Da sich die gegenwärtige Schrift bereits auf dem Titelblatt als ein Zeitgemälde ankündigt, so wird es Denen, welche sich die Mühe nehmen, dieselbe zu lesen, nicht unwillkommen seyn, zu erfahren, was von ihrem Inhalte buchstäbliche Wahrheit, und was die Beigabe des darstellenden Dichters ist. Der Verfasser fühlt wohl, daß er ein weit besseres Buch hätte zu Stande bringen können, wenn er sich ausschließlich auf die letztgenannte Thätigkeit beschränkt hätte, da bei solchen literarischen Erscheinungen das freie Walten der Phantasie immer die lebhaftesten Eindrücke hervorbringt. Aber bei der Schilderung von Scenen und vielleicht auch von Charakteren, die ihm in seiner Jugend vertraut geworden waren, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, lieber das zu zeichnen, was er mit leiblichen Augen gesehen, als das, was vielleicht nur der geistige Blick geschaut haben mochte. Ein allzustarres Festhalten an der Wahrheit, so unerläßlich sie auch für die Geschichte und für Reisebeschreibungen ist, zerstört den Zauber der Poesie; denn was dem Geiste durch die Letztere vorgeführt werden soll, nimmt sich weit besser in Entwickelung von Grundsätzen und Charakteren, welche ihrem Bereiche entnommen sind — aus, als in einem allzu ängstlichen Haften an wirklichen Vorbildern.
Da New-York nur Einen Bezirk Otsego und der Susquehanna nur Eine eigentliche Quelle hat, so kann hinsichtlich des Schauplatzes der gegenwärtigen Erzählung kein Irrthum stattfinden. Seine Geschichte, so weit sie auf die Ansiedelungen der Weißen Bezug hat, läßt sich in kurze Worte fassen.
Otsego, wie überhaupt der größte Theil des Innern der Provinz New-York gehörte vor dem Trennungskriege zu der Grafschaft Albany, und fiel bei einer späteren Theilung des Gebiets an Montgomery, bis es endlich in Folge der Zunahme seiner Bevölkerung, kurz nach dem Frieden von 1783, zu einem eigenen Bezirke erhoben wurde. Er liegt zwischen den niedrigen Ausläufern des Allegany-Gebirges, welche die mittleren Theile des Staates New-York durchziehen, etwas östlich von einem durch den Mittelpunkt des Staates gezogenen Meridian. Die Flüsse von New-York haben ihren Ablauf entweder nach Süden in das Atlantische Meer oder nach Norden in den Ontario und seine Ausmündungen. Der Otsego-See ist die Quelle des Susquehanna und liegt daher begreiflicher Weise in den Hochlanden. Die Gestalt des Landes, das Clima, wie es von den Weißen getroffen wurde, und die Sitten der Ansiedler sind in unserer Erzählung mit einer Ausführlichkeit geschildert, die der Autor nur mit der Lebhaftigkeit seiner Rückerinnerungen entschuldigen kann.
Der Name Otsego ist gebildet aus den Worten Ot, was einen Versammlungsort bedeutet, und Sego oder Sago, der unter den Indianern üblichen Begrüßungsformel. Einer Ueberlieferung zufolge pflegten die benachbarten Stämme an den Ufern des Sees Zusammenkünfte zu halten, um Verträge zu schließen und ihre Bündnisse auf sonstige Weise zu kräftigen, woraus sich die genannte Zusammenstellung erklärt. Da indeß der indianische Agent von New-York ein Blockhaus an den Ufern des Sees besaß, so ist es nicht unmöglich, daß der Name seinen Ursprung von den Versammlungen hat, welche dort bei seinen Berathungsfeuern gehalten wurden. Bei dem Ausbruche des Kriegs mußte der Agent, nebst anderen Beamten der Krone, den Strich verlassen, und seine unscheinbare Wohnung stand bald verödet. Der Verfasser erinnert sich, sie einige Jahre nachher in der bescheidenen Eigenschaft eines Rauchhauses gesehen zu haben.
Im Jahre 1779 wurden Truppen gegen die vereinigten Indianer gesandt, welche ungefähr hundert Meilen westlich von Otsego, an den Ufern des Kayuga-Sees hausten. Der ganze Strich war damals eine Wildniß, weßhalb es nöthig wurde, die Bagage der Mannschaft auf den Flüssen fortzuschaffen, — allerdings ein Umweg, aber jedenfalls das Beste, was man thun konnte. Eine Brigade zog am Mohawk aufwärts, bis sie eine Stelle erreichte, welche den Quellen des Susquehanna am nächsten liegt, und von wo aus ein Engpaß durch den Urwald zu dem oberen Ende des Otsego führt. Die Boote und das Gepäck wurden über den „Trageplatz“ gebracht, während die Truppen den See kreuzten, an dem untern Ende desselben landeten und ein Lager schlugen. Der Susquehanna, ein an seinem Ursprunge schmaler aber reißender Strom, war voll von Treibholz oder entwurzelten Bäumen, und die Truppen mußten ein neues Mittel ersinnen, um sich ihren ferneren Marsch zu erleichtern. Der Otsego nun ist ungefähr neun englische Meilen lang und wechselt in der Breite von einer bis zu anderthalb Meilen, sein tiefes klares Wasser erhält von vielen hundert Quellen seinen Zuwachs. Unten sind die Ufer fast dreißig Fuß hoch, während sie an den übrigen Stellen durch Berge, Niederungen und Vorsprünge gebildet werden. Sein Abwasser, oder der Susquehanna, flietzt durch einen Einschnitt der vorerwähnten niedrigen Ufer in einer Breite von gegen zweihundert Fuß ab. Dieser Einschnitt wurde mit Dämmen versehen, die Abwasser des Sees gesammelt und der Susquehanna in dieser Weise zu einem stärkeren Gewässer umgewandelt. Als diese Vorkehrungen getroffen waren, schifften sich die Truppen ein; der Damm wurde durchstochen und der Otsego goß seinen Strom aus, auf dem die Boote alsbald lustig abwärts fuhren.
General James Clinton, der Bruder von George Clinton, damals Gouverneur von New-York, und der Vater von De Witt Clinton, der als Gouverneur desselben Staates im Jahre 1827 starb — commandirte die mit diesem Zuge beauftragte Brigade. Während die Truppen an dem unteren Theile des Otsego lagerten, wurde ein Soldat wegen Desertion erschossen. Das Grab dieses unglücklichen Mannes war die erste Grabstätte, die der Autor je gesehen, wie das vorerwähnte Rauchhaus die erste von ihm erblickte Ruine war. Die in unserer Schrift erwähnte Feldschlange wurde bei diesem Anlasse von den Truppen zurückgelassen und verscharrt; man fand sie später auf, als man in des Verfassers elterlicher Wohnung die Keller grub.
Bald nach Beendigung des Kriegs besuchte Washington mit einem Gefolge vieler ausgezeichneter Männer, den Schauplatz unserer Erzählung, dem Vernehmen nach um das Terrain zu untersuchen, ob sich nemlich nicht hier eine Communication zu Wasser mit andern Punkten des Landes bewerkstelligen ließe; er blieb jedoch nur wenige Stunden.
Im Jahr 1785 erschien der Vater des Autors in dieser Wildniß, um dieselbe vermessen zu lassen, da er einen bedeutenden Strich derselben anzukaufen gedachte. Welchen Eindruck sie auf ihn machte, haben wir durch den Richter Temple schildern lassen. Zu Anfang des folgenden Jahres begann die Ansiedelung, und von dieser Zeit an bis auf die gegenwärtige kam der Strich fortwährend in blühendere Verhältnisse. Es ist ein eigenthümlicher Zug in dem amerikanischen Leben, daß es einem reichen Manne, der zu Anfang dieses Jahrhunderts Gelegenheit hatte, Ansiedlern eine neue Niederlassung in einem entfernteren Landestheile anzubieten, möglich war, solche trotz der günstigen Verhältnisse, deren sie sich in ihrer früheren Colonie erfreuen mochten, nach sich zu ziehen.
Obgleich die Niederlassung an dem Otsego einige Jahre vor der Geburt des Autors statt fand, so war jene zu der Zeit doch noch nicht so weit vorgerückt, daß man es für räthlich erachtet hätte, ein für ihn selbst so wichtiges Ereigniß in der Wildniß statt finden zu lassen. Vielleicht hegte seine Mutter ein gegründetes Mißtrauen in die Erfahrung des Doctors Todd, der damals noch in dem Noviciat seiner ärztlichen Praxis gestanden haben müßte. Doch dem sey wie ihm wolle, der Autor wurde noch als Kind wieder in das Thal gebracht, welchem er die ersten Eindrücke seiner Jugend verdankt. Er wählte auch in späteren Jahren jezuweilen seinen Aufenthalt daselbst und glaubt daher für die Treue seines Gemäldes einstehen zu können.
Otsego ist nun einer der bevölkertesten Distrikte von New-York, welcher seine Auswanderer so gut, als irgend einer der älteren, entsendet und wegen seines Gewerbefleißes und Unternehmungsgeistes in gutem rufe steht. Seine Mannfacturen blühen, und es ist bewundernswerth, daß eine, der sinnreichsten Maschinen, welche die europäische Kunst kennt, von dem Scharfsinne, welcher in dieser abgelegenen Gegend heimisch ist, ihre Entstehung ableitet.
Um Mißverständnissen zu begegnen, wird es am Orte seyn, zu bemerken, daß der gegenwärtigen Erzählung keine wirkliche Begebenheiten zu Grunde liegen, und daß die buchstäblich wahren Thatsachen sich nur auf die örtlichen Verhältnisse und die Sitten und Gebräuche der Einwohner beziehen. Die Academie, das Gerichtshaus, das Gefängniß, das Wirthshaus und die meisten andern Stafsagen der Art existirten wirklich, haben aber seitdem andern Gebäuden von anspruchsvollerem Charakter Platz gemacht. Bei der Schilderung des Herrenhauses erlaubten wir uns einige Freiheit, denn das eigentliche Gebäude hatte keinen „ersten und zweiten Theil“. Es bestand aus Ziegeln, nicht aus Steinen, und zeigte keine von den eigenthümlichen Schönheiten der „zusammengesetzten Ordnung“, indem es in einer zu frühen Periode errichtet wurde, um sich bereits aller Vortheile dieser so hoch anstrebenden Schule der Architektonik erfreuen zu können. Das Innere desselben ist jedoch ganz auf Rückerinnerung hin gezeichnet, und hier trifft alles mit der Wirklichkeit zusammen, sogar bis auf Wolf's zertrennten Arm und den Aschenkrug der Königin Dido.
Der Verfasser hat bereits anderswo erklärt, daß Lederstrumpf's Charakter ein Gebilde ist, welches durch Hilfsmittel, wie sie zu Hervorbringung des Effekts nöthig waren, Wahrscheinlichkeit gewinnt. Hätte er ihn mit noch mehr Liebe gezeichnet, so würden die Freunde der Poesie nicht so viel Anlaß haben, gegen diese Arbeit Einwendungen zu machen. Das Gesammtgemälde wäre jedoch sicher weniger treu ausgefallen, ohne wirkliche Vertreter für die meisten übrigen Personen. Der große Grundbesitzer, der auf seinen Ländereien wohnt und denselben seinen Namen gibt, statt ihn, wie es in Europa üblich ist, von ihnen zu erhalten, kömmt in New-York häufig vor. Der Arzt mit seiner Theorie, die er sich durch Experimente am menschlichen Körper eher schafft als verbessert; der fromme, selbstverläugnende, thätige und schlechtbelohnte Missionär; der halbgebildete, streitsüchtige, neidische und wenig achtbare Advokat mit dem Gegengewichte eines Collegen von besserem Schlage und anderem Charakter; der unstete, handeltreibende, mißvergnügte Verkäufer seiner „Verbesserungen“; der beliebte Zimmermann und die meisten übrigen Charaktere sind Allen bekannt, die je einen „neuen“ Bezirk besucht haben.
Nach den angeführten Umständen ist es augenfällig, daß der Autor bei Abfassung der „Ansiedler" mehr Vergnügen genossen, als sein Werk wohl je dem Leser zu gewähren im Stande seyn wird. Er weiß, daß die Schrift zahlreiche Fehler enthält, deren er in dieser Ausgabe auch einige zu verbessern bemüht war: da er sich aber wenigstens redlich bestrebt hat, das Seinige zur Unterhaltung der Lesewelt beizutragen, so vertraut er darum auch ruhig auf ihre wohlwollende Nachsicht, wenn er für sich selbst irgend zuviel in Anspruch genommen haben sollte.
Paris, im März 1832.