Vierzehntes Kapitel.

Der Schoppen, die Halbe, die Maß,


Der Humpen, der Stiefel, das Glas


und die braune Bowle —


Laßt Lieder, Ihr Jungen, erschallen —


Ein Vivat der Gerste vor Allen!

Trinklied.

Durch das Eintreten der neuen Gäste wurde eine kleine Verwirrung veranlaßt, während welcher der Rechtsgelehrte sich unsichtbar gemacht hatte. Die meisten der Männer näherten sich Marmaduke, schüttelten seine dargebotene Hand und drückten ihre

Freude aus, „daß der Richter wohl sey.“ Major Hartmnn, der inzwischen Hut und Perücke bei Seite gelegt und dafür eine warme wollene Zipfelkappe aufgesetzt hatte, nahm ruhig auf einem Ende des Kanapee's Platz, das von dem Doctor und dem Advokaten verlassen worden war, worauf er seinen Tabaksbeutel zum Vorschein brachte, sich durch den Wirth eine neue Pfeife reichen ließ und bald in eine dichte Rauchwolke gehüllt da saß; dann wandte er den Kopf dem Schenkstübchen zu und rief:

„Betty, den Toddy [Eine Art Punsch; irgend eine Mischung von geistigen Getränken mit Wasser.] herein!“

Inzwischen hatte der Richter mit den meisten der Anwesenden Begrüßungen gewechselt und nahm nun Platz an der Seite des Majors, während Richard sich's in dem behaglichen Sitze der Stube bequem machte. Monsieur Le Quoi ließ sich erst zuletzt nieder, denn er wagte es nicht, von seinem Stuhle Besitz zu nehmen, bis er nach unterschiedlichem Hin- und Herrücken desselben die Ueberzeugung gewonnen hatte, daß er keinem der Anwesenden einen Strahl Wärme entziehe. Mohegan fand ein Winkelchen an dem Ende einer Bank in der unmittelbaren Nähe des Schenkverschlags, und als die Ruhe wieder hergestellt war, bemerkte der Richter scherzend:

„Nun, Betty, ich finde, daß Ihr Eure Popularität bei jedem Wetter, gegen alle Nebenbuhler und unter allen Secten zu behaupten wißt. — Wie hat Euch die Predigt gefallen?“

„Die Predigt?“ rief die Wirthin. „Nun, ich kann nicht anders sagen, als daß sie ganz räsonabel war; aber die Gebete wollten mir gar nicht einleuchten. Es ist keine Kleinigkeit für eine neunundfünfzigjährige Person, sich in der Kirche so viel bewegen zu müssen. Herr Grant scheint übrigens ein gottesfürchtiger Mann zu seyn; und sein Mädchen ist eine fromme und andächtige Dirne. — Da, John, ist ein Krug Cyder, mit Wisky versetzt. Ein Indianer kann Cyder drinken, wenn es ihn auch nicht dürstet.“

„Ich muß sagen,“ bemerkte Hiram nach gehöriger Ueberlegung, daß die Predigt nicht übel war, und ich vermuthe fast, daß sie mit beträchtlichem Beifall aufgenommen wurde. Nur hätte er Manches weglassen und dafür etwas Anderes einschalten können. Da es aber eine geschriebene Rede war, so ließ sich wahrscheinlich nicht so leicht etwas ändern, als wenn ein Geistlicher aus dem Herzen predigt.“

„Ja, das ist's eben, Richter.“ rief die Wirthin. „Wie kann ein Mann aufstehen und predigen, wenn Alles, was er sagen will, niedergeschrieben ist, und er sich daran binden muß, wie ein Dragoner an seinen Tagesbefehl?“

„Schon gut, schon gut,“ rief Marmaduke, mit der Hand zum Stillschweigen winkend; „es ist genug darüber gesprochen worden. Herr Grant sagte ja selbst, es gäbe verschiedene Meinungen über derartige Gegenstände, und meiner Ansicht nach hat er eine sehr verständige Rede gehalten. — Ah, Jotham, wie ich höre, habt Ihr Euer Anwesen an einen neuen Ansiedler verkauft und Eure Wohnung in dem Dorfe aufgeschlagen, um eine Schule zu errichten. Habt Ihr die Zahlung in Geld oder in Papier erhalten?“

Der Angeredete saß unmittelbar hinter Marmaduke, und wer des Richters Beobachtungsgabe nicht kannte, hätte wohl auf die Vermuthung kommen mögen, daß der Mann sich dessen Aufmerksamkeit habe entziehen wollen. Es war eine magere, unförmliche Gestalt von unzufriedener Miene und ungemein unbehülflichem Aeußern. Nach einem vorbereitenden Rücken und Drehen erwiederte er:

„Je nun, zum Theil in klingender Münze, zum Theil in Papier und Naturalien. Der Käufer ist ein Mann aus Pumfret und schon ein bischen in das Geschäft eingeschossen. Unserem Abfinden gemäß, zahlt er mir zehn Dollar für einen Acker gelichteten Landes, und einen Dollar über den Ankaufspreis für den Acker Waldgrund, wobei wir die Baulichkeiten einer gemeinschaftlichen Schätzung unterwarfen. Ich wählte zu diesem Ende den Asa Mountagu und er den Absalom Bement, welche sodann den alten Squire Naphtaly Green beizogen und die Gebäude zu achtzig Dollar abschätzten. Es waren zwölf Acker ausgeholzten Landes, je zu zehn Dollaren und achtundachtzig zu einem Dollar. Das Ganze betrug also zwei hundert sechsundachtzig und einen halben Dollar nach Abzug der Schätzungsgebühren.“

„Hm!“ sagte Marmaduke, „was kostete Euch der Platz?“

„Je nun, ich gab, außer dem was dem Richter zufällt, meinem Bruder Tim hundert Dollar dafür; aber jetzt steht ein neues Haus darauf, das mich weitere sechzig kostete, und an Moses zahlte ich hundert Dollar für Ausholzung und Anbau, so daß mich das Ganze ungefähr auf zwei hundert und sechzig Dollar zu stehen kommt. Ich habe jedoch eine schöne Ernte in der Scheune liegen, und da ich sechsundzwanzig und einen halben Dollar über meine Unkosten erhielt, so glaube ich, einen sehr guten Handel gemacht zu haben.“

„Ja, aber Ihr vergeßt, daß die Ernte auch ohne den Handel Euch gehörte, und daß Ihr für sechsundzwanzig Dollar nunmehr obdachlos geworden seyd.“

„Was da der Richter nicht wieder weiß,“ erwiederte der Mann mit einer schlauen Berechnungsmiene; „bin ich doch mit einem Gespann Rosse und einem neuen Wagen, die unter Brüdern hundertundfünfzig Dollar werth sind, fünfzig Dollaren in Geld, einem guten Wechsel für weitere achtzig und einem Seitensattel, der zu sieben und einem halben Dollar angeschlagen war, abgezogen. Er hatte darauf noch zwölf Schillinge herauszubekommen, und da meinte ich, er solle noch die Kuh und die Melktröge nehmen und mir das Pferdegeschirr geben. Das wollte er aber nicht — und ich durchschaute ihn wohl, denn er dachte, ich müsse ihn doch das Geschirr abkaufen, ehe ich Roß und Wagen brauchen könne. Ich hatte jedoch ein Paar andere Auswege im Sinne, und da er das Fahrgeräthe doch zu nichts brauchen kann, so bot ich ihm Pferd und Wagen wieder zu hundert und fünfundfünfzig Dollar an. Mein Weib sagte, daß sie ein Butterfaß brauche, und so wurden wir für ein Butterfaß vollends einig.“

„Und was gedenkt Ihr diesen Winter mit Eurer Zeit anzufangen? Ihr wißt doch, daß Zeit Geld ist?“

„Ei, der Schulmeister ist ja bei seiner Mutter auf Besuch, die, dem Vernehmen nach, an der Küste drunten auf dem Tod liegt, und ich bin mit ihm eins geworden, die Schule zu übernehmen, bis er wieder zurückkömmt, Wenn die Zeiten auf's Frühjahre nicht schlimmer werden, so bin ich Willens, einen Kram anzufangen oder vielleicht nach Genessee zu ziehen, wo namentlich mit einem solchen Geschäfte etwas zu machen seyn soll. Kömmt übrigens das Aergste zum Argen, so kann ich wieder auf meiner Profession arbeiten, da ich ein gelernter Schuhmacher bin.“

Es wollte scheinen, als ob Marmaduke den Mann nicht hoch genug anschlage, um ihn zum Bleiben an Ort und Stelle zu bereden, denn er ließ sich nicht mehr weiter mit ihm ein, sondern wendete seine Aufmerksamkeit anderen Anwesenden zu. Nach einer kurzen Pause wagte es Hiram, eine Frage aufzuwerfen.

„Welche Neuigkeiten bringt der Richter von dem gesetzgebenden Körper mit? Es scheint nicht, als ob der Kongreß in der jüngsten Sitzung viel gethan hätte. Haben vielleicht die Franzosen in der letzten Zeit weitere Schlachten geliefert?“

„Die Franzosen stehen, seit sie ihren König enthauptet haben, ohne Unterlaß im Feuer,“ erwiederte der Richter. „Der Charakter der Nation scheint sich ganz umgewandelt zu haben; denn ich habe während unseres Krieges viele Franzosen gekannt, die mir recht menschenfreundlich und gutmüthig vorkamen; aber diese Jakobiner sind so blutdürstig als die Bullenbeißer.“

„Es war in York drunten ein gewisser Roschamboh mit uns: ein ganz prächtiger Mann, der einen stattlichen Reiterzug anführte. Damals war's auch, als der Sergeant von den englischen Batterieen — Gott verdamm sie— einen Schuß in's Bein bekam.“

Ah! mon pauvre roi!“ flüsterte Monsieur Le Quoi.

„Der Kongreß hat Gesetze erlassen,“ fuhr Marmaduke mit Ernst fort, „deren das Land sehr benöthigt war. Unter Anderem ist es verboten worden, in gewissen Strömen und kleineren Seeen anders als zu den geeigneten Jahreszeiten mit Stellnetzen zu fischen und den Hirsch zur Tragezeit zu schießen. Das sind Gesetze, die jeder umsichtige Mann schon lange für nöthig erachtete; und ich hoffe, es wird auch noch so weit kommen, daß Strafen auf das unzeitige Fällen des Holzes gesetzt werden.“

Der Jäger horchte auf diese Mittheilung mit athemloser Aufmerksamkeit, und als der Richter geendet hatte, lachte er laut hinaus.

„Mag man da Gesetze machen, so viel man will, Richter.“ rief er; „aber wer wird in den langen Sommertagen die Berge und des Nachts die Seeen bewachen? Wild ist Wild, und wenn Einer welches findet, so darf er auch schießen. Ich erinnere mich schon seit vierzig Jahren her, daß dieses Recht in den Wäldern herrscht, und ich denke, ein altes Gesetz ist eben soviel werth, als zwei neue. Nur ein unerfahrener Jäger wird eine Gais mit dem Kitzchen an der Seite schießen wollen, wenn nicht allenfalls seine Mokassins alt und seine Beinkleider zerrissen sind, denn das Fleisch ist zu solcher Zeit nicht zu genießen. Aber eine Büchse knallt unter den Felsen am Seeufer hin oft so laut, daß man meint, fünfzig seyen zumal abgeschossen worden: — es würde da wohl schwer seyn, zu sagen, wo der Mann steht, der den Drücker berührt hat.“

„Mit dem Ansehen des Gesetzes bewaffnet. Meister Bumppo,“ erwiederte der Richter ernst, „kann eine wachsame Obrigkeit viele Uebelstände verhindern, die bisher obgewaltet und das Wild bereits so selten gemacht haben. Ich hoffe, noch den Tag zu erleben, wo das Eigenthumsrecht des Einzelnen an sein Wild ebensoviel geachtet wird, als der Anspruch auf seine liegenden Gründe.“

„Diese Eigenthumsrechte und Ansprüche sind lauter Neuerungen.“rief Natty, „und vor dem Gesetz soll Keiner dem Andern gegenüber ein Vorrecht haben. Letzten Dienstag waren es vierzehn Tage, daß ich einen Hirsch anschoß, der jedoch über die Schneedämme und einen Heckenzaun wegsetzte. Ich eile hinten drein; das Schloß meiner Büchse fängt sich in den Zweigen, daß ich es nicht gleich wieder los machen kann, und ehe ich mich versehe, ist das Thier auf und davon. Nun möchte ich auch wissen, wer mir diesen Bock zahlen soll, der noch obendrein ein ganz herrliches Thier war? Wäre der Zaun nicht da gewesen, so hätte ich wohl noch einmal schießen können, und ich habe meiner Lebtage nie auf Etwas, das nicht Flügel hatte, dreimal abgedrückt. Nein, nein, Richter; die Ansiedelungen machen das Wild selten, nicht die Jäger.“

„Der Hirsch ist allerdings nicht mehr so häufig, wie zur Zeit des alten Kriegs, Bumppo.“ sagte der Major, der aus seinen Tabakswolken heraus aufmerksam zugehört hatte; „aber das Land ist nicht geschaffen für das Wild, sondern für Christenmenschen.“

„Ei, Major, ich glaube, Sie sind ein Freund des Rechtes und der Gerechtigkeit, obgleich Sie so oft in das große Haus gehen; aber ist es nicht hart, wenn einem Manne sein ehrliches Gewerbe, von dem er lebt, durch Gesetze gehemmt wird? Wenn's nach dem Rechte geht, so muß Einer jeden Tag der Woche im ganzen Patent fischen und jagen dürfen, wenn er Lust dazu hat.“

„Ich verstehe Euch, Lederstrumpf,“ entgegnete der Major, indem er seine schwarzen Augen mit einem bedeutungsvollen Blick auf den Jäger heftete; „aber Ihr seyd doch sonst nie so klug gewesen. Euch allzusehr um das zu kümmern, was kommen könnte?“

„Vielleicht hatte ich nicht so viel Anlaß dazu,“ sagte der Jäger ein wenig verdrießlich, und versank darauf in ein Schweigen, das er geraume Zeit nicht wieder brach.

„Der Richter hat vorhin von den Franzosen erzählen wollen,“ bemerkte Hiram, da die Unterhaltung jetzt ein wenig stocken wollte.

„Ja, Sir,“ versetzte Marmaduke; „die Jakobiner von Frankreich scheinen sich von einem Akte der Zügellosigkeit in den andern zu stürzen. Sie führen ihr Schlächtergewerbe unter dem Titel ,Gesetzesvollstreckung‘ fort; und Ihr habt wohl gehört, daß sie der langen Liste ihrer Gräuelthaten auch die Ermordung ihrer Königin beigefügt haben.“

Les monstres!“ murmelte Monsieur Le Quoi abermals, indem er sich plötzlich mit einem convulsivischen Zucken auf seinem Stuhl umwandte.

„Die Vendée ist verheert durch die Truppen der Republik; und die Einwohner, welche es mit dem König halten, werden zu hunderten auf einmal erschossen. — Die Vendée ist ein Distrikt im Süden Frankreichs, der noch mit vieler Treue an der Familie der Bourbonen hängt. Ohne Zweifel kennt ihn Monsieur Le Quoi und kann uns denselben genau beschreiben.“

Non, non, non mon cher ami,“ versetzte der Franzose mit unterdrückter Stimme, aber in raschen Worten, indem er zugleich mit der rechten Hand, wie abwehrend, gestikulirte, und mit der linken seine Augen bedeckte.

„In der letzten Zeit sind viele Schlachten geschlagen worden,“ fuhr Marmaduke fort, „und leider blieben die wüthenden Republikaner nur zu oft Sieger. Uebrigens thut es mir nicht gerade leid, daß sie den Engländern Toulon abnahmen, denn es ist ein Platz, an den Letztere durchaus kein Recht hatten.“

Ah — ha!“ rief Monsieur Le Quoi aufspringend und in großer Lebhaftigkeit mit beiden Armen die Luft durchschneidend. „ces Anglais!

Der Franzose ging unter Wiederholung dieser Ausrufungen einige Minuten lang mit größter Hast in der Stube auf und ab, und eilte sodann, wie übermannt von dem Sturme seiner innern Erregungen, plötzlich aus dem Hause. Man sah ihn durch den Schnee seinem Laden zuwaten und mit den Armen in der Luft fuchteln, als wolle er die Ehre seiner Nation aus dem Monde herunter holen.

Seine rasche Entfernung erregte nur wenig Erstaunen, da die Dorfbewohner seine Weise bereits kannten; nur der Major Hartmann lachte, das erstemal während seines Besuches, laut hinaus, erhob sodann den Krug und bemerkte — „der Franzmann ist toll; aber vom Trinken gewiß nicht. Er müßte nur vor Freude trunken seyn.“

„Die Franzosen sind gute Soldaten,“ meinte Kapitän Hollister; „sie haben uns bei York drunten manchen Dienst geleistet. Ich verstehe mich zwar nicht sonderlich auf die großen Bewegungen der Armee, aber ich glaube nicht, daß Seine Excellenz im Stande gewesen wäre, ohne ihren Beistand gegen Cornwallis zu marschiren.“

„Da hast Du Recht, Sergeant,“ fiel ihm sein Weib ein; „und ich wollte nur, Du hättest Dich gleichfalls stets wie sie gehalten. Prächtige Leute, die Franzosen! Ich hatte eben mit meinem Karren Halt gemacht, wie Ihr vorwärts rücktet, um die Reg'ler [Regulären] zu unterstützen, als Ein Regiment von diesen Herren vorbei marschirte; und so bediente ich sie ganz nach ihrem Gefallen. Und wie sie auszahlten! ja, in lauter guten vollwichtigen Kronen — kein Fetzen von dem verwünschten Papiergeld drunter. Gott vergebe mir, daß ich fluche und so Eitles rede; aber das muß ich den Franzosen nachsagen, daß sie in gutem Silber auszahlten. Sie konnten weit mit einem Glas reichen, denn sie ließen immer noch ein Tröpfchen drinn, wenn sie es zurückgaben. Da lobe ich mir das Geschäft, Richter, wo man gut ausblecht, und die Leute nicht so gar eigen sind.“

„Dabei kann man's allerdings auf einen grünen Zweig bringen, Frau Hollister,“ bemerkte Marmaduke. „Aber was ist aus Richard geworden? Sprang er doch, sobald er sich gesetzt hatte, wieder auf, und ist nun schon so lange abwesend, daß ich Sorge trage, er möchte erfroren seyn.“

„Hast nichts zu fürchten, Vetter 'Duke,“rief der genannte Ehrenmann in eigener Person. „Geschäfte können Einen bisweilen warm halten, und wäre es der kälteste Abend, der je das Gebirge eingeeißt hat. Betty, Euer Mann sagte mir, als wir die Kirche verließen, Eure Schweine würden schäbig. Ich habe daher ein wenig nach dem Stall gesehen und mich überzeugt, daß dem so ist, weßhalb ich nach Eurem Hause lief, Doctor, und mir von Eurem Jungen ein Pfund Bittersalz abwägen ließ, um es unter ihre Tränke zu mischen. Ich wette einen Hirschziemer gegen ein graues Eichhörnchen, daß sie schon in einer Woche besser seyn werden. Und nun, Frau Hollister, bin ich der Mann für ein Glas zischenden Flip's.“

„Dacht ich mir's doch, Ihr könntet eines brauchen,“ versetzte die Wirthin; „er ist bereits gemischt und bedarf nur noch des Glüheisens. Lieber Sergeant, willst Du so gut seyn und mir das Eisen herübergeben? — Nicht das; das andere, das weiter im Feuer liegt. Du siehst ja, daß es schwarz ist. — So! jetzt ist's recht. Seht einmal her, ob es nicht so roth ist, wie eine Kirsche.“

Das Getränk wurde erhitzt, und Richard nahm es mit einer Miene hin, wie sie es wohl Leute zu zeigen pflegen, die etwas recht Kluges ausgeführt zu haben meinen, zumal wenn sie den Branntwein lieben.

„Ah, Betty, Ihr habt eine Hand, wie gemacht zum Flipmischen,“ rief Richard, nachdem er sich ein bischen ausgeschnaubt hatte. „Sogar das Eisen gibt ihm Wohlgeschmack. Da, John, trink, Mensch, trink! Ich und Du und der Doctor Todd haben diesen Abend an der Schulter des jungen Menschen ein Meisterstück geliefert. 'Duke, ich habe in Deiner Abwesenheit ein Lied gemacht, — 's gibt nicht alle Tage zu thun, und da hat man schon Zeit für so etwas. Ich will Dir einen Vers oder zwei vorsingen, obgleich ich mich noch nicht ganz für die Melodie entschieden habe. —

Das Leben ist nur eine Kette von Mühen,


Wo jeder hinpilgert auf dorniger Bahn.


Drum laßt in die Arme der Freude uns fliehen;


Bedenkt, daß im Dornbusche Rosen auch blühen,


Nicht überall naget des Kummers Zahn!


Drum fort mit den Grillen,


Und fort mit den Stillen —


Daß Sorgen nicht streuen die silbernen Flocken


Zu frühe in unsere dunkelen Locken.


Nun, 'Duke, was hältst Du davon? Ich habe noch einen Vers in petto, aber es fehlt mir noch die letzte Zeile, bei der es mit dem Reime nicht recht gehen will. — Was sagst Du zu dieser Musik, alter John? Ist sie nicht so gut als eines von Deinen Kriegsliedern, he?“

„Gut,“ entgegnete Mohegan, der dem Getränk, der Wirthin redlich zugesprochen und gelegentlich auch den Rundkrügen des Majors und des Richters die gebührende Achtung erzeigt hatte.

„Bravo! bravo! Richard!“ rief der Major, dessen schwarze Augen bereits zu schwimmen begannen. „Bravissimo! Ein prächtiges Lied, — aber Natty Bumppo weiß noch ein schöneres. Lederstrumpf, willst Du nicht singen? Sag' an, alter Knabe, willst Du nicht ein Waldlied singen?“

„Nein, nein, Major,“ erwiederte der Jäger mit einem schwermüthigen Kopfschütteln. „Ich habe leben müssen, um zu sehen, was meine Augen in diesen Bergen nimmer zu schauen hofften, und da ist mir die Lust zum Singen vergangen. Wenn er, der das Recht hat, hier zu gebieten, sich genöthigt sieht, seinen Durst mit Schneewasser zu stillen, so ziemt es denen, die von seinem Eigenthume leben, schlecht, sich lustig zu machen, als ob es auf der Welt nichts gäbe als Sonnenschein und Sommer.“

Als Lederstrumpf ausgesprochen hatte, ließ er seinen Kopf wieder auf die Kniee sinken und verbarg seine harten, runzlichten Züge mit den Händen. Der schnelle Wechsel von der grimmigen Kälte außen zu der Hitze der Trinkstube, in Verbindung mit der Tiefe und Häufigkeit von Richards Zügen, hatten bereits, was Heiterkeit anbelangt, das Gleichgewicht zwischen letzterem Ehrenmanne und den übrigen Gästen hergestellt, und jetzt hielt er ein Paar mit dampfendem Flip gefüllte Becher dem Jäger entgegen.

„Ja, lustig muß ees hergehen, alter Knabe!“ rief er. „Es ist ein lustiges Christfest! Was Sonnenschein und Sommer! Seyd ihr blind, Lederstrumpf, daß Ihr den Mondschein und den Winter nicht mehr sehen könnt? Steckt Euch eine Brille ins Gesicht und sperrt Eure Augen auf —

Fort, fort mit den Grillen,


Und fort mit den Stillen —


Daß Sorgen nicht streuen die silbernen Flocken


Zu frühe in unsere dunkelen Locken.


„Hört jetzt den alten John meckern. Die Indianer haben im Grunde doch eine verzweifelt trübselige Musik, Major. Ich möchte wohl wissen, ob sie nie nach Noten singen.“

Während Richard abwechselnd sang und plauderte, ließ Mohegan einige schwerfällige und eintönige Laute vernehmen, die er mit einer sanften Bewegung des Kopfes und des ganzen Körpers begleitete. Es waren nur wenige Worte und zwar indianische, so daß sie nur von ihm und von Natty verstanden wurden. Ohne auf Richard zu achten, fuhr er fort, seine wilde melancholische Weiße zu singen, wobei er sich bald in die höchsten Töne verstieg, bald wieder in die tiefen bebenden Laute überging, welche den Charakter der indianischen Musik bezeichnen.

Die Aufmerksamkeit der Gesellschaft war nun sehr getheilt, da die Männer, welche früher mehr im Hintergrunde gesessen, sich in kleine Gruppen sammelten und verschiedene Gegenstände besprachen, unter denen die Behandlung schäbiger Schweine und Pfarrers Grant's Predigtweise ein Hauptthema abgaben, während Doctor Todd sich mühte, Marmaduke die Beschaffenheit der Verletzung des jungen Jägers auseinander zu setzen. Mohegan fuhr fort zu singen, wobei er vor sich hinstierte und seine Züge unter dem buschigten Haar einen ungemein wilden Ausdruck gewannen. Sein Gesang wurde allmählig lauter und steigerte sich zuletzt so sehr, daß das Gespräch aufhören mußte. Der Jäger erhob nun abermal seinen Kopf und sprach mit Wärme zu dem alten Krieger in der Sprache der Delawaren, was wir hier, dem Leser zu lieb, in einer Uebertragung geben wollen.

„Wie magst Du von Deinen Schlachten und von den Kriegern, die Du erschlagen, singen, Chingachgook wenn der schlimmste Feind in Deiner Nähe ist, der dem ,jungen Adler‘ seine Rechte vorenthält? Ich habe so viele Schlachten mitgekämpft, als irgend ein Krieger Deines Stammes; aber zu einer solchen Zeit kann ich mich nicht meiner Thaten rühmen.“

„Hawk-eye,“ [Falkenauge.] versetzte der Indianer, mit wankenden Tritten einen Platz verlassend, „ich bin die große Schlange der Delawaren; ich kann die Mingo's aufspüren, wie die Adder [Otter.] die Eier des Windfängers, und sie mit einem Schlage todt zu Boden strecken, wie die Klapperschlange. Der weiße Mann machte Chingachgook's Tomahawk so glänzend, wie die Wasser des Otsego in der Abendsonne; aber er ist roth vom Blute der Maquas.“

„Und warum hast Du die Mingo-Krieger erschlagen? Thatest Du es nicht, um diese Jagdgründe und Seeen den Kindern Deiner Väter zu erhalten? Wurden sie nicht in der Versammlung dem Feueresser übergeben? Und rinnt nicht das Blut eines Kriegers in den Adern eines jungen Häuptlings, der laut sprechen sollte, während seine Stimme zu schwach ist, um gehört zu werden?“

Diese Anrede des Jägers schien einigermaßen die verwirrten Sinne des Indianers zu sammeln, da derselbe nunmehr das Gesicht den Umstehenden zuwandte und seine Blicke aufmerksam auf den Richter heftete. Er schüttelte sein Haupt, strich sich das Haar aus der Stirne und ließ ein Paar Augen gewahr werden, die von dem Feuer wilder Rachelust erglühten. Der Indianer war ganz umgewandelt: seine Hand schien einen vergeblichen Versuch zu machen, den Tomahawk hervorzuholen, der mit dem Handgriffe in seinem Gürtel stack, während seine Blicke allmählig wieder einen leeren Ausdruck annahmen. Richard stellte in diesem Augenblick einen Becher vor ihn hin, während sich eben seine Züge in das Grinsen des Blödsinns verzerrten. Er ergriff das Gefäß mit beiden Händen, trank es, auf der Bank zurückgelehnt, bis auf die Neige aus und versuchte sodann, es mit der Unbeholfenheit totaler Betrunkenheit bei Seite zu stellen.

„Kein Blutvergießen!“ rief der Jäger, als er den vorübergehenden Ausdruck der Wildheit in den Zügen des Indianers gewahrte. „Doch er ist betrunken und kann keinen Schaden thun. So geht es mit allen Wilden! Gebt ihnen Branntwein und sie machen sich selbst zu Hunden. Doch sey's drum — die Zeit wird nichtsdestoweniger kommen, wo Gerechtigkeit geübt wird. Wir müssen nur Geduld haben.“

Da Natty dieß in der Sprache der Delawaren laut werden ließ, so wurde er natürlich von Niemand verstanden. Er hatte kaum ausgesprochen, als Richard rief —

„Nun, der alte John ist zeitig fertig geworden. Gebt ihm Quartier in der Scheune, Kapitän, und laßt mich für die Bezahlung sorgen. Ich bin heute Abend reich, zehnmal reicher als 'Duke mit allen seinen Ländereien, Kapitalbriefen. Wechsel und Renten.“

Fort, fort mit den Grillen,


Und fort mit den Stillen —


Daß Sorgen nicht streuen die silbernen Flocken


Zu frühe in unsere dunkelen Locken.


„Tring, Trink, König Hiram ‘ trink, Meister Thunichts [Doolittle, Thuwenig, wird hier von dem spaßhaft gestimmten Richard Doonothing, Thunichts genannt.] — trink, sag' ich. Heute ist der Christabend, der bekanntermaßen nur einmal des Jahres kömmt.“

„He! he! he! der Squire ist heute ganz musikalisch,“ fing Hiram an, dessen Züge merkwürdige Anzeigen von Erschlaffung kund zu geben begannen. „Ich meine fast, wir sollten noch eine Kirche bauen, Squire?“

„Eine Kirche, Meister Doolittle? Nein, eine Kathedrale soll es werden! Bischöfe, Priester, Diakone, Küster, Sakristei und Chor; Orgel, Organist und Blasbälge! Beim Lord Harry, wie Benjamin sagt, wir wollen an dem andern Ende noch einen Thurm anbringen und zwei Kirchen daraus machen. Was meinst Du, 'Duke? Willst Du zahlen? He, wird mein Vetter Richter mit dem Gelde herausrücken?“

„Du machst einen solchen Lärm, Dick, daß ich unmöglich hören kann, was Doctor Todd sagt,“ entgegnete Marmaduke. — „Ich glaube, Du bemerktest, die Wunde könnte vielleicht eitern und bei dieser kalten Witterung dem Gliede Gefahr drohen?“

„Nicht doch, Sir; das wäre ganz gegen die Natur,“ sagte Elnathan, indem er sich zu räuspern versuchte. „Es ist ganz unwahrscheinlich, daß eine so gut verbundene Wunde, deren Veranlassung ich in meiner Tasche habe, eitern sollte. Ich denke, da der Richter im Sinne hat, den jungen Mann in sein Haus zu nehmen, so könnte man mit einem einzigen Umschlage [Das Original enthält hier ein unübersetzbares Wortspiel mit dem englischen charge, welches ,Umschlag und Rechnungbedeutet.] vollends ausreichen.“

„Ich meine auch, daß es einer thun sollte,“ entgegnete Marmaduke mit jenem schalkhaften Lächeln, welches oft seine Züge überflog und dabei die Person, der es galt, im Zweifel ließ, ob sie es als Neckerei oder überhaupt nur als launige Stimmung nehmen solle.

Der Wirth hatte inzwischen dem Indianer in einem seiner Nebengebäude ein Strohlager bereitet, wo John, in seine Wollendecke gehüllt, den Rest der Nacht zubrachte. Mittlerweile war aber auch der Major Hartmann heiter und munter geworden. Glas folgte auf Glas und Becher auf Becher, so daß das Zechgelage sich tief in die Nacht oder vielmehr in den Morgen hinein erstreckte, bis endlich der deutsche Veteran seinen Wunsch ausdrückte, nach dem Herrenhause zurückzukehren. Die Mehrzahl der Gäste hatte sich bereits entfernt; aber Marmaduke kannte die Gewohnheit seines Freundes zu gut, um auf einen früheren Aufbruch anzutragen. Sobald jedoch dieser Vorschlag gemacht war, ging der Richter bereitwillig darauf ein, und das Trio schickte sich zum Abzuge an. Frau Hollister begleitete ihre Gäste in Person bis an die Thüre und machte sie auf die sichersten Wege aufmerksam.

„Stützt Euch auf Mister Jones, Major,“ sagte sie; „er ist jung und sein Beistand wird Euch von Nutzen seyn. Nun, es macht mir immer Freude, Euch in dem kühnen Dragoner zu sehen; und gewiß ist es nichts Schlimmes, den Christabend mit leichtem Herzen zu begehen, denn man kann nicht wissen, welche Sorgen unserer harren. Gute Nacht, Richter; und fröhliche Weihnachten Euch allen.“

Die Herren verabschiedeten sich, so gut sie konnten, und hielten sich in der Mitte der Straße, wo ein schöner, breiter, wohlbetretener Pfad war, so daß sie leidlich genug vorwärts kamen, bis sie an das Gartenthor des Herrenhauses gelangten; aber bei dem Eintreten in des Richter Domänen ergaben sich einige Schwierigkeiten. Wir wollen uns jedoch nicht mit Aufzählung derselben aufhalten, sondern nur anführen, daß man des andern Morgens einige sehr abweichende Pfade in dem Schnee fand, und daß Marmaduke, noch ehe er die Hausthüre erreichte, seine Gefährten vermißte. Die genannten Pfade setzten ihn in den Stand, ihre Spur zu verfolgen, und so fand er sie denn, bis auf die Köpfe in dem Schnee begraben, wobei Richard aus Leibeskräften sang:

Fort, fort mit den Grillen


und fort mit den Stillen —


Das Sorgen nicht streuen die silbernen Flocken


Zu frühe in unsre dunkelen Locken.



Загрузка...