Fünfunddreißigstes Kapitel.

Um die Verfolger zu vermeiden,


Drückt schwer der Sporn der Thiere Seiten.


Nicht umgeschaut, bis der Gefahr


Wir Viere ledig sind und baar!

Hudibras.

Mit der eintretenden Dämmerung begannen die Geschworenen, die Zeugen und die übrigen Glieder des Gerichtshofs sich zu zerstreuen, und noch vor neun Uhr herrschte Ruhe im Dorfe: die Straßen waren beinahe verödet. Um diese Stunde gingen Richter Temple und seine Tochter, denen Luise Grant in kurzer Entfernung folgte, unter dem leichten Schatten der jungen Pappeln langsam die Allee hinab, wobei sie sich in nachstehendem Gespräche unterhielten —

„Du kannst am besten sein verletztes Gemüth beruhigen,“ sagte Marmaduke; „doch wird es immerhin gefährlich seyn, die Natur seines Vergehens zu berühren, da die Heiligkeit der Gesetze beachtet werden muß.“

„O Vater!“ rief die ungeduldige Elisabeth; „unmöglich können Gesetze vollkommen seyn, welche einen Mann, wie Lederstrumpf, wegen eines Vergehens, das mir so verzeihlich erscheint, zu einer so strengen Strafe verdammen.“

„Du redest, wie Du es verstehst, Elisabeth,“ versetzte ihr Vater. „Die Gesellschaft kann ohne einen heilsamen Zwang nicht bestehen, und ein solcher Zwang ist unmöglich handzuhaben, wenn die Personen Derjenigen, welche ihn ausüben, nicht geschützt und geachtet werden. Und wie sehr müßte es nicht meinem Ruf als Richter schaden, wenn man mir nachsagen könnte, ich hätte einen überwiesenen Verbrecher entschlüpfen lassen, weil er das Leben meines Kindes rettete?“

„Ich sehe — ich erkenne die Schwierigkeit Deiner Stellung, lieber Vater,“ entgegnete die Tochter; „aber bei einem Vergehen, wie das des armen Natty war, kann ich den Vollstrecker des Gesetzes nicht von dem Menschen trennen.“

„Du sprichst wie ein Weib, Kind. Es handelte sich nicht um den Angriff auf Hiram Doolittle, sondern um die Drohung , auf einen Constable zu schießen, welcher in der Vollziehung eines — —“

„Gleichviel, ob es das eine oder das andere ist,“ fiel ihm Miß Temple mit einer Logik in's Wort, die ihre Schlüsse mehr von dem Gefühle als von dem Verstande borgte; „ich kenne Natty's Unschuld, und in dieser Ueberzeugung muß ich Alle, die ihn unterdrücken, für ungerecht halten.“

„Sein Richter gehört auch darunter; — Deinen Vater also gleichfalls, Elisabeth ?“

„Ach, Vater! stelle keine solchen Fragen an mich. Nenne mir lieber Deinen Auftrag, und laß mich eilen, ihn zu vollziehen.“

Der Richter hielt einen Augenblick inne, lächelte seinem Kinde zärtlich zu, und ließ dann seine Hand auf ihre Schulter fallen, indem er entgegnete:

„Du magst in manchen Stücken Recht haben, 'Beß, aber Dein Herz hat zu viel Einfluß auf Deinen Verstand, Doch höre jetzt: in diesem Taschenbuch sind zweihundert Dollars. Geh' zu dem Gefangenen — Du hast nichts dabei zu befürchten — gib dem Schließer diese Karte, und wenn Du Bumppo siehst, so sage dem armen, alten Manne alles, was Du willst. Laß die Gefühle Deines warmen Herzens sprechen, aber vergiß nicht, Elisabeth, daß die Gesetze allein uns aus dem Zustand der Wildheit reißen konnten — daß er sich eines Verbrechens schuldig gemacht hat, und daß sein Richter Dein Vater ist."

Miß Temple erwiederte nichts, sondern drückte nur die Hand, welche das Taschenbuch hielt, an ihre Brust, nahm sodann ihre Freundin beim Arm und trat mit ihr aus dem Thore in die Hauptstraße des Dorfes.

Als sie ihren Spaziergang schweigend an der Häuserreihe, wo das abendliche Dunkel bereits ihre Gcstalten verbarg, fortsetzten, hörten sie keinen weiteren Laut, als den langsamen Tritt eines Jochs Ochsen nebst dem Rasseln eines Karrens, der sich in gleicher Richtung mit ihnen die Straße entlang hinbewegte. Die Umrisse des Treibers, der verdrossen an der Seite seines Viehs hinschlenderte, als sey er von der Arbeit des Tages ermüdet, ließen sich kaum noch in den Schatten der Nacht unterscheiden. An der Ecke, wo das Gefängniß stand, wurden die Damen für einen Augenblick durch die Ochsen aufgehalten, welche nach der Seite des Gebäudes einbogen und einen Bund Heu, den sie geduldig an ihrem Halse trugen, als Belohnung für ihre Mühe erhielten. All dieß war so natürlich und gewöhnlich, daß es Elisabeth nicht einfiel, einen zweiten Blick auf das Gespann zu werfen, bis sie den Treiber leise mit seinem Vieh sprechen hörte:

„gib Acht, Schecke; gib Acht, Alter, — willst du?“

Wer in einem neuen Lande wohnt, ist mit der Sprache, welche man gegen Ochsen braucht, zu bekannt, um eine solche Anrede nicht befremdend zu finden; aber es lag auch etwas in der Stimme, was Miß Temple auffiel. Als sie um die Ecke bog, mußte sie sich nothwendig dem Manne nähern, und ihr scharfes Auge ließ sie in demselben Oliver Edwards unter der groben Hülle eines Ochsentreibers erkennen. Ihre Blicke begegneten sich in demselben Moment, auch war ungeachtet der Dunkelheit und Elisabeths Mantel die Erkennung wechselseitig.

„Miß Temple“ — „Herr Edwards“, lautete es gleichzeitig, obgleich ein Gefühl, das Beide zu theilen schienen, die Worte fast unhörbar machte.

„Ist's möglich,“ rief Edwards nach einem Augenblicke des Zweifels, „daß ich Sie in der Nähe des Gefängnisses sehe? Doch Sie gehen wohl in die Rectorei; ich bitte um Verzeihung. — Miß Grant, glaube ich? Ich hatte Sie anfangs nicht erkannt.“

Der Seufzer, welcher Luise entfuhr, war so leise, daß er nur von Elisabeth gehört wurde, welche rasch erwiederte:

„Wir sind nicht nur in der Nähe des Gefängnisses, Herr Edwards, sondern wünschen sogar hinein zu gehen. Wir wollen Lederstrumpf zeigen, daß wir seine Dienste nicht vergessen haben und daß mein Vater, wenn er gerecht seyn mußte, auch dankbar ist. Sie sind wohl zu einem ähnlichen Zwecke hier, ber ich muß Sie bitten, daß Sie mir auf zehn Minuten den Vortritt erluben. Gute Nacht, Sir; — ich — bedaure von Herzen, Herr Edwards, Sie zu einem solchen Geschäfte erniedrigt zu sehen; aber gewiß, mein Vater würde — —“

„Ich füge mich gerne Ihrem Wunsche, Fräulein,“ fiel ihr der Jüngling kalt ins Wort. „Darf ich bitten, daß Sie meiner Anwesenheit nicht erwähnen?“

„Verlassen Sie sich darauf,“ versetzte Elisabeth, indem sie die Verbeugung des jungen Mannes durch ein leises Kopfnicken erwiederte und die säumige Luise vorwärts drängte. Als sie jedoch in das Gebäude eingetreten waren, fand Luise Zeit zu flüstern:

„Würde es nicht besser seyn, einen Theil Ihres Geldes Oliver anzubieten? Die Hälfte davon reicht zu, Bumppo's Strafe zu zahlen — und er ist so wenig an Mangel und Anstrengungen gewöhnt. Ich bin überzeugt, mein Vater selbst würde einen großen Theil seines kleinen Einkommens darauf verwenden, ihm eine würdigere Stellung zu verschaffen.“

Das unwillkührliche Lächeln, welches Elisabeth's Züge überflog, trug zugleich den Ausdruck eines tiefen und herzlichen Mitleidens. Sie erwiederte jedoch nichts, da das Erscheinen des Schließers die Gedanken beider Mädchen deui Zwecke ihres Besuches zuwandte.

Man nahm es in dem neuen Lande mit den Formen nicht sehr genau, und da es bekannt war, daß der alte Jäger den Damen das Leben gerettet hatte, weßhalb sie wohl eine besondere Theilnahme für den Gefangenen hegen mußten, so fand der Schließer an dem Gesuche, in das Gefängniß eingelassen zu werden, nichts Befremdendes, wie denn auch schon Richter Temple's Karte jeden Einwurf, wenn ein solcher hätte versucht werden wollen, zum Schweigen gebracht haben würde: er gieng daher ohne Zögern nach dem Gemache der Gefangenen voran. Sobald der Schlüssel in das Schloß gesteckt wurde, ließ Benjamins rauhe Stimme die Frage vernehmen:

„Oho!wer kömmt da?“

„Ein Besuch, den Ihr gerne sehen werdet,“ versetzte der Schließer. „Was habt Ihr mit dem Schloß angefangen, daß es es nicht aufgehen will?“

„Sachte, sachte, Meister.“ rief der Majordomo; „ich habe eben einen Nagel als Stopfer über der Klinke eingeschlagen, seht Ihr, damit nicht Meister Thu-nur-wenig hereinrennen und zu einem andern Kampf ansegeln kann, denn meiner Berechnung nach werde ich ohnehin bald ein armer Teufel seyn, da man mir meine Spanier abmelken wird, als ob ich den Schuft gepeitscht hätte. Haltet mit Eurem Schiff im Winde und legt ein wenig bei; die Passage soll bald gelichtet seyn.“

Die Schläge eines Hammers bewiesen, daß es der Hausmeister ernstlich meinte, und in kurzer Zeit gab das Schloß nach, worauf sich die Thüre aufthat.

Benjamin war augenscheinlich emsig darauf bedacht gewesen, von dem Gelde, das er schon als verfallen betrachtete, so viel als möglich in seinem eigenem Interesse zu retten, denn er hatte während des Nachmittags und Abends seinem Lieblingsfasse im kühnen Dragoner so wacker zugesprochen, daß er sich jetzt in jenem Zustande befand, welchen die Matrosen-Poesie mit dem Ausdruck „halb über See“ bezeichnet und was in ehrlichem Deutsch „halb betrunken“ bedeutet. Der alte Theer ließ sich durch die Wirkungen des Branntweins nicht leicht aus dem Gleichgewicht bringen, denn seinem eigenen Ausdrucke nach war er „zu niedrig aufgetackelt, um nicht in allen Wettern Segel führen zu können“; demungeachtet konnte jedoch über seine dermalige Stimmung, welche er selbst eine „staubige“ nannte, kein Zweifel obwalten. Sobald er bemerkte, wer die Besuchenden waren, zog er sich nach der Seite des Gemachs zurück, wo seine Streu lag, und ohne sich durch die Anwesenheit seiner jungen Gebieterin stören zu lassen, setzte er sich, indem er eine ganz nüchterne Miene annahm, auf derselben nieder und drückte seinen Rücken fest gegen die Wand.

„Wenn Ihr meine Schlösser in dieser Weise zu verderben gedenkt, Herr Pump,“ begann der Schließer, „so will ich Euch einen Stopfer, wie Ihr es nennt, an die Beine legen, der Euch das Aufstehen von Eurem Bette verleiden soll.“

„Warum so, Meister?“ brummte Benjamin. „Ich habe heute schon, mit den Fersen vor Anker liegend, eine Bö ausgehalten, und brauche keine zweite. Was ist's denn Arges, wenn ich dasselbe thue, was Ihr? Laßt außen Eure Riegel weg, und ich verspreche Euch, daß Ihr auch innen keine Hemmkette finden sollt.“

„Ich muß um neun Uhr abschließen,“ sagte der Kerkermeister, „und jetzt sind's zwei und vierzig Minuten über acht.“

Er stellte sich die kleine Kerze auf einen rohen Fichtentisch, und entfernte sich.

„Lederstrumpf,“ begann Elisabeth; sobald sich der Schlüssel im Schlosse wieder umgedreht hatte; „mein guter Freund Lederstrumpf! Die Gefühle des Dankes führen mich zu Euch. Ach, hättet Ihr Euch doch der Hausdurchsuchung unterworfen, würdiger, alter Mann; denn da das Erlegen eines Hirsches nur eine Kleinigkeit ist, so wäre Alles gut abgelaufen — —“

„Der Hausdurchsuchung unterworfen?“ fiel ihr Natty ins Wort, indem er das auf seinen Knieen ruhende Gesicht erhob, ohne jedoch den Winkel, wo er sich niedergesetzt hatte, zu verlassen oder aufzustehen. „Meinen Sie denn, Frauenzimmerchen, ich würde ein solches Gewürm in meine Hütte lassen? Nein, nein, — ich hätte damals nicht einmal Ihrem eigenem süßen Antlitz die Thüre geöffnet. Jetzt können sie meinetwegen unter den Kohlen und in der Asche suchen; sie werden weiter nichts finden, als einen Haufen, wie man ihn bei jeder Potaschenbrennerei in den Bergen findet.“

Der alte Mann ließ sein Gesicht wieder auf die Hand sinken, und schien in tiefe Schwermuth verloren.

„Die Hütte kann wieder hergestellt und besser gebaut werden, als sie früher war,“ versetzte Miß Temple; „auch werde ich, sobald eure Haft zu Ende ist, Sorge dafür tragen, daß es geschehe.“

„Kann man Todte ins Leben zurückrufen Kind?“ entgegnete Natty bekümmert. „Kann man zu dem Orte gehen, wo man Vater, Mutter und Kinder hingelegt hat, um ihre Asche zu sammeln, und sie wieder zu Männern und Weibern zu machen, wie früher? Sie wissen nicht, was es heißt, das Haupt mehr als vierzig Jahre unter dem Schutze derselben Holzstämme niederzulegen, und den größten Theil seines Lebens dieselben Dinge um sich zu haben. Sie sind noch jung, mein Kind, aber Sie gehören unter die köstlichsten Geschöpfe Gottes. Ich habe für Sie eine Hoffnung gehegt, aber jetzt ist Alles vorbei; der neueste Vorgang, zu dem Uebrigen gelegt, wird ihm für immer jeden Gedanken daran vertreiben.“

Miß Temple mußte das, was der Mann sagen wollte, besser verstanden haben, als die übrigen Zuhörer, denn während Luise unschuldig und voll Mitleids über den Kummer des Jägers an ihrer Seite stand, wandte sie das Gesicht ab, um die Glut ihrer Wangen zu verbergen. Doch diese Bewegung, gleich dem Gefühle, welches hervorgerufen hatte, währte nur einen Augenblick.

„Es gibt andere und sogar bessere Holzstämme,“ fuhr sie fort, „und sie sollen für Euch, meinen alten Beschützer, herbeigeschafft werden. Eure Haft wird nicht lange dauern, und noch ehe sie abgelaufen ist, soll ein Haus für Euch bestehen, wo Ihr den Rest Eures harmlosen Lebens in Ruhe und Ueberfluß zubringen könnt.“

„Haus? Ruhe und Ueberfluß?“wiederholte Natty langsam. „Nun, Sie meinen es gut, Sie meinen es gut, und es thut mir recht leid, daß es nicht seyn kann; aber er hat gesehen, wie man mich zum Gespötte der Menge in den Stock steckte — —“

„Zum Teufel mit Eurem Stock,“ rief Benjamin, indem er mit seiner Flasche, aus welcher er wiederholte tiefe Züge gethan hatte, in der Luft herum fuchtelte, während er mit der andern Hand Geberden der Verachtung machte; „Wer kümmert sich um solche hölzerne Strümpfe? Dieses Bein da, seht Ihr, ist auch eine Stunde lang wie ein Klüverbaum an seinem Ende in der Klemme gewesen, und ist es deßhalb schlechter geworden, he? Kannst Du mir sagen, um was es schlechter geworden ist, he?“

„Ich glaube, Ihr vergeßt, Herr Pump, wer zugegen ist,“ bemerkte Elisabeth.

„Sie vergessen, Miß 'Lizzy?“ versetzte der Hausmeister. „Soll mich der Teufel holen, wenn ich das thue. Sie vergißt man nicht so leicht, wie die gute Prettybones in dem großen Haus dort. Ich sage Euch, alter Scharfschütze, sie mag wohl hübsche Knochen [Wortspiel mit dem von Benjamin verketzerten Namen der alten Jungfer, welcher zu deutsch „hübsche Knochen“ heißt!] haben, aber von ihrem Fleisch kann nicht viel die Rede seyn, denn seht Ihr, ihr Aeußeres ist so ziemlich das eines Skelets, welches von jemand Anders einen Rock geborgt hat. Was sie Haut ihres Gesichtes anbelangt, so hat sie ganz die Farbe eines neuen Topsegels mit steif angelegtem Bolzentau, gut passend an der Leick, aber alles schlaff und schlotterig im inneren Zeug.“

„Stille — ich befehle Euch zu schweigen,“ entgegnete Elisabeth. „Gut, gut, Fräulein,“ erwiederte der Hausmeister; „aber das Trinken werden Sie mir doch nicht wehren wollen?“

„Es handelt sich jetzt nicht davon, was auc Andern werden wird,“ sagte Miß Temple, zu dem Jäger gewendet; „ich wünsche mit Euch von Eurer eigenen Zukunft zu sprechen, Natty. Es soll mein Geschäft seyn, Sorge zu tragen, daß Ihr den Rest Eurer Tage in Ruhe und Ueberfluß zubringen könnt.“

„Ruhe und Ueberfluß?“ wiederholte Lederstrumpf abermals. „Welche Ruhe hat ein alter Mann zu erwarten, der meilenweit über ein offenes Feld gehen muß, ehe er einen Schatten finden kann, der ihn gegen dire Sonne schützt? Und wie mögen Sie von Ueberfluß sprechen, wo man einen Tag ausseyn kann, ohne auf einen Bock zu stoßen, oder etwas Größeres zu sehen, als ein Wiesel, oder allenfalls einen verirrten Fuchs? Ach! sogar die Biber werden mir sauer werden, die ich brauche, um die Strafe zu bezahlen; denn ich muß fast hundert Meilen, bis an die pennsylvanische Grenze hinauf wandern, um welche zu treffen , da hier herum nichts der Art zu finden ist. Nein, nein — Eure Verbesserungen und Lichtungen haben diese schlauen Thiere aus dem Lande getrieben, und statt der Biberdämme, welche, nach der Anordnung der Vorsehung, der Instinct dieser Thiere schuf, führt ihr das Wasser mit Euren Mühldämmen durch die Niederungen, als ob der Mensch das Recht hätte, den Tropfen in seinem Laufe zu hemmen, den ihm Gottes Wille angewiesen hat. — Benny, wenn Ihr nicht ablaßt, Eure Hand so oft zum Mund zu führen, so werdet Ihr nicht zum Aufbruch bereit seyn, wenn die Zeit kömmt.“

„Hört, Meister Bumppo,“ sagte der Majordomo, „kümmert Euch nicht um Ben. Wenn die Wache ruft, so stellt mich auf meine Beine und gebt mir die Höhe und Weite des Ortes an, wohin Ihr steuern wollt; ich steh' Euch dafür, ich segle dann mit den Besten von Euch in die Wette.“

„Die Zeit ist bereits gekommen,“ versetze der Jäger aufhorchend; „ich höre, wie sich die Hörner der Ochsen an der Gefängnißwand reiben.“

„Wohlan, Steuermann, so gebt Befehl und wir lichten die Anker,“ entgegnete Benjamin.

„Sie werden uns nicht verrathen, Miß Temple? Sprach Natty, indem er Elisabeth ehrlich ins Gesicht sah — „Sie werden einen alten Mann nicht verrathen, der sich sehnt, die reine Luft des Himmels zu athmen? Ich habe keine böse Absicht dabei; und wenn das Gesetz sagt, ich müsse hundert Dollars bezahlen;, so will ich die Jahreszeit dazu benützen, um die Summe abzutragen. Dieser gute Mann wird mir helfen.“

„Ihr mögt die Biber fangen,“ versetzte Benjamin, indem er mit dem Arm in der Luft herum fuchtelte, „und wenn ich sie wieder springen lasse, so dürft Ihr mich ein Kalb nennen, weiter sage ich nichts.“

„Was führt Ihr im Schilde?“ rief Elisabeth verwundert. „Ihr müßt dreißig Tage hier bleiben; und was das Geld für Eure Strafe anbelangt, so habe ich es hier im Beutel. Nehmt es — Ihr könnt gleich morgen die Zahlung leisten; aber geduldet Euch den Monat über, der Euch gesprochen ist. Ich werde Euch oft mit meiner Freundin besuchen, und wir wollen mit eigenen Händen Kleider für Euch machen. Gewiß, gewiß, es soll Euch Nichts abgehen.“

„Wollt Ihr das wirklich, meine Kinder?“ entgegnete Natty, indem er freundlich auf die Beiden zuging und Elisabeths Hand ergriff. „Wollt Ihr Euch wirklich um einen alten Mann annehmen, der weiter nichts gethan hat, als daß er das Thier schoß, was ihm doch keine Mühe kostete? Ich glaube, die Sinnesart vererbt sich nicht mit dem Blute, denn Sie scheinen einen erwiesenen Gefallen nicht zu vergessen. Doch eure kleinen Finger würden wohl schwerlich viel mit einer Hirschhaut anzufangen wissen, und in den Sehnen möchtet ihr wohl auch einen ungewohnten Faden finden. Aber wenn er es nicht mitangehört hat, so soll er es durch mich erfahren, damit er, gleich mir, sehe, es gäbe Jemanden, der einer Gefälligkeit eingedenk ist.“

„Sagt ihm nichts!“ rief Elisabeth hastig. „Wenn Ihr mich liebt, wenn Ihr meine Gefühle achtet, so sagt ihm nichts. Ich wollte nur von Euch sprechen, und nur um Euretwillen handle ich so. Ich bedaure von Herzen, Lederstrumpf, daß das Gesetz eine so lange Haft über Euch verhängt hat; im Grunde ist es aber nur ein kurzer Monat und — —“

„Ein Monat?“ rief Natty, den Mund zu seinem gewöhnlichen Lachen verziehend; „nein, keinen Tag, keine Nacht, keine Stunde bleibe ich mehr, Mädchen. Wenn mich auch Richter Temple verurtheilt hat, so kann er mich doch nicht festhalten, ohne einen besseren Kerker als diesen. Ich wurde einmal in der Nähe des alten Frontenak von den Franzosen gefangen, und sie steckten unserer Zweiundsechszig in ein Blockhaus; aber für Leute, die mit dem Holze umzugehen wußten, war es ein Leichtes, sich einen Weg durch einen Fichtenblock zu bahnen.“

Der Jäger hielt inne, sah sich vorsichtig im Gemache um, lachte dann wieder, und schob den Hausmeister sachte von seiner Stelle, worauf er die Betttücher hinwegräumte und ein Loch zeigte, das erst kürzlich mit Hammer und Meisel in das Gebälke gehauen worden war.

„Es bedarf nur noch eines Fußstoßes, um den Weg frei zu machen, und dann — —“

„Fort! ja, fort!“ rief Benjamin, aus seinem Stumpfsinn erwachend; „gut, hier ist's offen. Ja, ja, fangt sie und ich bewahre sie auf, um sie an die Hutmacher zu verkaufen.“

„Ich fürchte, der Bursche wird mir viel Mühe machen,“ sagte Natty. „Er wird sich nicht leicht durch die Berge fortbringen, wenn man uns bald auf die Spur kommen sollte, denn er ist in keinem der Flucht förderlichen Zustande.“

„Flucht?“ wiederholte der Hausmeister. „Was Flucht! Wir streichen seitwärts undschlagen los!“

„Ruhe!“ befahl Elisabeth.

„Ja, ja, Fräulein.

„Gewiß, Ihr könnt nicht im Sinne haben, uns zu verlassen, Lederstrumpf,“ fuhr Miß Temple fort. „Ich bitte Euch, bedenkt, daß Ihr dann ganz auf die Wälder verwiesen seyd, und daß das Alter mit raschen Schritten herannaht. Geduldet Euch für eine kleine Weile; Ihr könnt dann offen und mit Ehre dieses Haus wieder verlassen.“

„Gibt es hier Biber zu fangen, Mädchen?“

„Das nicht; aber hier ist Geld, um die Strafe zu bezahlen; und in einem Monat seyd Ihr frei. Seht, es ist Gold.“

„Gold?“ entgegnete Natty mit einer Art kindischer Neugierde. „Es ist lange her, seit ich das letzte Goldstück gesehen habe. Wir kriegten hin und wieder im alten Krieg so einen blanken Joseph, doch kamen sie auch nicht häufiger vor, als dermalen die Bären. Ich erinnere mich eines Mannes aus Dieskau's Armee, der auf dem Schlachtfeld geblieben war, und ein Duzend solcher glänzenden Dinge in seinem Hemd eingenäht hatte. Ich selbst habe mich nicht damit befaßt, obgleich ich sie mit eigenen Augen ausschneiden sah — sie waren größer und glänzender als diese hier."

„Es sind englische Guineen, die Euch gehören,“ erwiederte Elisabeth. „Betrachtet sie als den Anfang dessen, was für Euch gethan werden soll."

„Was? mir wollt Ihr diesen Schatz geben ?— versetzte Natty mit einem ernsten Blicke auf die Jungfrau.

„Je nun, habt Ihr nicht mein Leben gerettet und mich dem Rachen des reißenden Thieres entrissen?“ rief Elisabeth, indem sie ihre Augen mit der Hand bedeckte, als schwebe noch jetzt der gräßliche Anblick vor ihr.

Der Jäger nahm das Geld und drehte es eine Weile. Stück für Stück, in seiner Hand um, wobei er laut mit sich selber sprach —

„Im Kirschenthale soll es eine Büchse geben, welche auf hundert Ruthen noch sicher trifft. Ich habe in meinem Leben manches gute Gewehr gesehen, aber keines, das mit einem solchen zu vergleichen wäre. Hundert Ruthen sicheres Ziel ist eine treffliche Waffe! Doch meinetwegen — ich bin alt, und der Hirschetödter wird mich wohl noch aushalten. Da, Kind, nehmen Sie Ihr Gold zurück. Es ist jetzt an der Zeit; ich höre ihn mit dem Vieh sprechen und muß mich auf den Weg machen. Sie werden nichts ausplandern, Mädchen — nicht wahr; Sie werden nichts ausplaudern?“

„Ausplandern?" wiederholte Elisabeth. „Doch nehmt das Geld, alter Mann; nehmt das Geld, selbst wenn Ihr in die Berge geht.“

„Nein, nein, entgegnete Natty mit einem freundlichen Kopfschütteln. „ich möchte Sie nicht berauben, und wenn ich zwanzig Büchsen dafür haben könnte. Sie können aber etwas für mich thun, da ich niemand Anders dazu habe.“

„Und das wäre? Sprecht.“

„Je nun, es handelt sich dabei nur um den Einkauf von einer Büchse Pulver, die zwei Silberdollars kosten wird. Benny Pump hat schon das Geld dafür entrichtet; aber wir dürfen uns nicht in den Flecken wagen, es zu holen. Niemand führt es, als der Franzose — es ist vom besten und gearade so, wie es für eine Büchse paßt. Wollen Sie mir es besorgen, Mädchen — sprechen Sie, wollen Sie es besorgen?“

„Ihr dürft gar nicht fragen — ich will es Euch selbst bringen, Lederstrumpf, und wenn ich Euch einen ganzen Tag lang durch die Wälder aufsuchen müßte. Wo und wie werde ich Euch aber finden?“

„Wo?“ entgegnete Natty nach einem kurzen Nachdenken — „morgen auf dem Visionsberg; ich will Sie, wenn die Sonne über unsern Häuptern steht, auf dem Gipfel des Visionsberges erwarten, Kind. Sehen Sie aber zu, daß es fein gekörnt ist; Sie werden es an dem Glanz und an dem Preise erkennen.“

„Ich will es thun,“ versetzte Elisbeth mit Festigkeit.

Natty setzte sich jetzt, steckte seine Füße in das Loch und bahnte sich durch eine leichte Anstrengung einen Durchgang nach der Straße. Die Damen hörten das Heu rascheln und begriffen jetzt wohl den Grund, warum Edwards dermalen den Ochsentreiber spielte.

„Kommt, Benny,“ sagte der Jäger; „es wird heute nicht mehr finsterer, denn in einer Stunde geht der Mond auf.“

„Halt!“ rief Elisabeth; „es darf nicht heißen, daß Ihr in Beiseyn der Tochter des Richters flüchtig geworden seyet. Verzieht noch mit der Ausführung Eures Planes, Lederstrumpf, bis wir uns entfernt haben.“

Natty wollte eben antworten, als der Schall sich nähernder Fußtritte die Ankunft des Schliessers verkündigte und den ersteren belehrte, daß für den Augenblick an eine weitere Verfolgung seiner Entwürfe nicht zu denken sey. Er hatte kaum Zeit, seine Füße zurückzuziehen und das Loch mit den Betttüchern zu verhüllen, über welche Benjamin ganz gelegen hinstolperte, als der Schlüssel sich umdrehte und die Thüre des Gefängnisses sich aufthat.

„Ist es Miß Temple jetzt gefällig?“ sprach der höfliche Kerkermeister; — „die gewohnte Stunde zum Abschließen hat geschlagen.“

„Ich werde Euch folgen,“ entgegnete Elisabeth. „Gute Nacht, Lederstrumpf.“

„Es ist ein feines Korn, Mädchen, und ich denke, es soll das Blei weiter führen als gewöhnlich. Ich werde alt, und kann dem Wild nicht mehr mit so raschen Schritten folgen, als ich sonst zu thun pflegte.“

Miß Temple winkte ihm, zu schweigen und folgte Luisen und dem Schließer aus dem Gelasse. Der Mann drehte den Schlüssel nur ein Mal um und bemerkte, er würde zurückkehren und seine Gefangenen besser verwahren, sobald er den Damen auf die Straße geleuchtet. Sie trennten sich demgemäß an der Thüre des Gebäudes, worauf sich der Kerkermeister wieder zu seinen Gefängnissen begab und die Damen mit klopfendem Herzen der Ecke zu gingen.

„Da Lederstrumpf das Geld nicht nehmen will,“ flüsterte Luise, „so könnte man Alles Herrn Edwards geben, und auch — —“

„Bst!“ unterbrach sie Elisabeth; „ich höre das Heu rauschen. Sie bewerkstelligen in diesem Augenblicke ihre Flucht. Ach, sie werden entdeckt werden!“

Sie waren inzwischen an die Ecke gekommen, wo Edwards und Natty eben beschäftigt waren, den fast hülflosen Körper Benjamins durchzuziehen. Sie hatten die Ochsen umgewendet und die Köpfe derselben der Straße zugekehrt, damit sie für ihre Operationen Raum gewännen.

„Wirf das Heu auf den Karren ,“ sagte Edwards, „sonst kommen sie der Art, wie es geschehen ist auf die Spur. Rasch, daß man es nicht bemerkt!“

Natty hatte eben diesen Auftrag vollzogen, als das Licht des Gefängnißwärters durch das Loch schien, und sich von innen eine Stimme vernehmen ließ, welche den Gefangenen rief.

„Was ist jetzt zu thun?“ fragte Edwards. „Dieser betrunkene Kerl wird unsere Entdeckung herbeiführen, und wir haben keinen Augenblick zu verlieren.“

„Wer ist betrunken, du Schlingel?“ brummte der Hausmeister.

„Sie sind ausgebrochen! sie sind ausgebrochen!“ schrieen fünf oder sechs Stimmen von innen.

„Wir müssen ihn zurücklassen,“ meinte Edwards.

„Das wäre nicht freundlich, Junge,“ entgegnete Natty; „er hat mit mir die Schmach des Stocks getheilt und sehr viel Gefühl gegen mich bewiesen.“

In diesem Augenblick hörte man zwei oder drei Männer aus der Thüre des kühnen Dragoners kommen, unter denen sich Billy Kirby's Stimme bemerklich machte.

„Der Mond ist noch nicht aufgegangen,“ rief der Holzfäller; „es ist aber doch eine schöne Nacht. Wer hat mit mir einen Weg? Horcht! Was gibt’s im Gefängniß für einen Lärm? Wir wollen hingehen und sehen, was los ist.“

„Wir sind verloren, wenn wir diesen Mann nicht im Stiche lassen,“ erklärte Edwards.

In diesem Augenblick trat Elisabeth näher und flüsterte rasch — „legt ihn auf de Karren und treibt die Ochsen an. Niemand wird euch anhalten.“

„Wie schnell doch Weiber besonnen sind,“ rief der Jüngling.

Der Vorschlag wurde auf's eiligste ausgeführt. Man setzte den Hausmeister auf das Heu, gab ihm eine Geißel in die Hand, um das Vieh anzutreiben, und bedeutete ihm, daß er sich ruhig verhalten solle, worauf sich die Ochsen in Bewegung setzten. Sobald dieß geschehen war, schlichen sich Edwards und der Jäger eine Strecke weit an den Häusern hin, und verschwanden endlich durch ein Gäßchen, das hinter die Gebäude führte. Die Ochsen trabten rüstig vorwärts und alsbald erscholl der Lärm der Verfolger auf der Straße. Die Damen beeilten ihre Schritte, um dem Gedränge von Constablen und Müßiggängern zu entgehen, welche zum Theil fluchend, zum Theil lachend über den Pfiff der Gefangenen heranzogen. Aus dem Lärm ließ sich vor allem Billy Kirby's Stimme deutlich unterscheiden, der laut schrie und unter Fluchen betheuerte, er wolle die Flüchtlinge bald wieder haben und Natty in der einen und Benjamin in der andern Tasche zurückbringen.

„Vertheilt euch, Leute,“ rief er, als er an den Damen vorbei kam und seine schweren Tritte, wie die von einem ganzen Dutzend, durch die Straße hallten. „Vertheilt euch — den Bergen zu! In einer Viertelstunde haben sie das Gebirge erreicht, und dann sind sie nur noch mit der Büchse einzuholen.“

Dieser Ruf wurde von zwanzig Stimmen wiederholt, denn nicht nur das Gefängniß, sondern auch die Wirthshäuser hatten ihre Haufen entsandt, theils um im Ernste an der Verfolgung Theil zu nehmen, theils um sich an dem Vorfalle zu belustigen.

An dem Außenthore vor ihres Vaters Wohnung angelangt, bemerkte Elisabeth, daß der Holzfäller bei dem Karren Halt machte, und sie gab Benjamin verloren. Als jedoch die beiden Mädchen den Kiesweg hinaneilten, wurden sie auf einmal zweier Gestalten ansichtig, die sich vorsichtig, aber rasch unter dem Schatten der Bäume hinschlichen, und in denen sie, sobald letztere ihren Pfad kreuzten, Edwards und den Jäger erkannten.

„Miß Temple,“ rief der Jüngling, „ich werde Sie vielleicht nie wieder sehen. Erlauben Sie mir, Ihnen für alle Ihre Güte zu danken. Ach, Sie wissen nicht — Sie können unmöglich wissen, welche Beweggründe mich leiteten.“

„Flieht! Flieht,“ rief Elisabeth: — „das ganze Dorf ist in Bewegung! Man darf uns in einem solchen Augenblick und auf dieser Stelle nicht beisammen treffen.“

„Nein, ich muß sprechen, und wäre auch die Entdeckung gewiß.“

„Der Rückzug nach der Brücke ist euch bereits abgeschnitten. Noch ehe ihr den Wald erreichen könnt, sind euch die Verfolger auf den Fersen, wenn — wenn —“

„Sprechen Sie aus,“ rief der Jüngling; „Ihr Rath hat mich schon einmal gerettet, ich will ihn befolgen bis zum Tode.“

„Die Straße ist jetzt still und leer,“ fuhr Elisabeth nach einer kurzen Pause fort; „benützt den Weg nach dem See, wo ihr das Boot meines Vaters finden werdet. Von dort aus könnt ihr das Gebirge in jeder Richtung erreichen.“

„Aber Richter Temple könnte die Benützung seines Fahrzeugs übel nehmen.“

„Seine Tochter wird es zu verantworen wissen, Sir.“

Der Jüngling flüsterte noch einiges, was nur von Elisabeth gehört wurde, und wandte sich dann ab, um ihrem Rath Folge zu leisten. Als sie im Begriffe waren, sich zu trennen, näherte sich Natty den Frauenzimmern und sprach:

„Vergeßt mir die Pulverbüchse nicht, Kinder. Ich und die Hunde werden alt, und so bedarf ich der besten Munition für die Biber, welche ich zu schießen habe.“

„Kommt, Natty,“ rief Edwards ungeduldig.

„Ich komme schon, Junge; ich komme schon. Gott segne euch beide, denn ihr meint es gut mit einem alten Mann.“

Die Damen blieben stehen, bis sie die sich entfernenden Gestalten aus dem Gesichte verloren hatten, und begaben sich sodann unmittelbar in das Herrenhaus.

Während diese Scene hatte Kirby den Karren eingeholt; es war sein eigener, der von Edwards ohne die Erlaubnis des Besitzers von dem Platze, wo die geduldigen Ochsen gewöhnlich Abends standen und der Befehle ihres Herren harrten — weggetrieben worden war.

„Ei der tausend — mein Vieh!“ rief er. „Wie kommt ihr von dem Ende der Brücke, wo ich euch gelassen habe, hieher, ihr dummen Bestien?“

„Vorwärts!“ brummte Benjamin, indem er auf's Gerathewohl mit der Geißel ausholte und dabei die Schulter des Anderen traf.

„Wer zum Teufel seyd Ihr?“ rief Billy, indem er sich überrascht umwandte, aber nicht im Stande war, in der Dunkelheit das derbe Gesicht zu erkennen, welches über die Seitenleitern des Karrens heraussah.

„wer ich bin? Ich bin der Steuermann dieses Fahrzeugs, wie Ihr seht, und lasse ein hübsches Kielwasser hinter mir. Ja, ja, komme von der Brücke her und habe die hölzernen Strümpfe umsegelt. Das nenne ich schöne Steuermannsarbeit, Junge. Vorwärts!“

„Laßt Eure Peitsche ruhen, Herr Benny Pump,“ sagte der Holzfäller, „oder ich will Euch die Fläche meiner Hand zeigen und Eure Ohren damit bearbeiten. Wo wollt Ihr hin mit meinem Gespann?“

„Gespann?“

„Ja, mit meinem Karren und mit meinen Ochsen.“

Ei, Ihr müßt wissen, Meister Kirby, daß Lederstrumpf und ich — das heißt Benny Pump — Ihr kennt Benn? — wohl, Benny und ich — nein, ich und Benny; hol' mich der Teufel, wenn ich weiß, wie es ist, aber einer von uns soll nach einer Ladung von Biberhäuten ausfahren, seht Ihr, und so haben wir den Karren gepreßt, um sie heimzuschiffen. Ich sage Euch, Meister Kirby, Ihr führt ein erbärmliches Ruder — Ihr handhabt ein Ruder, Junge, fast wie eine Kuh eine Muskete, oder wie ein Frauenzimmer einen Merlpfriem.“

Billy war über den Zustand des Hausmeisters bald im Klaren, und ging eine Weile nachsinnend neben dem Karren her, worauf er Benjamin, der auf das Heu zurückfiel und bald eingeschlafen war, die Geißel aus der Hand nahm, und sein Vieh die Straße hinab über die Brücke nach einer Lichtung im Gebirge trieb, wo er des nächsten Tages arbeiten sollte, ohne auf seinem Wege durch etwas Anderes als durch einige hastige Fragen von Seiten der hin und herziehenden Constablen unterbrochen zu werden.

Elisabeth stand wohl eine Stunde an dem Fenster ihres Zimmers, wo sie die Fackeln der Nachsetzenden an den Seiten des Gebirges hinziehen sah und das Rufen und den Lärm der Verfolger hörte. Nach Abfluß dieser Zeit kehrte jedoch die letzte Abtheilung, müde und ohne etwas ausgerichtet zu haben, zurück, und das Dorf wurde wieder so ruhig, als es bei ihrem Gang nach dem Gefängnisse gewesen war.


Загрузка...