Sechsunddreißigtes Kapitel.

„Ich könnte weinen —“ sang in wildem Ton


Der Häuptling der Oneidas — „doch der Sohn


Des tapfern Vaters darf die Todtenklage


Nicht so entweihn, wie sehr der Schmerz auch nage.“

Gertrude v. Wyoming.

Des andern Morgens in aller Frühe begaben sich Elisabeth und Luise besprochener Maßen nach Monsieur Le Quoi's Laden, um sich der gegen Lederstrumpf eingegangenen Verpflichtung zu entledigen. Die Leute gingen bereits an die Geschäfte des Tages, obschon es noch zu frühe für ein eigentliches Gedränge war, weßhalb die Damen in dem Laden Niemand als den höflichen Franzosen, Billy Kirby, einen weiblichen Kunden und den Jungen vorfanden, welcher das Amt eines Helfers oder Commis versah.

Monsieur Le Quoi's durchlas eben mit augenscheinlichem Entzücken ein Packet Briefe, während der Holzfäller, die eine Hand in seiner Brust, die andere in der Tasche seiner Jacke, mit einer Art unter dem rechten Arme dastand und mit gutmüthiger Theilnahme den freudigen Bewegungen des Franzosen zusah. Das freimüthige Benehmen, welches in den neuen Ansiedelungen herrschte, glich gemeiniglich alle Rangunterschiede, und damit auch häufig die Ansprüche der Erziehung und des überlegenen Wissens aus. Die Damen traten, von dem Eigenthümer des Etablissements unbemerkt, ein, als dieser eben zu Kirby sagte

„Ah, Monsieur Bihl, diese Brief machen mich zu der glücklichste Mensch. A! Ma chère France! Ich werden Dich wiedersehen.“

„Ich nehme Antheil an allem, Monsieur, was zu Ihrem Glücke beiträgt,“ begann Elisabeth, „hoffe übrigens, daß wir Sie nicht ganz verlieren werden.“

Der höfliche Kaufmann erzählte nun Elisabeth schnell in französischer Sprache, daß er Hoffnung habe, in sein Vaterland zurückkehren zu dürfen. Die Gewohnheit hatte jedoch die Manieren dieses schmiegsamen Mannes so weit verändert, daß er fortfuhr, den Holzfäller zu bedienen, welcher etwas Taback begehrte, während er den Frauenzimmern mittheilte, welcher glückliche Wechsel in dem Charakter seiner Landsleute stattgefunden hätte.

Der Inhalt seines Berichtes lief darauf hinaus, daß Herr Le Quoi's, der mehr aus Schrecken, als weil er den Gewalthabern von Frankreich verdächtig geworden, sein Vaterland verlassen, endlich eine Zusicherung erwirkt hatte, daß man von seiner Rückkehr nach Westindien keine Notiz nehmen würde, und der Franzose, welcher sich mit so viel Ergebung in die Rolle eines Landkrämers gefügt hatte, war nun im Begriffe, aus seiner Dunkelheit wieder zu der Höhe, welche er früher in der Gesellschaft eingenommen, aufzutauchen.

Wir übergehen die Höflichkeiten, welche bei dieser Gelegenheit gegenseitig ausgetauscht wurden, und erlauben uns auch nicht, zu wiederholen, wie oft der entzückte Franzose seinen Schmerz ansdrückte, daß er in Zukunft einer so angenehmen Gesellschaft, wie der von Miß Temple, entbehren müsse. Elisabeth benützte während des Gesprächs eine Gelegenheit, um sich von dem Knaben, welcher Jonathan hieß, das Pulver auswiegen zu lassen. Ehe sie sich jedoch trennten, erbat sich Monsieur Le Quoi's, welcher noch nicht genug gesagt zu haben vermeinen mochte, die Ehre einer Privatunterredung mit der Erbin, was er mit einer Feierlichkeit in seiner Miene that, welche bekundete, daß er etwas höchst Wichtiges auf dem Herzen hatte. Nachdem ihn Elisabeth zu diesem Ende auf eine günstigere Gelegenheit verwiesen hatte, verließ sie den Laden, in dem jetzt, wie gewöhnlich, die Landleute einzusprechen begannen und auch mit der gleichen Aufmerksamkeit und bienséance wie früher empfangen wurden.

Elisabeth und Luise setzten ihren Spaziergang bis an die Brücke in tiefem Schweigen fort; als sie aber an derselben anlangten, machte die Letztere Halt und schien etwas sagen zu wollen, ohne jedoch den Muth dazu gewinnen zu können.

„Sind Sie unwohl, Luise?“ fragte Miß Temple. „Wir werden dann wohl besser thun, wenn wir umkehren und eine andere Gelegenheit suchen, um den Wünschen des alten Mannes zu entsprechen.“

„Ich bin nicht unwohl, aber ich fürchte mich. Ach, ich kann nie, nie wieder auf diesen Berg gehen, wenn wir nicht noch eine weitere Begleitung haben., Ich fühle mich nicht stark genug dazu nein, ich kann unmöglich weiter.“

Dieß war eine unerwartete Erklärung für Elisabeth, welche, obgleich die eitle Besorgniß vor einer Gefahr, welche nicht mehr existirte, ihr fremd war, dennoch das etwas Unweibliche in ihrem Vorhaben recht wohl fühlte. Sie blieb eine Weile in tiefem Nachdenken stehen; in dem Bewußtseyn aber, daß es jetzt Zeit zum Handeln und nicht zum Ueberlegen sey, mühte sie sich, ihre Unschlüssigkeit abzuwerfen, und erwiederte mit Festigkeit —

„Wohlan denn, so muß ich es allein unternehmen. Ich kann mich Niemand als Ihnen anvertrauen, da sonst der alte Lederstrumpf entdeckt würde. Warten Sie am Saume dieser Wälder auf mich, damit man mich wenigstens nicht allein in die Berge gehen sieht. Ich möchte Bemerkungen vermeiden. Luise, wenn — wenn — Wollen Sie auf mich warten, mein Liebe?“

„Im Angesichte des Dorfes ein ganzes Jahr, miß Temple,“ entgegnete die geängstigte Luise; „aber ich bitte, verlangen Sie nicht von mir, daß ich mit auf den Berg gehen soll.“

Elisabeth fand, daß ihre Gefährtin in der That außer Stand war, weiter zu gehen, weßhalb sie dieselbe an einer Stelle in der Nähe der Straße, wo man das Dorf im Gesicht hatte, ohne dß die Harrende von den Vorbeigehenden bemerkt werden konnte — verließ und nun ihren Weg allein fortsetzte. — Sie stieg den in unserer Erzählung mehr berührten Pfad mit elastischen und festen Tritten hinan, besorgend, daß die Zögerung in Herrn Le Quoi's Laden und die zum Erreichen des Gipfels erforderliche Zeit sie verhindern möchte, zur bestimmten Stunde einzutreffen. Gelegentlich, wenn sie an einer Oeffnung des Gebüsches vorbeikam, machte sie Halt, um Athem zu holen, oder vielleicht auf einen Augenblick die Reize der Landschaft zu betrachten. Die lange Dürre hatte jedoch das grüne Gewand des Thales in ein düsteres Braun verwandelt, und obgleich die Oertlichkeiten die gleichen waren, so fehlte ihnen doch jetzt der liebliche und erfreuliche Anblick des Frühsommes. Selbst der Himmel schien die Trockenheit der Erde zu theilen, denn die Sonne war durch einen Dunst in der Atmosphäre verhüllt, welcher wie dünner Rauch, ohne eine Spur von Feuchtigkeit, aussah, wenn anders ein solcher denkbar ist. Das blaue Firmament war kaum sichtbar und blickte nur stellenweise durch den Nebel, so daß man von dort aus Massen wogender Dünste an dem Horizont sich sammeln sah, als mühe sich die Natur, ihre Wasser zu vereinen, um dem Menschen Hilfe zu bringen. Selbst die Luft, welche Elisabeth einathmete, war heiß und trocken, und als sie die Stelle erreichte, wo sie die Straße verlassen mußte, fühlte sie sich fast zum Ersticken beengt. Sie eilte jedoch, ohne sich daran zu kehren, um nur ihren Auftrag auszurichten, indem ihr nichts als die Täuschung und Hilflosigkeit des alten Jägers vor Augen schwebten, wenn sie ihm nicht ihren Beistand leistete. Auf dem Gipfel des — von Richter sogenannten — Visionsberges befand sich eine kleine Lichtung, von welcher aus man das ganze Dorf und das Thal übersehen konnte. Hier mußte sie, ihrer Ansicht nach, den Jäger treffen, und dahin lenkte sie auch ihre Schritte so hastig, als es die steile Ansteigung und die Hindernisse eines Forstes im Zustande der Natur nur gestatten mochten. Unzählige Felsenbruchstücke, gefallene Baumstämme und Zweige legten sich ihr in den Weg; aber ihre Entschlossenheit überwand alle Hindernisse, und ihrer Uhr zu Folge war sie sogar um einige Minuten früher, als bestimmt worden — an Ort und Stelle.

Nachdem Miß Temple eine Weile auf einem Holzstamme ausgeruht hatte, warf sie ihre Blicke umher, um ihren alten Freund zu suchen; aber er war augenscheinlich nicht in der Lichtung. Sie stand daher auf, ging am Saume des Waldes herum und untersuchte jedes Plätzchen, wo sich Natty möglicher Weise um seiner Sicherheit willen verborgen haben konnte. Ihr Spähen war jedoch vergeblich, und nachdem sie nicht nur ihren Körper, sondern auch ihre Vermuthungen erschöpft hatte, um sich den Grund von der Säumniß des Jägers zu erklären, wagte sie es, an diesem einsamen Orte ihre Stimme laut werden zu lassen. „Natty! Lederstrumpf! alter Mann!“ rief sie nach allen Richtungen, aber ohne eine andere Antwort zu erhalten, als das Echo ihrer eigenen hellen Töne, welches der ausgetrocknete Wald zurückwarf.

Elisabeth näherte sich jetzt einer Kante des Gipfels, wo sich als Antwort auf ihren Ruf ein leichter Laut, ähnlich dem Geräusch, wenn man bei starkem Ausathmen die Hand vor den Mund hält, vernehmen ließ. Sie zweifelte keinen Augenblick, daß Natty hier ihrer warte und ihr durch dieses Zeichen den Ort andeuten wolle, wo er zu finden wäre, weshalb sie um ungefähr hundert Fuß hinunter stieg, bis sie eine kleine natürliche Terrasse erreichte, wo auf dem spärlichen Boden einige Bäume in den Spalten des Felsens Wurzel gefaßt hatten. Sie trat bis an den Rand der Plateform vor und blickte über den senkrechten Absturz an der Vorderseite, als ganz in ihrer Nähe ein Rauschen des dürren Laubes ihren Augen eine ganz andere Richtung gab. Unsere Heldin erschrack, ob dem Gegenstande, der sich jetzt ihren Blicken darbot; aber ein Moment reichte zu, sie ihre Fassung wieder gewinnen zu lassen, und sie trat festen Blickes, nicht ganz ohne Neugierde, der Stelle näher.

Mohegan saß auf dem Stamme einer gefallenen Eiche, das lohfarbene Gcsicht der Jungfrau zugekehrt und die Augen mit einer wilden Glut auf ihr Antlitz geheftet, die ein weniger entschlossenes Frauenzimmer entsetzt haben müßte. Die Decke war von seiner Schulter gefallen und lag in Falten um ihn her, so daß Brust, Arme und sein ganzer Oberkörper bloß waren. Washingtons Medaille hing an seinem Halse — ein Merkmal der Auszeichnung, das er, wie Elisabeth wohl wußte, nur bei besonders wichtigen und feierlichen Anlässen zur Schau trug. Das ganze Aeußere des betagten Häuptlings war jedoch studirter, als gewöhnlich, und theilweise wirklich schrecklich. Das lange schwarze Haar war geflochten und zurückgeschlagen, so daß sich die hohe Stirne frei über den durchbohrenden Augen entfaltete. In den ungeheuren Schlitzen seiner Ohren stacken, der indianischen Sitte gemäß, rohe Verzierungen von Silber, Perlen und Igelstacheln. Ein großes Büschel aus ähnlichem Material hing von seinem Nasenknorpel auf die Lippen herab und ruhte auf seinem Kinne. Rothe Striche liefen quer über seine runzliche Stirne, während eine ähnliche Malerei mit Abänderungen, wie sie die Laune oder das Herkommen eingeben mochte, seine Wangen bedeckte. Ein Gleiches war auch mit seinem Körper der Fall, und das Ganze zeigte einen indianischen Krieger, der sich zu einem Ereigniß von mehr als gewöhnlicher Wichtigkeit vorbereitet hat.

„John! würdiger John! wie geht es Euch?“ begann Elisabeth, als sie näher trat. „Ihr seyd in dem Dorfe recht fremd geworden. Ihr habt mir einen Weidenkorb versprochen, für den ich Euch schon seit langer Zeit ein Kattunhemd bereit halte.“

Der Indianer sah das Mädchen eine Weile starr an, ohne zu antworten, dann schüttelte er den Kopf und erwiederte in tiefen Kehllauten —

„John's Hand kann keine Körbe mehr machen; er braucht kein Hemd.“

„Wenn er's aber braucht, so weiß er, wo eines zu finden is,.“ versetzte Miß Temple. „In der That, alter John, es ist mir, als hättet Ihr ein natürliches Recht, von uns zu fordern, was Ihr nur immer wünscht.“

„Tochter,“ entgegnete der Indianer, „höre mich: — Sechs Mal zehn heiße Sommer sind vorüber gegangen, seit John jung war — schlank wie eine Fichte, gerade wie Hawk-eye's Kugel, stark wie ein Büffel und schnell wie die Pantherkatze. Er war stark und ein Krieger, wie der junge Adler. Wenn sein Stamm mehrere Sonnen die Fährte der Maquas verfolgte, so fand Chingachgook's Auge den Eindruck ihrer Mokassins. Wenn das Volk ein Fest feierte und sich freute bei dem Zählen der Scalpe seiner Feinde, so hingen sie an dem Gürtel der großen Schlange. Wenn die Weiber weinten, weil kein Fleisch da war für ihre Kinder, so war er der Erste auf der Jagd, seine Kugel war schneller, als der Hirsch. — Tochter, damals schlug Chingachgook seinen Tomahawk in die Bäume, um den Trägen anzudeuten, wo sie ihn und die Mingos finden konnten — aber er machte keine Körbe.“

„Jene Zeiten sind vorbei, alter Krieger,“ entgegnete Elisabeth. „Euer Volk ist seitdem verschwunden, und statt Eure Feinde zu jagen, habt Ihr gelernt, Gott zu fürchten und in Frieden zu leben.“

„Tritt hierher, Tochter, wo Du den großen Quell, die Wigwams Deines Vaters und das Land an dem gekrümmten Flusse sehen kannst. John war jung, als sein Stamm die Strecke von dort an, wo der blaue Berg über dem Wasser steht, bis dahin wo sich der Susquehanna unter den Bäumen verbirgt, in der Berathung wegschenkte. Dieses alles — sammt allem, was darauf wächst, was darüber geht und was sich darauf nährt, gaben sie dem Feueresser — denn sie liebten ihn. Er war stark und sie waren Weiber; er half ihnen. Kein Delaware schoß einen Hirsch, der in seinen Wäldern lief, oder fing einen Vogel, der über sein Land flog, denn sie gehörten sein. Hat John im Frieden gelebt? Tochter, seit John jung war, hat er den weißen Mann von Frontenak herab kommen sehen, bis nach Albany, um mit seinen weißen Brüdern zu kämpfen. War das Gottesfurcht? Er hat gesehen, wie seine englischen und amerikanischen Väter um dieses Landes willen die Tomahawks gegenseitig in ihren Gehirnen begruben. Heißt das Gott fürchten und in Frieden leben? Er hat gesehen wie das Land dem Feueresser und seinen Kindern und dem Kinde seines Kindes entrissen und ein neuer Häuptling über das Land gesetzt wurde. Lebten sie, die das thaten, im Frieden? Haben sie gott gefürchtet?“

„das ist so der Brauch der weißen, John. Kämpfen die Delawaren nicht auch, und tauschen sie nicht ihr Land aus für Pulver, Decken und andere Waaren?“

Der Indianer wendete aufs Neue seine dunkeln Augen auf seine Gefährtin und ließ sie so spähend auf ihr haften, daß sie sich etwas beunruhigt fühlte.

„Wo sind die Decken und Waaren, welche das Recht des Feueressers abkauften?“ versetzte er mit wärmerem Tone; „Sind sie bei ihm in seinem Wigwam? Hat man zu ihm gesagt: ,Bruder, verkaufe uns Dein Land und nimm dieses Gold, dieses Silber, diese Decken, diese Büchsen oder etwa diesen Rum‘ Nein! sie entrissen es ihm, wie man einem Feinde den Scalp entreißt; und sie thaten es, ohne hinter sich zu sehen, ob er lebte oder starb. Leben solche Menschen im Frieden und fürchten sie den großen Geist?“

„Ihr versteht die Verhältnisse nicht,“ erwiederte Elisabeth, verlegener, als sie sogar sich selbst zugestehen mochte. „Wenn Ihr unsere Gesetze und Gebräuche besser kenntet, so würdet Ihr ganz anders von unsern Handlungen urtheilen. Glaubt nichts Schlimmes von meinem Vater, Mohegan, denn er ist gerecht und gut.“

„Der Bruder von Miquon ist gut und will das Rechte. Ich habe es dem jungen Adler gesagt, daß der Bruder von Miquon Gerechtigkeit üben wird.“

„Wen nennt Ihr den jungen Adler?“ versetzte Elisabeth, ihr Antlitz von dem Gesichte des Indianers abwendend, als sie diese Frage stellte; „woher kömmt er und worauf gründen sich seine Rechte?

„Hat meine Tochter so lange mit ihm unter einem Dache gelebt, um dieß zu fragen?“ entgegnete der Indianer behutsam. „Das Alter macht das Blut erstarren, wie die Winterfröste die große Quelle bedecken; aber die Jugend erhält die Ströme des Bluts offen, wie die Sonne zur Zeit der Blüthen. Der junge Adler hat Augen; hatte er keine Zunge?“

Die Hindeutung des alten Kriegers auf die Liebenswürdigkeit des Jünglings verlor nichts von ihrem Nachdruck durch diese bildliche Sprache, denn die Jungfrau bedeckte das brennende Roth ihrer Wangen mit den Händen, bis ihre dunklen Augen diese Glut wiederzustrahlen schienen; aber nach einem kurzen Kampfe mit der Scham lächelte sie, als sey sie nicht geneigt, seinen Worten eine ernste Bedeutung zu unterlegen, und erwiederte scherzend —

„Wenigstens nicht, um mich zur Herrin seiner Geheimnisse zu machen. Er ist zu sehr Delaware, um seine innersten Gedanken einem Weibe anzuvertrauen.“

„Tochter, der große Geist machte Deinen Vater mit einer weißen Haut und mich mit einer rothen, aber in unserer beider Herzen hat er Blut gegossen: es floß schnell und warm, als es jung war, aber jetzt, im Alter, ist es träge und kalt. Giebt es außer der Haut noch eine Verschiedenheit? Nein. Einst hatte John ein Weib. Sie war die Mutter von so viel Söhnen“ — er hob dabei drei Finger seiner Hand in die Höhe — „und sie hatte Töchter, welche die jungen Delawaren glücklich gemacht haben würden. Sie war sanft, Tochter, und was ich ihr sagte, das that sie. Ihr habt andere Gebräuche; aber glaubst Du wohl, daß John das Weib seiner Jugend — die Mutter seiner Kinder nicht liebte?“

„Und was ist aus Eurer Familie, Eurem Weibe und Euren Kindern geworden, John?“ fragte Elisabeth, tief ergriffen von den Worten des Indianers.

„Wo ist das Eis hingekommen, das den großen Quell bedeckte? Es ist zerschmolzen und zu Wasser geworden. John hat gelebt, bis sein ganzes Volk hingegangen war in das Land der Geister; seine Zeit ist gekommen und er ist bereit.“

Mohegan ließ den Kopf auf seine Decke sinken und verstummte. Miß Temple wußte nicht, was sie sagen sollte. Sie wünschte die trüben Gedanken des alten Kriegers zu zerstreuen; aber sowohl in seinem Kummer, als in seiner Entschiedenheit lag eine solche Würde, daß sie nicht zu sprechen wagte. Nach einer langen Pause begann sie jedoch das Gespräch auf's Neue, indem sie fragte —

„Wo ist Lederstrumpf, John? Seinem Wunsche gemäß habe ich diese Büchse Pulver hergebracht, aber er läßt sich nirgends blicken. Wollt Ihr sie in Verwahrung nehmen und darauf bedacht sein, daß sie abgeliefert wird?“

Der Indianer erhob langsam seinen Kopf und sah mit ernstem Blicke auf die Gabe, welche sie in seine Hand legte.

„Dieß ist der große Feind meiner Nation. Wann hätten die Weißen ohne ihn je die Delawaren vertreiben können? Tochter, der große Geist hat Eure Väter gelehrt, Gewehre und Pulver zu machen, um die Indianer damit aus ihrem Lande zu vertilgen; und bald wird keine Rothhaut mehr in diesen Bezirken weilen. Wenn John dahin geht, so verläßt die letzte diese Berge, und seine Familie ist ausgestorben.“

Der alte Krieger streckte seinen Körper vorwärts, legte einen Ellenbogen auf sein Knie und schien Abschied zu nehmen von den Gegenständen des Thales, welche noch durch die dunstige Atmosphäre sichtbar waren, obgleich sich die Luft mit jedem Augenblick um Miß Temple zu verdicken schien, wie sie denn auch fühlte, daß ihr das Athmen immer schwerer wurde. Das Auge Mohegans veränderte allmählig den Ausdruck des Schmerzes zu einem wilden Blicke, den man beinahe für den der Begeisterung eines Sehers hätte halten können, als er fortfuhr —

„Aber er wird gehen zu dem Lande, wo seine Väter weilen. Das Wild wird in eben so großer Menge da sein, wie der Fisch in den Seen. Kein Weib wird um Nahrung weinen und kein Mingo je dahin kommen. Die Kinder werden jagen und alle gerechten rothen Männer wie Brüder zusammen leben.“

“John, das ist nicht der Himmel eines Christen!“ rief Miß Temple. „Ihr sinkt zurück in den Aberglauben Eurer Vorfahren.“

„Väter! Söhne!“ sprach Mohegan mit Festigkeit — „alle dahin! — alle dahin! — Ich habe keinen Sohn als den jungen Adler, und in seinen Adern fließt das Blut eines weißen Mannes.“

„Sagt mir, John,“ entgegnete Elisabeth, die seine Gedanken auf andere Gegenstände zu lenken wünschte, indem sie zugleich der Macht der Neugierde nachgab; „wer ist dieser Herr Edwards? Warum liebt Ihr ihn so, und woher kömmt er?“

Der Indianer fuhr bei dieser Frage, welche augenscheinlich seine Gedanken nach der Erde zurückführte, zusammen. Er ergriff die Hand des Mädchens, zog sie an seiner Seite nieder und deutete auf das Land unter ihnen.

„Sieh, Tochter,“ sagte er, ihre Blicke gen Norden lenkend; „so weit Dein junges Auge sehen kann, war es das Land seines — —“

In diesem Augenblicke rollten ungeheure Rauchmassen über ihren Köpfen weg und verhüllten in kreiselnden Wirbeln die Aussicht nach dem Gebirge.— Erschrocken ob dieser Erscheinung sprang Miß Temple auf ihre Füße, und wandte ihre Augen nach dem Gipfel des Berges, den sie gleichfalls mit einer dichten Rauchwolke bedeckt sah, während sich ein heulender Ton, ähnlich dem Brausen des Windes, in dem Forst über ihr vernehmen ließ.

„Was bedeutet das, John?“ rief sie. „Wir sind von Rauch eingehüllt, und ich fühle eine Hitze, ähnlich der Glut eines Ofens.“

Ehe der Indianer antworten konnte, ließ sich das Rufen einer Stimme durch die Wälder vernehmen.

„John! Wo bist Du, alter Mohegan? Der Wald steht in Feuer, und Du hast nur noch eine Minute Zeit zur Flucht!“

Der Häuptling legte die Hand vor seinen Mund, und brachte mit den Lippen denselben Ton hervor, welcher Elisabeth nach der Stelle gelockt hatte, als plötzlich ein schneller hastiger Schritt durch das Gebüsch und Unterholz rauschte und unmittelbar darauf Edwards mit entsetzten Zügen an ihre Seite trat.


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