Vierunddreißigstes Kapitel.

Ha! Ha! Seht! er trägt grausame Strumpfbänder!

Lear.

Die altherkömmlichen öffentlichen Züchtigungen waren zu der Zeit unserer Erzählung unter dem Volke von New-York noch in vollem Schwange, da das Auspeitschen und der damit verbündete Stock noch nicht dem schonenden Strafverfahren der öffentlichen Gefängnisse gewichen waren. Die Orte, wo solche Züchtigungen geübt wurden, befanden sich unmittelbar vor dem Gefängnißgebäude, als Warnungszeichen für die Uebelthäter der Ansiedelung.

Natty folgte den Constablen nach dem Strafplatze, indem er sein Haupt unterwürfig unter eine Macht beugte, der er nicht widerstehen konnte; die Menge bildete einen Kreis um seine Person und ließ in ihren Mienen die gespannteste Neugierde blicken. Ein Constable hob den oberen Theil des Stocks in die Höhe, und deutete mit dem Finger auf die Löcher, in welche der alte Mann seine Füße legen sollte. Ohne die mindeste Einwendung gegen die Strafe zu machen, setzte sich Lederstrumpf ruhig auf die Erde und ließ nicht einmal einen Laut vernehmen, als man seine Glieder in die Oeffnungen steckte, obgleich er einen Schmerzensblick um sich warf, als suche er jenes Mitgefühl, das die menschliche Natur unter Leiden stets zu fordern scheint. Wenn er aber auch keine Aeußerung von Mitleid gewahr werden konnte, so entdeckte er doch nirgends gefühllose Freude, und eben so wenig widerfuhren ihm die bei solchen Gelegenheiten üblichen Kränkungen durch Schimpfworte. Der Pöbel, wenn wir ihn so nennen können, zeigte keinen anderen Charakter, als den einer das Gesetz achtenden Aufmerksamkeit.

Der Constable war eben im Begriff, die obere Planke niederzulassen, als Benjamin, der sich dicht an die Seite des Gefangenen gedrängt hatte, mit rauher Stimme zu sprechen begann, als wenn er irgend einen Anlaß suche, um Streit anzufangen.

„Wo zum Henker ist es denn Brauch, Meister Constable, einem Mann solche hölzernen Strümpfe anzulegen? Sie hindern ihn nicht, seinen Grog zu trinken; und eben so wenig leidet sein Rücken dabei Noth. Für was soll denn dieses Ding gut seyn?“

„Ich vollziehe nur den Spruch des Gerichts, Herr Penguillum, und vermuthlich ist ein gesetzlicher Grund dafür vorhanden.“

„Ja, ja, man führt bei dergleichen immer das Gesetz im Munde; aber was soll dabei herauskommen, frage ich? Weh thut's nicht, und das Ganze ist weiter nichts, als daß es einen Mann für die Dauer zweier Gläser an den Fersen fest hält.“

„Wie, es thäte nicht weh, Benny Pumpp?“ versetzte Natty, die Augen mit einem kläglichen Gesicht zu dem Hausmeister aufrichtend — „es thäte nicht weh, einen einundsiebenzigjährigen Mann wie einen Bären den Ansiedlern zur Schau hinzustellen?

Es sollte nicht wehe thun, wenn man einen alten Soldaten, der den Krieg von Sechsundfünfzig mitgemacht und sechsundsiebenzig Male dem Feinde gegenüber gestanden hat, an einen solchen Ort steckt, wo die Jungen mit Fingern auf ihn weisen und sagen können, ich habe es selbst mit angesehen, wie er dem Bezirk zu einen Spectakel diente? Es sollte nicht weh thun, das Ehrgefühl eines Mannes, der sich keines Unrechts bewußt ist, so zu kränken, daß man ihn wie eine Bestie des Waldes behandelt?“

Benjamin stierte wild um sich, und hätte er nur ein einziges Gesicht finden können, in welchem sich Hohn ausgesprochen hätte, so würde er sicher alsbald mit dem Eigenthümer desselben Streit angefangen haben; da er aber überall nur auf nüchterne und hin und wieder sogar auf bedauernde Blicke traf, so setzte er sich ganz bedächtig an der Seite des Jägers nieder, steckte seine Füße in die beiden leeren Löcher des Stocks und sagte:

„Nun, laßt herab, Meister Constable; laßt herab, sag' ich Euch! Wenn es hier herum so eine Art von Mann gibt, der einen Bären zu sehen wünscht, so soll er herkommen: der Teufel hole ihn, er wird deren zwei finden, und darunter vielleicht einen, der eben so gut beißen kann, als brummen.“

„Aber ich habe keinen Befehl, Euch in den Stock zu sperren, Herr Pump,“ rief der Constable. „Geht heraus, und hindert mich nicht an meiner Pflicht.“

„So erhaltet Ihr jetzt meinen Befehl, und was habt Ihr Euch weiter um meine Füße zu bekümmern? Schließt den Deckel zu, sage ich, und laßt mich den Mann sehen, der das Maul darüber verzieht?“

„Nun, es geschiet Niemand ein Leides damit, wenn man einen Menschen einsperrt, der selber in den Pferch will,“ entgegnete der Constable lachend, und schloß den Stock über Beiden.

Es war ein Glück, daß dieß schnell ausgeführt wurde, denn als die Gesammtmasse der Zuschauer Benjamin in seiner neuen Lage erblickte, zeigte sich unter ihr eine Neigung zur Heiterkeit, welche nur wenige zu unterdrücken der Mühe werth achteten. Der Hausmeister kämpfte sich gewaltig ab, seine Freiheit wieder zu erlangen, augenscheinlich in der Absicht, mit den zunächst Stehenden einen Kampf zu beginnen; der Schlüssel war aber bereits umgedreht und daher alle seine Anstrengungen vergeblich.

„Hört, Meister Constable,“ rief er; „thut mir Eure Fußschellen für einen Augenblick auf, damit ich diesen Hallunken zeigen kann, weres ist, über den sie sich lustig machen.“

„Nein, nein, Ihr wollet hinein, und so müßt Ihr ausharren,“ entgegnete der Gerichtsdiener, „bis die Zeit um ist, welche der Richter für den Gefangenen bestimmt hat.“

Als Benjamin fand, daß sein Sträuben und seine Drohungen nichts fruchteten, so bewies er Verstand genug, sich die Ergebung seines Gefährten zum Muster dienen zu lassen, weßhalb er sich an Natty's Seite ganz ruhig verhielt, obgleich er nicht umhin konnte, inseine harten Züge einen Ausdruck von Verachtung zu legen, welcher zeigte, daß sein Zorn einem andern Gefühle gewichen war. Sobald sich die ungestüme Aufregung des Hausmeisters einigermaßen gelegt hatte, wandte er sich an seinen Mitgefangenen, und mit einer Theilnahme, welche recht wohl mit einer schlimmeren Ausführung versöhnen konnte, versuchte er sich in dem menschenfreundlichen Amte des Trösters.

„Im Grund genommen hat die Sache nicht viel auf sich, Meister Bumppo,“ sagte er. „Ich habe an Bord der Boadishey ganz prächtige Leute mit den Fersen fest liegen sehen, und zwar für weiter nichts, als weil sie vielleicht vergessen hatten, daß sie ihre Portion schon getrunken hatten, als ihnen ein Glas Grog in den Weg kam. Die Sache kömmt mir nicht anders vor, als wenn man vor zwei Ankern reitet und in einem stillen Wasser, wo man noch Raum genug hat, die Klüsen zu fegen, auf das Eintreten der Fluth oder auf günstigen Wind warzet. Ich habe, wie gesagt, manchen Mann um einen solchen Rechnungsfehler an Bug und Stern vor Anker liegen sehen, wo er nicht einmal seine Breitseite umdrehen konnte, und vielleicht noch obendrein mit einem Stopfer vor der Zunge in der Form eines quer unter der Nase weggezogenen Pumpstocks, ganz wie eine Backspier längs dem Geländer des Hackebords.“

Der Jäger wußte augenscheinlich seinem Gefährten Dank für die freundliche Absicht, obgleich er dessen Worte nicht verstand; er versuchte daher zu lächeln, erhob sein demüthiges Antlitz und fragte:

„Wie?“

„Ich sage, es ist weiter nichts als eine kleine Bö, die bald ausgeblasen hat,“ fuhr Benjamin fort. „Eurem langen Kiele muß es ohnehin nichts ausmachen, obgleich sie, bei meinem etwas ziemlich kurzen Untergebälk, meine Hielung in einer Weise aufgehohlt haben, daß das Fahrzeug ziemlich schräg steht. Aber was kümmere ich mich darum, Meister Bumppo, ob das Schiff ein bischen am Anker zerrt? Es ist ja nur für eine Hundewache, und hole mich der Teufel, wenn es nicht mit Euch segelt, sobald Ihr nach den besagten Bibern kreuzt. Ich verstehe mich nicht sonderlich auf das kleine Gewehr, da ich etwas zu niedrig aufgetackelt bin, um über die Hängematte wegzusehen, und nur bei der Munitionskammer angestellt war; aber seht, ich kann das Wild tragen und auch vielleicht bei den Schlingen Hand anlegen; und wenn Ihr Euch nur halbwegs so auf Euer Geschäft versteht, wie auf die Führung der Bootshacken, so wird unsere Kreuzfahrt bald vorüber seyn. Ich habe diesen Morgen mit Squire Dickens die Raaen ins Kreuz gebracht und will ihm sagen lassen, daß er meinen Namen aus den Büchern ausstreichen soll, bis unser Kreuzen vorüber ist.“

„Ihr seyd an den Aufenthalt unter Menschen gewöhnt, Benny,“ sagte Lederstrumpf traurig, „und das Leben in den Wäldern würde Euch schwer ankommen, wenn — —“

„Nicht im Geringsten — nicht im Geringsten!“ rief der Hausmeister. „Ich bin keiner von jenen Schönwetter-Kunden, Meister Bumppo, die bloß im glatten Wasser fahren. Wenn ich einen Freund finde, seht Ihr, so bleibe ich bei ihm liegen. So gibt es zum Beispiel keinen besseren Mann, als Squire Dickens, und ich halte eben so viel auf ihn, als auf Frau Hollisters neues Jamaicatönnchen —“

Der Hausmeister hielt inne, wandte sein unschönes Gesicht dem Jäger zu, betrachtete denselben mit einem schmeichelnden Blinzeln und verzog die Muskeln seiner harten Züge zu einem freundlichen Grinsen, bis die weißen Zähne zum Vorschein kamen, worauf er leiser beifügte —

„Ich sage Euch, Meister Lederstrumpf, er ist frischer und lieblicher, als der Holländer, den sie von Guernsey heraufbringen. Aber wir wollen hinüberschicken und bei dem Weibsbild ein Schlücklein holen lassen, denn ich fühle mich in diesen Strümpfen so beengt, daß ich glaube, es ist Etwas nöthig, um in meinem Obergestelle einzuheizen.“

Natty seufzte und sah auf die Menge, welche sich allmählig zu zerstreuen begann und bereits sehr abgenommen hatte, da die Uebrigen ihren Geschäften nachgegangen waren. Er warf Benjamin einen ernsten Blick zu, ohne etwas zu erwiedern; eine tiefwurzelnde Beklommenheit schien jedes andere Gefühl aufzuzehren und ein schwermüthiges Düster über seine Züge zu werfen, in denen sich der innere Kampf des Mannes aussprach.

Der Hausmeister war geneigt, dem alten Grundsatze zufolge Natty's Schweigen als Zustimmung zu betrachten und demgemäß zu handeln, als Hiram Doolittle, von Jotham begleitet, aus dem Haufen auftauchte und quer über den freien Platz ging. Die Magistratsperson näherte sich dem Ende des Stocks, wo Benjamin saß, und pflanzte sich in sicherer Entfernung dem Angesichte Lederstrumpf's gegenüber auf. Die scharfen Blicke, welche Natty nach Hiram schoß, schienen den Ehrenmann für einen Augenblick einzuschüchtern und in eine Berlegenheit zu setzen, die ihm sonst fremd war. Als er sich jedoch einigermaßen gesammelt hatte, sah er nach dem Himmel auf, und dann nach der dunstigen Atmosphäre, worauf er, als sey er nur zufällig mit einem Freunde zusammen getroffen, in seiner förmlichen und zögernden Weise zu sprechen begann —

„Der Regen ist in der letzten Zeit selten gewesen; ich denke, wir werden eine lange Dürre behalten.“

Benjamin war eben mit Aufknüpfen seines Geldbeutels beschäftigt und bemerkte die Annäherung der Magistratsperson nicht, während Natty, ohne zu antworten, sein Gesicht in welchem jede Muskel Abscheu ausdrückte, abwandte. Durch diese Aeußerung des Widerwillens eher ermuthigt als eingeschüchtert fuhr Hiram nach einer kurzen Pause fort —

„Die Wolken sehen aus, als ob sie kein Wasser enthielten, und die Erde klafft in schrecklichen Spalten. So viel ich von der Sache verstehe, wird die Ernte in diesem Sommer schmal ausfallen, wenn wir nicht bald Regen bekommen.“

Die Miene, womit Herr Doolittle diese Prophezeihung gab, war von der Art, wie man sie bei einem solchen Schlag Menschen findet – jesuitisch, kalt, gefühllos, selbstsüchtig,und schien dem Manne, den er so grausam verletzt hatte, zu sagen: „ich habe mich in den Schranken des Gesetzes gehalten.“ Dieß war zu viel für den Zwang, den sich der alte Jäger bisher aufgelegt hatte, denn jetzt brach dieser in einen Glutstrom des Unwillens aus.

„Warum sollte Regen aus den Wolken fallen,“ rief er., „da Ihr Thränen preßt aus den Angen der Alten, Armen und Kranken? Weg mit Dir! — weiche von hinnen! Du magst nach dem Ebenbilde Gottes geschaffen seyn, aber der Satan wohnt in Deinem Herzen. Fort, sage ich, fort! Mein Herz ist voll Leides und Dein Anblick gießt Galle hinein.“

Benjamin hörte jetzt mit Geldzählen auf und erhob in demselben Augenblicke seinen Kopf. Als sich Hiram, der bei den Worten des Jägers seiner Vorsicht vergessen hatte, unglücklicher Weise in den Bereich des Hausmeisters wagte, welcher alsbald mit eherner Faust den Friedensrichter bei einem Beine faßte und denselben in die Höhe wirbelte, noch ehe er Zeit hatte, sich zu besinnen oder von den Kräften, die er wirklich besaß, Gebrauch zu machen. Benjamins Kopf, Schulter und Arme waren gehörig proportionirt, obgleich der übrige Theil seines Körpers ursprünglich für einen andern Mann berechnet zu seyn schien, und er übte seine Leibeskräfte bei dem gegenwärtigen Anlasse mit vieler Umsicht. Da er von vorn herein seinen Gegner bedeutend in Nachtheil gebracht hatte, so endigte der Kampf bald damit, daß sich die Magistratsperson in einer ähnlichen Stellung mit seiner eigenen befand, und die beiden Streiter männlich einander gegenüber saßen.

„Ihr seyd mir ein sauberer Vetter, das kann ich Euch sagen, Meister Thu-nur-wenig,“ brüllte der Hausmeister; „ja Ihr seyd mir ein sauberer Vetter. Ich kenne Euch wohl, Ihr mit Euren Gutwettersprüchen in's Angesicht des Squire Dickens, während Ihr ihm nur den Rücken kehrt, um bei allen alten Weibern des Fleckens über ihn zu raisonniren. Ist es nicht genug für einen Christenmenschen, mag er auch noch so wenig Böses in seinem Herzen tragen, einen ehrlichen alten Kerl in dieser neumodischen Weise an den Fersen zu halten? Müßt Ihr auch noch an dem armen Teufel so hart vorbeischiffen, als ob Ihr ihn vor seinen Ankern in den Grund segeln wolltet? Aber ich habe manche schöne Rechnung gegen Euren Namen in's Logbuch eingetragen, Meister; und nun ist die Zeit gekommen, die Sache auf einmal mit Euch in's Reine zu bringen. Braßt Euch also, Ihr Schlingel, braßt Euch, und wir wollen sehen, wer über den andern Herr wird!“

„Jotham!“ schrie die erschreckte Magistratsperson — „Jotham! ruft die Constabeln herbei. Herr Penguillum, ich gebiete Frieden — ich befehle Euch, den Frieden zu halten.

„Es hat schon längst mehr Frieden als Liebe zwischen uns obgewaltet. Meister,“ rief der Majordomo, indem er etliche sehr unzweideutige, feindselige Demonstrationen machte. „Nehmt Euch zusammen; braßt Euch! Wie schmeckt dieses Bischen von einem Schmiedehammer?“

„Legt Hand an mich, wenn Ihr das Herz habt!“ rief Hiram, so gut es ihm unter dem Griffe, womit der Hausmeister seine Kehle umfaßte, möglich war, — „legt Hand an mich, wenn Ihr das Herz habt!“

„Wenn das kein Handanlegen ist, Meister, so weiß ich nicht was Ihr darunter versteht,“ brüllte Benjamin.

Wir sehen uns in die unangenehme Nothwendigkeit versetzt, zu berichten, daß die Handlungen des Majordomo jetzt sehr gewaltthätig wurden, denn er ließ seinen Schmiedehammer mächtig auf dem Ambose von Herrn Doolittle's Gesicht arbeiten; und der Platz wurde im Augenblick ein Schauspiel des Schreckens und der Verwirrung. Die Menge schloß einen engen Kreis um den Stock, während Einige nach dem Gerichtssaale eilten, um Lärm zu machen, und einige der Jüngern einen Wettlauf begannen, um zu sehen, wer so glücklich seyn würde, der Gattin des unglücklichen Friedensrichters zuerst die kritische Lage ihres Mannes mitzutheilen.

Benjamin arbeitete emsig und mit großer Geschicklichkeit fort, indem er die eine Hand dazu benützte, seinen Gegner aufrecht zu erhalten, während er mit der andern forthämmerte, denn er hätte es für unter seiner Würde gehalten, nach einem gefallenen Feinde einen Schlag zu führen. In Folge dieser bedächtigen Vorkehrung hatte er Mittel gefunden, Hiram's Gesicht ganz aus seiner Form zu klopfen, als es endlich Richard gelang, sich durch das Gedränge einen Weg nachdem Kampfplatz zu bahnen. Der Sheriff erklärte nachher, daß ihm, abgesehen von der Kränkung, welche ihm, als dem Bewahrer des Friedens, durch eine solche Handlung in der Grafschaft widerfahren, in seinem Leben nie Etwas so weh gethan habe, als daß er Zeuge dieses Einigkeitsbruchs zwischen seinen Günstlingen seyn mußte. Hiram war gewissermaßen seiner Eitelkeit nothwendig geworden, und den Hausmeister — so sonderbar es auch scheinen mag — liebte er wirklich. Letzteres sprach sich auch in den Worten aus, welche ihm diese Scene erstmals entlockte:

„Squire Doolittle! Squire Doolittle! muß ich mich nicht schämen, einen Mann von Eurem Amt und Charakter so weit sich vergessen zu sehen, daß er den Frieden bricht, den Gerichtshof beleidigt und den armen Benjamin in dieser Weise mißhandelt!“

Bei dem Tone von Herrn Jones' Stimme hielt der Hausmeister in seinem Geschäft inne, und ließ Hiram Gelegenheit, sein zerwettertes Gesicht dem Vermittler zuzukehren. Durch die Anwesenheit des Sheriffs ermuthigt, nahm Doolittle abermals die Zuflucht zu seinen Lungen.

„Das Gesetz muß ob dieser Verunglimpfung einschreiten!“ rief er verzweifelt; „das Gesetz soll mir Genugthuung dafür verschaffen! Ich fordere Sie auf, Herr Sheriff, diesen Mann zu ergreifen und verlange, daß Sie ihn in's Gefängniß bringen.“

Inzwischen hatte sich Richard über den wahren Thatbestand unterrichtet, weshalb er sich mit vorwurfsvollem Tone an den Hausmeister wandte:

„Benjamin,“ begann er, „wie seyd Ihr in den Stock gekommen? Ich habe immer geglaubt, Ihr wäret so mild und lenksam wie ein Lamm, und aus keinem anderen Grunde standet Ihr so hoch in meiner Achtung. Benjamin! Benjamin! Ihr habt durch dieses schamlose Benehmen nicht nur Euch selbst, sondern auch Euren Freunden Schande gemacht. Gott steh' uns bei, Herr Doolittle, es scheint, er hat Euch Euer Gesicht ganz auf die eine Seite geschlagen.“

Hiram hatte sich unterdeß auf die Beine geholfen, und sobald er sich außer dem Bereiche des Hausmeisters befand, brach er ungestüm los und erklärte, daß er Rache verlange. Die Beleidigung war zu offen vorgegangen, um ohne Beachtung bleiben zu können, und der Sheriff, eingedenk der Unpartheilichkeit, welche sein Vetter in der kürzlichen Verhandlung gegen Lederstrumpf an den Tag gelegt hatte, sah die peinliche Nothwendigkeit ein, seinen Majordomo ins Gefängniß zu stecken. Die zu Natty's öffentlicher Ausstellung im Stocke bestimmte Stunde war inzwischen abgelaufen, und als Benjamin hörte, daß sie, wenigstens für die erste Nacht, in dem gleichen Gelasse eingesperrt werden sollten, so ließ er sich die Maßregel ohne besondere Widerrede gefallen, wie er denn auch nicht einmal Bürgschaft zu leisten sich erbot, obgleich er, als ihn der Sheriff an der Spitze der ihn umgebenden Constabeln nach dem Gefängnisse führte, folgende Vorstellung laut werden ließ:

„Ich mache wir wenig daraus, mit Meister Bumppo eine Nacht oder so etwas seine Koje zu theilen, Sqnire Dickens; denn ich betrachte ihn als einen ehrlichen Mann, der ganz geschickt mit dem Bootshacken und der Büchse umzugehen weiß. Ich behaupte aber, daß es gegen alle Vernunft und alles Christenthum ist, wenn man sagt, ein Mann verdiene etwas Schlechteres als eine doppelte Portion Rum, dafür daß er jenem Zimmermann das Gesicht auf eine Seite geklopft hat, wie Sie es nennen. Wenn es einen Blutsauger im Lande gibt, so ist es Niemand anders, als dieser Kerl. Ja, ich kenne ihn, und wenn der Spitzbube nicht von Holz ist, so wird er von mir erzählen können. Was liegt denn so mächtig Arges darin, Sqnire, daß Sie sich die Sache so zu Herzen nehmen? Sehen Sie, es ging gerade dabei zu, wie in einer andern Schlacht; Breitseite an Breitseite, nur daß ich dabei vor Anker lag, wie es uns auch einmal in Port Praya ging, als der Souverain über uns kam; aber wir haben ihm seine Souverainetät verleidet, ehe er wieder ausfuhr.“

Richard hielt es nicht seiner Würde gemäß, auf diese Anrede etwas zu erwiedern und sobald seine Gefangenen sicher in einem der äußern Kerker untergebracht und seinem Befehle gemäß die Riegel vorgeschoben waren, entfernte er sich.

Benjamin plauderte während des Nachmittags oft mit den Vorübergehenden durch das Eisengitter; sein Gefährte jedoch durchschritt den engen Raum mit raschen ungeduldigen Tritten, wobei er niedergeschlagen den Kopf auf die Brust herunter sinken ließ; nur hin und wieder erhob er denselben auf Augenblicke nach den Müßiggängern am Fenster und dann mochte wohl ein Ausdruck der kindischen Vergeßlichkeit des Alters seine Züge überfliegen, welcher übrigens schnell wieder einer tiefen Beklommenheit Platz machte.

In der abendlichen Dämmerung bemerkte man Edwards in ernster Zwiesprache mit seinem Freunde an dem Fenster; und er mochte dem alten Jäger wohl Worte des Trostes gebracht haben, denn sobald er sich entfernt hatte, warf sich Natty auf sein Lager und war bald in tiefen Schlaf versunken.

Die neugierigen Zuschauer hatten endlich auch die Redseligkeit des Majordomo, der mit der Hälfte seiner Bekanntschaft auf gute Cameradschaft getrunken, erschöpft, und als Natty nicht länger in Bewegung war, und Billy Kirby, welcher der letzte an dem Fenster gewesen, um Acht Uhr sich nach dem Templetoner Kaffeehause zurückgezogen hatte, erhob sich der alte Jäger noch einmal, um eine Decke vor die Oeffnung zu hängen, worauf sich die Gefangenen zur Ruhe begaben.


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