat einholen sollen. Ich möchte unbedingt dem letzten Hinweis folgen, den er uns unter Todesqualen noch gegeben hat.«
»Und wenn diese letzten Worte nun doch eine Warnung gewesen sind? Möchtest du uns auch unbedingt in Gefahr bringen?«
»Das täte ich höchst ungern. Aber lieber sehe ich der Gefahr ins Auge, als die Hände in den Schoß zu legen. Wenn sie unser Feind sein sollte, werden wir das früh genug erfahren.«
»Ich rate, davon abzusehen, ehe wir nicht mehr wissen.«
»Das habe ich erwartet. Natürlich möchtest du sie nach dem, was zwischen euch vorgefallen ist, am liebsten meiden, und vor allem, wenn ich auch dabei bin. Daher war ich so frei, ihr heute früh eine Nachricht zukommen zu lassen, dass sie sich bitte mit mir in Verbindung setzen möge, falls sie mir etwas Wichtiges mitzuteilen hat.«
Elias, der im Augenblick offenbar nichts Wichtiges zu sagen hatte, wandte sich ab.
Die nächsten Stunden debattierten wir darüber, wie wir Mr. Franco aus Cobbs Fängen befreien konnten, und ich glaubte, uns wären ein paar gute Einfälle gekommen. Es war fast Mittag, als meine Vermieterin an die Tür klopfte, um mir zu sagen, dass draußen eine Lady in einer Kutsche auf mich warte. Elias und ich sahen einander an.
Wir gingen unverzüglich hinunter auf die Straße und näherten uns der eleganten, silber und schwarz lackierten Equipage. Aus dem Fenster schaute eine äußerst vornehm in Seide gekleidete Dame, eine ausgesprochene Schönheit und zweifellos eine sehr vermögende, angesehene Angehörige der beau monde. Das zumindest war mein erster Gedanke, als ich sie sah. Der zweite Gedanke war, dass es sich bei dieser Lichtgestalt um Celia Glade handelte.
»Ah, Gentlemen, wie schön, Sie anzutreffen. Ich sehe, dass ich nicht die Einzige bin, die an diesem Vormittag wenig Grund gesehen hat, sich sogleich ins Craven House zu begeben. Wenn Sie beide die Güte hätten, sich zu mir zu gesellen, können wir in der Stadt umherfahren und uns ungestört unterhalten. Ich bin mir sicher, dass wir einander viel zu erzählen haben.«
Elias schüttelte fast unmerklich den Kopf, aber mir entging es nicht. Und ich konnte ihn ja auch verstehen. Seine Zurückhaltung Celia Glade gegenüber beruhte nicht nur auf Aadils Warnung. Vielmehr dürfte ihn ein schlechtes Gewissen plagen, weil ihre Gegenwart ihn an sein ziemlich unkameradschaftliches Verhalten mir gegenüber erinnerte. Und das schien mir kein geeignetes Fundament für unser geplantes Vorgehen.
»Warum sollten wir einer falschen Schlange wie Ihnen vertrauen?«, fragte ich weniger in Erwartung einer erhellenden Antwort als vielmehr, um Elias zufriedenzustellen.
»Ich habe allen Grund zu der Annahme, dass Sie das bald wissen werden, sowie Sie sich erst zu mir in die Kutsche ge-setzt haben.« Sie sah mir unverwandt in die Augen. »Sie mögen mir nicht vertrauen wollen, aber Sie tun es dennoch, also vergeuden wir keine Zeit mit Albernheiten.«
Ich trat vor und öffnete den Wagenschlag. Miss Glade trug ein atemberaubendes Kleid aus grüner Seide mit elfenbeinfarbenem Spitzenbesatz und dazu dünne Kalbslederhandschuhe. Auf ihrem Kopf thronte eine sehr hübsche Haube. Doch bei aller Pracht ihrer Kleidung war es das spitzbübische, triumphierende Lächeln in ihrem Gesicht, das sie wie von innen heraus erstrahlen ließ. Und ich konnte dieses Triumphgefühl nachvollziehen, denn sie hatte tatsächlich eine Überraschung für uns parat.
Neben ihr saß, an Händen und Füßen mit fester Schnur gefesselt, kein anderer als Mr. Cobb.
Celia Glade lachte, als hätte jemand eine spaßige Bemerkung gemacht. »Glauben Sie mir jetzt?«
»Sie haben meine volle Aufmerksamkeit«, sagte ich. Wir nahmen unsere Plätze ein, und der Kutscher schloss den Schlag hinter uns.
Die Kutsche rumpelte los. Celia Glade hielt artig die Hände im Schoß, aber um ihre Lippen spielte ein teuflisch verführerisches Lächeln. Elias wusste gar nicht, wo er zuerst hinschauen sollte, und ich sah Cobb an. Er saß mit gesenktem Kopf und Schultern da und sah mehr aus wie ein Kriegsgefangener als -nun, ich wusste ja gar nicht, wer und was er war.
Erstaunlicherweise war er es, der als Erster das Wort ergriff. »Weaver«, sagte er, »Sie müssen mir helfen. Reden Sie mit dieser Wahnsinnigen. Legen Sie ein gutes Wort für mich ein. Sie hat mir Folter und Gefangenschaft angedroht und dass ich hängen werde. Ich halte es nicht länger aus. Ich verstehe ja, dass Ihnen mein Handeln nicht behagt hat, aber ich habe mich doch immer anständig Ihnen gegenüber verhalten, oder etwa nicht?«
Ich sagte nichts dazu. Gewiss war er mir gegenüber zuvor-kommender gewesen als sein Neffe, aber er war der Kopf hinter alledem. »Wie ist es dieser Frau gelungen, Sie gefangen zu nehmen?«, fragte ich stattdessen.
»Befassen wir uns nicht mit Einzelheiten«, sagte Celia Glade. »Ich hoffe doch wohl, Sie freuen sich, dass ich Ihnen den Schuft gebracht habe, der Ihnen so viel Verdruss bereitet hat.«
»Aber Sie wollen mir immer noch nicht sagen, wer Sie sind?«
Wieder lächelte sie, und ich wollte verdammt sein, wenn mir dabei nicht das Herz zerschmolz. »Sie werden alles erfahren,
doch ziehe ich es vor, nicht in Gegenwart von Mr. Cobb darüber zu sprechen. Fragen Sie lieber ihn aus. Wir unterhalten uns dann später in privaterem Rahmen.«
Ich wandte mich Cobb zu. »Da hat Miss Glade natürlich recht. Sagen Sie mir, wer Sie sind und was Sie wollen. Ich will erfahren, warum Sie mir das alles angetan haben. Und ich möchte wissen, wo Mr. Franco sich befindet.«
»Mein Gott, Weaver, sehen Sie denn nicht, was für ein Spiel diese Frau treibt?«
»Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich in ihr einen Engel oder den Teufel sehen soll, aber ich habe keinen Zweifel daran, was Sie darstellen, Sir. Nun reden Sie schon, sonst werde ich ungemütlich.«
»Sie wollen mir Gewalt androhen? Nach allem, was ich für Sie getan habe?«
»Ich werde Sie nur zu gerne meine Faust spüren lassen, und umso mehr für Ihr vorlautes Mundwerk. Was wollen Sie denn für mich getan haben, dessen ich mich glücklich schätzen darf? Sie haben mich benutzt, Sir, mich zu Ihrer Marionette und Ihrem Spielzeug gemacht und mich die ganze Zeit im Dunkeln tappen lassen. Sie haben meine Freunde gequält, und Ihretwegen haben drei Menschen Ihr Leben lassen müssen - Mr. Carmichael, der Inder Aadil und Teaser, ein ehemaliger Gefährte von Pepper.«
Ich hörte, wie jemand scharf die Luft einsog. Es war Celia Glade, die sich nun einen ihrer feinen Handschuhe vor den Mund hielt. »Aadil Baghat ist tot?«, fragte sie mit leiser Stimme. »Das habe ich nicht gewusst.«
Ich war drauf und dran, ihr zu sagen, dass es mich ungemein beruhigte, dass auch sie längst nicht alles wusste, aber dann sah ich, wie schwer die Nachricht sie getroffen hatte, und verzichtete auf bissige Kommentare. »Es ist letzte Nacht geschehen«, sagte ich. »In einem Wirtshaus in Southwark. Wir haben versucht, diesen Teaser zu retten - obwohl das nicht sein richtiger Name ist. Er war ...«
»Ich weiß, wer er war«, sagte Celia Glade. »Er war Peppers Liebhaber. Einer von vielen.«
»Ja. Wir wollten gerade versuchen, etwas aus ihm herauszubekommen, als man uns überfallen hat. Aadil, also Mr. Baghat, hat versucht, Teasers Leben zu retten, und dabei sein eigenes lassen müssen. Mir gegenüber hat er immer so getan, als wäre er ein brutaler Kerl, aber dann habe ich ganz plötzlich erfahren, wie er wirklich war.« Ich wandte mich wieder Cobb zu. »Ich kann Sie nur dafür verachten, dass Sie den Tod eines solchen Mannes herbeigeführt haben. Es ist mir gleich, ob Sie selber den Schuss abgefeuert oder jemand anderes damit beauftragt haben. Selbst, wenn sein Tod nicht Teil Ihres Planes war, werden Sie mir dafür bezahlen.«
»Sein Land hat einen treuen Diener verloren«, sagte Celia Glade, und es klang durchaus ehrlich gemeint. »Und dieses Land auch. Er war ein Freund der Krone.«
Ich sah sie an. Meinte sie das wirklich? Ich hatte sie bisher stets für eine Feindin Englands gehalten. Sollte ich mich geirrt haben?
»Wer sind Sie, Cobb?«, fragte ich. »Wer sind Sie, dass Sie all dieses Elend über die Menschen gebracht haben, und wozu?«
»Ich bin auch nur ein Diener«, sagte er, »und verfüge über wenig mehr Macht als Sie, Weaver. Man hat mich genauso be-nutzt wie ich Sie. Lassen Sie Gnade walten, Sir. Ich habe nie jemandem etwas zuleide tun wollen.«
»Nun sagen Sie endlich, wer Sie sind!«
»Ach, genug davon«, meldete sich nun auch Elias zum ersten Mal, seit wir die Kutsche bestiegen hatten, zu Wort. »Wer ist er, Celia?«
Mir entging nicht, dass er sie bei ihrem Vornamen angesprochen hatte, doch ich bemühte mich, mir die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.
»Er ist ein Agent des französischen Königshauses«, sagte sie. »Er ist ein Spion, der gegen König Georg und die East India Company arbeitet.«
»Ein französischer Spion!«, platzte es aus Elias heraus. »Aber wir dachten, Sie .«
Etwas wie Amüsement huschte über ihr Gesicht. »Ich würde sehr gerne erfahren, wie Sie zu dem Schluss gekommen sind, aber das hat Zeit bis später. Jetzt geht es um Cobb. Los, reden Sie schon«, sagte sie zu ihm. »Und erzählen Sie den beiden alles, was sie hören möchten.«
»Es stimmt nur zum Teil, Mr. Weaver. Ich arbeite für die Franzosen, doch nicht, weil ich ihnen in Treue verbunden bin. Ich bin in die Sache genauso hineingeraten wie Sie - wegen meiner Schulden. Nur war es in meinem Falle nicht meine Familie, die bedroht wurde, sondern meine höchsteigene Person. Ich nehme an, dass Sie eine solche Bedrohung wohl auf die leichte Schulter genommen hätten, aber ich bin nie ein Mann Ihres Schlages gewesen.«
»Wenn er dir noch weiter schmeichelt«, sagte Elias, »wirst du vielleicht davon absehen, ihm die Finger zu brechen.«
»Darauf sollte er sich lieber nicht verlassen«, sagte ich. »Nun erzählen Sie mir, warum die Franzosen wollten, dass Sie mich auf Ellershaw ansetzen.«
»Das weiß ich nicht«, sagte Cobb. »Ich erhalte nur meine Befehle und werde über die Gründe nicht aufgeklärt.«
»Aber es liegt doch ziemlich klar auf der Hand«, sagte Elias. »Du weißt doch, dass ich dir erzählt habe, die Franzosen wollten selber in den Ostindienhandel einsteigen. Bis zu einem gewissen Grade betrachten sie die East India Company als ein Anhängsel der britischen Krone, denn wenn der Reichtum der East India Company sich vermehrt, dann auch der unseres Königreiches. Also ist allen daran gelegen, dass die East India Company neue Märkte erobert. Alles, was die Franzosen tun können, um der East India Company zu schaden, schadet auch dem Wohlstand der britischen Nation.«
»Richtig«, sagte Celia Glade. »Und obwohl ich bezweifle, dass unser Freund hier einen so scharfen Verstand besitzt wie Mr. Gordon, glaube ich doch, dass auch er das weiß. Deswegen wird er nicht mit der ganzen Wahrheit herausrücken wollen, und ihm einzeln die Finger zu brechen, könnte gar kein so schlechter Einfall sein. Ich habe versprochen, diesen Lumpen abzuliefern, aber ich habe nicht gesagt, in welchem Zustand.«
»Bei wem sollen Sie ihn denn abliefern?«, fragte ich.
»Bei wem? Nun, im Tower von London natürlich. Er wird ein Gefangener der Krone.«
»Nicht bevor Mr. Franco aus den Händen von Cobbs Lakaien befreit ist«, sagte ich.
»Seien Sie versichert«, stammelte Cobb, »dass er sich in keiner Gefahr befindet. Es steht nicht in meiner Macht, ihn freizulassen, aber Sie brauchen nicht zu befürchten, dass ihm etwas geschehen könnte.«
»Nicht in Ihrer Macht?«, fragte ich. »Halten Sie ihn denn nicht in Ihrem Haus fest?«
»Ja, dort ist er, aber Mr. Hammond hat ihn in seiner Gewalt.«
»Ihr Neffe?«
»Er ist nicht wirklich mein Neffe«, sagte Cobb.
Endlich begriff ich. »Und er ist auch nicht Ihr Untergebener. Mr. Hammond ist ein hochrangiger französischer Agent, der sich bis zu den höchsten Posten im britischen Zollamt hochgearbeitet hat, und Sie sind bloß sein Handlanger. Sie präsentieren sich als derjenige, der das Sagen hat, um damit Hammond umso gründlicher vor Entdeckung zu schützen. Richtig?«
Cobb antwortete nicht, aber sein Schweigen bestätigte mich nur umso mehr in meiner Vermutung.
»Was wird aus Mr. Franco, wenn Hammond erfährt, dass Cobb unter Arrest ist?«, fragte Elias.
»Er wird es nicht erfahren«, sagte Celia Glade. »Wir haben Cobb ergriffen, als er gerade das Land verlassen wollte. Er wollte nach Calais - offenbar in einer offiziellen Mission für seine Auftraggeber. Mindestens zwei Wochen lang wird keiner ihn vermissen. Hammond hat keine Ahnung, was seinem Speichellecker widerfahren ist.«
Die Kutsche hielt. Ich sah aus dem Fenster und stellte fest, dass wir beim Tower angekommen waren. Sofort traten vier streng dreinblickende Soldaten auf uns zu.
»Einen Moment noch«, sagte Celia Glade zu ihnen und dann, an mich gewandt: »Haben Sie noch Fragen an Mr. Cobb? Ich fürchte, er wird Ihnen nicht noch einmal zur Verfügung stehen.«
»Wie bekomme ich Mr. Franco aus Hammonds Gewalt?«
»Das können Sie nicht«, sagte Cobb. »Und ich würde es an Ihrer Stelle auch gar nicht erst versuchen, Weaver. Lassen Sie die Finger davon. Sie haben es hier mit Männern zu tun, die viel mehr Macht besitzen, als Sie sich vorstellen können, und Mr. Franco wird kein Haar gekrümmt, solange Sie sich nicht einmischen.«
»Aber was will denn Hammond noch von ihm? Hofft er, mich bei der Stange zu halten, indem er meinen Freund festhält?«
»Hammond spricht mit mir nur über seine Pläne, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt. Wenn Sie Antworten suchen, werden Sie die Fragen wohl ihm selber stellen müssen.«
»Das werde ich tun«, sagte ich. »Worauf Sie Gift nehmen können.«
»So«, begann ich. »Wer sind Sie?«
Wir waren wieder in ihrer Kutsche unterwegs, aber nunmehr nur noch zu dritt, denn Cobb war abgeführt worden und sah im Tower nun einem traurigen Schicksal entgegen. Gewiss erwartete ihn die Folter, doch Miss Glade zeigte keine Spur von Mitgefühl. Sie wirkte kühl und besonnen wie immer.
»Können Sie das nicht erraten?«
»Jedenfalls keine Spionin der französischen Krone, wie ich ursprünglich angenommen hatte, aber etwa der britischen?«
»So ist es«, bestätigte sie. »Uns ist nicht entgangen, dass die East India Company seit einiger Zeit an zwei Fronten bedroht wird. Zuerst haben die Franzosen versucht, Geschäftsgeheimnisse aus dem Craven House zu stehlen und nach Möglichkeit noch weiteren Schaden zu stiften. Wie Sie sich vorstellen können, dürfen wir so etwas nicht zulassen. Zu diesem Zweck sind wir eine Übereinkunft mit dem indischen Mogul eingegangen, der es zwar nicht schätzt, wenn wir Engländer uns in seine Angelegenheiten einmischen, es andererseits aber auch aus gutem Grund vermeiden möchte, dass sein Reich zum Schauplatz europäischer Machtkämpfe wird. Daher kam es, dass ich in gewissem Maße mit Aadil Baghat zusammengearbeitet habe. Ich wage nicht zu behaupten, dass er mir alles erzählt hat, was er wusste, doch das beruhte auf Gegenseitigkeit. Aber er war ein guter Mann, und es hat mich sehr bestürzt, von seinem Tod zu erfahren. Diese französischen Teufel schrecken aber auch vor nichts zurück.«
Ein kummervoller Ausdruck huschte über ihr Gesicht, war jedoch im nächsten Moment schon wieder verschwunden. »Sie sprachen von zwei Fronten.«
»Ja. Die zweite ist Mr. Peppers Erfindung. Wenn die Pläne dafür in die falschen Hände fallen, könnte das der East India
Company erheblichen Schaden zufügen. Sie verdient zwar ihr Geld auch mit Tee und Gewürzen, aber der Handel mit Textilien macht sie zu dem, was sie darstellt. Ohne ihn wäre sie nur ein beliebiges Handelshaus.«
»Und was ist sie jetzt?«, fragte Elias.
»Ein neuer, bedeutender Baustein des britischen Weltreiches«, sagte sie. »Stellen Sie sich doch nur die Möglichkeiten vor. Die britische Krone mag der Welt ihren Stempel aufdrücken, mag ihre Macht ausspielen, mag bestimmend für den Handel und Wandel in allen Ländern der Erde sein, ohne jemals ihre militärische oder ihre Seemacht in Einsatz bringen oder ihre Bürger zwingen zu müssen, Haus und Hof zu verlassen und in einem fremden und unwirtlichen Land in den Krieg zu ziehen. Die East India Company hat uns gezeigt, wie man die Welt auf Handelswegen erobert. Sie finanziert ihre eigene Machtausdehnung, unterhält eigene Armeen und setzt nach ihrem Gutdünken Gouverneure ein. Und währenddessen werden unser Markt und unsere Vormachtstellung immer größer. Wundert es Sie da, wenn wir die East India Company um beinahe jeden Pries zu schützen versuchen?«
»Also wollen Sie die Früchte britischen Erfindungsgeistes unterdrücken, um das britische Weltreich auszudehnen?«, fragte Elias.
»Nun seien Sie nicht so spitzfindig, Mr. Gordon. Mr. Pep-per ist schließlich tot und kann die Früchte seines Erfindungsreichtums gar nicht mehr ernten.«
»Und was ist mit seiner Frau«, erkundigte ich mich, bereute die Frage aber sogleich wieder.
»Welche denn? Denken Sie, eine dieser Armseligen würde auch nur einen Penny sehen, selbst wenn Peppers Erfindung weiterentwickelt würde? Die Rechte an seinem Gedankengut würden die Gerichte auf Jahre hinaus beschäftigen, und am Ende wären es die Anwälte, die ihr Schäfchen ins Trockene bringen.«
»Wenn ein Mann so eine Erfindung machen kann«, wandte ich ein, »dann kann es auch ein anderer.«
»Das ist möglich und vielleicht sogar unvermeidlich, aber es muss ja nicht sofort sein. Die Welt wird nie erfahren, dass so eine Erfindung je existierte. Die Möglichkeiten sind es, die Erfindungsgabe gebieren, und keiner wird auf die Idee kommen, sich noch einmal an die Arbeit zu machen. Wenn niemandem je der Gedanke kommt, Baumwolle aus den Kolonien so zu spinnen, dass sie feinfädig wird wie indische Seide, wird sich auch niemand je um die Erfindung eines entsprechenden Webstuhls bemühen. Aufgabe des Parlaments ist es, dafür zu sorgen, dass Textilien billig und für jeden erschwinglich bleiben, damit niemand eine Notwendigkeit sieht, an dem System etwas zu ändern. Es gibt so manche, die glauben, das Gesetz von 1721 wäre ein verheerender Fehler gewesen, und zu diesen zähle auch ich mich. Aber man kann Gesetze ja auch wieder rückgängig machen.«
»Vergessen wir da nicht etwas?«, sagte ich. »Mr. Pepper ist von der East India Company ermordet worden. Ich kann nicht glauben, dass es im Interesse der Regierung ist, eine solch teuflische Gesetzlosigkeit zu billigen.«
»Die Umstände von Mr. Peppers Ableben sind in Dunkel gehüllt«, sagte sie. »Es muss gar nicht die East India Company sein, die für seinen Tod verantwortlich ist. Er hatte genug Feinde - angefangen bei seinen Frauen. Eine von ihnen könnte auf den Gedanken gekommen sein, dass er den Bogen überspannt hat. Oder er könnte bei dem vergeblichen Versuch, an seine Pläne zu gelangen, ein Opfer der Franzosen geworden sein. Im Moment lässt sich nicht sagen, was am wahrscheinlichsten ist.«
Aber es gab noch eine Möglichkeit, eine, die ich gar nicht laut auszusprechen wagte - dass nämlich nicht die East India Company, sondern Regierungskreise sich entschlossen hatten, Pepper vorsichtshalber an der Umsetzung seiner Ideen zu hin-dern. »Ich könnte es mir zur Aufgabe machen«, schlug ich vor, »Peppers Tod zu untersuchen und herauszufinden, wer dahintersteckt. Wenn es mir gelingt, den Mörder seiner gerechten Strafe zuzuführen, dürfte mir von Seiten der Regierung gewiss eine stattliche Belohnung winken.«
»Dafür, fürchte ich, wird Ihnen nicht die Zeit bleiben, Sir. Sie werden für jemand anderen arbeiten.«
»Und wer wird das sein?«
»Nun, ich natürlich.« Sie grinste so keck und vielsagend, dass mir die Spucke wegblieb. »Ich beauftrage Sie, Sir, für die nicht zu verachtende Summe von zwanzig Pfund unserem König ein paar Dienste zu leisten.«
Ich wagte nicht, sie anzusehen. Ich wollte mich von ihrer Schönheit nicht betören lassen. »Ich will niemandes Marionette mehr sein. Hammonds Tage sind gezählt, und damit stellt er auch keine Bedrohung mehr für mich und meine Freunde dar.«
»Ja, Hammond nicht, aber da wären immer noch Ihre Schulden. Sie dürfen sich darauf verlassen, dass unsere Regierung sich großzügigerweise ihrer annehmen wird. Und da wäre noch etwas, Sir. Bei der letzten Wahl haben Sie sich durch Ihren Einsatz für die falsche Seite ganz schön in die Nesseln gesetzt. Sie mögen zwar glauben, es wäre Gras über die Sache gewachsen - doch nicht in den höchsten Kreisen von White-hall. Man könnte Ihr Handeln als Hochverrat bezeichnen - ein Kapitalverbrechen, wie Sie ja wohl wissen.«
Bevor ich Gelegenheit hatte, etwas zu erwidern, ergriff Elias das Wort. »Meine Dame, Sie wissen wenig über Weaver. Wenn Sie glauben, diesen Gentleman mit Drohungen gegen seine Person gefügig machen zu können, sind Sie dümmer, als ich je geglaubt hätte.«
Sie schenkte ihm ein wissendes und auch so bezauberndes Lächeln. »Keine Angst. Ich drohe ihm nicht.« Sie wandte sich wieder mir zu. »Es kann Ihnen nichts mehr passieren. Die Ge-fahr ist vorüber. Ich habe die Angelegenheit nicht erwähnt, um Sie zu verunsichern, Sir, sondern um Sie auf einen Umstand aufmerksam zu machen, der Ihnen bisher entgangen sein dürfte. Nach Ihrem Zusammentreffen mit dem Prätendenten schienen Sie zu einer Gefahr zu werden, und man argwöhnte, die aufmüpfigen Tories könnten Sie früher oder später auf ihre Seite ziehen, so dass man an Ihnen ein Exempel statuieren müsse. Ich sage Ihnen das nicht, um mich wichtig zu machen, aber ich habe Mr. Walpole, den Lordschatzmeister, einen Mann von enormem Einfluss, überzeugt, Ihnen nichts anzuhaben, weil ein Mann von Ihren Fähigkeiten und Ihrer edlen Gesinnung eines Tages doch seinem Königreich dienlich sein könnte. Ich war also schon Ihre Wohltäterin, ehe wir einander begegnet sind.«
»Sie haben sich für mich verwendet? Warum?«
»Hauptsächlich, weil ich fest daran geglaubt habe, dass dieser Tag kommen würde. Vielleicht auch, weil ich es für das Richtige hielt. Vielleicht, weil ich wusste, dass Sie kein Verräter sind, sondern vor eine unmögliche Wahl gestellt gewesen waren, und obwohl Sie nicht im Interesse der regierenden Whig-Aristokratie gehandelt haben, haben Sie sich auch nicht auf die Seite ihrer Gegner geschlagen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll.«
»Sie sollen auch gar nichts sagen, sondern sich anhören, um was ich Sie bitte. Ihr König ruft Sie in seine Dienste, Mr. Wea-ver. Werden Sie dem Ruf folgen? Wollen Sie hören, um was es geht?«
»Und das wäre?«
»Es wird nicht Ihrem Sinn für Redlichkeit widersprechen, wenn wir Sie ersuchen, in Hammonds Haus einzudringen und Ihren Freund Mr. Franco zu befreien. Allzu schwer dürfte das nicht sein, vor allem jetzt nicht, da Cobb nicht mehr da ist. Es befinden sich außer ihm nur noch zwei Personen in dem
Haus. Hammond und Cobb konnten sich keine große Dienerschaft leisten, weil das ihre dunklen Machenschaften gefährdet hätte. Befreien Sie Mr. Franco, und als Dank für diesen Dienst wird man Ihnen die versprochenen zwanzig Pfund auszahlen und die finanzielle Notlage, in die Cobb und Hammond Ihre Freunde gestürzt haben, bereinigen.«
»Ein großzügiges Angebot«, sagte ich. »Vor allem, da Sie mir anbieten, mich für etwas zu bezahlen, das ich ohnehin nur zu gern täte.«
»Es bleibt bei Ihrer Aufgabe allerdings noch ein Punkt zu erwähnen. Haben Sie sich nicht gefragt, was es so Wichtiges geben könnte, weshalb Cobb Hals über Kopf nach Frankreich reisen wollte? Wir haben bei ihm ein Büchlein gefunden, das in verschlüsselter Form die Pläne von Peppers Erfindung enthielt, wie Cobb zugab. Dieses Büchlein ist inzwischen vernichtet worden, aber wir wissen, dass das Original, die einzige noch existierende Niederschrift der Pläne, sich im Besitz von Hammond befindet. Es handelt sich um ein kleines, in Kalbsleder gebundenes Buch mit verschiedenen Zeichnungen und Diagrammen. Es muss irgendwo in dem Haus versteckt sein. Gehen Sie Ihren Freund retten, und wenn Sie schon dabei sind, suchen Sie nach den Plänen und bringen Sie sie uns.«
»Warum sollte ich dieses zusätzliche Risiko eingehen? Mir geht es nur um Franco. Die East India Company interessiert mich kein bisschen.«
Sie lächelte wieder. »Selbst wenn Sie darüber hinwegsehen, was Sie Ihrem Königreich schuldig sind, werden Sie doch gewiss nicht wollen, dass diejenigen, die so viel Unglück über Ihre Freunde gebracht haben, nun in den Genuss dieser Pläne kommen? Hinter alledem stecken die Franzosen; sie begehren diese Pläne mehr als alles andere auf der Welt, und nun sind sie für sie in greifbare Nähe gerückt. Wäre es Ihnen nicht eine Befriedigung, sie ihnen wieder wegzunehmen?«
»Sie haben recht«, sagte ich. »Sie kennen mich gut genug, um zu wissen, dass ich weder leugnen kann, Ihnen etwas schuldig zu sein, noch, dass ich es ertragen könnte, wenn meine Feinde am Ende doch ihren Erfolg einstreichen. Ich werde die Pläne holen.«
»Sowie wir sie in Händen halten, bekommen Sie Ihre Belohnung.«
Ich erwiderte nichts, denn ich wusste bereits, dass ich auf die zwanzig Pfund verzichten würde. Ich vermochte nicht zu sagen, wem die Pläne zustanden, aber ich hatte bereits eine Vorstellung von der Person, der ich sie übergeben würde, und wenn Celia Glade meine Gedanken lesen könnte, würde sie alles in ihrer Macht Stehende tun, um mich davon abzuhalten.