Achtes Kapitel.

Hier einen sich Verbannte aller Zonen


und sprechen friedlich in den fremdsten Lauten.

Campbell.

Wir haben unsere Leser in den Hauptpersonen dieser Geschichte bereits mit verschiedenen Charakteren und Nationalzügen bekannt gemacht; um jedoch die Glaubwürdigkeit unserer Erzählung fest zu begründen, wollen wir in Kürze die Ursachen auseinander zu setzen versuchen, die uns veranlaßt, hier ein so buntes Gemisch von handelnden Personen zusammen zu stellen.

In der Zeit, welcher unserer Geschichte anheimfällt, begann in Europa jene Bewegung, welche nachher seine politische Institutionen bis in's Mark erschütterte. Ludwig XVI. war enthauptet, und eine Nation, die sonst für die gesitteteste unter den civilisirten Völkern der Welt galt, hatte ihren Charakter so weit geändert, daß an die Stelle der Schonung, der Hochherzigkeit und des Muthes, Grausamkeit, Hinterlist und Wildheit getreten waren. Tausende von Franzosen sahen sich genöthigt, Schutz in fernen Ländern zu suchen. Unter den Vielen, welche sich aus Frankreich und den dazu gehörigen Inseln nach den vereinigten Staaten von Amerika flüchteten, befand sich auch Monsieur Le Quoi. Er war dem Richter Temple durch das Haupt eines angesehenen Handelshauses in Neu-York, mit dem Marmaduke in einiger Verbindung stand und nicht selten gute Geschäfte abschloß, empfohlen worden. Bei dem ersten Zusammentreffen mit dem Franzosen hatte unser Richter in ihm einen Mann von Bildung entdeckt, der in seiner Heimath glücklichere Tage gesehen hatte. Einige Andeutungen, die Monsieur Le Quoi entschlüpften, ließen in ihm einen westindischen Pflanzer vermuthen, deren eine große Anzahl Saint Domingo und die übrigen Inseln verlassen hatte, und die jetzt in den Staaten der Union in einem Zustande verhältnißmäßiger Verarmung, bisweilen auch in völliger Dürftigkeit lebten. Letzteres war indeß bei Monsieur Le Quoi nicht der Fall. Er besaß zwar, wie er selber zugestand, nur wenig, doch reichte dieses zu, um ihm einen leidlichen Unterhalt zu verschaffen.

Marmaduke besaß viele praktische Kenntnisse, namentlich in allem, was auf sich das Leben in den neuen Ansiedelungen bezog. Auf seinen Rath hatte Monsieur Le Quoi einige Einkäufe gemacht, bestehend aus Leinwand. Spezereien, Schießpulver und Tabak; eine Quantität Eisenwaren, darunter in verhältnißmäßiger Menge Messer, Suppenkessel und dergleichen, einen tüchtigen Vorrath von Töpfergeschirr gröbster Qualität und in den unzierlichsten Formen: dazu sonstige Erfordernisse des gewöhnlichen Lebens, worunter als Luxuswaare Spiegel und Maultrommeln nicht vergessen waren. So eingerichtet, trat Monsieur Le Quoi hinter seinen Ladentisch, dazu fügte sich, vermöge seiner wunderbaren Temperamentsschmiegsamkeit in diese neue Stellung, als ob er nie etwas anderes getrieben hätte. Seine Höflichkeit und Gesprächigkeit machte ihn ungemein populär, wie denn auch außerdem die Frauen bald entdeckten, daß er Geschmack hatte. Seine Kattune waren die schönsten, oder mit andern Worten die modernsten, die in der Gegend aufzufinden waren; und unmöglich konnte man gegen einen so höflichen Mann lange wegen der Preise markten. Durch solche Mittel gewannen Monsieur Le Quoi's Angelegenheiten bald eine günstige Wendung, so daß er von den Ansiedlern als der zweitvermöglichste Mann in dem Patent betrachtet wurde.

Der Ausdruck Patent, der in diesen Blättern schon mehrere Mal vorgekommen ist und wohl auch noch öfter gebraucht werden wird, bezeichnete den Distrikt, der ursprünglich dem alten Major Effingham durch ein königliches Patent übertragen worden, und der nun, nach Anwendung der Confiskations-Akte, durch Kauf an Marmaduke Temple gekommen war. Man bediente sich in den neuen Theilen des Staates häufig dieser Bezeichnung, und fügte ihr gewöhnlich auch noch den Namen des Grundbesitzers bei, wie z. B. in dem gegenwärtigen Falle. Temple's- oder Effinghams-Patent.

Major Hartmann war der Abkömmling eines Mannes, der in Gemeinschaft mit einer Anzahl seiner Landsleute und ihren Familien von den Ufern des Rheins nach denen des Mohawk ausgewandert war. Diese Uebersiedelung hatte schon unter der Regierung der Königin Anna stattgefunden, und die Abkömmlinge der ursprünglichen Auswanderer lebten nun sehr verbreitet und friedlich an den fruchtbaren Ufern des schönen Flusses.

Die Deutschen oder Hochländer, wie man sie nannte, um sie von den niederländischen Kolonisten zu unterscheiden, waren ein eigenthümliches Volk. Sie besaßen den ganzen Ernst dieser letztern ohne ihr Phlegma, und standen ihnen an Fleiß, Ehrlichkeit und Genügsamkeit nicht nach.

Fritz oder Friederich Hartmann war ein Inbegriff aller Fehler, Schwächen und Vorzüge seines Volkes. Trotz seiner Wortkargheit war er doch leidenschaftlich, eigensinnig und mißtrauisch gegen Fremde, zeigte übrigens dabei einen unbeugsamen Muth, eine unbestechliche Redlichkeit und eine treue Anhänglichkeit an seine Freunde. Seine einzige Wandelbarkeit bestand darin, daß er leicht vom Ernste zur Heiterkeit überging, obgleich der erstere Zug bei weitem der vorherrschende war. Marmaduke Temple hatte sich schon in der ersten Zeit ihrer Bekanntschaft seine Zuneigung erworben, wie denn auch dieser der einzige Mann war, der, ohne deutsch sprechen zu können, sich sein ganzes Vertrauen gewonnen. Viermal im Jahr, jedesmal zur Zeit der Sonnenwende, verließ er sein niedriges, steinernes Haus an den Ufern des Mohawk, und wanderte dreißig Meilen durch die Berge nach der Thüre des Herrenhauses in Templeton. Hier blieb er gewöhnlich eine Woche, und stand dabei im Rufe, einen großen Theil dieser Zeit mit Herrn Richard Jones in lustiger Schwelgerei zu verbringen. Aber Jedenrmann liebte ihn, selbst Remarkable Pettibone, obgleich sein Besuch ihre wirthschaftlichen Mühen vermehrte — was er seiner Offenheit, Aufrichtigkeit und seiner jeweiligen Heiterkeit zu danken hatte. Er stattete dermalen seinen regelmäßigen Weihnachtsbesuch ab und hatte sich noch keine Stunde im Dorf befunden, als ihn Richard aufforderte, den Sleigh mit zu besteigen, um dem Richter und seiner Tochter entgegen zu fahren.

Ehe wir uns über den Charakter und die Stellung des Herrn Grant weiter auslassen, wird es nöthig seyn, einen Rückblick auf eine frühere Periode der kurzen Geschichte dieser Ansiedelung zu werfen. Es scheint eine Eigenthümlichkeit der menschlichen Natur zu seyn, zuerst für die Bedürfnisse dieser Welt zu sorgen, ehe sich ihre Aufmerksamkeit auf eine andere lenkt. In den ersten paar Jahren dieser Ansiedelung dachte man nur wenig daran, unter den Baumstümpfen von Temples-Patent einen förmlichen Gottesdienst einzurichten; aber da die meisten Bewohner aus den sehr religiösen Staaten Connecticut und Massachusetts abstammten, so begannen sie, sobald für die leiblichen Bedürfnisse gesorgt war, allen Ernstes ihre Aufmerksamkeit darauf zu verwenden, die religiösen Sitten und Gebräuche, an denen ihre Vorfahren so treulich gehangen, in's Leben zu rufen. Es ließ sich zwar allerdings nicht leugnen, daß unter Marmaduke's Pächterschaft eine große Meinungsverschiedenheit hinsichtlich der Gnadenwahl und des freien Willens herrschte; wenn man jedoch die Verschiedenheit der religiösen Bildung, welche die Einzelnen genossen, in's Auge faßt, so wird leicht begreiflich, daß es nicht wohl anders seyn konnte.

Sobald die Niederlassung mit ihren Straßen und ihren Häusern einigermaßen ein stadtartiges Ansehen gewonnen hatte, wurden die Einwohner zu einer Versammlung eingeladen, um die Zweckmäßigkeit der Errichtung einer Akademie zu berathen. Der Gedanke war in Richard's Kopf gewachsen, der sich in der That sehr geneigt fühlte, das beabsichtigte Institut, wo nicht gerade zu einer Universität, so doch zu einem Collegium zu stempeln. Er ließ zu diesem Ende mehrere Jahre lang eine Versammlung nach der andern abhalten. Die solchen Versammlungen entsprossenen „Beschlüsse“ erschienen jedesmal in den Hauptspalten einer kleinen Zeitung, die bereits jede Woche in dem Dachstübchen eines Hauses im Dorfe auf blaues Papier gedruckt wurde, und die der Reisende oft in dem Spalte eines Pfahles erblicken konnte, der als Postamt für irgend einen Ansiedler an einer Stelle eingeschlagen war, wo der Fußweg zu einem seitabgelegenen Blockhause in die Hauptstraße einlenkte. Hin und wieder mußte ein solcher Pfahl wohl auch eine kleine Schachtel tragen, mittelst deren eine stärkere Bewohnergruppe ihre wöchentlichen literarischen Bedürfnisse erhielt, da dieß die Orte waren, wo der so betitelte Postreiter jedesmal ein Bündel von diesen kostbaren Waaren niederlegte. Diese pomphaften Versammlungsbeschlüsse enthielten gewöhnlich eine Darlegung der Ansprüche Templeton's an die Gunst der Universitätsbehörden, indem man zugleich in Kürze den Nutzen der Erziehung auseinandersetzte und die Vortheile hervorhob, die der Ort besonders wegen seiner gesunden Luft, des gefunden Wassers, der Wohlfeilheit der Lebensmittel und der hohen Sittlichkeit der Bewohner für einen derartigen Zweck biete — Documente, deren stets die Namen Marmaduke Temple's als des Präsidenten und Richard Jones' als des Secretärs in großer lateinischer Capitalschrift beigedruckt waren.

Zum Glück für den Fortgang des Unternehmens waren die Regierungsbehörden nicht gewöhnt, solchen Aufrufen an ihre Großmuth zu widerstehen, wenn auch nur die mindeste Aussicht auf irgend eine Schenkung vorhanden war, welche das Unternehmen fördern konnte. Eventualiter entschloß sich daher der Richter Temple, das nöthige Land herzugeben und das erforderliche Gebäude auf eigene Kosten errichten zu lassen. Die Geschicklichkeit des Herrn — oder wie er nun von dem Umstande, daß er das Amt eines Friedensrichters begleitete, genannt wurde — des Squire Doolittle, wurde nun abermals in Anspruch genommen und Jones' Kenntnisse mußten aufs Neue aushelfen.

Wir unterlassen es, hier von den bei dieser Gelegenheit vorgelegten verschiedenen Baurissen zu sprechen, da wir eine solche Anmaßung nicht zu verantworten wüßten, sintemal eine Versammlung der Gesellschaft der alten und ehrenwerthen Freimaurerbrüderschaft, an deren Spitze Richard in der Eigenschaft eines Logenmeisters stand, ohne Zweifel in ihrer Weisheit denjenigen auswählte, der ihr als der beste erschien. Der schwierige Punkt war daher bald entschieden, und an dem bezeichneten Tage begab sich die achtbare Brüderschaft in stattlicher Prozession mit kleinen symbolischen Schürzen angethan, unter Entfaltung einiger Banner und geheimnißvoller Symbole, aus einer sinnreich gewählten Dachstube des „kühnen Dragoners“, eines von Hauptmann Hollister bedienten Wirthshauses, nach dem beabsichtigten Bauplatz. Hier legte Richard, umringt von mehr als der halben männlichen und der ganzen weiblichen Bevölkerung eines Umkreises von zehn Meilen um Templeton mit geziemender Würde den Grundstein.

Im Laufe der folgenden Woche fand abermals eine Volksversammlung, wobei Schwärme des zarteren Geschlechts nicht ausgeschlossen waren, statt, und nun sollten Hirams Fähigkeiten in Handhabung des Winkelhakens die Probe des Experimentes bestehen. Es paßte Alles prächtig zusammen und das hölzerne Gerippe des Gebäudes wurde ohne den mindesten Unfall aufgerichtet, ein Paar Stürze von den Pferden ausgenommen, die bei dem abendlichen Heimritte einem und dem andern Arbeiter zufließen. Von vieler Zeit an schritt die Arbeit mit reißender Schnelle voran und wurde noch im Laufe desselben Sommers beendigt. Das Gebäude stand nun in all seiner Schönheit und in seinem Ebenmaße da — ein Stolz des Dorfes, eine Studie für junge, Ruhm anstrebende Baukünstler, und die Bewundrung jedes Ansiedlers in dem Patent.

Es war ein langes, schmales, hölzernes, weiß übertünchtes Haus, welches mehr als zur Hälfte aus Fenstern bestand, und wenn sich der Beobachter nur ein wenig westlich stellte, so konnte er ohne sonderliches Hinderniß, durch das Gebäude hindurch sich des Aufgangs der Sonne erfreuen. Es bildete in der That einen sehr unbequemen, offenen Platz, der dem Gestirne des Tages durchaus nie ein Hinderniß in den Weg legte. Vornen befanden sich verschiedene von Richard gezeichnete und von Hiram ausgeführte Holzverzierungen: aber ein Fenster in der Mitte des zweiten Stockes, unmittelbar über der Thüre oder dem Haupteingange, bildete nebst dem Thurme den Stolz des Gebäudes. Das Erstere war, wie wir glauben, nach der zusammengesetzten Ordnung construirt, denn es umfaßte eine große Menge Verzierungen und einen großen Wechsel in den Proportionen. Es bestand aus einem Spitzbogen in dem Mittelpunkte und einer kleinen viereckigen Abtheilung an jeder Seite; das Ganze war von einer schweren Fichtenrahme mit tiefen und mühsamen Verzierungen umfaßt, während das Licht durch eine Menge runder Scheibchen aus grünem trübaussehenden Glase einfiel. Eine grün angestrichene Blende gewährte dem Fenster Schutz und wahrscheinlich wäre auch diese Farbe, um den Effekt des Ganzen zu heben, auf alle übrigen angewendet worden, hätte nicht der Mangel an öffentlichen Fonds, der immer bei derartigen Unternehmungen einzutreten pflegt, die Nothwendigkeit herbeigeführt, es bei dem ursprünglichen bleifarbigen Grundanstrich zu lassen. Der Thurm war eine kleine Kuppel und erhob sich in der Mitte des Daches auf vier hohen fichtenen Säulen, die der Länge nach mit Hohlkehlen versehen und mit Schnitzwerk überladen waren. Auf den Säulencapitälern ruhte eine Kuppel, die einer umgekehrten Theetasse ohne Boden glich, ob der sich ein hölzerner Schaft mit zwei eisernen Querstäben befand, an deren Enden die lateinischen Buchstaben W. S. O. N. aus dem gleichen Metalle stacken. Ueber dem Gange schwebte die Nachahmung eines Thieres aus den Flossenzünftlern, das von Richard aus Holz geschnitzt und mit der von ihm so betitelten Schuppenfarbe angestrichen war. Nach Herrn Jones' Versicherung hatte das Thier eine wunderbare Aehnlichkeit mit dem Lieblingsgericht der nordamerikanischen Epicuräer, welches sie Seefisch nennen, und ohne Zweifel durfte man ihm aufs Wort glauben; denn obgleich der Fisch den Zweck eines Wetterhahns erfüllen sollte, so bemerkte man doch, daß er den sehnsüchtigen Blick ohne Unterlaß nach dem schönen Wasserbecken richtete, das zwischen den Bergen von Templeton eingebettet lag.

Bald nach dem Eintreffen des von der Regierung bewilligten Beitrags stellen die Gründer dieser Anstalt einen Lehrer an, der auf einem der östlichen Collegien einen Grad erhalten hatte und nun die lernbegierige Jugend innerhalb der Mauern des oben beschriebenen Gebäudes unterrichten sollte. Der obere Theil des letztern bestand aus einem einzigen Gemache, das zu öffentlichen Prüfungen und besonderen Feierlichkeiten dienen sollte, während das Erdgeschoß zwei Zimmer barg, welche für den Zweck der beiden großen Erziehungszweige, das Erlernen des Lateinischen und des Englischen — bestimmt waren. Die Zöglinge des einen waren nie sehr zahlreich, obgleich man bald durch die Fenster des Zimmers zur großen Freude und zur augenscheinlichen Erbauung der Vorübergehenden Töne wie: Nominativ, pennaa, Genitiv, penny vernehmen konnte.

Nur ein einziger Arbeiter in diesem Tempel der Minerva hat es jedoch, dem Vernehmen nach, bis zu einer Uebersetzung des Virgil gebracht. Er trat bei einer Jahresprüfung zum ungemeinen Entzücken aller seiner Verwandten, einer Pächtersfamilie in der Nachbarschaft, auf, und sagte die ganze erste Ecloge auswendig her, wobei er die Intonationen des Dialogs mit ungemein viel deklamatorischem Takt und lebhafter Wirkung auf das Auditorium beobachtete. Die Töne:

„Titty-ree too patty-lee ree-coo-bans sub teg-mi-nee faa-gy

Syl-ves-trem ten-oo-i moo-sam medi-taa-ris aa-ve-ny“

wie sie in dem Munde des jungen Gelehrten klangen, wurden indeß zum letzten Male in diesem Gebäude gehört, wie es auch wahrscheinlich hier oder anderswo das Erstemal in dieser Pronunciation war. Bei dieser Gelegenheit entdeckten die Vorstände des Instituts, daß sie der Zeit vorgegriffen hätten, und der lateinische Lehrer oder Instruktor wurde durch einen Schulmeister ersetzt, der dem Grundsatze getreu: „Eile mit Weile,“ den gewöhnlichen englischen Elemementarunterricht ertheilte.

Von dieser Zeit an bis zu der Periode unserer gegenwärtigen Geschichte war die Academie nichts weiter, als eine gewöhnliche Landschule, und das große Zimmer des Gebäudes wurde nur des Abends hin und wieder bei außerordentlichen Anlässen als Gerichtssaal, bisweilen aber auch zu religiösen Conferenzen gebraucht; Nachmittags mußte es wohl auch zu einem unter Richard's Auspicien gegebenen Balle dienen; und jeden Sonntag Morgen wurde daselbst der Gottesdienst abgehalten.

Kam ein reisender Prediger der Methodisten, Baptisten, Universalisten oder der noch zahlreicheren Presbyterianer zufällig in die Gegend, so wurde er gewöhnlich eingeladen, in Templeton Gottesdienst zu halten, wofür sodann, ehe die Gemeinde auseinander ging, in einen Hut für ihn eingesammelt wurde. Wenn sich kein regelmäßiger Geistlicher auffinden ließ, so wurde von etlichen der begabteren Mitglieder ein und das andere Gebet — aus dem Herzen, wie man es nannte — gehalten, und durch Herrn Richard Jones eine Predigt von Sterne vorgelesen.

Die Folge dieses Mangels einer eigentlichen Seelsorge war, wie bereits oben angedeutet, eine große Meinungsverschiedenheit in den schwerer begreiflichen Glaubenspunkten. Jede Secte hatte ihre Anhänger, obgleich keine regelmäßig organisirt und disciplinirt war. Von der religiösen Erziehung Marmaduke's ist bereits Meldung geschehen; übrigens trug dessen Vermählung keineswegs dazu bei, den unbestimmten Charakter seines Glaubens ganz zu beseitigen. Elisabeth's Mutter, wie auch die Mutter des Richters, waren Anhängerinen der bischöflichen Kirche gewesen; und Marmaduke's richtiger Sinn empörte sich gegen die vertraulichen Zwiegespräche, welche die Häupter der Versammlungen bei ihren nächtlichen Zusammenkünften mit der Gottheit pflogen; er hielt es daher, wenn auch nicht dem Wesen, so doch der Form nach, mit der Hochkirche. Auf der andern Seite war Richard ein strenger Eiferer für die Dogmen und Ceremonien dieser Glaubensform; wie er es denn auch einige Male, wenn an einem Sonntage gerade die Kanzel leer stand, versucht hatte, das bischöfliche System geltend zu machen. Da aber Richard Alles gerne übertrieb und sich gewissermaßen eine päpstliche Autorität anmaßte, so sah er sich an dem zweiten Sonntage von dem größten Theile seiner Zuhörer verlassen, und am dritten Sonntage bestand sein ganzes Auditorium nur noch aus Ben Pump, in dem sich die ganze Hartnäckigkeit und Rechthaberei eines orthodoxen Hochkirchlers vereinigte. Vor dem Ausbruch des Revolutionskrieges wurde die englische Kirche in den Colonien von einigen ihrer Anhänger in dem Mutterlande mit großem Interesse unterstützt, und einige von ihren Congregationen hatten sich wirklich großer Fonds zu erfreuen. Aber sobald die Unabhängigkeit der vereinigten Staaten erklärt war erschlaffte diese christliche Secte, der es in ihrem Clerus an der gehörigen Ordnung und an einem leitenden Oberhaupte fehlte. Um diesen Nachtheil zu beseitigen, wurden endlich fromme und begabte Geistliche auserlesen und nach England geschickt, um daselbst die bischöflichen Weihen zu holen, die, wie man der Ansicht ist, nur dem Einem von dem Andern ertheilt werden können, indem man auf diesem Wege hoffte, jene Einheit der Kirchen zu erhalten, die einem Volke von dem gleichen Stamme ziemlich war. Hier gab es jedoch unerwartete Hindernisse wegen der Beeidigungen, mit denen Englands Politik ihr Grundprincip festhalten wollte, und so verging viele Zeit, ehe sich die englischen Prälaten in ihrem gewissenhaften Pflichtgefühl herablassen wollten, eine so eifrig gesuchte Würde auf die amerikanischen Sendlinge zu übertragen. Zeit, Geduld und Eifer beseitigten jedoch jedes Hinderniß, und die hochwürdigen Herrn der amerikanischen Gemeinden kehrten endlich als erste Würdenträger der sichtbaren Kirche zu ihren harrenden Diöcesen zurück. Nun wurden Priester und Diacone ordinirt und Missionäre ausgeschickt, um die erlöschende Flamme der Andacht bei denjenigen Kirchenangehörigen, die durch ihren Aufenthalt in neuen und noch unorganisirten Distrikten des gewöhnlichen Cultus beraubt waren, wieder anzufachen.

Zu der Zahl der Letzteren gehörte Herr Grant. Er war in den Strich geschickt worden, dessen Hauptort Templeton war, und Marmaduke hatte ihn freundlich eingeladen, seinen Wohnsitz in dem Dorfe zu nehmen — ein Ansinnen, welches durch Richard's glaubenseifriges Drängen sehr unterstützt wurde. Man errichtete für den Geistlichen und seine Familie eine kleine bescheidene Wohnung, und sein Einzug in dem Dorfe hatte nur einige Tage vor dem Augenblicke stattgefunden, welcher ihn dem Leser zum Erstenmale vorführte. Da seine Doctrine den meisten Einwohnern noch ganz neu war, und zufällig ein Geistlicher von einem audern Bekenntniß, der einen Zögling an die Akademie geliefert, das Feld vornweg eingenommen hatte, so mußte der neue Ankömmling am ersten Sonntage schweigend zusehen; aber nun sein Nebenbuhler einem Meteore gleich, die Luft mit dem Licht seiner Weisheit erfüllend, wieder verschwunden war, erhielt Richard den Auftrag, der Gemeinde zu verkündigen, daß der hochwürdige Herr Grant am Vorabende des heiligen Christfestes in dem Saale der Akademie zu Templeton öffentlichen Gottesdienst nach dem Ritus der englischen protestantischen Kirche abhalten werde. Diese Ankündigung veranlaßte eine große Bewegung unter den Anhängern der verschiedenen Secten. Einige waren neugierig, was wohl dabei herauskommen würde; andere spöttelten darüber; bei weitem der größere Theil aber, eingedenk, der bereits von Richard gemachten Versuche und der Toleranz, oder vielmehr der Lauigkeit von Marmaduke's Grundsätzen hinsichtlich des Sektenwesens, hielt es für das Beste, zu schweigen. Demungeachtet blieb aber der anberaumte Abend ein Gegenstand der gespanntesten Neugierde, die keineswegs vermindert wurde, als man am Morgen des ereignißvollen Tages Richard und Benjamin, jeden mit einem schweren Bündel von Immergrün auf dem Rücken, aus dem benachbarten Walde nach der Akademie zurückkehren sah. Man gewahrte auch, daß das würdige Paar die Thüre sorgfältig hinter sich verschloß, weßhalb das, was dort vorging, den Dorfbewohnern ein tiefes Geheimniß blieb. Herr Jones hatte vor dem Beginne dieses geheimnißvollen Geschäftes den Schulmeister zur großen Freude seiner weißköpfigen Heerde angekündigt, daß an diesem Tage keine Schule gehalten werden könne. Marmaduke war über die Vorbereitungen brieflich unterrichtet, und demgemäß hatte er es so eingerichtet, daß er und Elisabeth noch zeitig genug ankamen, um an den Festlichkeiten des Abends Theil zu nehmen.

Nach dieser Abschweifung kehren wir zu dem Gange unserer Geschichte zurück.


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