4

In dem Augenblick, da ich in die Swallow Street einbog und mich Cobbs Haus näherte, fand ich mich plötzlich von einer Gruppe von vier oder fünf Bettelknaben umringt, ebenjenen, die mir schon bei meinem ersten Besuch begegnet waren. »Ich kenne dich«, sagte einer von ihnen. Er zählte weniger als zehn Jahre alt, seine Hände waren von Ruß geschwärzt wie auch sein Gesicht, das zudem noch mit einer braunen Schmiere verklebt war, über deren Natur ich nicht nachdenken wollte, was aber seine blauen Augen umso heller leuchten ließ. »Du bist doch der, der Luke vor dem Furzfänger gerettet hat, nich?«

»Ich kenne ihn nicht, aber ich habe mich für den Jungen eingesetzt«, bestätigte ich.

»Was willst du dann mit denen?«, wollte er wissen und wies mit einer Kopfbewegung auf Cobbs Haus.

Ich blieb stehen und musterte den Burschen. »Und ihr?« Ich hielt ein paar Kupfermünzen in die Höhe, um ihm die Unterredung mit mir schmackhafter zu machen.

Er lachte und nahm mir die Münzen mit solcher Behändig-keit und Fingerfertigkeit ab, dass ich mich fragen musste, ob ich sie je wirklich in der Hand gehabt hatte. »Ich will mit diesem Edgar und seinen Leuten gar nich' viel zu tun haben. Ich mag ihn nur gern ärgern, weil Edgar denkt, dass er so viel besser ist wie wir. Er jagt uns immer weg, und es macht ihn teuflisch wütend, wenn wir dann doch wieder in ihr Haus kommen. Zur Hälfte deswegen machen wir das ja.«

»Und zur anderen Hälfte?«

Er grinste und entblößte dabei die schwarzen Zähne eines Greises. »Das ist wegen des Zasters. Die besitzen allerhand, was sich leicht verkaufen lässt.«

»Was weißt du über Cobb?«

Er zuckte die Achseln. »Da gibt's nich' viel zu sagen. Er geht nich' viel aus, und wenn er's dann mal tut, wird er ganz schnell in seine Kutsche geschoben. Wir haben gejohlt wie bei Edgar, aber er hat uns gar nich' beachtet.«

»Haben sie häufig Gäste?«

»Nach dem, was ich sehe, nich'.«

»Ist dir etwas Ungewöhnliches an ihnen aufgefallen?«

Er dachte einen Moment lang nach. »Nur, dass fast niemand in dem Haus lebt. So ein großes Haus nur für zwei Gentlemen und einen Diener. Und sie haben auch nur diesen einen Diener. Sonst kann ich nich' viel über die sagen. Leben sehr zurückgezogen.«

»Das müsste für den Augenblick reichen.« Ich gab ihm meine Karte. »Wenn dir etwas auffällt, was wichtig sein könnte, komm zu mir.«

Er starrte die Karte ratlos an. »Was ist das?«

»Das ist eine Karte«, sagte ich. »Es steht mein Name darauf und wie man zu mir findet. Wenn du mich aufsuchen willst, müsstest du dann vielleicht jemanden bitten, dir vorzulesen, was auf der Karte steht.«

Er nickte, als hätte ich ihn in eines der großen Geheimnisse der Menschheit eingeweiht.

Die Jungen beobachteten von der Straße aus, wie ich an die Tür klopfte, Edgar mir öffnete und mich mit einem kritischen Blick musterte. »Es wundert mich, dass es so lange gedauert hat, bis Sie wieder hier sind.«

»Ach, was du nicht sagst.« Ich unterstrich meine Frage mit der Faust, mit der ich ihm auf die Nase schlug, gar nicht einmal heftig, sondern eher mit Finesse, und augenblicklich entströmte seinem Riechorgan Blut. Der Diener fiel mit dem Rücken gegen die Tür, und ich trat vor und versetzte ihm noch einen weiteren Hieb, bevor er zu Boden sank. Dieser traf sein Kinn, und ich war mir sicher, dass er ihn einen oder zwei Zähne gekostet hatte.

Die versammelten Straßenjungen grölten vor Vergnügen; ich legte Edgar vor die Tür und zog diese hinter mir ins Schloss. Sollten die Bettelknaben doch mit ihm machen, was sie wollten. Mir ging es nur darum, mich ungestört mit Cobb befassen zu können.

Ich marschierte in das Besucherzimmer und fand dort Cobb vor, als hätte er schon auf mich gewartet. Ich schätzte mich glücklich, dass Hammond nicht zugegen war, da er sich weit unversöhnlicher gebärdete als sein Onkel. Dieser saß friedlich in einem Sessel, nippte an seinem Weinglas und hatte sein wohlmeinendstes Lächeln aufgesetzt. Aber mich konnte er damit nicht täuschen. Ich zog meinen Dolch und hielt ihn ihm an die Kehle. »Was wollen Sie von mir?«

Er schielte nach der Klinge, verzog aber sonst keine Miene. »Sie sind derjenige, der in mein Haus eingedrungen ist«, sagte er. »Vielleicht sollte ich Ihnen diese Frage stellen.«

»Halten Sie mich nicht zum Narren, Sir, oder Sie werden meine Fragen beantworten, während Sie Ihre auf dem Teppich liegende Nasenspitze anstarren.«

»Ich glaube nicht, dass Sie mir tatsächlich so feindselig gegenübertreten wollen, Mr. Weaver. Nicht, solange ich in der Lage bin, Ihnen und Ihren Freunden zu schaden. Wie Sie inzwischen sicherlich bemerkt haben dürften, sind nicht nur Sie, sondern auch einige Ihrer Gefährten meine Schuldner. Es würde mir gar nicht gefallen, wenn einer von Ihnen oder Sie alle zusammen im Schuldnergefängnis ihr Leben fristen müssten, obwohl ich davon ausgehe, dass Ihr Onkel seine Probleme lösen könnte, indem er all sein Hab und Gut verkauft und betteln geht, obwohl ihm das gar nicht schmecken dürfte. Aber ich habe auch gute Neuigkeiten: Dazu muss es gar nicht kommen. Es liegt, wie Sie sich bestimmt bereits gedacht haben, in Ihren Händen, die Sache zu einem erfreulicheren Ausgang zu bringen.«

»Was wollen Sie?«

»Nehmen Sie das Messer weg, Sir. Es hilft Ihnen nicht weiter. Sie werden mir nichts tun, solange ich so viel Macht über Sie besitze, und es gibt gar keinen Grund, dass wir nicht Freunde werden können. Wenn Sie mir erst einmal zugehört haben, werden Sie gewiss feststellen, dass meine Vorschläge durchaus vernünftig sind. Ich zweifele zwar nicht daran, dass Ihnen meine Methoden nach wie vor nicht behagen werden, doch es wird alles weit einfacher sein, als Sie es sich vielleicht vorstellen.«

Gewiss hatte er recht damit, dass ich nicht den ganzen Tag neben ihm stehen bleiben und ihm eine Klinge an den Hals halten konnte, und es wäre unvernünftig, ihm etwas zu Leide zu tun, solange er in der Lage war, meinen Freunden und meinem Onkel so viel Schaden zuzufügen. Also steckte ich den Säbel wieder in seine Scheide, schenkte mir ein Glas Wein ein und setzte mich Cobb gegenüber, wobei ich ihn voller Verachtung ansah.

»Also, raus mit der Sprache.«

»Es ist ganz einfach, Mr. Weaver. Ich bin ein großer Bewunderer Ihrer Person und Ihrer Fähigkeiten, und ich möchte, dass Sie für mich arbeiten. Deswegen habe ich dafür Sorge getragen, dass Sie mir diesen Wunsch nicht abschlagen. Ich hoffe, Sie werden mir mein kleines Ränkespiel verzeihen, aber der Zweck heiligt die Mittel, und auf diese Weise konnte ich Ihnen begreiflich machen, dass Sie es mit keinem gewöhnlichen Mann zu tun haben.«

»Dafür zu sorgen, dass ich mich bei Ihnen verschulde, das Geschäft meines Onkels an den Rand des Ruins zu treiben und Mr. Gordons Schulden aufzukaufen, war gewiss kostspieliger und anstrengender, als mich ohne Umschweife zu beauftragen. Warum haben Sie mir nicht einfach angeboten, mich für meine Dienste zu bezahlen?«

»Das habe ich ja, doch zu meinem Bedauern haben Sie dies abgelehnt.« Er musste den Ausdruck der Ratlosigkeit in meinem Gesicht gesehen haben, denn er gab ein kehliges Lachen von sich, nahm einen Schluck Wein und beantwortete meine unausgesprochene Frage. »Nicht ich persönlich, müssen Sie wissen, sondern einer meiner Partner. Vor knapp zwei Wochen hat ein Mr. Westerly bei Ihnen vorgesprochen, wie Sie sich vielleicht erinnern werden, und Ihnen eine nicht zu verachtende Summe für eine bestimmte Dienstleistung angeboten, aber Sie haben nichts damit zu tun haben wollen. Als wir feststellten, dass wir Sie für unsere Bedürfnisse nicht gewinnen konnten, mussten drastischere Maßnahmen ergriffen werden.«

Ich erinnerte mich an diesen Mr. Westerly, einen kurzbeinigen, geradezu unanständig fetten Mann, der überhaupt nur gehen konnte, indem er unter gewaltiger Kraftanstrengung die Arme schwang, um in Bewegung zu kommen. Dafür war er überaus zuvorkommend, geradezu anbiedernd gewesen und hatte sich in Lobtiraden über meine mannigfachen Talente verbreitet. Doch das nützte gar nichts, denn das, was er von mir verlangt hatte, war nicht nur ein Ding der Unmöglichkeit, sondern auch im äußersten Maße töricht, und ich hatte ihn leider abschlägig bescheiden müssen. »Westerly war in Ihrem Auftrag bei mir?«

»Es spielt eine untergeordnete Rolle, wer genau wem einen Auftrag wozu erteilt hat. Für Sie ist nur wichtig, dass ich Ihren Rat bereits befolgt und versucht habe, Sie anzuwerben, doch ohne Erfolg. Da ich auf Sie jedoch nicht verzichten konnte, Sie mir aber Ihre Zeit nicht zur Verfügung stellen wollten, war ich gezwungen, Sie zu nötigen, für mich zu arbeiten.«

»Und wenn ich mich weigere, Ihre Wünsche zu erfüllen, werden Sie meinen Onkel, Mr. Gordon und auch mich in den Ruin treiben?«

»Ich täte es äußerst ungern, aber die Antwort lautet: Ja.«

»Und wenn ich mich einverstanden erkläre?«

Cobb setzte wieder sein freundlichstes Lächeln auf. »Wenn Sie alles tun, was ich von Ihnen verlange, werden sich nicht nur Ihre Schulden in Luft auflösen, sondern auch die Probleme Ihres Onkels und Ihres Freundes.«

»Ich schätze es nicht, zu etwas gezwungen zu werden«, sagte ich.

»Das hätte ich auch nicht anders von Ihnen erwartet, aber ich verspreche Ihnen, dass es leichtes Spiel für Sie sein wird. Für diesen besonderen Dienst will ich Ihnen gerne dreißig Pfund bezahlen, was Sie, wie ich denke, als großzügige Entlohnung erachten werden. Und sowie Sie alles erwartungsgemäß erledigt haben, sind Sie und Ihre Freunde uns in keiner Weise mehr verpflichtet. Ich denke, Sie werden mir zustimmen, dass dies ein annehmbarer Vorschlag ist.«

Ich spürte Wut in mir aufsteigen. Es war mir zutiefst zuwider zuzulassen, dass dieser Mann mich wie sein Werkzeug behandelte, dass ich ihm gegen meinen Willen zu Diensten sein sollte. Seine dreißig Pfund konnte er sich sonst wohin stecken. Aber welche Wahl blieb mir? Er hatte sich genauestens über mich informiert. Wenn es nur um mich allein ginge, hätte ich mich ins Gefängnis werfen lassen anstatt seine Wünsche zu erfüllen, aber ich durfte nicht andere Menschen, die mir in der Vergangenheit so oft zu Hilfe gekommen waren, für meinen Stolz leiden lassen.

»Ich muss wohl in den sauren Apfel beißen«, sagte ich, »aber lassen Sie sich gesagt sein, dass Sie sich, sowie ich meine Verpflichtungen Ihnen gegenüber erfüllt habe, besser hüten sollten, mir noch einmal über den Weg zu laufen, denn ich werde diese üble Erpressung nicht so schnell vergessen.«

»Es zeugt nicht von Verhandlungsgeschick, dass Sie mir auszureden versuchen, Sie und Ihre Freunde aus Ihrer Schuld mir gegenüber zu entlassen.«

»Möglicherweise nicht«, stimmte ich ihm zu, »aber Sie werden ja wohl wissen, dass Sie sich auf einen Handel mit dem Teufel einlassen.«

»Sei es drum. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass Sie anders über mich denken, sowie sich unsere Wege wieder trennen. Sie werden einsehen, obwohl ich Sie zur Mitarbeit zwinge, wie großzügig mein Angebot ist. Sie werden mir sicherlich nicht übel nachreden. Aus diesem Grund lasse ich mich durch Ihre Drohungen nicht von meinem großmütigen Angebot abbringen.«

Ja, es schien, als bliebe mir wirklich keine andere Wahl, als ihm als Faustpfand zu dienen und es auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, meinem Groll freien Lauf zu lassen. »Vielleicht wäre es jetzt an der Zeit, dass Sie mir sagen, was Sie von mir verlangen.«

»Nur zu gerne«, sagte er. Er unterdrückte ein Lächeln, aber ich merkte, dass er hochzufrieden mit sich war. Ich hatte kapituliert. Möglicherweise hatte er nichts anderes erwartet, aber vermutlich hatte er auch nicht geglaubt, dass er so leichtes Spiel haben würde. Schon bereute ich meine Worte - ich hätte mich ihm gegenüber nicht so umgänglich zeigen dürfen. Ich hätte ihn seinen Sieg mit Blut bezahlen lassen sollen, dachte ich. Aber dann fiel mir der angeschlagene Edgar wieder ein, und ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass doch nicht alles so friedlich zugegangen war.

Cobb machte sich daran, mir ausführlich darzulegen, was er von mir erwartete, erwähnte aber mit keinem Wort, warum, und erst recht nicht, wie ich das für ihn erledigen sollte. Er ließ jedoch nicht den geringsten Zweifel daran, dass er ausdrücklich auf der Erfüllung seiner Wünsche bestand, und zwar möglichst bald. »Hätten Sie sich gleich von Mr. Westerly in seine Dienste stellen lassen, hätten Sie mehr Zeit gehabt, alles zu planen. Diesen Luxus können wir uns nun allerdings nicht mehr erlauben. Innerhalb der nächsten zwei oder drei Tage, glaube ich, wird sich eine Gelegenheit ergeben, die wir beim Schopfe packen müssen.«

So blieb mir wenig Zeit, arg wenig Zeit, um in die Rolle eines Einbrechers zu schlüpfen und mir Zugang zu einem der bestbewachten Häuser des gesamten Königreiches zu verschaffen - dem Besitz einiger der mächtigsten Privatpersonen der Welt. Einem Vorhaben dieser Größenordnung sollten Monate der Planung vorausgehen und nicht nur wenige Tage.

»Sie müssen nicht bei Sinnen sein«, sagte ich zu Cobb. »Wie soll es mir gelingen, in ein solches Haus einzudringen? Es gibt dort Wachmänner und Hunde und wer weiß was noch für Schutzmaßnahmen gegen Einbrecher.«

»Das herauszufinden ist Ihre Aufgabe«, sagte Cobb. »Ihre Freunde zählen auf Ihren Einfallsreichtum, nicht wahr?«

»Und selbst wenn Ihnen nichts an Ihren Verwandten und Ihren Freunden läge, wären dreißig Pfund ja wohl Anreiz genug«, ließ sich mit einem Male Hammond vernehmen. Ich hatte ihn nicht kommen hören, aber nun stand er in der Tür und sah mich verächtlich auf seine verkniffene Art und Weise an.

Ich beachtete ihn gar nicht und wandte mich wieder Cobb zu. »Meine Verwandten und meine Freunde? Haben Sie sich noch an die Fersen anderer geheftet als an die meines Onkels und Mr. Gordons?«

»Hah!«, kläffte Hammond. »Unser großartiger Findefuchs ist noch lange nicht hinter alles gekommen. Kann es sein, dass Mr. Cobb doch eine zu hohe Meinung von Ihnen hat?«

»Es gibt noch eine weitere Person«, sagte Cobb. »Da wir uns ein sehr bedeutsames Ziel gesteckt haben, werden Sie verstehen, dass wir nicht auch nur das geringste Risiko eines Misslingens eingehen dürfen. Also haben wir uns, abgesehen von den beiden Männern, die Sie selbst mit in Ihr Unglück gezogen haben, auch noch mit den Angelegenheiten ...«

»Langsam.« Hammond klatschte mit kindlichem Übermut in die Hände, wobei sich sein hässliches Gesicht zu einer unvorstellbar grotesken Fratze verzerrte. »Die Verantwortung dürfte noch schwerer auf Mr. Weavers Schultern lasten, wenn er nicht alles erfährt. Soll er sich doch darüber Sorgen machen, wessen Fuß als Nächstes ins Fangeisen gerät. Darum geht es. Haben Sie gelesen, was Longinus darüber schreibt? Er sagt, dass die Finsternis weit größeren Schrecken verbreitet als jede Monstrosität, wenn man sie bei Licht betrachtet.«

»Ich glaube nicht, dass wir den Gentleman in dieser Hinsicht im Ungewissen belassen müssen«, widersprach ihm Cobb. »Und wir wollen menschliche Angelegenheiten auch nicht mit poetischen Theorien erklären. Verwechsle bitte nicht Grausamkeit mit Strategie, mein lieber Neffe. Obwohl wir ihn zu etwas zwingen müssen, wollen wir Mr. Weaver zum guten Ende doch als unseren Freund gewinnen.« Er wandte sich wieder mir zu, »Der dritte Mann, den wir im Visier haben, ist ein Mr. Moses Franco, ein Nachbar von Ihnen, und, wie ich gehört habe, ein sehr guter Freund.«

Ich spürte, wie mir die Zornesröte ins Gesicht stieg. Es war schlimm genug, dass mein engster Verwandter und mein teuerster Freund mit in diese Sache hineingezogen worden waren, aber es war unerträglich, dass auch noch das Wohl und Wehe eines Menschen, mit dem ich nur flüchtig bekannt war, von mir abhing. Mein Onkel und Elias kannten mich und vertrauten mir und würden sich darauf verlassen, dass ich alles täte, um ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen, aber auch noch das Schicksal eines völlig Unbeteiligten am seidenen Faden meiner Komplizenschaft mit Cobb und Hammond hängen zu wissen, brachte mich aus der Fassung.

»Franco!«, entfuhr es mir. »Der Mann bedeutet mir gar nichts. Warum ziehen Sie ihn in diesen Wahnsinn mit hinein?«

Hammond gluckste vor Vergnügen. »Das überlassen Sie nur uns.«

Cobb rieb sich fast kummervoll die Hände wie ein Arzt, der sich überlegt, wie er einem Patienten eine unerfreuliche Diagnose nahebringt. »Ich bin zu dem Glauben gelangt, Sir, dass eine Beziehung zwischen Ihnen und der Jüdin Miss Gabriella Franco besteht. Habe ich nicht recht damit?«

»Nein, das haben Sie nicht«, fuhr ich ihn an.

Ungefähr drei Jahre lang war es mein innigster Wunsch gewesen, Miriam, die Witwe meines Cousins, zu heiraten, aber unsere Liebschaft hatte in einem Missklang geendet, und es gab keine Hoffnung auf eine Versöhnung. Obwohl mein Onkel Miguel ebenfalls unsere Eheschließung befürwortet hatte, musste auch er einsehen, dass unsere Beziehung in Schutt und Asche lag, woraufhin er Bemühungen unternahm, mich mit Frauen bekanntzumachen, die seiner Meinung nach meinem häuslichen Glück und Wohlergehen förderlich sein könnten. Obwohl ich solche Avancen regelmäßig ausschlug, traf ich mich doch gelegentlich mit einer Dame seiner Wahl, wenn ich sie reizvoll genug fand. Miss Franco war eine überaus anmutige Lady von frohgemutem Wesen und betörender Figur. Wenn es einem Mann nur um die äußerlichen Reize einer Frau ginge, wäre ich, wie ich gerne zugebe, schon längst in den heiligen Stand der Ehe mit ihr eingetreten, aber es gab noch anderes zu erwägen, nicht zuletzt nämlich, ob ein Mann und eine Frau auch von der Wesensart her zueinanderpassten. Ich fand sie zwar in mancher Hinsicht sehr anziehend, und Miss Franco kam in erstaunlich vieler Hinsicht meinen Vorlieben, was das schwache Geschlecht betrifft, entgegen, aber mir war doch eher nach einer lockeren Bekanntschaft mit ihr zu Mute und nicht danach, gleich den Hafen der Ehe mit ihr anzusteuern. Wäre sie nicht die Tochter eines Freundes meines Onkels, eines Mannes, der auch meine Wertschätzung genoss, hätte ich vielleicht eine solche lockere Bekanntschaft mit ihr angestrebt, doch aus Re-spekt vor meinem Onkel und dem Vater der Dame, für den ich bei meinen Besuchen eine ähnliche Sympathie entwickelt hatte wie für die Tochter, nahm ich dann doch Abstand davon -kein Entschluss von großer Tragweite, wie sich wenig später herausstellte, denn nach meinem dritten oder vierten Besuch im Haus der Francos erfuhr ich, dass die in Saloniki lebende Großmutter der jungen Dame schwer erkrankt und mein liebreizender Engel sogleich abgereist war, um sich um ihre Angehörige zu kümmern.

Obwohl ich vorgehabt hatte, wenigstens mit ihrem mir gewogenen Vater weiterhin auf freundschaftlichem Fuße zu verkehren, hatte ich noch keine Gelegenheit gehabt, ihn nach der Abreise seiner Tochter aufzusuchen. Es stand zu befürchten, dass sich nun bestimmt keine enge Freundschaft zwischen uns beiden mehr entwickeln würde, nachdem ich die Ursache des Verdrusses war, den Cobb und Hammond dem guten Mann vermutlich bereitet hatten.

»Ich habe weder eine Verpflichtung der Familie Franco gegenüber noch umgekehrt«, erklärte ich. »Deren Angelegenheiten sind für mich von ebenso geringem Interesse wie die eines jeden flüchtigen Bekannten aus meiner Nachbarschaft. Ich bitte Sie, diese Leute nicht zu behelligen.«

»Hört, hört«, rief Hammond. »Das Schicksal Fremder scheint ihm mehr am Herzen zu liegen als die Not seiner Freunde und Blutsverwandten. Ich denke, wir sollten Mr. Francos Wechsel besonders sorgfältig verwahren.«

Auch Cobb schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, aber mein Neffe hat recht. Vielleicht erweisen Sie sich als ein williger Partner, und dann können wir ihn bald aus der Pflicht entlassen. In der Zwischenzeit jedoch erscheint es mir sinnvoll, Mr. Francos Schulden zur Gewähr Ihres Mitwirkens als Pfand zu behalten.«

»Sie irren sich«, sagte ich mit gesenkter Stimme, »wenn Sie glauben, dass mir an ihm mehr liegt als an meinem Onkel. Ihm geht es nicht gut, und die Verluste, die er durch Sie erlitten hat, verschlimmern nur seinen angeschlagenen Zustand. Wenn Sie wenigstens ihn aus Ihren Fängen lassen, werde ich Ihnen dienlich sein, wie Sie es von mir verlangen. Ihnen bleiben doch immer noch Mr. Franco und Mr. Gordon als Sicherheit.«

»Ich muss zugeben, dass ich von der Erkrankung seiner Bronchien gehört habe, und es liegt mir nichts daran, ihn leiden zu lassen .«

»Oh nein!«, fuhr sein Neffe ihm über den Mund. »Nicht Sie diktieren hier die Bedingungen, Weaver, sondern wir. Wenn Sie uns nicht hintergehen, braucht Ihr Onkel sich keine Sorgen zu machen und kann sich um seine Gesundung kümmern. Sie sind nicht in der Position zu verhandeln, denn Sie haben uns nichts zu bieten, was wir nicht schon längst hätten. Je eher Sie tun, was man Ihnen sagt, desto früher können wir Ihre Freunde aus ihrer Zwangslage befreien.«

Ja, auch ich sah jetzt keinen Ausweg mehr. Das Schicksal dreier Männer - und im Falle von Franco und meinem Onkel, auch das ihrer Familien - hing von meiner Bereitschaft ab, Cobbs Befehle zu befolgen. Dass er mit diesen Befehlen mein Leben und meine Unversehrtheit aufs Spiel setzte, schien Männer wie ihn und seinen Neffen nicht zu kümmern. Sie taten so, als verlangten sie nichts von mir als eine kleine Gefälligkeit, aber in Wirklichkeit wollten sie, dass ich in ein Haus einbrach, das wie eine Festung gesichert war und das von Leuten mit solcher Macht und solcher Gier bewohnt wurde, dass mir alleine schon bei dem Gedanken daran der kalte Angstschweiß ausbrach.

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