Neunzehntes Kapitel.

„Und doch war Edwin kein gemeiner Knabe.“

Beattie.

Der Schluß des Christfestes im Jahre siebenzehnhundertdreiundneunzig war stürmisch, aber verhältnißmäßig warm. Als die einbrechende Nacht die Aussicht nach dem Dorfe verdüsterte, verließ Elisabeth das Fenster, wo sie mit einer Neugierde, welche durch die flüchtigen Blicke auf die Waldschauplätze eher gesteigert als gemildert worden war, geweilt hatte, so lange noch ein Lichtstrahl die Spitzen der dunkeln Fichten säumte.

Ihren Arm in den von Miß Grant geschlungen, ging die junge Dame des Herrenhauses langsam in der Halle auf und ab, sinnend über Scenen, die rasch an ihrer Erinnerung vorüber flogen, wobei ihre geheimsten Gedanken namentlich hin und wieder bei den sonderbaren Begebnissen weilten, die zu der Einführung eines Mannes in die Familie ihres Vaters Anlaß gegeben hatten, dessen Benehmen in einem so seltsamen Contraste mit seiner Lage zu stehen schien. Die anhaltende Hitze in dem Saale — denn der große Umfang desselben brauchte einen Tag, um sich zu verkühlen — hatte ihren Wangen eine Röthe verliehen, die ihr nicht gewöhnlich war, während auch Luisens milde und melancholische Züge unter einem leichten, rosigen Anflug erglänzten, der, dem eines Hectischen gleich, ihrer Schönheit ein schmerzliches Interesse verlieh.

Die Herren ließen sich an dem einen Ende der Halle die trefflichen Weine des Richters Temple schmecken und entsandten häufig ihre Blicke nach den Gestalten, die schweigend auf- und abgingen. Richard war lustig, bisweilen lärmend, der Major noch nicht auf der Glanzhöhe seiner Heiterkeit angelangt, während Marmaduke die Gegenwart seines geistlichen Gastes zu sehr respektirte, um sich selbst der unschuldigen Munterkeit hinzugeben, die seinem Charakter eigenthümlich war.

So dauerte es fort, bis die Läden geschloffen wurden und die an den verschiedenen Theilen der Halle aufgesteckten Kerzen Ersatz für das scheidende Tageslicht leisten mußten. Benjamins Eintreten mit einem Arm voll Holz veranlaßte die erste Unterbrechung.

„Was soll das, Meister Pump,“ schrie der neugebackene Sheriff. „Ist nicht Wärme genug in 'Duke's bestem Madeira, um bei diesem Thauwetter die thierische Wärme zusammen zu halten? Vergeßt nicht, alter Knabe, daß der Richter gewaltig rar thut mit seinem Buchen- und Ahornholz, denn er fürchtet bereits jetzt, dieser kostbare Artikel möchte ihm ausgehen. Ha, ha, 'Duke; ich will zwar pflichtlich zugeben, daß Du ein wackerer und theilnehmender Verwandter bist, aber im Grunde hast Du doch manche Wunderlichkeiten an Dir.

Fort, fort mit den Grillen,


Und fort mit den Stillen!

Die Töne seines Gesangs gingen allmälig in ein Summen über, während der Majordomo seine Last abwarf und sich sodann mit ernster Miene an den Frager wandte:

„Je nun, sehen Sie, Squire Dickens“ versetzte er: „es mag wohl eine warme Breite um diesen Tisch hier seyn, aber der Stoff reicht doch nicht zu, in meinem Leibe die gehörige Temperatur zu erhalten, denn dieß vermag, außer gutem Holze oder allenfalls den Steinkohlen von Newcastle, nur ein ächter und gerechter Jamaica Rum. Aber, meine Herrn, wenn ich mich anders auf das Wetter verstehe, so ist es jetzt Zeit, sich zusammen zu drücken, die Löcher zu verstopfen und das Feuer ein Bischen anzuschüren. Ich denke wohl, daß ich nicht umsonst siebenundzwanzig Jahre auf den Meeren herumgefahren und andere sieben hier in den Wäldern gelebt habe.“

„Steht uns wohl eine Veränderung des Wetters bevor, Benjamin?“ fragte der Herr des Hauses.

„Der Wind ist umgesprungen, Euer Gnaden,“ entgegnete der Hausmeister; „und wenn der Wind sich ändert, so darf man in diesen Bergen auch auf einen Witterungswechsel zählen. Sehen Sie, meine Herren, ich war bei Rodney's Flotte an Bord — ungefähr um die Zeit, als wir dem De Grasse, dem Landsmann von Monschür Ler Quaw da, zu Leibe gingen; und der Wind blies nach Süden und Osten; und ich war unten mit dem Mischen eines Mundvoll heißen Grogs für den Marinekapitän beschäftigt, der an demselben Tage in der Kajüte speiste; und da war es, als ob er das Feuer des Kapitäns dadurch löschen wollte, daß er den Raum in eine Feuerspritze verwandelte, denn als ich eben das Getränk nach öfterem Kosten ganz nach meinem Geschmack zugerichtet hatte — (die Soldaten sind nämlich schwer zufrieden zu stellen) — klapps schlug das Focksegel gegen die Stengen, und das Schiff drehte sich auf seiner Hielung wie ein Kreisel. Es war ein Glück, daß unser Steuer niedergelassen war, denn da wir beidrehten, so wurden wir wohl wieder frei, was nicht jedes Schiff in der Flotte thun konnte. Dann aber stach das unsrige durch eine Welle, daß eine gewaltige Wassermasse über die Billen hereinschlug. Ich habe in meinem Leben nie so viel klares Wasser geschluckt, als damals, denn ich sah eben an der hinteren Lucke in die Höhe.“

„Da nimmt es mich Wunder, Benjamin, daß Ihr nicht an der Wassersucht gestorben seyd,“ sagte Marmaduke.

„Hätte wohl seyn können, Richter,“ entgegnete der alte Theer mit einem breiten Grinsen; „aber ich brauchte keinen Medizinkasten um mich zu kuriren; denn da ich dachte, mein Gebräu sey nun nicht mehr nach dem Geschmack eines Seemanns, und ich nicht wissen konnte, ob nicht eine andere Welle käme und es so verderbte, daß es meinem eigenen gleichfalls nimmer zusagte, so trank ich den Krug auf der Stelle aus. Dann wurden alle Hände an die Pumpen gerufen, und damals war es, als wir die Pump — —“

„Gut, aber das Wetter?“ unterbrach ihn Marmaduke. „Wie steht es mit dem wetter draußen?“

„Je nun, wir haben den ganzen Tag Südwind gehabt, und jetzt ist Alles so ruhig, als ob sein Blasebalg geborsten wäre; und im Norden hängt ein Streifen über den Berg, der von einer kurzen Weile nicht größer als meine Hand war; und dann trieben die wolken, als ob man ein Schönfahrsegel geyete, und die Sterne kamen zum Vorschein, wie eben so viele Lichter und Leuchtthürme, welche uns den Wink geben, holz zuzulegen; und wenn ich mich anders aufs Wetter verstehe, so ist es Zeit, ein tüchtiges Feuer anzumachen, sonst zersprengt der Frost die Hälfte dieser Porter- und Weinflaschen im Schranke, noch ehe die Morgenwache aufzieht.“

„Du bist eine verständige Schildwache,“ sagte der Richter. „So verfahre, wenigstens für diese Nacht, nach Gutdünken mit den Wäldern.“

Benjamin that, wie ihm geheißen wurde; und noch ehe zwei Stunden vergingen, erfuhr man, daß seine Vorsichtsmaßregeln nicht unnöthig gewesen waren. Der Südwind hatte sich in der That ganz ausgeblasen, und es war jene Windstille eingetreten, welche gewöhnlich eine bedeutende Witterungsveränderung anzeigt.

Lange vorher, ehe sich die Familie zur Ruhe begab, wurde die Kälte schneidend scharf, und als Monsieur Le Quoi aufbrach, um im Mondschein sein eigenes Nachtquartier aufzusuchen, sah er sich genöthigt, eine Wollendecke zu entlehnen, um seinen Körper darein zu hüllen, trotz der vielen Kleider, mit denen er sich weislich für diese Gelegenheit vorgesehen hatte. Der Geistliche und seine Tochter blieben für die Nacht als Gäste in dem Herrenhaus, und die Nachwehen der vorangegangenen Nachtschwärmerei veranlaßten die Herren, sich zeitig nach Ihren Gemächern zurückzuziehen. Die ganze Familie war daher schon lange vor Mitternacht in den Federn.

Elisabeth und ihre Freundin waren noch wach, als sie schon den Nordwestwind um das Gebäude heulen hörten, und erfreuten sich des angenehmen Gefühls, das unter solchen Umständen stets mit einem Zimmer, in welchem das Feuer noch nicht zu glimmen aufgehört hat, verbunden ist, zumalen, wenn sich Vorhänge, Läden und Bettdecken vereinigen, um eine angenehme Temperatur zu unterhalten. Als Elisabeth eben ihre Augen im letzten Stadium der Schläfrigkeit noch einmal öffnete, ließ sich aus dem Brausen des Windes ein langes klägliches Geheul vernehmen, das für einen Hund zu wild schien und doch eine große Aehnlichkeit mit den Lauten dieses treuen Thieres hatte, wenn die Nacht seine Wachsamkeit steigert und seiner Unruhe eine gewisse Feierlichkeit verleiht. Luise Grant drängte sich unwillkührlich näher an die junge Erbin, welche, als sie fand, daß ihre Gefährtin noch wache, mit leisem Tone, als fürchte sie mit ihrer Stimme irgend einen Zauber zu unterbrechen, zu sprechen begann.

„Diese fernen Laute tönen so kläglich und doch schön. Können es wohl die Hunde aus Lederstrumpf's Hütte seyn?“

„Es sind Wölfe, die sich von den Bergen an den See herunter gewagt haben,“ flüsterte Luise, „und die nur durch die Lichter von dem Dorfe abgehalten werden. Der Hunger trieb sie, so lange wir hier sind, einmal des Nachts bis vor unsere Thüre. Das war eine schreckliche Nacht! Aber Richter Temple's Reichthum gewährt ihm zu viel Schutz, als daß man in seinem Hause etwas zu fürchten hätte.“

„Die Absicht meines Vaters ist auch die Wälder zu zähmen,“ rief Elisabeth, indem sie die Decke zurückwarf und sich im Bette aufrichtete. „Wie schnell ist die Civilisation in die Fußstapfen einer wilden Natur getreten!“ fuhr sie fort, indem ihre Augen nicht nur über die Bequemlichkeiten, sondern auch über den Luxus ihres Gemaches hinflogen, während ihr Ohr auf das fern von See her tönende Geheul horchte. Als sie jedoch fand, daß die Furcht der Gefährtin auch ihr die Töne unheimlich machte, so legte sie sich wieder zurück und vergaß bald der Schrecken des Landstriches in einem tiefen Schlafe.

Die Mädchen wurden des andern Morgens durch das Eintreten einer weiblichen Dienerin geweckt, welche das Feuer anmachen wollte. Sie standen auf und beendigten die kleinen Vorbereitungen zu ihrer Toilette in der reinen und kalten Atmosphäre, welche sich sogar durch Miß Temples wohlverwahrtes Zimmer nicht ausschließen ließ. Als Elisabeth sich angekleidet hatte, näherte sie sich einem Fenster, zog den Vorhang auf, öffnete den Laden und versuchte es, durch die Scheiben einen Blick auf das Dorf und den See zu werfen. Aber dicke Eisblumen bedeckten das Glas und hemmten die Aussicht, obgleich sie dem Licht Zutritt gestatteten. Sie öffnete sodann das Fenster, und nun trat ihrem Auge ein wahrhaft entzückender Anblick entgegen.

Der See hatte seine fleckenlose Schneedecke gegen eine Fläche von dunkelm Eis vertauscht, welche die Strahlen der aufgehenden Sonne, gleich einem polirten Spiegel wiederstrahlte. Die Häuser waren in ein ähnliches Gewand gekleidet, das übrigens, seiner Lage wegen, wie blanker Stahl erglänzte, während ungeheure Eiszapfen, welche von jedem Dach herunter hingen, das herrliche Licht auffingen und sich es gegenseitig zuzuwerfen schienen, da jeder auf der Lichtseite in goldenen Strahlen glitzerte, welche sich auf der anderen in die Schatten eines dunkeln Hintergrundes verloren. Das anziehendste Schauspiel bildete jedoch der Anblick der endlosen Forsten, welche die hinter einander sich aufthürmenden Berge bedeckten. Die riesigen Arme der Fichten und Schierlingstannen beugten sich unter der Wucht des Eises, das sie zu tragen hatten, während ihre Spitzen sich über die rundlichen Gipfel der Eichen, Buchen und Ahorne wie Thürme von geglättetem Silber über Domdächern von dem gleichen Material ausnahmen. Den westlichen Horizont begrenzte eine leuchtende Wellenlinie, als ob sich daselbst gegen die Ordnung der Natur zahllose Sonnen erheben wollten. Im Vordergrunde des Gemäldes, längs den Ufern des Sees hin und in der Nähe des Dorfes, schien jeder Baum mit Diamanten wie übersät. Selbst die Seiten der Berge, wo die Strahlen der Sonne noch nicht hinreichen konnten, prunkten in einem glasigten Gewande, das jede Abstufung des Glanzes schauen ließ, von den Lichtstreifen der ersten Sonnenstrahlen an, bis zu dem dunkeln Nadelwerk der Tannen, das unter der Hülle von Krystall schimmerte. Mit einem Worte, die ganze Landschaft war ein zitterndes Strahlenmeer, da See, Berge, Dorf und Wälder — jedes seine Lichtkörperchen, mit der ihm eigenthümlichen Farbe gemengt und nach Maßgabe seiner Lage und Größe wechselnd — zurückgab.

„Sehen Sie!“ rief Elisabeth — „sehen Sie, Luise; eilen Sie an's Fenster und schauen Sie die wundervolle Veränderung!“

Miß Grant willfahrte, und nach einem kurzen Schweigen bemerkte sie mit leisem Tone, als fürchte sie sich vor ihrer eigenen Stimme:

„Die Veränderung ist in der That wunderbar! Ich bin ganz überrascht, daß er sie so schnell bewerkstelligen konnte.“

Elisabeth wandte sich erstaunt um, als sie eine so skeptische Aeußerung aus dem Munde von Herrn Grant's Tochter hörte, fand aber mit einiger Ueberraschung, daß die sanften blauen Augen ihrer Gefährtin, statt auf dem herrlichen Naturschauspiele, auf der Gestalt eines jungen Mannes weilte, der vor der Thüre draußen in ernstem Gespräche mit ihrem Vater begriffen war. Es bedurfte eines zweiten Blickes, ehe sie in derselben die Person des jungen Jägers in einer zwar einfachen Tracht, aber dennoch in der eines Mannes von Stande zu erkennen vermochte.

„Alles scheint in diesem Zauberlande ans Wunderbare zu grenzen,“ sagte Elisabeth; „und unter allen Wechseln, die sich vor unseren Augen aufthun, ist dieser gewiß nicht der am wenigsten auffallende. Die Schauspieler sind so einzig, als die Bühne.“

Miß Grant erröthete und zog den Kopf zurück.

„Ich bin nur ein einfaches Landmädchen, Miß Temple,“ begann sie, „und ich fürchte, Sie werden eine sehr unbedeutende Gesellschafterin an mir finden. — Ich weiß nicht, ob ich alles verstehe, was Sie sagen; aber ich war in der That der Meinung, Sie hätten mich auf die Veränderung bei Herrn Edwards aufmerksam machen wollen. Ist es nicht sehr wunderbar, wenn wir uns seiner Abkunft erinnern? Es heißt, er sei ein halber Indianer.“

„Jedenfalls ein vornehmer Wilder. Doch gehen wir hinunter, um dem Sachem seinen Thee zu geben: — denn ich vermuthe, daß er ein Abkömmling von König Philipp, wenn nicht gar ein Enkel von Pocahontas ist.“

Die Damen begegneten in der Halle dem Richter Temple, der seine Tochter bei Seite nahm, um ihr die mit dem neuen Hausgenossen vorgegangene Umwandlung mitzutheilen, welche ihr jedoch nichts Neues mehr war.

„Es ist klar, daß er nicht gut auf seine frühere Lage zu sprechen ist,“ fuhr Marmaduke fort, „denn ich entnehme aus seinen Reden, wie aus seinem ganzen Wesen, daß er einst bessere Tage gesehen hat. Ich möchte fast Richard's Ansicht über seine Abkunft beistimmen; denn es ist nichts Ungewöhnliches, daß die indianischen Agenten ihren Kindern eine lobenswerthe Erziehung geben und —“

„Ganz recht, mein lieber Vater,“ unterbrach ihn Elisabeth, indem sie ihre Augen abwendete; „ich bin schon zufrieden. Doch da ich kein Wort von der Sprache der Mohawks verstehe, so muß er sich schon zu der unserigen bequemen, und was sein Betragen anbelangt, so überlasse ich es Dir, dasselbe zu überwachen.“

„Ja; aber 'Beß —“ sagte der Richter, indem er sie sanft zurückhielt; „man darf ihn nicht nach seinem vergangenen Leben fragen. Er hat sich ausdrücklich diese Gunst erbeten. Auch ist er vielleicht noch etwas sauertöpfisch wegen seines verwundeten Arms; da aber die Beschädigung nur leicht zu seyn scheint, so läßt er sich wohl ein andermal mittheilsamer an.“

„O, lieber Vater! ich bin nicht sonderlich mit jenem lobenswerthen Durst nach Wissen geplagt, den man Neugierde nennt. Ich will glauben, daß er das Kind von Korn-stalk oder Korn-planter oder eines andern berühmten Häuptlings, vielleicht gar ein Sohn der großen Schlange selbst ist, und will ihn als einen solchen behandeln, bis er es für passend hält, sich seinen Lockenkopf abzurasiren, ein halb Dutzend Paar meiner besten Ohrenringe zu borgen, seine Büchse auf den Rücken zu nehmen, und eben so plötzlich zu verschwinden, als er zum Vorschein gekommen ist. So komm denn, lieber Vater, und laß uns die Pflichten der Gastfreundschaft nicht vergessen, da er doch vielleicht nur eine kurze Zeit bei uns bleiben wird.“

Richter Temple lächelte über den Scherz seiner Tochter, nahm ihren Arm und führte sie nach dem Frühstückszimmer, wo der junge Jäger bereits saß und durch sein Benehmen zeigte, daß er sich mit so wenig Umständen als möglich in der Familie heimisch zu machen gedachte.

Dieß waren die Verhältnisse, welche die Familie des Richters Temple auf eine so seltsame Weise vergrößerten; und da wir den Jüngling einmal daselbst untergebracht haben, so fordert der Gang unserer Erzählung nun, daß wir vorderhand keine weitere Notiz von dem Fleiß und der Brauchbarkeit nehmen, die er in Marmaduke's Diensten an den Tag legte, sondern die Aufmerksamkeit unsres Lesers andern Gegenständen zuwenden.

Als Major Hartmann's gewöhnliche Besuchzeit vorüber war, nahm er für die nächsten drei Monate Abschied. Herr Grant mußte häufig entferntere Landestheile besuchen, weßhalb seine Tochter fast ohne Unterlaß, ein Gast in dem Herrenhause war. Richard widmete sich mit gewohnter Leidenschaftlichkeit den Obliegenheiten seines Amtes; und da Marmaduke stets mit neuen Gesuchen um Land auf seinem Grund und Boden behelligt ward und daher viel zu thun hatte, so entschwand der Winter rasch. Der See wa' der Hauptbelustigungsort für die jungen Leute, und die Damen brachten manche Stunden auf demselben zu, wenn sie sich von Richard in einem einspännigen Schlitten umherfahren ließen. Auch der junge Edwards gesellte sich, wenn es der Schnee gestattete, hin und wieder der Gesellschaft bei, um sich die reine Luft der Berge zu Nutzen zu machen. Die Zurückhaltung des jungen Mannes wich nach und nach; aber doch konnte es einem aufmerksamen Beobachter nicht entgehen, daß ihn oft bittere Augenblicke beschlichen.

Elisabeth sah in den folgenden drei Monaten viele große Lichtungen an den Seiten der Berge erstehen, da verschiedene Ansiedler daselbst, in der Sprache der Gegend, „ihren Pferch anfgeschlagen hatten,“ während die zahllosen mit Weizen und Potaschenfässern beladenen Schlitten, welche durch das Dorf fuhren, einen deutlichen Beweis lieferten, daß diese Arbeiten nicht in's Blaue hinein unternommen worden waren. Mit einem Worte — die ganze Gegend zeigte das rührige Treiben einer sich hebenden Ansiedelung, wo sich auf den Straßen Fuhrwerke drängten, die bald Hausrath herbeiführten, hin und wieder die lächelnden Gesichter von Weibern und Kindern, welche sich in dem Reiz der Neuheit glücklich fühlten, zeigten, oder, mit den Produkten des Landes beladen, dem allgemeinen Markte in Albany zufuhren — in letzterem Falle eben so viele Schlingen, um Auswanderungslustige in die wilde Gebirgsgegend zu locken, wo sie Glück und Auskommen zu finden hofften. Das Dorf war ein lebendes Bild der Geschäftigkeit. Mit dem Wohlstande der Umgegend nahm auch der der Handwerksleute zu, und jeder Tag war Zeuge einer weiteren Annäherung an die Sitten und Gebräuche einer längst bestehenden Stadt. Der Mann welcher das Postwesen versah, schwatzte viel von seiner Station, und während des Winters sah man ihn wohl ein oder zweimal in seinem Schlitten einen einzelnen Passagier durch die Schneehaufen nach dem Mohawk hin fahren, an welchem wöchentlich zweimal von der Küste aus ein regelmäßiges Fuhrwerk mit Blitzesschnelle und unter kundigem Peitschenknall hin und herging. Gegen den Frühling, zeitig genug, um den Schnee noch zu nützen, kehrten mehrere Familien, welche bei Verwandten in den alten Staaten auf Besuch gewesen, zurück und brachten nicht selten ganze Haufen mit sich, welche sich durch ihre Vorstellungen hatten verleiten lassen, ihre Meiereien in Connecticut und Massachussetts zu verlassen und ihr Glück in den Wäldern zu versuchen.

Diese ganze Zeit über war Oliver Edwards, dessen plötzliche Erhebung in einem so wechselvollen Landstrich keine Ueberraschung erregte, den Tag über emsig in Marmaduke's Diensten beschäftigt, während er die Nächte öfters in Lederstrumpfs Hütte zubrachte. Der Verkehr unter den drei Jägern hatte allerdings etwas Geheimnißvolles, und wurde von den Betheiligten mit lebhaftem Eifer unterhalten, obgleich Mohegan selten und Natty nie in das Herrenhaus kam. Dagegen ersah sich Edwards jeden freien Augenblick, um seinen früheren Aufenthalt zu besuchen, von dem er oft erst spät in der Nacht, oder, wenn er über die gewöhnliche Schlafenszeit der Familie hinaus abgehalten wurde, mit der aufgehenden Morgensonne über den Schnee heimkehrte. Wer um diese Besuche wußte, machte sich allerlei Vermuthungen, ohne daß man sich jedoch darüber äußerte. Richard ausgenommen, der hin und wieder eine halblaute Bemerkung machte. —

„Das darf uns nicht im Geringsten Wunder nehmen,“ konnte er sagen. „Ein Halbwilder ist nie von seiner ungeordneten Lebensweise abzubringen, und im Ganzen ist er für einen Menschen von seiner Abkunft viel civilisirter, als man füglicher Weise erwarten dürfte.“


Загрузка...