Erstes Kapitel.

Der Winter kömmt, am Jahresschluß zu üben


Sein eigensinnig trübes Regiment


Sammt allen seinen Nebeln, Wolken, Stürmen.

Thomson.

Fast im Herzen des Staates Neu-York liegt ein ausgedehnter Landstrich, dessen Fläche durch eine Reihe von Bergen und Thälern gebildet wird. In diesem Gebirgslande nimmt der Delaware seinen Ursprung; und aus den silberklaren Seen, wie aus den tausend Quellen dieser Gegend, schlängeln sich die zahlreichen Quellen des Susquehannah durch die Thäler, bis sie durch die Bereinigung ihrer Wasser einen der stolzesten Ströme der nordamerikanischen Freistaaten bilden. Die Berge sind fast allgemein bis zu den Spitzen in begangbarem Stande, obgleich nicht selten an ihren Seiten Felsenpartien hervorspringen, welchen die Gegend ihren in so hohem Grade romantischen und malerischen Charakter verdankt. Durch die schmalen, üppigen und urbar gemachten Thäler zieht sich fast immer ein Flüßchen oder ein Bach, während schöne, blühende Dörfer zerstreut an den kleinen Seen oder an jenen Punkten der Wasserströmung liegen, die sich vortheilhaft für Mannfakturen benützen lassen. Man findet allenthalben durch die Thäler bis zu den Spitzen der Berge hinan hübsche und bequeme Meiereien mit allen Abzeichen des Wohlstandes; und in jeder Richtung begegnet man Wegen, die von den ebenen, anmuthigen Thalgründen bis zu den höchsten und verwickeltsten Gebirgsketten hinanführen. Akademien und niedere Bildungsanstalten begegnen dem Auge des Fremden, der durch das unebene Gebiet seinen Weg sucht, alle Paar Meilen; und in der Menge der Orte, welche der Gottesverehrung geweiht sind, bekundet sich eben so sehr der denkende und sittliche Charakter des Volkes, als sich in der Mannigfaltigkeit ihrer Formen und des um dieselbe waltenden Geistes die unbedingte Gewissensfreiheit ausspricht. Kurz, der ganze Distrikt ist der sprechendste Beleg, wie viel sich — selbst in einem wenig cultivirten und rauhen Landstriche — unter der Herrschaft milder Gesetze thun läßt, sobald der Einzelne für das Wohl des Ganzen; von dem er ein Theil zu seyn sich bewußt ist, ein unmittelbares Interesse fühlt. Den Bemühungen des Ansiedlers, die Wildniß zu lichten, folgte der unermüdliche Fleiß des Grundbesitzers, das mit saurem Schweiß Errungene zu verbessern, — ein Umstand, der wohl den Wunsch rege machen kann, seiner Zeit unter dem Rasen, den man bebaute, zu schlummern, oder nicht minder den im Lande geborenen Sohn zu veranlassen vermag, aus kindlich frommem Sinne dem Grabe des Vaters nahe zu bleiben. Vor etwa vierzig Jahren [„Die Ansiedler“ wurden im Jahr 1823 geschrieben.] noch war das ganze Gebiet eine Wildniß.

Bald nach der durch den Frieden von 1783 anerkannten Unabhängigkeit der vereinigten Staaten richtete sich der Unternehmungsgeist ihrer Bürger auf eine Untersuchung der natürlichen Vortheile ihres weitausgedehnten Gebiets. Vor dem Revolutionskriege beschränkten sich die bewohnten Theile der Colonie Neu-York nur auf ein Zehntel ihres Gesammtumfangs. Ein schmaler Landgürtel, der sich auf beiden Seiten des Hudson hinzog — mit einem ähnlichen, der etwa 50 Meilen weit den Ufern des Mohawk folgte, nebst den Inseln Nassau und Staten, und einige abgeschlossene Ansiedelungen auf besonders gutem Boden längs der Flußränder, bildeten das ganze Land, welches damals nicht einmal zweimalhunderttausend Seelen barg. In dem erwähnten kurzen Zeitraume hat sich die Bevölkerung über fünf Breiten- und sieben Längengrade ausgedehnt, und ist zu anderthalb Millionen Einwohnern [1831 bestand die Einwohnerzahl von Neu-York völlig aus 2 Millionen.] angeschwollen, die behaglich von ihrem Besitze leben, und in Jahrhunderten nicht zu besorgen haben, daß der Ertrag des Bodens in ein ungünstiges Mißverhältniß mit ihren Bedürfnissen treten könnte.

Unsere Erzählung beginnt mit dem Jahre 1793, ungefähr sieben Jahre nach dem Entstehen einer der frühesten jener Niederlassungen, welche den erwähnten fast mährchenhaften Umschwung in der Macht und dem ganzen Zustande des Landes herbeiführen halfen.

An einem schönen, kalten Dezembertage um die Zeit des Sonnenuntergangs bewegte sich in dem beschriebenen Distrikte ein Sleigh [Sleigh (lies Sleh) ist der in allen Theilen der vereinigten Staaten übliche Ausdruck für eine Art von Schlitten, und rührt wahrscheinlich aus dem Westen Englands her, wo diese Bezeichnung hin und wieder gebraucht wird. Die Amerikaner machen einen Unterschied zwischen Sleigh und Schlitten, denn die Läufer des Sleigh sind mit Metall beschlagen. Auch gibt es zwei- und einspännige Sleighs. Von letzterer Art sind die Cutter und die Pungs oder Zweipungs,von denen die einen mit einfachen, die andern mit Gabeldeichseln versehen sind; desgleichen die Gumper. Rohe, für den schnellen Gebrauch zusammengezimmerte Fuhrwerke in den neuen Gebieten. — Viele amerikanische Sleighs sind sehr elegant, obgleich ihre Benutzung durch das Milderwerden des Klima's in Folge der Verminderung der Urwälder allmählich mehr und mehr in Abgang kommt.] langsam den Abhang eines Berges hinan. Der Tag war für die Jahreszeit schön gewesen und nur zwei oder drei große Wolken, welche in dem Lichte, das von den die Erde bedeckenden Schneemassen wiederstrahlte, blendend weiß erschienen, segelten in dem reinen Blau des Himmels dahin. Der Weg wand sich längs eines Absturzes um den Gipfel eines Felsen hin, und wurde auf der einen Seite durch über einander geschichtete Holzstämme geschützt, während man auf der andern den Felsen so weit ausgesprengt hatte, um dem Straßenzug die für die gewöhnliche Fuhrwerke der damaligen Zeit nöthige Breite zu geben. Aber Holzstämme, Felsenaussprengung kurz alles, was nicht mindestens etliche Fuß Höhe hatte, lag unter dem Schnee begraben. Eine einzige Fährte, kaum weit genug, um den Sleigh aufzunehmen, bezeichnete den Zug der Landstraße, die fast mit einer ellenhohen Schneeschichte bedeckt war. In dem um etliche hundert Fuß tiefer gelegenen Thale bemerkte man eine sogenannte Lichtung und die gewöhnlichen Vorkehrungen zu einer neuen Niederlassung, welche sich sogar bergan bis zu einem Punkte erstreckten, wo der Weg nach einem auf dem Gipfel des Berges liegenden Flachlande abbeugte, während weiter oben Alles Wald war. Die Atmosphäre glitzerte, als wäre sie mit Myriaden von Lichtkörperchen erfüllt, und die edlen Rosse vor dem Sleigh waren fast ganz von einer Reifschichte bedeckt. Man sah den Dampf ihrer Nüstern wie Rauch aufsteigen, und jeder im Gesichtskreise liegende Gegenstand, wie auch die Vorkehrungen der Reisenden ließen auf die Strenge des Winters im Gebirge schließen. Das trübe, tiefschwarze Pferdegeschirr, welches sich allerdings sehr von den glänzend gefirnißten unserer Tage unterschied, war mit ungeheuern Platten und Schnallen von Messing verziert, die in den flüchtigen Sonnenstrahlen, welche ihren Weg schräg durch die Baumgipfel fanden, wie blankes Gold erglänzten. Gewaltige, mit Nägeln beschlagene und durch Schabraken unterlegte Sättel trugen vier hohe viereckige Thürmchen, durch welche die starken Zügel nach der Hand des Lenkers, eines Negers von ungefähr zwanzig Jahren, liesen. Sein Gesicht, das die Natur mit einem glänzenden Schwarz ausgestattet hatte, war jetzt scheckicht vor Kälte, und in seinen großen leuchtenden Augen glänzten Thränen ein Zoll, welchen die schneidenden Fröste dieser Gegenden den Söhnen der afrikanischen Sonne nie abzupressen versäumen. Demungeachtet aber lag ein lächelnder Ausdruck der Heiterkeit in seinem glücklichen Gesichte, welcher wohl seinen Grund in dem Gedanken an die nahe Heimath und an die Belustigungen eines Christabends in einem warmen Stübchen haben mochte.

Der Sleigh war eines jener geräumigen, bequemen, altmodischen Fuhrwerke, die eine ganze Familie in ihrem Bauche versorgen können, obgleich er in dem gegenwärtigen Augenblicke außer dem vorerwähnten Schwarzen nur zwei Personen enthielt. Die Farbe war außen bescheiden grün, innen feurig roth, letzteres vielleicht, um in dem kalten Klima doch wenigstens dem Auge eine Gluth vorzuführen. Große Büffelhäute, an den Rändern mit guirlandenartig geschnittenem rothem Tuch verziert, lagen in dem Sleigh und umhüllten die Füße der Reisenden eines Mannes in den mittleren Jahren und eines Mädchens in der ersten Blüthe der weiblichen Entwickelung. Der erstere war, soviel sich aus den Vorkehrungen, welche er zu Ausschließung der Kälte getroffen hatte, von kräftigen Umrissen. Ein verschwenderisch mit Pelzwerk verbrämter Ueberrock umschloß seinen ganzen Körper mit Ausnahme des Kopfs, welcher durch eine Marderfellmütze, mit Maroquin ausgekleidet und so geformt, daß sich die Seitenklappen über die Ohren herunterschlagen und durch ein schwarzes Band unter dem Kinn zusammenknüpfen ließen geschützt wurde. Der obere Theil der Mütze war mit einer Art Quaste verziert, die aus dem Schwanze des Thieres, welches das übrige Material geliefert hatte, bestand und nicht unzierlich hinten einige Zolle über den Nacken hinunter hing. Unter dieser Vermummung sah man theilweise ein schönes Männergesicht, zumal ein Paar ausdrucksvoller, großer, blauer Augen, die einen hellen Verstand, gemüthliche Heiterkeit und einen wohlwollenden Sinn verkündigten. Die Gestalt seiner Begleiterin war buchstäblich in den Kleidern, welche sie trug, begraben. Aus einem dicht mit Flanell wattirten, großen Camelotmantel, welcher dem Schnitt und der Weite nach offenbar einem männlichen Körper angehörte, sah ein mit Pelz ausgelegter seidener Ueberrock hervor. Eine ungeheuere, mit Daunen gefütterte, schwarzseidene Kaputze verbarg Kopf und Gesicht bis auf eine kleine Oeffnung, durch welche man Athem holen konnte, obgleich hin und wieder auch ein Paar lebhafter, beerschwarzer Augen hervorfunkelten.

Aber Vater und Tochter (denn in dieser Verwandtschaftsbeziehung standen die beiden Reisenden) waren zusehr mit ihren Betrachtungen beschäftigt, um durch den Ton ihrer Stimme eine Stille zu unterbrechen, welche durch das leichte Dahingleiten des Sleigh selten oder nie gestört wurde. Der Erstere dachte an das Weib, welches sein Kind das einzige zum letzten Male an ihre Brust gedrückt hatte, als sie vier Jahre früher mit widerstrebendem Herzen ihre Zustimmung geben mußte, der Gesellschaft ihrer Tochter zu entsagen, damit sich dieselbe jener Vortheile der Erziehung erfreuen möchte, welche zu der Zeit nur die Stadt New-York zu geben im Stande war. Wenige Monate nachher hatte ihn der Tod dieser treuen Genossin seiner Einsamkeit beraubt. Er liebte jedoch sein Kind zu aufrichtig, um sie nach der verhältnißmäßigen Wildniß, wo er wohnte, zurückzuholen, ehe die Zeit, welche zu ihrer völligen Ausbildung für nöthig erachtet wurde, abgelaufen war. Die Gedanken der Tochter waren weniger düster, da der Wechsel und die immer neuen Reize der Landschaft, die sich bei jeder Wendung der Straße vor ihr aufthaten, ihren Empfindungen ein frohes Staunen beimischten.

Der Berg, auf dem sie eben hinfuhren, war mit ungeheuren Rothtannen bedeckt, die erst in einer Höhe von siebenzig bis achtzig Fuß ihre Zweige ausbreiteten, und bis zum Wipfel oft das Doppelte dieser Höhe maßen. Das Auge konnte sich daher durch die zahllosen Oeffnungen einer weiten Aussicht erfreuen, wenn diese nicht durch ein fernes Hügelland oder durch einen Berggipfel jenseits des Thales, welchem sie zueilten, begränzt wurde. Die dunkeln Baumstämme erhoben sich aus dem weißen Schneegrunde wie regelmäßig gebaute Säulenschäfte, bis hoch oben die Zweige mit ihren immergrünen Nadeln eine Decke formten, die einen schwermüthigen Contrast zu der erstarrten Erde bildete. Die Reisenden fühlten keinen Wind, aber die Baumwipfel wiegten sich majestätisch und entsandten einen dumpfen, klagenden Ton, der ganz im Einklang der ruhe der melancholischen Scene stand.

Der Sleigh war eine Strecke weit ganz eben fortgeglitten und der Blick des Frauenzimmers hastete spähend, vielleicht auch furchtsam auf den Eintiefungen des Forstes, als sich ein lautes und anhaltendes Geheul, ähnlich dem Bellen eines zahlreichen Rudels von Jagdhunden, vernehmen ließ, das durch die hohen Bogen des Waldgewölbes hertönte. Sobald diese Laute das Ohr des Alten Herrn erreichten, rief er laut dem Schwarzen zu:

„Halt, Aggy; der alte Hektor ist dort; ich würde sein Bellen unter Zehntausenden heraus kennen. Lederstrumpf hat an diesem schönen Tage seine Hunde herausgeführt, und gewiß sind sie jetzt hinter einem Wilde her. Dort, einige Klafter vor uns, läuft eine frische Hirschspur; und nun, 'Beß, wenn Du Dich vor dem Feuer nicht fürchtest, so verspreche ich Dir eine herrliche Zugabe zu Deiner Christfesttafel.“

Der Schwarze hielt an und ein heiteres Grinsen überflog seine erstarrten Züge, während er zugleich die Arme übereinander zu schlgen begann, um wieder einige Circulation nach den Fingerspitzen hin herzustellen. Der alte Herr richtete sich inzwischen auf, warf seine Verhüllung ab und stieg aus dem Sleigh auf eine Schneebank, welche seine Last trug, ohne zu weichen.

Nach einigen Augenblicken kam er damit zu Stande, aus einer Masse von Schachteln und Koffern eine doppelläufige Vogelflinte hervorzuholen, und nachdem er sich seiner dichten Fäustlinge, unter denen er ein Paar andere mit Pelz gefütterte Lederhandschuhe trug, entledigt und das Schloß seines Gewehrs untersucht hatte, schickte er sich an, vorwärts zu eilen, als sich das leichte Rauschen eines durch das Gehölz stürzenden Thieres vernehmen ließ und unmittelbar darauf nur wenige Schritte nach vorn ein schöner Bock die Straße kreuzte. Das Auftauchen des Wildes war rasch und seine Flucht geschah mit der Eile des Windes; aber der Reisende schien ein zu geübter Jäger zu seyn, um sich dadurch außer Fassung bringen zu lassen. Sobald er des Thieres ansichtig wurde, erhob er mit sicherem Auge und stetiger Hand seine Flinte und gab Feuer. Das Thier schoß jedoch unerschreckt und scheinbar unverletzt weiter. Ohne sein Gewehr sinken zu lassen, wandte der Schütze auf's Neue die Mündung seinem Opfer zu und feuerte abermals. Aber auch dieser Schuß schien seine Wirkung verfehlt zu haben.

Der ganze Auftritt war mit einer Geschwindigkeit vor sich gegangen, welche das Mädchen in hohem Grade verwirrte, und sie freute sich bereits unwillkürlich über das glückliche Entkommen des Thieres, als es plötzlich wie ein Meteor wieder auftauchte und abermals über den Weg setzte, worauf ein scharfer, rascher Ton, ganz verschieden von dem runden, vollen aus der Waffe ihres Vaters, in dem sich aber der Knall eines Feuergewehrs ebenfalls nicht verkennen ließ, an ihr Ohr schlug. In demselben Augenblicke machte der Bock einen Sprung in die Höhe, und als dem ersteren Schusse rasch ein zweiter folgte, stürzte das Thier kopfüber zu Erde, wo es auf der Schneerinde einigemale überkugelte. Ein lautes Halloh erscholl aus dem Munde des unsichtbaren Schützen, und unmittelbar darauf traten ein Paar Männer aus einem Versteck hinter zwei Tannenstämmen hervor, wo sie augenscheinlich dem Zuge des Hirsches aufgelauert hatten.

„Ha! Natty; wenn ich gewußt hätte, daß Ihr im Hinterhalt läget, so hätte ich meine Schüsse sparen können,“ rief der Reisende, indem er sich nach der Stelle hinbewegte, wo das Thier lag, in dessen Nähe ihm auch der entzückte Schwarze mit dem Sleigh folgte; „aber das Bellen des alten Hector war zu ermuthigend, um ruhig zu bleiben. Und doch bin ich nicht überzeugt, ob nicht eine meiner Kugeln den Burschen niederwarf.“

„Nein nein Richter,“ entgegnete der Jäger mit einem stillen Kichern und jenem frohlockenden Blicke, der das Bewußtseyn einer höhern Kunstfertigkeit verkündet. Sie haben Ihr Pulver nur abgebrannt, um sich an diesem kalten Abend die Nase zu wärmen, Glauben Sie denn, einen ausgewachsenen Bock, dem Hector und die Slut auf der Ferse sind, mit dieser Schlüsselbüchse da zum Halten zu bringen? Es gibt ja Fasanen genug an dem Moor, und die Schneevögel fliegen um Ihr Haus, so daß Sie dieselben mit Brodkrummen füttern können. Derartiges Wildpret ist etwas für Ihre Flinte; wenn Sie's aber nach einem Bock oder einem Bärenschinken gelüstet. Richter, so müssen Sie eine langläufige Büchse mitnehmen und gutes Pflaster parat halten, sonst werden Sie, denke ich, mehr Pulver verschwenden, als Sie Magen füllen.“

Nach diesen Worten fuhr der Sprecher mit der bloßen Hand unter seiner Nase weg und verzog seinen ungeheuren Mund abermals zu einer Art innerlichen Lachens.

„Das Gewehr theilt gut aus. Natty, und hat seiner Zeit wohl auch einem Hirsch den Garaus gemacht,“ entgegnete der Reisende mit einem gutgelaunten Lächeln. „Der eine Lauf war mit Posten geladen freilich der andere nur mit Vogeldunst. Da sind zwei Schüsse, der eine durch den Hals und der andere gerade durch das Herz. Es ist nicht ausgemacht, Natty, ob nicht einer davon von mir herrührt.“

„Nun, mag ihn erlegt haben, wer will,“ versetzte der Jäger verdrießlich; „es handelt sich jetzt, denke ich, nur noch darum, von wem er gegessen wird.“ Mit diesen Worten zog er ein großes Messer aus einer ledernen Scheide, die in seinem Gürtel stack, und durchschnitt dem Hirsche die Gurgel. „Wenn zwei Kugeln in dem Thiere stecken, so möchte ich doch fragen, ob nicht etwa auch zwei Büchsen abgefeuert wurden? Außerdem, wer hat je ein so zerrissenes Loch an dem Hals wie dieses durch ein nicht gezogenes Gewehr machen sehen? Sie werden mir zugeben, Richter, daß der Bock erst bei dem letzten Schusse fiel, und der kam aus einer sicherern und jüngeren Hand, als die Ihrige und die meinige ist. Ich für meinen Theil kann zwar, obgleich ich ein armer Mann bin, ohne dieses Wildpret leben, aber doch mag ich nicht gerne in einem freien Lande meine gerechten Ansprüche fahren lassen. Freilich muß ich, was das anbelangt, leider sehen, daß hier so gut wie in dem alten Land Gewalt vor Recht geht.“

Ein Zug von Verdruß und Unzufriedenheit begleitete diese Rede des Jägers, obgleich er es für klug hielt, den Schluß derselben so leise auszusprechen, daß er sich in ein unverständliches Murmeln verlor.

„Nein, Natty,“ entgegnete der Reisende, ohne sich seine gute Laune trüben zu lassen, „ich wehre mich nur um der Ehre willen. Mit einigen Dollaren ist dieses Wildpret bezahlt, aber was kann mich dafür entschädigen, daß mir die Ehre, einen Hirschschwanz auf der Mütze zu tragen, entgeht? Bedenkt nur, Natty, wie ich über den hämischen Hund, den Dick Jones triumphiren könnte, der bereits siebenmal in dieser Saison gefehlt und nichts heimgebracht hat, als ein Waldhuhn und ein Paar graue Eichhörnchen.“

„Ach, das Wild wird freilich immer seltener, Richter, je weiter diese Lichtungen und Verbesserungen um sich greifen,“ erwiederte der alte Jäger mit einer Art erzwungener Resignation. „Es hat eine Zeit gegeben, wo ich dreizehn Hirsche, die Hirschkälber nicht mitgezählt, aus der Thüre meiner Hütte schießen konnte! Und wenn's einen nach einer Bärenkeule oder etwas der Art gelüstete, so durfte er nur eine Nacht wachen, um einen solchen Burschen beim Mondschein durch die Ritzen, welche die Baumstämme in den Wänden ließen, zu erlegen; es hatte dabei keine Gefahr mit dem Einschlafen, denn das Geheul der Wölfe konnte schon die Augen offen halten. Da ist der alte Hector “ er streichelte während dieser Worte einen hohen, schwarz- und gelbgefleckten Jagdhund mit weißem Bauch und weißen Beinen, der eben im Geleite der schon erwähnten Slut von einer Fährte zurückkehrte; „sehen Sie wie ihm die Wölfe die Kehle zerbissen haben in jener Nacht, als ich sie von dem Wildpret vertrieb, das sie mir aus dem Rauchfang holen wollten. Der Hund ist zuverlässiger, als mancher Christ, denn er vergißt nie einem Freund und liebt die Hand, welche ihm sein Brod reicht.“

Es lag etwas Eigenthümliches in dem Benehmen des Jägers, was die Aufmerksamkeit des jungen Frauenzimmers auf sich zog, wie sie denn auch von dem ersten Augenblicke an, seit sie seiner ansichtig geworden, sein Aeußeres und seine Tracht mit der gespanntesten Aufmerksamkeit betrachtete. Er war hoch und so mager, daß er sogar noch größer erschien, als er wirklich war. Auf dem mit dünnen, schlichten, röthlichen Haaren bedeckten Kopfe trug er eine Fuchsmütze, die an Gestalt der des Reisenden ähnelte, an Eleganz aber ihr weit nachstand. Sein Gesicht war fleischlos, fast abgezehrt, aber ohne Spur von Krankheit, denn im Gegentheil deutete Alles bei ihm auf die kräftigste und ausdauernste Gesundheit. Kälte und häufiger Aufenthalt in Wind und Wetter hatten seine Haut gleichförmig geröthet. Seine grauen Augen blitzten unter ein Paar zottiger Brauen hervor, in deren natürliche Farbe sich ziemlich viel Gram gemischt hatte. Der magere Hals war blos und so roth, als sein Gesicht, und wo er sich an das Oberkleid anschloß, zeigte sich der schmale Streifen eines gewürfelten Hemdkragens. Eine Art Rock aus mit den Haaren versehenen Hirschfellen wurde mittelst eines Gürtels von farbigem Wollenzeug um seinen Körper zusammengehalten. An seinen Füßen hatte er Mocassins aus Hirschhäuten, die nach der Sitte der Indianer mit Stachelschweinstacheln verziert waren, und an hirschlederne Hosen schlossen sich über den Knieen Camaschen von demselben Material an eine Kleidung, welche ihm unter den Ansiedlern den Beinamen Lederstrumpf erworben hatte. Ueber seine linke Schulter lief ein Riemen von Hirschleder, an dem ein ungeheueres Ochsenhorn hing, welches so dünn ausgeschabt war, daß man das darin enthaltene Pulver durchscheinen sehen konnte; das breitere Ende desselben enthielt einen hölzernen Boden, während das andere sorgfältig mit einem kleinen Pfropfen verwahrt war. Vor ihm hing eine lederne Jagdtasche, aus welcher er bei dem Schlusse seiner letzten Worte ein kleines Maß hervorzog, es mit Pulver füllte, und dann seine Büchse, die von dem Schneeboden an fast bis zu der Spitze seiner Fuchskappe reichte, wieder zu laden begann.

Der Reisende hatte, während der Jäger in dieser Weise beschäftigt war, die Wunden des erlegten Hirsches sorgfältig untersucht und rief jetzt, ohne sich an die üble Laune des Andern zu kehren:

„Es wäre mir gar zu lieb, wenn ich die Ehre, dieses Thier erlegt zu haben, in Anspruch nehmen könnte; und gewiß, wenn der Schuß durch den Hals aus meinem Gewehr kam, so kann ich es mit Recht thun, denn der durch's Herz war unnöthig — wir nennen etwas der Art einen Act der Supererogation, Lederstrumpf.“

„Sie mögen es mit was immer für einem gelehrten Namen belegen, Richter,“ sagte der Jäger, indem er die Büchse mit seinem linken Arm unterstützte, einen Messingdeckel in seiner Jagdtasche anfdrückte, ein kleines Stück gefetteten Leders herausnahm, eine Kugel darein wickelte und beides während des Sprechens mit kräftiger Faust in den Gewehrlauf auf das Pulver hinunter trieb; „denn es ist weit leichter, irgend ein Wort zu ersinnen, als einen Bock im Sprunge zu schießen. Aber dieses Thier hier kam, wie ich bereits vorhin sagte, durch eine jüngere Hand, als die Ihrige oder die meinige, zu seinem Ende.“

„Was sagt Ihr dazu, mein Freund?“ rief der Reisende, indem er sich scherzend gegen Natty's Begleiter umdrehte. „Wollen wir um die Ehre loosen und diesen Dollar aufwerfen? Das Silber ist Euer, wenn Ihr verliert. Was sagt Ihr dazu, mein Freund?“

„Daß ich den Hirsch schoß,“ sagte der junge Mann etwas stolz und legte den Arm auf eine Büchse, welche ziemlich die Form von der seines Gefährten hatte.

„Hier sind Zwei gegen Einen,“ sagte der Richter mit einem Lächeln; „ausgestochen — überstimmt, wie wir vor Gericht sagen. Der Aggy da darf als Sclave nicht zeugen, und 'Beß ist minderjährig — nun, so muß ich eben zum schlimmen Spiel eine gute Miene machen. Ihr verkauft mir aber doch das Wildpret? Ah, es müßte mit dem Henker hergehen, wenn ich nicht aus dem Tode dieses Hirsches ein gutes Geschichtchen drechselte.“

„Ich habe hier nichts zu verkaufen,“ antwortete Lederstrumpf, ein wenig von dem hohen Tone seines Begleiters annehmend; „denn ich für meinen Theil habe Thiere gesehen, die mit einem Halsschuß noch Tage lang sprangen, und ich bin keiner von denen, welche irgend Jemanden das abspannen möchten, was ihm rechtlich gebührt.“

„Ihr beharrt an diesem kalten Abend sehr zäh auf Euerm Rechte, Natty,“ entgegnete der Richter in unverwüstlich heiterer Stimmung. „Aber was sagt Ihr, junger Mann? Sind drei Dollar genug für den Bock?“

„Laßt uns zuerst die Rechtsfrage zur gegenseitigen Zufriedenheit abmachen,“ antwortete der Jüngling bescheiden, aber mit Festigkeit und in einer Weise des Ausdrucks, welche weit über seine unscheinbare Außenseite erhaben schien. „Mit wieviel Posten hatten Sie ihr Gewehr geladen?“

„Mit fünfen, Sir,“ sagte der Richter, durch das Benehmen des Andern etwas verblüfft. „Sind fünf nicht genug, um einen Bock wie diesen zu erlegen?“

„Einer schon würde hinreichen; aber —“ er bewegte sich nach dem Baume hin, hinter dem er hervorgetreten war — „Sie erinnern sich, Sir, daß Sie nach dieser Richtung abfeuerten. Hier stecken vier der Kugeln im Baume.“

Der Richter untersuchte die frischen Spuren in der Rinde der Tanne, schüttelte den Kopf und entgegnete mit Lachen:

„Ihr liefert den Beweis gegen Euch selber, mein junger Advokat. Wo ist die fünfte?“

„Hier!“ sagte der Jüngling, indem er den groben Mantel, welchen er trug, zurückschlug und auf ein Loch in seinen Unterkleidern deutete, aus dem große Tropfen Blutes hervordrangen.

„Guter Gott!“ rief der Richter entsetzt; „habe ich hier wegen einer werthlosen Großthuerei die Zeit vergeudet, während ein Nebenmensch durch meine Hand leidet, ohne eine Klage laut werden zu lassen? Aber schnell — geschwinde — in den Sleigh — es ist nur eine Meile bis zum Dorf, wo man wundärztlichen Beistand haben kann. Alles Nöthige soll auf meine Kosten besorgt werden, und Du sollst bei mir bleiben, bis Deine Wunde geheilt ist ja, und auch nachher noch — für immer!“

„Ich danke für die gute Absicht, aber ich muß das Anerbieten ablehnen. Ich habe einen Freund, der sich sehr beunruhigt fühlen würde, wenn er erführe, daß ich verwundet und fern von ihm bin. Die Beschädigung ist nur leicht und hat keinen Knochen verletzt; aber ich denke, Sir, Sie werden mir jetzt meine Ansprüche auf das Wild gelten lassen.“

„Gelten lassen?“ wiederholte der bewegte Richter. „Ich gebe Dir hiemit auf immer das Recht, Hirsche, Bären und was Die beliebt in meinen eigenen Wäldern zu schießen. Lederstrumpf war bis jetzt der einzige Mann, dem ich dieses Privilegium ertheilte, und die Zeit ist wohl nicht mehr ferne, wo es von Werth seyn wird. Aber ich will Euch den Hirsch abkaufen — da, diese Note wird Dich für Deinen und meinen Schuß bezahlen.“

Der alte Jäger richtete sich während dieser Unterredung stolz auf, wartete jedoch, bis der Andere ausgeredet hatte und sprach dann vor sich hin:

„Es leben Viele, welche behaupten, daß Nathanael Bumppo's Recht, auf diesen Bergen zu schießen, älter sey, als Marmaduke Temple's Recht, es ihm zu verbieten,“ waren seine Worte. „Aber wenn es überhaupt hierüber ein Gesetz gibt — und wer hätte je von einem gehört, welches einem Manne untersagt, einen Hirsch zu schießen, wo es ihm beliebt? — aber wenn es überhaupt ein solches Gesetz gibt, so sollte es vorzugsweise auf nicht gezogene Gewehre angewendet werden. Niemand kann wissen, wohin das Blei fliegen wird, wenn man einmal an einer so unzuverlässigen Waffe den Drücker berührt hat.“

Ohne auf Natty's Selbstgespräch zu achten, verbeugte sich der Jüngling in dankbarer Anerkennung des Anerbietens und versetzte:

„Entschuldigen Sie mich, Sir; ich brauche das Wildpret.“

„Aber für dieses könnt Ihr Euch manchen Hirsch kaufen,“ entgegnete der Richter. „Nehmt es, ich bitte —“ und seine Stimme zu einem Flüstern ermäßigend, fügte er bei — „es sind hundert Dollars.“

Nur einen Augenblick schien der Jüngling zu schwanken, dann aber erglühte er selbst durch das Roth, welches die Kälte seinen Wangen gegeben hatte, als schäme er sich seiner vorübergehenden Schwäche, und lehnte das Anerbieten aufs Neue ab.

Während dieser Scene stand das Frauenzimmer auf, schlug, ohne auf die kalte Luft Rücksicht zu nehmen, die Mantelkappe, welche ihr Antlitz verhüllt hatte, zurück und sprach dann mit großem Ernste:

„Gewiß, gewiß, junger Mann — Sir — Ihr werdet meinen Vater nicht sosehr kränken, daß Ihr ihm das Bewußtseyn auf die Seele laden möchtet, einen Mann, den seine Hand beschädigte, so im Walde zurückzulassen. Ich bitte Euch, kommt mit uns, und laßt Euch ärztlichen Beistand reichen.“

Mochte nun in diesem Augenblicke seine Wunde mehr schmerzen, oder lag vielleicht in der Stimme und dem Wesen der schönen Sachwalterin ihres Vaters etwas Unwiderstehliches — wir wissen es nicht; genug, das Zurückhaltende in dem Benehmen des jungen Mannes wurde durch diese Anrede wesentlich gemildert, und er stand augenscheinlich im Zweisel, ob er ihrer Bitte entsprechen wolle oder nicht, da ihn Beides gleich schwer anzukommen schien.

Der Richter — denn diesen Titel müssen wir ihm in Zukunft geben, da er ein solches Amt begleitete — gewahrte nicht ohne lebhaften Antheil diese Zwiespalt in den Gefühlen des Jünglings; er trat daher auf ihn zu, nahm ihn freundlich bei der Hand, schob ihn sanft nach dem Sleigh hin und drängte ihn, einzusteigen.

„Du findest keine nähere Hilfe, als in Templeton,“ sagte er, „und Natty's Hütte ist wenigstens drei Meilen von hier. Komm' — komm, junger Freund — geh' mit uns, und lass' den neuen Doctor nach Deinem Arme sehen, Natty wird die Kunde von Deinem Wohlbefinden Deinem Freunde überbringen; und wenn Du es verlangst, so lasse ich Dich morgen in Deine Heimath führen.“

Es gelang dem jungen Manne, seine Hand denen des Richters zu entziehen, aber den Blick vermochte er nicht von dem Mädchen zu verwenden, das, ohne der Kälte zu achten, noch immer mit unverhülltem Gesichte dastand und durch den beredten Ausdruck seiner Züge die Bitte des Vaters auf's nachdrücklichste unterstützte.

Lederstrumpf lehnte inzwischen an seiner langen Büchse und hatte den Kopf etwas zur Seite gedreht, wie in ernstes Nachsinnen vertieft, als er auf einmal — augenscheinlich über seine Bedenklichkeiten beruhigt und bei einem Entschluß angelangt das Schweigen unterbrach.

„'s ist im Grund doch das Beste, Du gehst mit ihnen, Junge; denn wenn der Posten noch drinnen ist, so taugt meine alte Hand nicht mehr so gut, wie ehedem, dazu, in's menschliche Fleisch zu schneiden. Vor etwa dreißig Jahren, im alten Krieg, als ich unter Sir William diente, wanderte ich siebenzig Meilen allein durch die heulende Wildniß, mit einer Büchsenkugel in meinem Schenkel, und dann erst schnitt ich sie mit einem Taschenmesser heraus. Der alte Indianer John erinnert sich der Geschichte noch gut. Ich traf ihn mit einer Partie Delawaren, welche einem Irokesentrupp nachsetzten, die unten gewesen waren, und auf Schoharie fünf Scalpe geholt hatten. Ich habe bei dieser Gelegenheit einer Rothhaut einen Denkzettel gegeben, den sie wahrscheinlich mit in's Grab schleppte. Ich nahm den Burschen — mit Ehren vor der Dame zu vermeiden — von hinten auf's Korn, und als er aus seinem Hinterhalt auftauchte, jagte ich ihm drei gute Hirschposten in seine nackte Haut, so nahe bei einander, daß man alle mit einem Dollar hätte bedecken können.“

Natty dehnte nun seinen langen Hals aus, streckte seinen Körper und öffnete seinen Mund, in welchem sich nur noch ein einziger gelber Hauer blicken ließ, während seine Augen, sein Gesicht, ja seine ganze Gestalt zu lachen schien, obgleich man keinen andern Ton vernahm, als eine Art starken Zischens, wenn er in Tremulationen die Luft einathmete.

„Ich hatte, als ich über die Mündung des Oneida setzte meine Kugelform verloren,“ fuhr er fort, „und mußte mich daher mit Hirschposten behelfen; aber die Büchse war treu und streute ihren Inhalt nicht umher, wie die zweibeinigen Dinger da, Richter, die es, wie ich merke, nicht gerathen machen, mit ihrem Eigner auf die Jagd zu gehen.“

Natty's auf das Zartgefühl der jungen Dame berechnete Apologie war unnöthig, denn sie war, während er sprach, zusehr damit beschäftigt, ihrem Vater in Wegräumung einigen Gepäckes zu helfen, um auf seine Worte achten zu können. Unfähig, dem freundlichen Drängen der Reisenden länger zu widerstehen, ließ sich der Jüngling doch endlich — wiewohl noch immer mit unerklärlichem Widerstreben — zum Einsteigen bewegen. Der Schwarze warf, unter Beihilfe seines Gebieters, das erlegte Wild zu dem übrigen Gepäcke, und als sie wieder in dem Sleigh saßen, lud der Richter den Jäger ein, gleichfalls hereinzukommen.

„Nein. Nein,“ sagte der alte Mann kopfschüttelnd; „ich habe am Christfestabend daheim etwas zu thun — fahrt nur mit dem Jungen zu, und laßt euern Doctor nach seinem Arm sehen. Zwar braucht er nur den Posten herauszuschneiden, denn wenn dieß geschehen ist, so habe ich Kräuter, welche die Wunde schneller heilen werden, als all' seine fremden Schmieralien.“ Er wandte sich um und wollte weiter, als er nach einem plötzlichen Besinnen das Gesicht wieder der Schlittengesellschaft zuwandte und beifügte; „Wenn ihr unten am See den Indianer John trefft, so werdet ihr gut thun, ihn mitzunehmen, daß er dem Doctor an die Hand gehe; denn so alt er ist, so versteht er sich doch gut auf Hieb- und Schußwunden, und ich glaube eher, als nicht, daß er mit Besen drunten ist, um Euren Weihnachts-Backofen auszukehren.“

„Halt! halt!“ rief der Jüngling, den Schwarzen am Arme fassend, als dieser sich anschickte, seine Pferde anzutreiben; „Natty, wenn Ihr mich lieb habt, so sagt nichts von dem Schusse — verschweigt auch, wohin ich gehe. Merkt es Euch!“

„Verlaßt Euch auf den alten Lederstrumpf,“ versetzte der Jäger mit einem Blicke des Verständnisses; „er hat nicht fünfzig Jahre in den Wäldern gelebt, ohne von den Indianern schweigen zu lernen — verlaßt Euch auf mich, Junge; und vergetzt mir den alten Indianer John nicht.“

„Und Natty,“ fuhr der Jüngling lebhaft for, indem er immer noch den Schwarzen am Arme hielt, „sobald die Kugel herausgezogen ist, so bringe ich Euch ein Viertel von dem Bock zum Christfestessen.“

Er wurde jetzt von dem Jäger unterbrochen, der mit ausdrucksvoller Miene den Finger erhob, um ihn zum Schweigen aufzufordern, dann langsam an dem Saume des Weges weiter ging und seine Augen unablässig auf die Zweige einer Rothtanne geheftet hielt. Als er eine geschickte Stellung aufgefunden, hielt er inne, spannte den Hahn seiner Büchse, ließ sich auf ein Knie nieder, streckte den linken Arm nach seiner ganzen Länge unter dem Gewehrlauf aus und begann die Mündung desselben langsam und in einer Linie mit dem Stamme des Baumes zu erheben. Die Augen der in dem Sleigh befindlichen Gruppen folgten natürlich der Bewegung der Büchse, und bald entdeckten sie den Gegenstand von Natty's Zielen. Auf einem kleinen dürren Aste, welcher in einer Entfernung von etwa siebenzig Fuß über dem Boden wagerecht von dem Stamme abbog, unmittelbar unter den lebendigen Zweigen des Baumes saß ein Vogel von jener Gattung, welche das Landvolk dieser Gegend ohne Unterschied mit dem Namen Fasan oder Feldhuhn belegt. Das Thier war nur wenig kleiner, als ein gewöhnliches Haushuhn. Erschreckt durch das Bellen der Hunde und die Unterhaltung in der Nähe des Baumes, den er zum Ruheort erkoren, hatte sich der Vogel mehr gegen den Stamm hin zurückgezogen, wo er dasaß, Kopf und Hals so ausgereckt, daß sie mit den Beinen nur eine gerade Linie zu bilden schienen. Sobald sich der Büchsenlauf in gleicher Richtung mit dem Opfer befand, drückte Natty ab und das Feldhuhn fiel mit solcher Gewalt von seinem hohen Standpunkte herunter, daß es ganz vom Schnee begraben wurde.

„Leg' dich, alter Schelm,“ rief Lederstrumpf, Hector mit dem Ladestock winkend, als dieser nach dem Fuße des Baumes hineilen wollte. „leg' dich sag' ich dir!“

Der Hund gehorchte und Natty schickte sich an, in aller Eile, obgleich mit der äußersten Pünktlichkeit, sein Gewehr wieder zu laden. Als dieß geschehen war, nahm er sein Wild auf, zeigte der Gesellschaft, daß dem Vogel der Kopf abgeschossen war und rief:

„Das ist ein ganz leckerer Weihnachtsbraten für einen alten Mann — laßt es daher nur gut seyn mit dem Wildpret, Junge, und vergetzt mir den Indianer John nicht; seine Kräuter sind besser, als alles ausländische Gesalbe. — Da, Richter“ — er hielt den Vogel wieder in die Höhe V „glauben Sie wohl, Ihre Schlüsselbüchse würde auch einen Vogel von seiner Stange herunterholen, ohne eine Feder zu verletzen?“

Der alte Mann verzog wieder den Mund zu seinem eigenthümlichen Lachen, das Trinmph, Heiterkeit und Ironie in gleicher Weise ausdrückte, nahm seine Büchse auf die Schulter und ging raschen Schrittes in den Wald hinein. Bei jedem Tritte verkürzte sich sein Körper um einige Zolle, da die Kniee des alten Mannes im Gehen einwärts knickten; als der Sleigh sich aber in einer Straßenbiegung umwandte und der Jüngling wieder spähend nach seinem Begleiter blickte, war dieser bereits fast ganz durch die Baumstämme verborgen, während ihm die Hunde ruhig auf der Ferse folgten, und nur hin und wieder nach einer Wildspur auf dem Boden hinschnupperten, als lehrte sie ihr Instinkt, daß es dermalen von keinem Nutzen sey, ihr weitere Aufmerksamkeit zu erweisen. Eine abermalige Wendung des Sleigh, und Lederstrumpf war verschwunden.


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