Zehntes Kapitel.

Und zum Gebet ruft Eva's sündige Kinder


In ernsten Tönen der metall'ne Mund.

Scott's Bürger.

Richard und Monsieur Le Quoi schlugen, von Ben begleitet, einen mit Schnee bedeckten Fußpfad nach der Akademie ein, während der Richter, der Geistliche und der Major den zwar weiterem aber betreteneren Weg durch das Dorf wählten.

Der Mond war aufgegangen, und seine Scheibe goß ihren Lichtstrom über die dunkeln Umrisse der Fichten, welche das östliche Gebirg krönten. Der Himmel war so klar und hell, wie in manchen andern Gegenden zur Mittagszeit. Die Sterne blinkten in der leuchtenden Atmosphäre, wie das letzte Flimmern eines ersterbenden Feuers, und die Strahlen des Mondes, die sich auf der weißen glatten Oberfläche des See's und der Felder brachen, warfen ein Licht zurück, das durch die fleckenlose Farbe der unermeßlichen Schneemassen, welche die Erde bedeckten, noch erhöht wurde.

Während der Sleigh sich leicht und stetig durch die Hauptstraße bewegte, beschäftigte sich Elisabeth mit Lesen der Inschriften, die fast über jeder Thüre angebracht waren. Mit jedem Schritte, den die Pferde vorwärts thaten, begegneten ihre Augen nicht nur neuen Gewerben, sondern auch Namen, die ihr fremd waren. Sogar die Häuser schienen verändert. Das eine hatte einen neuen Anbau erhalten, das andere war frisch angestrichen, und ein drittes stand an der Stelle eines bekannten, das eben so schnell von der Erde wieder verschwunden war, als man es aufgebaut hatte; aber alle schienen sich ihrer Bewohner entledigt zu haben, denn Männer, Weiber und Kinder strömten nach der Stelle, wo ihrer ein Schaugericht aus Richard's und Benjamin's Kunstküche harrte.

Nachdem unsere Heldin die Gebäude, welche sich allerdings in dem hellen und weichen Mondlichte ziemlich vortheilhaft ausnahmen, genugsam betrachtet hatte, wandte sie ihre Blicke nach den verschiedenen vorbeieilenden Gestalten, ob sie nicht irgend einen Bekannten fände. In ihre Mäntel, Capuzen, Ueberröcke und Krägen gehüllt, schienen sich jedoch alle zu gleichen, und Elisabeths Augen spähten um so mehr vergeblich, da die schnell dahingleitenden Personen großentheils hinter den Schneehaufen, welche man vor den Häusern aufgeschaufelt hatte, um einen Weg zu bahnen, verborgen waren. Ein oder zweimal kam es ihr vor, als bemerkte sie einen bekannten Gang, oder eine Figur, deren sie sich erinnern konnte, aber dann verlor sie dieselbe schnell wieder hinter einem jener ungeheuern Holzhaufen, die fast vor jeder Thüre lagen. Erst als sie von der Hauptstraße in eine zweite einbog, welche die erstere in einem rechten Winkel durchschnitt und geradezu nach dem Versammlungsplatz führte, traf sie auf ein Gesicht und ein Gebäude, die ihr beide nicht fremd waren.

Das Hans stand an einer der Hauptecken des Dorfes und bekundete sich durch den zertretenen Weg vor dem Eingange sowohl, als durch das Schild, das unter den vom See herkommenden Windstößen mit ächzenden Tönen hin und her pendelte, als eines der besuchtesten Wirthshäuser in der Gegend. Das Gebäude war nur einen Stock hoch, aber die Dachfenster, der Anstrich, die Fensterläden und das lustige Feuer, das durch die Thüre sichtbar war, gaben ihm ein behagliches Aussehen, dessen sich nicht viele seiner Nachbarn erfreuten. Das Schild hing an einem gewöhnlichen Bierhausbalken, und stellte einen mit Säbel und Pistolen bewaffneten Reiter vor, der eine Bärenmütze auf dem Kopf trug, während das Thier eben die Vorderfüße zu einer Courbette erhoben hatte.

Alle diese Einzelnheiten ließen sich nebst einer etwas unleserlichen schwarzgemalten Inschrift, aus der jedoch Elisabeth, welche mit der Sache vorher schon vertraut war, ohne viele Mühe die Worte „zum kühnen Dragoner“ entziffern konnte, leicht im Mondlichte unterscheiden.

Als der Sleigh vorüberfuhr, traten eben ein Mann und eine Frau aus der Thüre des Hauses. Der erstere schritt in einer steifen militärischen Haltung, welche durch ein hinkendes Bein noch auffallender gemacht wurde, einher, während die Frau sich mit einer Miene vorwärts bewegte, die keine sonderliche Ehrfurcht vor dem, was ihrer wartete, ausdrückte. Die Strahlen des Mondes fielen gerade auf ihr breites und volles Gesicht, und ließen unter der Garnitur der Haube, welche die Linien eines nicht sehr reinlichen Gesichtes mildern sollte, ziemlich männliche Züge erkennen. Auf dem Hintertheile ihres Kopfes saß ein kleiner, schwarzer, seidener Hut, ohne jedoch das liebenswürdige Antlitz zu beschatten, das sich im Mondlichte fast wie eine im Westen aufgehende Sonne ausnahm. Sie eilte mit männlichen Schritten vorwärts, um den Sleigh einzuholen; der Richter befahl daher dem Namensvetter des griechischen Königs, der die Zügel hielt, mit den Pferden zu halten, worauf sich nun folgendes Gespräch entspann:

„Wünsche Glück und guten Willkomm in der Heimath, Richter,“ rief das Weib mit hartem irischem Accent; „mir wenigstens seyd Ihr immer willkommen. Und da ist auch Miß Lizzy — aber was das für ein hübsches Frauenzimmer geworden ist! Welch' ein Herzweh würde sie nicht den jungen Männern machen, wenn wir so etwas wie ein Regiment im Orte hätten! Doch sollte man nicht von solchen eitlen Dingen reden, wenn uns die Glocke zur Kirche ruft, da sie Einem, ehe man sich's versieht, zur letzten Rechenschaft abrufen kann. Guten Abend, Major! Soll ich Euch diesen Abend eine Bowle Wacholderpunsch bereit halten, oder wollt ihr die erste Nacht Eures Hierseyns, die noch obendrein die Weihnacht ist, in dem großen Hause zubringen?“

„Es freut mich, Euch zu sehen, Frau Hollister,“ sagte Elisabeth, „ich habe mich durch das ganze Dorf nach einem bekannten Gesichte umgesehen und kein einziges bis auf Euch gefunden. Auch Euer Haus ist noch das alte, während alle übrigen soverändert sind, daß ich sie nur noch an ihren Plätzen zu erkennen vermag. Ihr scheint auch das Schild sehr in Ehren zu halten, das ich meinen Vetter Richard malen sah, und auch den Namen untenherum, über den es, wie Ihr wißt, zwischen Euch und ihm zum Streite kam.“

„Ah, Ihr meint den kühnen Dragoner? Und welchen Namen wollte er denn haben, da mein seliger Mann nie unter einem andern bekannt war, wie mein Mann da, der Hauptmann, bezeugen kann? Er machte sich ein Vergnügen daraus, die Gäste zu bedienen und war immer der Vorderste, wo es galt. Aber ach, das hat Alles ein plötzliches Ende genommen; Ich hoffe indeß, daß er Gnade gefunden hat, wenn es mir der Pfarrer Grant auch hundert Mal in Abrede ziehen will. — Ja, ja, der Squire wollte das Schild malen, und da hielt ich es für das Beste, das Gesicht des Verstorbenen zu verewigen, der so oft Gutes und Schlimmes mit uns getheilt hatte. Freilich sind die Augen nicht so groß und so feurig, als die seinen; aber Bart und Mütze gleichen sich wie ein Ei dem andern. Doch ich will Euch nicht länger mit Schwatzen in der Kälte aufhalten, sondern morgen nach dem Gottesdienst einkehren und mich nach Eurem Befinden erkundigen. Es ist unsere Pflicht, von dem Augenblicke den besten Gebrauch zu machen, und das Haus zu besuchen, welches Allen offen steht. Gott behüte Euch und bewahre Euch vor allem Uebel. Soll ich den Geneverpunsch zurichten oder nicht. Major?“

Auf diese Frage antwortete der Deutsche einfach mit ja; und nachdem noch einige Worte zwischen dem Richter und dem Gatten der Dame mit dem rothen Gesicht gewechselt worden waren, bewegte sich der Sleigh weiter. Er erreichte bald die Thüre der Akademie, wo die Gesellschaft ausstieg, um sich in das Gebäude zu verfügen.

Da Herr Jones und seine zwei Gefährten einen weit kürzeren Weg eingeschlagen hatten, so waren sie einige Minuten vor dem Sleigh an Ort und Stelle angelangt. Aber anstatt nach dem Saale zu eilen, um sich an dem Erstaunen der Ansiedler zu weiden, spazierte Richard mit den Händen in den Taschen seines Ueberrocks vor der Akademie auf und ab, als wäre er bei all den prunkvollen Vorbereitungen nicht im Mindesten betheiligt.

Die Dorfbewohner begaben sich mit einem Anstand und einem Ernste, der ihnen bei solchen Anlässen nie fehlte, aber auch mit einer Hast, welche wahrscheinlich in der Neugierde ihren Grund hatte, in das Gebäude. Nur die aus der Nachbarschaft Herbeigekommenen zögerten noch eine Weile, um ihre blauen und weißen Decken über die Pferde zu legen, ehe sie dem Verlangen, das Innere des Hauses zu beaugenscheinigen, nachgaben. Richard näherte sich den meisten dieser Leute, und fragte sie nach dem Befinden ihrer Familien. Er kannte sogar die Namen ihrer Kinder, woraus sich entnehmen ließ, wie vertraut er mit ihren Verhältnissen war, und die Art der Antworten bezeichnete ihn als den allgemeinen Liebling.

Endlich trat ein Fußgänger aus dem Dorfe gleichfalls herbei, und musterte ernsten Blickes ein neues Backsteingebäude, welches, unter den Strahlen des Vollmondes, in schöner Abstufung einen langen Schatten über die Schneefelder warf. Vor der Akademie befand sich ein großer, freier, viereckiger Platz, an dessen Ende die neue und noch unvollendete St. Paulskirche stand. Das Gebäude war während des letzten Sommers auf Subscription — wie man es nannte — errichtet worden, obgleich bei weitem die Mehrzahl des Geldes aus Templeton's Kasse floß. Es hatte seine Entstehung der Ueberzeugung von der Nothwendigkeit zu danken, einen schicklicheren Ort, als den Saal der Akademie, für die Gottesverehrung zu besitzen, wobei man der gemeinsamen Hoffnung lebte, daß nach Vollendung der Kirche die Entscheidung der Frage, welchem Glaubensbekenntnisse sie anheimfallen sollte, dem Volke anheimgegeben würde. Natürlich veranlaßte diese Aussicht eine lebhafte Aufregung unter einigen Sectirern, die sich bei der Sache für wesentlich betheiligt erachteten, obgleich öffentlich nur wenig darüber gesprochen wurde. Hätte sich der Richter Temple entschieden für irgend eine der verschiedenen Secten erklärt, so wäre der Streit schnell abgethan gewesen, da sein Einfluß zu mächtig war, um mit Erfolg gegen ihn ankämpfen zu können. So aber enthielt er sich jeder Einmischung, indem er es sogar entschieden verweigerte, den Einfluß Richard's durch das Gewicht seines Namens zu verstärken, trotz dem, daß dieser dem entsprechenden Bischof bereits die geheime Mittheilung gemacht hatte, Kirche und Gemeinde würden sich glücklich schätzen, in den Schooß der protestantisch-bischöflichen Kirche aufgenommen zu werden. Sobald indeß die Neutralität des Richters öffentlich bekannt war, fand Herr Jones, daß er gegen ein störriges Volk anzukämpfen hatte. Er versuchte es daher zuvörderst, die Bewohner des Dorfes durch Vernunftgründe für seine Ansicht zu gewinnen, indem er sie in ihren Häusern besuchte und theologische Controverse-Predigten hielt, welche auch geduldig und ohne ein Wort der Erwiederung angehört wurden, so daß Richard am Schlusse seiner Wanderung der Ansicht war, die Sache stehe entschieden zu seinen Gunsten. Um daher das Eisen zu schmieden,

so lange es noch heiß wäre, ließ er durch den Templetoner Anzeiger eine Versammlung ausschreiben, damit die Frage mit einem Male durch die Abstimmung bereinigt würde. Aber keine Seele erschien; und so wurde einer der drückendsten Nachmittage, den Richard je erlebt hatte, in einer zu nichts führenden Diskussion des genannten Herrn mit Frau Hollister verbracht, welche steif und fest behauptete, die methodistische Kirche (zu der sie selbst gehörte) sey die beste, und verdiene daher am allerehesten in den Besitz des neuen Gotteshauses zu kommen. Richard bemerkte jetzt, daß er zu sanguinisch in seinen Hoffnungen gewesen und in den Irrthum verfallen sey, dem sich alle diejenigen leicht aussetzten, welche ohne gehörige Sachkenntniß mit diesem klugen und vorsichtigen Volke verkehrten. Er suchte daher sich so gut als möglich zu verstellen, um auf diesem Wege Schritt für Schritt seinem Ziele näher zu kommen.

Das Geschäft der Errichtung des Gebäudes war einstimmig Herrn Richard und Herrn Hiram Doolittle übertragen worden. Aus ihren Händen war bereits das Haus des Richters, die Akademie und das Gefängniß hervorgegangen, und sie allein wußten den Plan zu einem Gebäude und die Ausführung desselben zu leiten. Gleich anfangs hatten die beiden Architekten ihre Obliegenheiten in einer Weise getheilt, daß der Erstere die Fertigung der Pläne übernahm, während dem Letzteren das Amt anheimfiel, den materielleren Theil, nämlich das Bauwesen selbst, zu leiten.

Richard nahm seines Vortheils wahr, und entschloß sich ganz in der Stille, als ersten entschiedenen Schritt zur Durchführung seiner Wünsche, die Fenster im römischen Style construiren zu lassen. Da das Gebäude in Backsteinen aufgeführt wurde, so konnte er seinen Plan verhehlen, bis der Augenblick kam, wo die Rahmen eingesetzt werden sollten. Nun wurde es aber in der That nöthig zu handeln. Er theilte mit großer Behutsamkeit Hiram seine Absicht mit, ohne jedoch auf den spirituellen Theil derselben einzugehen, indem er der Sache blos von Seite der architektonischen Schönheit mit Wärme das Wort redete. Hiram hörte ihm geduldig zu, ohne sich eine Gegenrede zu erlauben — ein Umstand, der Herrn Jones über die wahren Ansichten seines Gegners hinsichtlich dieses wichtigen Gegenstandes ganz im Unklaren ließ. Da indeß die Entwerfung des Planes ausdrücklich Richard zugewiesen war, so durfte natürlich keine Einsprache dagegen statthaben, obgleich ihm bei der Ausführung zahllose, unerwartete Hindernisse in den Weg gelegt wurden. Das erste bestand in der Seltenheit des rechten Materials, dessen man für die Fensterrahmen bedurfte, wogegen jedoch augenblicklich dadurch abgeholfen wurde, daß Richard ihre Länge um zwei Fuß verkürzte. Dann kam der Kostenpunkt zur Sprache; aber er erinnerte Hiram an die Kassen seines Vetters, denen er als Schatzmeister vorstand, — eine Andeutung, die das gehörige Gewicht übte; und so nahm denn nach einer stummen und in die Länge gezogenen, wiewohl fruchtlosen Opposition, das Werk seinen Fortgang nach dem ursprünglichen Plane.

Eine weitere Schwierigkeit veranlaßte der Thurm, welchen Richard nach dem Modell eines der kleineren Thürme, welche die große Londoner Kathedrale zieren, erbaut haben wollte. Die Nachahmung sah allerdings etwas verkrüppelt aus, da man es mit den Proportionen nicht sehr genau genommen; aber nach vielen Schwierigkeiten hatte Herr Jones endlich die Freude, einen Gegenstand aufgerichtet zu sehen, der in seinen Umrissen die schlagendste Aehnlichkeit mit einem Essigfläschchen nachwies. Hiegegen hatte man weniger einzuwenden, als gegen die Fenster, denn die Ansiedler liebten das Neue und ihr Thurm hatte sicherlich nicht seinesgleichen.

So weit waren die Arbeiten des Sommers gediehen, und die schwierige Frage über die innere Einrichtung blieb für eine weitere Berathung ausgesetzt. Richard sah wohl ein, daß sein Geheimniß verrathen wäre, sobald er die Kanzel und den Chor zur Sprache brächte, da derartige Vorkehrungen in keiner Kirche des Landes, als in den bischöflichen üblich waren. Er verfolgte indeß die bereits erwähnten Vortheile weiter, und nannte das Gebäude kühlt St. Paulskirche — was sich Hiram klüglich gefallen ließ, indem er sie nur mit einem kleinen Zusatze, zur „neuen St. Paulskirche“ umgewandelt sehen wollte, denn er fühlte weniger Abneigung gegen den von der englischen Cathedrale genommenen Titel, als gegen den Namen des Heiligen. — Der oben erwähnte Fußgänger, welcher sich das Gebäude betrachtete, war Niemand anders, als der von uns so häufig nahmhaft gemachte Herr, oder Squire Doolittle. Er war ein hoher, kräftiger Mann mit scharfgeschnittenen Zügen und einem Gesichte, in dem sich förmlicher Anstand und Verschmitztheit ausdrückten. Richard trat nebst Monsieur Le Quoi und dem Major-domo auf ihm zu.

„Guten Abend, Squire.“ sagte Richard mit dem Kopfe nickend, ohne jedoch die Hände aus den Rocktaschen zu ziehen.

„Guten Abend, Squire.“ entgegnete Hiram indem er sich umwandte und gleichfalls mit dem Kopfe nickte.

„Es gibt eine kalte Nacht, Herr Doolittle.“

„Allerdings etwas frisch,“ meinte Hiram — „verwünscht frisch!“

„Ihr betrachtet unsere Kirche? Ja, sie nimmt sich im Mondlicht nicht übel aus. Wie prächtig die Zinnbedeckung der Kuppel glänzt. Ich wette, die der andern St. Paul macht sich in Londons Rauch nie so lieblich.“

„Ja das Versammlungshaus ist recht hübsch anzusehen,“ entgegnete Hiram; „ich denke Monschür Ler Quow und Herr Penguilliam werden das zugeben.“

„Gewiß,“ rief der höfliche Franzose; „es is serr schön.“

„Ich dachte mir's, daß Monschür so sagen würde. Der letzte Syrup, den wir von Euch hatten, war ausgezeichnet gut. Es wird dessen wohl noch mehr zu bekommen seyn?“

Ah! oui; ja Sir, „ entgegnete Monsieur Le Quoi mit einem leichten Achselzucken und einer nichtssagenden Geberde; „es gibt noch mehr. Ich fühl mich serr glüchlich, daß er is nach Ihr Geschmack. Ich hoffe, saß Madame Dolicht sich befind wohl?“

„Wenigstens rührig genug,“ erwiederte Hiram. „Hat der Squire die Pläne für das Innere des Hauses noch nicht beendigt?“

„Nein — nein — nein,“ versetzte Richard rasch, indem er jedoch zwischen jeder Verneinung eine bedeutungsvolle Pause machte; „das fordert Nachdenken. Es gibt viel Raum auszufüllen, und ich fürchte, wir werden nicht wissen, wie er vortheilhaft verwendet wird. Wir haben einen großen freien Platz um die Kanzel herum, die ich übrigens nicht an der Wand anzubringen beabsichtige, wie ein Schilderhaus an der Seite eines Forts.“

„In der Regel wird der Stuhl des Hülfsgeistlichen unter der Kanzel angebracht,“ sagte Hiram. Dann aber fügte er, als hätte er sich bereits zu viel herausgenommen, bei: „Doch jedes Land hat seine besondere Sitte.“

„Da haben Sie recht,“ rief Benjamin. „So kann man zum Beispiel an der Küste von Spanien und Portugal an jeder Ecke ein Nonnenkloster sehen, das mehr Thürme und Wetterfahnen hat, als man an Vord eines dreimastigen Schooners Stengen findet. Wenn man einmal eine gutgebaute Kirche will, so ist es im Grunde doch m besten, in Altengland die Modelle zu holen, und sich nach der dortigen Sitte zu richten. Die Paulskirche habe ich freilich nie gesehen, weil sie von der Radcliffestraße und von den Docken zu entfernt liegt; aber doch weiß Jedermann, daß es das herrlichste Gebäude der Art in der ganzen Welt ist. Was übrigens unsere Kirche hier betrifft, so will ich gerade nicht sagen, daß sie der dortigen nachsteht, denn ich glaube nicht, daß sie ihr an einem Ende so ähnlich sieht, wie der Nordkaper einem grönländischem Walfisch; und doch ist hier der ganze Unterschied nur in der Größe, Monschür Ler Quaw hier hat sich in fremden Ländern umgesehen, und obgleich dieß etwas Anderes ist, als wenn man immer zu Hause bleibt, so muß er doch in Frankreich auch Kirchen gesehen haben, und sich daher einen kleinen Begriff machen Können, was eigentlich zu einer Kirche gehört. Ich frage daher Monschür, ob sie nicht ein ganz hübsches kleines Ding ist.“

„Es ist serr geeignet für die Umständ,“ sagte der Franzose — „sehr viel Umsicht — aber es gibt in die katholische Land, daß sie bau hier — wie heißt's — a — a — a — la grande Câthedrale — die groß Dom. Saint Paul à Londres is serr schön — très belle, très grande — was sie nenn groß; aber Monsieur Ben, pardonnez-moi, sie is noch nich so viel als Notre Dame.

„Ah Monschür, was sagen Sie da!“ rief Benjamin — „die Sanct Paulskirche nicht so viel als eine Damm? Vielleicht glauben Sie auch, der königliche Billy sey kein so gutes Schiff, als der Billy von Paris? Und doch schmiert er zwei solche aus, sey das Wetter wie es wolle.“

Da Benjamin eine ziemlich drohende Stellung angenommen hatte, und mit seiner Hand, an der er ein Ueberbein, halb so groß als Monsieur Le Quoi's Kopf hatte, in der Luft umherfuchtelte, so hielt es Richard für zeitgemäß, sein Ansehen geltend zu machen.

„Still, Benjamin, still!“ sagte er; „Ihr habt Monsieur Le Quoi nicht recht verstanden, und vergeßt Euch. — Doch da kömmt Herr Grant. Gehen wir hinein, ehe der Gottesdienst anfängt.“

Der Franzose, welcher Benjamins Erwiederung in der humoristischen Weise des guten Tones hingenommen hatte, die kein anderes Gefühl, als das des Mitleids mit der Unwissenheit in ihm aufkommen ließ, verbeugte sich zustimmend und folgte seinem Begleiter.

Hiram und der Majordomo bildeten den Nachtrab. Letzterer brummte übrigens noch, als er das Bethaus betrat:

„Wenn der König von Frankreich eine Residenz hat, die sich mit Sankt Paul messen kann, so will ich sie fressen. Nein, es ist mehr, als Fleisch und Blut ertragen kann, wenn ein Franzose so über eine englische Kirche abspricht. Squire Doolittle, ich habe einmal zwei von ihnen an einem Tage ausgepeitschen helfen — hübsch gebaute, nette Fregatten mit stehenden Bramsegeln und neumodischem Geschütz vor ihren Pforten — mein Seel, wenn sie nur Engländer an Vord gehabt hätten, sie hätten's mit dem Teufel aufnehmen können.“

Mit diesen ominösen Schlußworten im Munde trat Benjamin in die Kirche.


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