Einundvierzigstes Kapitel.

Ja, weiter denn! — Wir wollen nicht


Ob Froher den, dem's Herze bricht,


Verlassen. Jene Flotte


Ist lustig toll, Gelächter voll —


Doch bei dem Nachen hier


Verweilt des Sängers Lied.

Der Herr der Inseln.

Der Gang unserer Erzählung hat uns durch den Sommer geführt, und nachdem wir beinahe den Kreislauf eines Jahres durchgemacht haben, müssen wir unsern Bericht in dem herrlichen Monat October schließen. Manche wichtige Ereignisse haben sich jedoch in der Zwischenzeit zugetragen, von denen wir einige nicht übergehen dürfen.

Die zwei Hauptbegebnisse waren die Vermählung Oliver's mit Elisabeth und der Tod des Majors Effingham. Beides fand in der ersten Hälfte des Septembers statt, und der letztere war von der ersteren nur durch ein paar Tage getrennt. Der alte Mann schwand dahin wie ein erlöschendes Licht; und obgleich sein Verscheiden die Familie in Trauer versetzte, so konnte es doch nach einem solchen Lebensabend keinen Anlaß zu einem nachhaltigen Schmerze geben.

Marmaduke ließ sichs vorzugsweise angelegen seyn, seine Stellung als Obrigkeit mit seinen natürlichen Gefühlen gegen die Verbrecher in Einklang zu bringen, weßhalb den Tag nach dem Brande Natty und Benjamin wieder in das Gefängniß wandern mußten, und dort verblieben sie gutwillig bei guter Kost und sonstiger Bequemlichkeit bis ein Expresser von Albany mit einem Pardon des Gouverneurs für Lederstrumpf zurückkehrte. In der Zwischenzeit wurden auch die geeigneten Mittel angewendet, um Hiram wegen des Angriffs auf seine Person zu beschwichtigen, und an dem gleichen Tage erschienen die beiden Cameraden wieder in der Gesellschaft, ohne daß man sie wegen ihrer Verhaftung scheel angesehen hätte.

Herr Doolittle begann zu entdecken, daß weder seine architektonischen, noch seine Gesetzeskenntnisse länger dem wachsenden Reichthum und der zunehmenden Einsicht der Ansiedler entsprachen; und nachdem er den letzten Heller, der sich auf dem Wege des Vergleichs erzielen ließ, eingezogen hatte, schlug er, um uns des Provincialausdrucks zu bedienen, „sein Zelt ab,“ um sich weiter nach dem Westen zu begeben, wo er nun sein technisches und juridisches Wissen durch das Land verbreitete, wie denn auch noch bis auf den heutigen Tag Spuren von Beidem in der Richtung seiner Wanderung zu entdecken sind.

Der arme Jotham, der seine Thorheit mit dem Leben büßen mußte, bekannte noch vor seinem Tode, daß die Gründe für seine Annahme des Vorhandenseyns einer Mine von den Lippen einer Wahrsagerin stammten, welche mittelst eines Zauberspiegels verborgene Schätze in der Erde entdecken zu können vorgab. Dieser Aberglaube war in den neuen Ansiedelungen häufig, und als die erste Ueberraschung vorüber war, kam die Sache bei dem besseren Theile der Gemeinde bald in Vergessenheit. Während jedoch die Entwickelung des Ganzen jeden noch weilenden Verdacht über das Thun und Treiben der drei Jäger aus Richard's Brust verbannte, diente sie ihm zugleich als eine nachdrückliche Lehre — ein Umstand, der für die Zukunft seinem Vetter sehr zu statten kam, indem sich Richard fortan hütete, denselben mit seinen abenteuerlichen Plänen allzusehr zu belästigen. Wir müssen dabei noch bemerken, daß Richard vor Austrag der Sache seinen damaligen Entwurf mit der größten Zuversicht als „einen keineswegs träumerischen“ bezeichnet hatte, und das Entgegenhalten dieses einzigen Wortes genügte, ihm für die nächsten zehn Jahre bei jeder Gelegenheit die Lippen zu schließen. Monsieur Le Quoi, den wir unsern Lesern vorgeführt haben, weil ein Gemälde jenes Landes ohne die Darstellung eines solchen Charakters nicht treu seyn würde, fand die Insel Martinique und seine sucre-plantage im Besitz der Engländer. Marmaduke und seine Familie wurden jedoch bald durch die Nachricht erfreut, daß er in sein Büreau nach Paris zurückgekehrt sey, von wo aus später jährliche Bulletins über das Glück der Franzosen, nebst Versicherungen fortwährender Dankbarkeit gegen seine Freunde in Amerika, einliefen.

Nach dieser kurzen Abschweifung müssen wir zum Gange unserer Erzählung zurückkehren.

Der Leser denke sich einen unserer mildesten Oktobermorgen freilich setze ich dabei einen amerikanischen Leser voraus — wenn die Sonne wie ein Ball von silberglänzendem Feuer am Himmel steht, und die elastische Luft dem Athmenden Kraft und Leben in alle Gefäße gießt; — dabei ein Wetter, weder zu warm noch zu kalt, sondern von jener glücklichen Temperatur, welche das Blut in rascheren Strömen kreisen läßt, ohne die Erschlaffung des Frühlings mit sich zu führen.

An einem solchen Morgen, ungefähr um die Mitte des Monats, war es, als Oliver in die Halle trat, wo Elisabeth ihre gewöhnlichen Tagesbefehle erließ — um die Dame zu bitten, ihn auf einem kurzen Spazirgange nach dem Seeufer zu begleiten. Die zarte Schwermuth in dem Benehmen ihres Gatten fiel Elisabeth auf; sie verließ daher sogleich ihre häuslichen Geschäfte, warf ein leichten Shawl über ihre Schulter, verbarg ihre rabenschwarzen Locken unter einem Strohhut, nahm seinen Arm und überließ sich, ohne eine Frage zu stellen, seiner Führung. Sie gingen über die Brücken und hatten bereits von der Landstraße ab nach dem See eingebogen, ehe ein Wort gewechselt wurde. Elisabeth erkannte aus den eingeschlagenen Richtungen den Zweck des Spaziergangs, und achtete die Gefühle ihres Gatten zu sehr, um eine unzeitige Unterhaltung einleiten zu wollen. Als sie jedoch in den offenen Feldern anlangten und ihr Auge über den lieblichen See streifte, wo bereits die wilden Zugvögel von den nördlichen Gewässern scheidend, eine wärmere Sonne suchten, oder wo sie weilten, um in dem spiegelklaren Wasser des Otsego und an den Seiten des Gebirgs zu spielen, die sich als geschähe es ihrem jungen Ehestande zu Ehren, in die tausend heiteren Farben des Herbstes gekleidet hatten — da konnte das schwellende Herz der jungen Gattin den Ausbruch ihrer Gefühle nicht länger zurückhalten.

„Das ist keine Zeit zum Schweigen, Oliver,“ sagte sie, indem sie sich zärtlicher an seinen Arm anschmiegte. „Jede Creatur scheint sich zum Preise des Schöpfers zu erheben; warum sollten wir, die wir für so Vieles dankbar zu seyn Ursache haben, stumm bleiben?“

„So sprich!“ entgegnete ihr Gatte lächelnd; „ich liebe den Ton Deiner Stimme. Du wirst Dir denken können, weßhalb ich Dich hieher führe, denn ich habe Dir meine Pläne mitgetheilt; wie gefallen sie Dir?“

„Ich muß mich zuvor durch den Augenschein überzeugen,“ versetzte die junge Frau. „Ich habe mich jedoch ebenfalls mit Entwürfen getragen, und ich glaube, es ist jetzt Zeit, damit hervorzutreten.“

„Du? Ah, vermuthlich etwas im Interesse meines alten Freundes Natty?“

„Für Natty wird allerdings gesorgt werden; aber wir haben noch andere Freunde außer Lederstrumpf, die unsere Dienste bedürfen. Hast Du Luisens und ihres Vaters vergessen?“

„Nicht doch; habe ich dem guten Geistlichen nicht eine der besten Meiereien des Bezirks gegeben? Was Luise anbelangt, so möchte ich sie immer in unserer Nähe haben.“

„Wirklich?“ erwiederte Elisabeth, ihre Lipeen leicht zusammen drückend. „Aber die arme Luise hat wohl andere Absichten; sie wünscht vielleicht, meinem Beispiele zu folgen und zu heirathen.“

„Das glaube ich kaum,“ erwiederte Effingham nach einem kurzen Nachdenken. „Ich wüßte in der That nicht, wer in dieser Gegend für sie passen könnte.“

„Vieleicht in dieser Gegend nicht; es gibt aber noch andere Orte und andere Kirchen als die neue Sanct Paulskirche.“

„Kirchen, Elisabeth? Unmöglich kannst Du Herrn Grant zu verlieren wünschen; denn ungeachtet seiner Einfachheit ist er ein vortrefflicher Mann: ich werde nie einen zweiten finden, der nur halb so viel Achtung vor meiner Rechtgläubigkeit hätte. Willst Du mich etwa von einem Heiligen zu einem gemeinen Sünder herab demüthigen?“

„Es muß seyn, mein Lieber,“ enrgegnete die Dame mit einem halb unterdrückten Lächeln, „und solltest Du dabei von einem engel zu einem gewöhnlichen Menschen herabsinken.“

„Aber Du vergißst die Meierei?“

„Er kann sie nach dem Beispiele Anderer verpachten. Außerdem — wäre es wirklich Dein Wunsch, daß sich ein Geistlicher mit Feldarbeit abgäbe.“

„Und wohin sollte er gehen; Du vergissest Luisen.“

„Nein, ich vergesse Luisen nicht,“ versetzte Elisabeth, abermals ihre schönen Lippen zusammen drückend. „Du weißst, Effingham, daß mein Vater Dir sagte, ich hätte ihn beherrscht und ich würde auch Dich beherrschen. Ich bin nun im Begriffe von meiner Gewalt Gebrauch zu machen.“ „Du sollst ganz Deinen Willen haben, liebe Elisabeth, nur nicht da, wo es auf unserer Aller Unkosten und auf Unkosten Deiner Freundin geschieht.“

„Wie kannst Du wissen, daß ich meine Freundin dadurch zu beeinträchtigen wünsche?“ sprach die Dame, indem sie ihre Augen mit einem spähenden Blick auf das Antlitz ihres Gatten heftete, ohne jedoch etwas Anderes als den unverdächtigen Ausdruck des Bedauerns darin zu finden.

„Wie ich das wissen kann? Je nun, ist es nicht natürlich, daß sie uns sehr vermissen würde?“

„Es ist unsere Pflicht, gegen unsere natürlichen Gefühle anzukämpfen,“ erwiederte die Dame; „auch glaube ich, daß wenig Ursache vorhanden ist, zu besorgen, Luisens Geist werde sich nicht darein zu finden wissen.“

„Nun, und Dein Plan?“

„Höre, und Du sollst alles erfahren. Mein Vater hat für Herrn Grant eine Stelle in einer der Städte am Hudson ausgewirkt, wo er mehr nach seiner Gemächlichkeit leben kann und nicht durch diese Wälder zu wandern braucht; wo er im Stande ist, den Abend seines Lebens in Ruhe und Bequemlichkeit zu verbringen, und wo vielleicht seine Tochter Gesellschaft und Verbindungen trifft, die für ihre Jahre und ihren Charakter passen.“

„'Beß. Du setzest mich in Erstaunen! Ich hätte solche Schritte von Dir nicht erwartet.“

„O, meine Schritte gehen weiter, als Du Dir deuten magst,“ sagte Elisabeth mit einem schalkhaften Lächeln. „Es ist aber einmal mein Wille, und so kömmt es Dir zu, Dich zu unterwerfen — vorderhand wenigstens.“

Effingham lachte; als sie sich aber dem Ende ihres Spaziergangs näherten, brachen sie den Gegenstand ab.

Der Ort, an dem sie jetzt anlangten, war der kleine, ebene Grund, wo Lederstrumpfs Hütte so lange gestanden hatte. Elisabeth fand den Schutt hinweggeräumt und mit schönen Rasen belegt, der unter dem Einflusse der häufigen Regenschauer so schön, wie die ganze umliegende Gegend ergrünte, fast als hätte ein neuer Frühling das ganze Land heimgesucht. Der Platz war mit einer kreisförmigen Mauer umgeben, in welcher sich eine kleine Thüre befand, in der Nähe der letzteren lehnte, zur großen Ueberraschung des jungen Paares, Nattys Büchse. Hector und die Slut ruhten zu ihrer Seite in dem Grase, als wüßten sie, daß sie sich trotz der vorgefallenen Veränderungen an einem Orte befänden, mit dem sie vertraut waren. Der Jäger selbst lag auf der Erde hingestreckt vor einem Grabsteine von wweißem Marmor und drückte mit seinen Händen das lange Gras bei Seite, welches bereits aus dem üppigen Boden an der Basis desselben aufgeschossen war, augenscheinlich, um die Inschrift frei zu machen. An der Seite dieses Steines, der nur aus einer einfachen Platte bestand, befand sich ein reiches, mit einem Aschenkruge geziertes Denkmal mit eingehauenen Ornamenten.


Oliver und Elisabeth näherten sich mit leichten Tritten den Gräbern, so daß sie von dem alten Jäger nicht gehört wurden, dessen sonnenverbrannte Züge Spuren innerer Aufregung zeigten und dessen Augen blinzelten, als ob irgend Etwas die Schärfe ihrer Sehkraft hemme. Nach einer Weile erhob sich Natty langsam vom Boden und sprach laut —

„nun, nun, ich denke wohl, daß Alles recht ist! Es muß doch nichts Uebles um's Leben seyn; so aber weiß ich mir nichts aus der Sache zu machen, obgleich die Pfeife, der Tomahawk und die Mokassins nicht übel — gar nicht übel sind, um so mehr, da der Mann, welcher sie ausmeisselte, diese Gegenstände wahrscheinlich nie gesehen hat. Ach! da liegen sie Seite an Seite, und ihnen ist wohl! Aber wer wird einst da seyn, um meine Gebeine in die Erde zu legen, wann meine Zeit kömmt?“

„Wenn diese unglückliche Stunde eintritt, Natty, so wird es Euch an Freunden nicht fehlen, die Euch diesen letzten Dienst leisten,“ sprach Oliver, etwas ergriffen von dem Selbstgespräch des Jägers.

Der alte Mann wandte sich um, ohne eine Ueberraschung an den Tag zu legen, denn er hatte sich in dieser Beziehung ganz an den Gewohnheiten der Indianer gebildet, und während er mit der Hand unter seiner Nase wegfuhr, schien er zugleich jede Spur von Kummer weg zu wischen.

„Ihr seyd gekommen, um die Gräber zu besuchen, Kinder — Nicht wahr?“ sagte er. „Nun, nun, es ist ein heilsamer Anblick für Alt und Jung.“

„Ich hoffe, sie sind nach Eurem Geschmack,“ versetzte Effingham. „Niemand hat ein besseres Recht, in der Sache zu Rathe gezogen zu werden, als Ihr.“

„Je nun, da ich nicht sonderlich an den Anblick schöner Gräber gewohnt bin,“ entgegnete der alte Mann, „so kommt mein Geschmack wenig in Betracht. Sie haben doch den Kopf des Majors nach Westen und den von Mohegan nach Osten legen lassen?“

„Es ist Eurem Wunsche gemäß so gehalten worden.“

„Dann ist's recht,“ erwiederte der Jäger; „sie meinten, sie hätten verschiedene wege zu gehen, Kinder, obgleich es Einen gibt, der über Allen steht, der seiner Zeit die Gerechten zusammen bringen wird, der auch die Haut des Mohren bleichen und ihn auf Eine Höhe mit Fürsten stellen kann.“

„Es ist kein Grund vorhanden, dieß zu bezweifeln,“ versetzte Elisabeth, die ihren frühern Ton in einen weichen, wehmüthigen umgewandelt hatte. „Ich lebe der zuversichtlichen Hoffnung, daß wir uns alle wieder sehen und glücklich seyn werden.“

„Werden wir das, werden wir das Kind?“ rief der Jäger mit ungewöhnlicher Wärme. Ja, es liegt ein Trost in diesem Gedanken. Doch ehe ich gehe, möchte ich wohl wissen, was diese Grabsteine den Leuten, welche, wie die Tauben im Frühjahr, dieses Land bedecken, von dem alten Delawaren und von dem wackersten, weißen Manne, der je diese Berge betreten hat, erzählen.“

Effingham und Elisabeth waren über die ungewöhnliche Feierlichkeit in Lederstrumpfs Benehmen überrascht; da sie jedoch den Grund davon nur in der Nähe der Freundesgräber suchten, so trat der junge Mann alsbald an das Denkmal und las laut —

„ ,Dem Andenken Oliver Effingham's

vormaligen Majors im Sechzigsten Infanterie Regiment Seiner Majestät des Königs von Großbrittannien.

Er war ein Krieger von erprobter Tapferkeit, der mit ritterlicher Treue an seinem König hing, ein Mann von dem biedersten Charakter und ein wahrer Christ. Den Morgen seines Lebens verbrachte er in Ehre, Reichthum und Macht; aber der Abend wurde durch Armuth, Mangel und Krankheit getrübt, die ihm nur durch die zarte Sorgfalt seines alten treuen, aufrichtigen Freundes und Dieners, des Nathanael Bumppo, erträglich gemacht wurden. Um die Tugenden des Herrn zu ehren und ihren Dank gegen den Diener bleibend auszudrücken, errichteten dieses Denkmal,

Die Hinterbliebenen.‘ “


Lederstrumpf fuhr zusammen, als er seinen eigenen Namen nennen hörte, und ein freudiges Lächeln überflog seine runzligten Züge.

„Und das steht wirklich hier, Junge?“ fragte er. „Ihr habt also den Namen des alten Mannes an der Seite seines Herrn in den Stein gegraben? Gott segne Euch, meine Kinder! Es war ein freundlicher Gedanke, und er thut dem Herzen um so wohler, je näher die letzte Stunde rückt.“

Elisabeth wandte sich von den Sprechern ab, und Effingham begann mit erstickter Stimme —

„Er steht hier in einfachem Marmor; er sollte aber mit goldener Schrift eingegraben seyn!"

„Zeigt mir den Namen, Junge,“ versetzte Natty mit kindischer Neugierde; „laßt mich sehen, wo meinem Namen solche Ehre wiederfahren ist. Es ist ein edelmüthiges Geschenk für einen Mann, der keinen seines Namens und seiner Familie zurück läßt in einem Lande, wo er so lange geweilt hat.“

Effingham führte seine Finger an die Stelle, und Natty folgte mit tiefem Interesse bis ans Ende, worauf er sich von dem Grabe erhob und sprach —

„'S wird wohl recht seyn, und jedenfalls ist's ein freundlicher Gedanke! Doch was habt Ihr über die Rothhaut schreiben lassen?“

„Ihr sollt es hören —

,Dieser Stein gilt dem Gedächtniß eines Indianerhäuptlings aus dem Stamme der Delawaren, bekannt unter den verschiedenen Namen: John Mohegan; Mohican und Chingagook — —‘ “

„ ,Gach, Junge;—‘ gachgook; Chingachgook, was in unserer Sprache große Schlange bedeutet. Der Name muß recht dahin, denn ein indianischer Name trägt immer eine Bedeutung in sich.“

„Es soll geändert werden.

,Er war der letzte seines Volkes, der fortfuhr, dieses Land zu bewohnen; und man kann von ihm sagen, daß seine Fehler die eines Indianers, und seine Tugenden die eines Menschen waren.‘ “

„Ihr habt nie ein wahreres Wort gesprochen, Herr Oliver, Ach! wenn Ihr ihn gekannt hättet, wenn Ihr ihn, wie ich in seiner Jugend und zur Zeit jener Schlacht gekannt hättet, als der alte Herr, der an seiner Seite ruht, ihm das Leben rettete, nachdem die Diebe, die Irokesen, ihn bereits an den Pfahl gebunden hatten, so würdet Ihr dasselbe und noch mehr sagen. Ich schnitt mit eigener Hand seine Riemen durch und gab ihm mein Messer und meinen Tomahawk, denn die Büchse war von jeher meine Lieblingswaffe. Nun schlug er wieder um sich wie ein Mann. Als er von diesem Zuge heimkehrte, traf ich ihn mit eilf Mingoscalpen an seinem Gürtel. Sie brauchen nicht zu schaudern, Madame Effingham, denn sie kamen alle von geschorenen Köpfen und von Kriegern. Wenn ich jetzt diese Berge betrachte, wo ich sonst hin und wieder zwanzig Rauchsäulen von den Lagern der Delawaren über den Baumwipfeln aussteigen sah, so erfüllt es mein Herz mit Trauer, denken zu müssen, daß von ihnen allen auch nicht eine Rothhaut übrig geblieben ist. Höchstens trifft man noch einen betrunkenen Landstreicher von den Oneidas, oder Etliche von den Yankeesindianern, welche, den Vernehmen nach, von der Meeresküste herauf kommen, und die, wie mir scheint, eigentlich zu keinen von Gottes Geschöpfen gehören, da sie weder Fleisch noch Fisch sind — weder Weiße noch Wilde. Doch sey's d'rum. Die Zeit ist endlich gekommen und ich muß gehen.“

„Gehen?“ wiederholte Edwards. „Und wohin wollet Ihr gehen?“

Lederstrumpf, der, ohne es zu wissen, vieles von den Eigenschaften der Indianer angenommen hatte, obgleich er sich den Delawaren gegenüber stets als ein civilisirtes Wesen betrachtete, wandte sein Gesicht ab, um die Bewegung seiner Muskeln zu verbergen, indem er sich zugleich bückte, um einen großen Pack hinter dem Grabe hervorzuholen, den er ganz bedächtig auf seine Schultern legte.

„Gehen?“ rief Elisabeth, indem sie ihm rasch an die Seite trat. „Ihr sollet Euch als einzelner Mann nicht mehr so weit in dieWälder wagen; es ist in der That nicht klug. Er hat wohl im Sinne, Effingham, irgend einen Jagdzug zu machen?“

„Was meine Frau Euch sagt, ist wahr, Lederstrumpf,“ sprach Edwards. „Ihr habt's ja durchaus nicht nöthig, Euch jetzt noch solchen Mühseligkeiten auszusetzen. Werft daher Euren Pack ab und beschränkt Eure Jagd auf die Berge in unserer Nähe, wenn Ihr ja nicht zu Hause bleiben mögt.“

„Mühseligkeiten?“ Es ist eine Lust, Kinder, und die größte die mir noch diesseits des Grabes blüht.“

„Nein, nein; Ihr dürft nicht so weit fort,“ rief Elisabeth ihre zarte, weiße Hand auf seinen hirschledernen Pack legend. — „Es ist, wie ich sagte! ich fühle seinen Feldkessel und seine Pulverbüchse. Wir dürfen nicht zugeben, daß er so weit von uns fortzieht, Oliver; bedenke, wie schnell Mohegan dahin starb.“

„Ich wußte wohl, daß das Scheiden schwer werden dürfte, Kinder; ich wußte es wohl,“ entgegnete Natty. „Ich wollte daher nur noch nach den Gräbern sehen und dachte, wenn ich Euch das Andenken zurück ließe, welches mir der Major gab, als wir uns das erste Mal in den Wäldern trennten, so würdet Ihr mir es nicht übel nehmen, denn Ihr wißt ja, daß das Herz des alten Mannes bei Euch zurück bleibt, mag auch sein Körper hingehen, wohin er will.“

„Dem liegt etwas Ungewöhnliches zu Grunde!“ rief der Jüngling. „Wohin gedenkt Ihr zu gehen, Natty?“

Der Jäger trat ihm zutraulich und mit einer Miene näher, als denke er, Gründe vorzubringen, die jeden weiteren Einwurf beschwichtigen müßten, indem er antwortete —

„Ey nun, Junge, ich habe gehört, daß es an den großen Seeen die beste und ausgedehnteste Jagd gibt, ohne daß man auf einen andern Weißen, als auf meines Gleichen, träfe. Ich bin's müde, in Lichtungen zu leben, wo der Hammer von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang in meinen Ohren tönt. Ich hänge zwar sehr an Euch, Kinder — wenn's nicht wahr wäre, so würde ich's nicht sagen — ich sehne mich aber, wieder in die Wälder zu gehen.“

„In die Wälder?“ wiederholte Elisabeth im Uebermaße ihres Gefühls. „Nennt Ihr diese endlosen Forsten keine Wälder?“

„Ach Kind! das ist nichts für einen Mann der an die Wildniß gewöhnt ist. Ich habe keine behagliche Stunde mehr gehabt, seit Ihr Vater seine Ansiedler hieher führte; ich konnte aber nicht weit gehen, so lange noch Leben in dem Körper war, der hier unter dem Rasen liegt. Doch jetzt ist er heimgegangen; auch Chingachgook ist dahin, und ihr Beide seyd jung und glücklich. Ja, den vergangenen Monat hat Heiterkeit in dem großen Hause geherrscht, und ich dächte, es wäre setzt Zeit, auch mir für den Rest meiner Tage zu einem bischen Behaglichkeit zu verhelfen. Ja wohl da, Wälder! wie kann ich das Wälder nennen, Madame Effingham, wo ich mich jeden Tag meines Lebens in den Lichtungen verliere?“

„Wenn Euch noch etwas zu Eurer Bequemlichkeit fehlt, so nennt es, Lederstrumpf; wenn es beizuschaffen ist, so sollt Ihr es haben.“

„Ich weiß, daß Ihr es gut mit mir meint, Junge, und auch von Ihnen bin ich's überzeugt, Madame; aber Eure Wege sind nicht meine Wege. Es geht uns da ganz wie den Todten hier, welche zu ihren Lebzeiten glaubten, der Eine müsse nach Osten, der Andere nach dem Westen gehen, um seinen Himmel zu finden; am Ende treffen sie aber doch wieder zusammen, und so wird es auch bei uns gehen, Kinder. Ja, macht fort, wie Ihr angefangen habt, und wir werden uns endlich in dem Lande der Gerechten wiedersehen.“

„Das kömmt so neu, so unerwartet,“ sagte Elisabeth in fast athemloser Aufregung. „Ich dachte, Ihr hättet im Sinne, bei uns zu leben und zu sterben, Natty!“

„Worte verfangen hier nichts,“ rief Effingham. „Vierzigjährige Gewohnheiten lassen sich nicht durch die Verbindung eines Tages umwandeln. Ich kenne Euch zu gut, um weiter in Euch zu dringen, Natty; wollt Ihr uns aber nicht gestatten, daß wir Euch auf einem der fernen Berge eine Hütte bauen lassen, wo wir Euch hin und wieder besuchen und erfahren können, ob Euch nichts abgeht?“

„habt keine Sorge um Lederstrumpf, Kinder; ich bin in Gottes Hand, der mich wohl zu einem glücklichen ende führen wird. Ich verkenne eure guten Absichten nicht; doch unsere weisen passen nicht zusammen. Ich liebe die Wälder und ihr habt Freude an der Geselligkeit der Menschen; ich esse und trinke, wenn mich hungert oder dürstet, und ihr habt dafür bestimmte Stunden und Regeln. Ja, ja, Junge, Ihr überfüttert aus purem Wohlmeinen sogar die Hunde, und ein Jagdhund muß mager seyn, wenn er gut laufen soll. Das geringste von Gottes Geschöpfen hat eine Bestimmung, und ich bin für die Wildniß geschaffen; wenn Ihr mich also liebt, so laßt mich hinziehen, wohin meine Seele verlangt.“

Diese Berufung war entscheidend, und kein Wort der Bitte wurde mehr gesprochen, um ihn zum Bleiben zu veranlassen. Elisabeth senkte zwar ihr Haupt auf ihre Brust, während ihr Gatte einige Thränen in seinem Auge zerdrückte und mit Händen, die ihm fast den Dienst versagten, sein Taschentuch hervorzog, aus dem er ein Päckchen Banknoten nahm und sie dem Jäger überreichte.

„So nehmt dieß,“ sagte er, „so nehmt wenigstens dieß. Verwahret sie wohl auf Euerm Körper — sie werden Euch in der Stunde der Noth gute Dienste thun.“

Der alte Mann nahm das Papier und betrachtete es mit neugierigen Augen.

„Das ist also von dem neumodischen Geld, das sie in Albany aus Papier machen? Aber dem, der es nicht zu lesen versteht, kann es von keinem sonderlichen Werth seyn. Nein, nein, Junge — steckt es nur wieder zu Euch, denn mir würde es nichts nützen. Ehe der Franzose abreiste, hab' ich seinen Pulvervorrath an mich gebracht, und wo ich hingehe, soll, dem Vernehmen nach, das Blei wachsen; ich brauche daher nichts weiter, als Kugelpflaster, und dazu habe ich von jeher Leder genommen. Madame Effingham, lassen Sie einen alten Mann Ihre Hand küssen. Gottes bester Segen möge Sie und die Ihrigen begleiten.“

„Laßt mich noch einmal Euch bitten, hier zu bleiben!“ rief Elisabeth. „Geht nicht fort, Lederstrumpf; bringt mich nicht in Sorge wegen des Mannes, der mir zweimal das Leben rettete und der denen, welche ich liebe, so treue Dienste geleistet hat. Wenn Ihr's nicht um Euretwillen thun wollt, so bleibt wenigstens um meinetwillen. Die schrecklichen Träume, welche noch immer meine Nächte beunruhigen, werden mir Euch zeigen, sterbend in Kummer und Armuth, an der Seite der schrecklichen Thiere, die Ihr getödtet habt. Meine Einbildungskraft wird mir hinsichtlich Eures Schicksals alle Uebel, welche Krankheit. Mangel und Einsamkeit möglicher Weise begleiten können, heraufbeschwören. Bleibt bei uns, alter Mann — wenn nicht um Eurer selbst, so doch um unseretwillen.“

„Solche Gedanken und so bittere Träume, Madame Effingham,“ erwiederte der Jäger feierlich, „werden eine unschuldige Person nicht lange beunruhigen und mit Gottes Beistand bald verschwinden. Kömmt Euch noch allenfalls so eine Pantherkatze im Schlaf vor Augen, so geschieht es nicht wegen mir, sondern deßhalb, um Sie auf die Macht zu verweilen, die es mir möglich machte, Sie zu retten. Vertrauen Sie auf Gott, Madame, und auf Ihren braven Gatten, so können die Gedanken an einen alten Mann, wie ich bin, weder lange noch schmerzlich seyn. Ich will beten, daß der Herr Ihrer gedenke — der Herr, der sowohl über den Lichtungen als über der Wildniß waltet — und Sie nebst allem, was zu Ihnen gehört, segne, von nun an bis zu dem großen Tage, wo sich weiße und rothe Häute vor seinem Richterstuhle treffen, und wo das Gesetz der Gerechtigkeit, nicht das der Gewalt gilt.“

Elisabeth erhob das Haupt und bot ihm ihre farblose Wange zum Kusse, die er auch, mit abgenommener Mütze, achtungsvoll berührte. Dann ergriff der Jüngling mit krampfhafter Gluth seine Hand, ohne daß er zu sprechen vermochte. Der Jäger zog seinen Gürtel fester an und traf seine Vorbereitungen zur Abreise, obgleich man nicht verkennen konnte, daß auch ihm der Abschied drückend wurde. Ein oder zwei Mal versuchte er zu sprechen, aber die Laute blieben ihm in der Kehle stecken. Endlich warf er seine Büchse auf die Schultern und rief mit lauter Jägerstimme, die weithin durch die Wälder hallte:

„Herein, herein, Jungen! — fort, fort, Hunde! — Ihr werdet müde Füße kriegen, ehe ihr an dem Ziele unserer Reise anlangt!“

Die Hunde sprangen bei diesem Ruf von der Erde auf, beschnupperten die Gräber und das schweigende Paar, als wüßten sie, was ihnen nunmehr bevorstehe, und folgten dann gehorsam ihrem Herrn auf der Ferse. Eine kurze Pause war eingetreten, während welcher sogar der Jüngling sein Gesicht an dem Grabsteine seines Großvaters verbarg. Sobald der Stolz des Mannes die Gefühle der Natur bewältigt hatte, wandte er sich, um seine Bitten zu erneuern, bemerkte aber alsbald, daß er und seine Gattin allein an der Grabesstätte waren.

„Er ist fort,“ rief Effingham.

Elisabeth erhob ihr Antlitz und sah den alten Jäger an dem Rande des Waldes stehen, wie er noch einen Moment zurückblickte. Sobald er wahrnahm, daß man ihm nachschaute, fuhr er sich mit der rauhen Hand hastig über die Augen und winkte ein Lebewohl, worauf er auf's Neue seinen Hunden rief, die sich an seine Füße schmiegten, und in dem Forste verschwand.

Es war das letzte Mal, daß sie Lederstrumpf gesehen hatten, obgleich Richter Temple nach ihm spähen ließ und sogar in eigener Person an den Nachforschungen Theil nahm. Er war weiter nach Westen gezogen — der erste jener Ansiedler, welche der Volkswanderung den Weg quer durch unser Festland zeigten.


***


Загрузка...