26

Hitze stieg in dunstigen Wogen von dem Grasland östlich des Waldes von Drey auf. Die Mittagssonne hing wie ein Feuerball am wolkenlosen Himmel, und die Luft war erfüllt vom Geruch und dem Geschmack von Schweiß und Staub. Wren Elessedil lag flach auf dem Kamm eines Hügels und beobachtete, wie sich die Föderationsarmee wie ein langsames, vielbeiniges Insekt ihren Weg über die Ebenen erkämpfte.

Geistlos und beharrlich, dachte sie freudlos.

Sie machte sich nicht die Mühe, zu den anderen hinüberzuschauen – zu Triss, Erring Rift und Desidio. Sie wußte bereits, was sie auf ihren Gesichtern sehen würde. Sie wußte bereits, was sie dachten.

Sie beobachtete das Voranschreiten der Föderation schon seit mehr als einer Stunde – nicht in der Erwartung, etwas Wichtiges zu erfahren, sondern aus der Notwendigkeit heraus, etwas zu tun. Die Elfen waren in Schwierigkeiten. Die Föderation hatte ihren Marsch gen Norden zum Rheen vor zwei Tagen wiederaufgenommen, und die Zeit wurde knapp. Barsimmon Oridio hatte die Mobilisierung und Ausrüstung der Hauptarmee der Elfen schließlich beendet und war in aller Eile östlich zum Paß marschiert. Daher würden die Elfen mindestens drei Tage vor dem Feind in den Rhenn gelangen. Aber die Elfen waren der Föderation noch immer zehn zu eins unterlegen, und jeder direkte Angriff würde mit einer vernichtenden Niederlage enden. Schlimmer noch, die Kriecher zogen ebenfalls heran. Sie waren jetzt näher als zuvor und holten die langsameren Südländer schnell ein. In vier, vielleicht fünf Tagen würden die Kriecher sie erreichen und zu ihrer Vorhut werden, der Vorstoß einer Such-und-Vernichtungs-Aktion. Wenn das geschah, war das das Ende der Elfen.

Wren spürte, wie Hoffnungslosigkeit an ihr nagte, und schob sie verärgert beiseite.

Was kann ich tun, um mein Volk zu retten?

Sie konzentrierte sich erneut auf die vorankriechende Armee und versuchte nachzudenken. Ein weiterer nächtlicher Überfall stand außer Frage. Die Föderation war jetzt vorbereitet und ließ sich nicht ein zweites Mal im Schlaf überraschen. Kavalleriepatrouillen ritten Tag und Nacht rund um die Armee herum und suchten das Land nach Hinweisen auf die Elfen ab. Einmal oder zweimal hatten sich eher dreiste als kluge Reiter sogar bis an die Wälder vorgewagt. Wren hatte sie vorüberreiten lassen. Die Elfen waren mit den Bäumen verschmolzen und in den Schatten unsichtbar geblieben. Sie wollte nicht, daß die Föderation erfuhr, wo sie waren. Sie wollte ihnen nichts geben, was sie ihnen nicht geben mußte. Nicht, daß es wichtig gewesen wäre. Die Patrouillen hielten sie in Schach, und Wachposten wurden bis auf eine Viertelmeile außerhalb des Lagers aufgestellt, wenn die Dunkelheit hereinbrach. Die Flugreiter konnten von oben hereingelangen, aber sie wollte ihre wertvollste Waffe nicht aufs Spiel setzen, wenn sie keine anderen Kräfte mehr in Reserve hatte.

Außerdem war es unwichtig, was sie gegen die Föderationsarmee unternahm, wenn sie nicht zuvor einen Weg fand, die Kriecher aufzuhalten. Obwohl sie noch immer ein Stück weit entfernt waren, waren sie doch die gefährlichste und unmittelbarste Bedrohung. Wenn sie zuließ, daß sie den Rhenn oder auch die Westlandwälder direkt südlich von ihnen erreichten, würde nichts mehr sie daran hindern können, sich einen Weg direkt bis nach Arborlon zu bahnen. Die Kriecher würden sich nicht die Mühe machen, eine in die Stadt hineinführende Straße zu suchen. Sie würden sich nicht mit Hinterhalten und Fallen aufhalten. Sie brauchten keine Kundschafter oder Patrouillen, um den Feind ausfindig zu machen. Die Kriecher würden die Elfen finden, wo auch immer sie sich verbergen würden, und sie auf die gleiche Art vernichten, wie sie fünfzig Jahre zuvor die Zwerge vernichtet hatten. Wren kannte die Geschichten. Sie wußte, was für einem Feind sie gegenüberstanden.

Der Schweiß lag auf ihrem Gesicht wie eine feuchte Maske. Sie atmete langsam aus, gab den anderen ein Zeichen und begann sich von dem Hügel zurückzuziehen. Als sie sich erneut im sicheren Schutz der Bäume befanden, erhoben sie sich und gingen zu der Stelle, an der ihre Pferde von Elfenjägern festgehalten wurden. Niemand sprach. Niemand hatte etwas zu sagen. Wren führte sie an und versuchte den Eindruck zu vermitteln, als hätte sie etwas geplant, auch wenn das nicht der Fall war. Sie war besorgt, daß sie das Vertrauen verlieren könnte, das sie sich mit dem Angriff vor drei Nächten erworben hatte, Vertrauen, das sie brauchte, wenn sie die Ereignisse auch dann noch unter Kontrolle halten wollte, wenn erst Barsimmon Oridio hier eintraf. Sie war Königin der Elfen, sagte sie sich. Aber sogar eine Königin konnte versagen.

Sie saßen auf und ritten zum Elfenlager zurück. Wren dachte an all das zurück, was seit dem Kommen Coglines geschehen war, und fragte sich, was aus dem alten Mann geworden war – und was aus den anderen geworden war, die er am Hadeshorn versammelt hatte, um mit dem Schatten Allanons zu sprechen. Sie verspürte ein schwaches Gefühl des Bedauerns, weil sie so wenig über deren Schicksale wußte. Vielleicht sollte sie sie suchen, sie aufspüren und ihnen die Wahrheit über den Ursprung der Schattenwesen mitteilen. Sie hielt es für wichtig, daß sie sie erführen. Etwas davon, wer und was die Schattenwesen waren, würde zu ihrer Vernichtung führen. Soviel hatte Allanon gewußt, wie sie glaubte. Aber wenn er es gewußt hatte, warum hatte er es ihnen dann nicht einfach erzählt? Sie schüttelte den Kopf. Es war sicherlich komplizierter als das. So mußte es sein. Aber war das nicht alles bei diesem Kampf?

Sie erreichten das Lager der Vorhut, das mehrere Meilen nördlich errichtet worden war, stiegen ab und gaben ihre Pferde in die Obhut der Jäger. Wren zog sich ein wenig zurück, noch immer ohne etwas zu sagen, nahm sich von einem Tisch etwas zu essen, nicht weil sie hungrig war, sondern weil sie wußte, daß sie essen mußte, setzte sich allein an das Ende einer Bank und ließ den Blick in die Bäume abschweifen. Die Antworten waren irgendwo dort draußen, sagte sie sich. Sie dachte noch immer, daß sie irgendwie an die Vergangenheit geknüpft waren, daß sich die Geschichte wiederholte, daß man aus dem lernen konnte, was zuvor geschehen war. Morrowindls Lektionen zogen in Form lebloser Gesichter und kurzer Bilder von unendlichen Opfern an ihren Augen vorbei. So vieles hatte aufgegeben werden müssen, um die Elfen sicher aus dieser Todesfalle herauszubringen. Es konnte nicht nur dafür gewesen sein. Es mußte noch für etwas anderes gewesen sein, als hier zu sterben anstatt dort.

Sie sehnte sich plötzlich nach Garth. Sie vermißte seine beruhigende Gegenwart, die Art, wie er jedes Problem angehen und es lösbar erscheinen lassen konnte. Egal, wie düster alles geworden war, Garth hatte immer weitergemacht, hatte sie mitgezogen, wenn sie klein war, hatte sie führen lassen, wenn sie gewachsen war. Sie vermißte ihn so. Tränen traten in ihre Augen, und sie wischte sie unsicher fort. Sie würde nicht wieder um ihn weinen. Sie hatte versprochen, es nicht zu tun.

Sie erhob sich und brachte ihren Teller zu dem Tisch zurück, während sie sich nach Erring Rift umsah. Sie würde erneut gen Süden fliegen, beschloß sie, um einen weiteren Blick auf die Kriecher zu werfen. Es mußt eine Möglichkeit geben, sie aufzuhalten oder zumindest zu behindern. Vielleicht würde sich von selbst etwas ergeben. Es war eine schwache Hoffnung, aber es war alles, was sie hatte. Sie wünschte, Tiger Ty wäre hier. Er bot ein wenig von jener Beruhigung, die sie bei Garth erfahren hatte. Aber der knorrige Flugreiter war von seiner Suche nach den Geächteten noch nicht zurückgekehrt, und die Geächteten zur Hilfe der Elfen herzubringen, war wichtiger, als ihr Trost zu spenden.

Sie erblickte Rift und rief ihn herüber.

»Wir werden aufsteigen, um noch einmal einen Blick auf die Kriecher zu werfen«, verkündete sie mit entschlossenem Blick, während sie ihn ansah. Sein bärtiges Gesicht umwölkte sich. »Ich muß es tun. Streitet nicht mit mir.«

Rift schüttelte den Kopf. »Das würde mir nicht im Traum einfallen«, murmelte er. »Mylady.«

Sie nahm seinen Arm und führte ihn durch das Lager. »Wir werden nicht lange draußen bleiben. Laßt uns einfach nachsehen, wo sie sind, in Ordnung?«

Obsidianfarbene Augen schauten zu ihr herüber und wieder fort. »Sie sind verflixt zu nah, das ist es, wo sie sind. Das wissen wir bereits beide.« Er rieb seinen Bart. »Das ist kein Geheimnis. Wir müssen sie aufhalten. Ihr habt nicht zufällig einen Plan dafür, nicht wahr?«

Sie lächelte ihn zaghaft an. »Ihr werdet es als erster erfahren.«

Sie gingen auf die Lichtung zu, auf der die Rocks standen, als Tib Arne atemlos und rot im Gesicht auf sie zugerannt kam.

»Mylady! Mylady! Fliegt Ihr mit einem der großen Vögel? Nehmt Ihr mich dieses Mal mit, bitte? Das nächste Mal, wenn Ihr hinauffliegt, würdet Ihr mich mitnehmen, sagtet Ihr. Bitte? Ich bin es müde, herumzusitzen und nichts zu tun.«

Sie wandte sich um und sah ihn an. »Tib«, begann sie.

»Bitte?« bat er und blieb abrupt vor ihr stehen. Er strich seine blonde Haarmähne zurück. Seine blauen Augen funkelten aufgeregt. »Ich werde Euch keine Schwierigkeiten bereiten.«

Sie sah Rift an, der sie düster und warnend anblickte. Aber sie fühlte sich ausgelaugt und seltsam losgelöst von allem, und sie mußte ihre Perspektive wiedergewinnen. Warum nicht? dachte sie. Vielleicht würde es helfen, Tib dabeizuhaben. Vielleicht würde es etwas bewirken.

Sie nickte. »In Ordnung. Du kannst mitkommen.« Tibs Lächeln verbreitete sich von einem Ohr zum anderen. Es entsprach fast Erring Rifts Stirnrunzeln.

Sie flogen vor dem Hintergrund der Berge südwärts und hielten sich tief und dicht über dem Land. Sie flogen an der sich vorwärts mühenden, sich in einer dichten Staubwolke in einer Kette über die kargen Ebenen hinziehenden Föderationsarmee entlang und dann weiter an der öden Weite der Matted Brakes vorbei auf das blaue Band des Mermidon zu. Der Wind blies ihnen in tröstlichen, kühlenden Wogen entgegen, und das Land breitete sich als Flickwerk von Erdenfarben unter ihnen aus. Teiche und Flüsse reflektierten das Sonnenlicht in blitzenden Einsprengseln. Wren saß zwischen Erring Rift und Tib. Sie konnte die Anspannung an dem Jungen spüren, als er sich bemühte, an Grayls Schwingen vorbei hinabzusehen, als er das Land in sich aufnahm, zuerst die eine und dann die andere Seite absuchte, während kleine Ausrufe der Begeisterung seinen Lippen entschlüpften. Sie lächelte und verlor sich in Erinnerungen.

Nur einmal kehrten ihre Gedanken zur Gegenwart zurück. Das zweite Mal hintereinander hatte sie Faun auf einem Flug mit Erring Rift nicht mitgenommen. Faun hatte darum gebeten, mitkommen zu dürfen, und sie hatte es ihm verweigert. Vielleicht hatte sie Angst um den Baumschreier und befürchtete, daß er vom Rücken des Rock herabfallen würde. Vielleicht war es aber auch noch etwas anderes. Sie war sich wirklich nicht sicher.

Die Stunden vergingen. Sie erreichten den Pykon, flogen das gewundene Flußbett des Mermidon hinauf und eilten gen Süden. Noch immer kein Zeichen von den Kriechern. Wren suchte das Land ab. Sie befürchtete, daß die Monster die Bäume erreicht hatten, wo man sie nicht mehr verfolgen könnte. Aber Sekunden später flammte ein Schimmern von Metall aus der Ferne herüber, und Erring Rift führte Grayl in weitem Bogen vom Mermidon fort und näher an die Berge im Westen heran. Sie hielten sich an die Felsen, als sie sich den Kriechern näherten, die der Föderationsarmee östlich des Flusses folgten. Wren beobachtete, wie die Insektenwesen unermüdlich durch die Hitze und den Staub zogen. Monster, die unmenschlichen Herren und Bedürfnissen dienten, die niemals zu rechtfertigen waren. Sie dachte an die Wesen, die sie auf Morrowindl hinter sich gelassen hatte, und erkannte, daß sie sie gar nicht wirklich zurückgelassen hatte. Die dunklen Wesen, die die Elfenmagie dort geschaffen hatte, waren hier einfach in neuer Form wiedererschaffen worden. Die Geschichte wiederholt sich erneut, dachte sie. Welche Lektionen sollte sie also lernen?

Sie flogen zweimal vorüber, und dann ließ Wren Erring Rift auf einer Klippe inmitten einer Reihe bewaldeter Vorberge landen, die sich an das Rock-Spur-Gebirge anlehnten. Von dort konnten sie das Voranschreiten der Kriecher beobachten, während sich diese über das Grasland vorwärts arbeiteten, indem sie ihre vielen Beine in stetigem Rhythmus hoben und senkten.

Wren ließ sich kommentarlos nieder. Tib Arne saß neben ihr, die Knie hochgezogen, die Arme um die Beine geschlungen, das Gesicht angespannt, während er zu den Kriechern hinausschaute. Kriecher. Sie formte das Wort, ohne es auszusprechen. Wie konnten sie aufgehalten werden? Sie grub die Hacken ihrer Stiefel in den Boden, während sie nachdachte. Hinter ihr überprüfte Erring Rift Grayls Geschirr. Wind blies sanft durch die Bäume und umschmeichelte tröstlich und kühl ihre Haut. Sie dachte an den Wisteron, jenen entfernten Verwandten der Kriecher, der schließlich nahe der Stelle, an der er sein Lager errichtet hatte, im Schlamm versunken war.

Rift berührte ihre Schulter und reichte ihr einen Wasserschlauch herab. Sie nahm ihn, trank daraus und bot ihn Tib an, doch der lehnte ab. Sie erhob sich, trat mit Rift zum Rand der Erhebung und beobachtete erneut die Kriecher. Was gab es dort draußen, was diese Wesen verletzen konnte? Aßen und schliefen sie wie andere Wesen? Brauchten sie Wasser? Brauchten sie Luft zum Atmen?

Sie wischte sich den Schweiß vom Gesicht.

»Wir sollten zurückfliegen«, sagte Rift ruhig.

Sie nickte, rührte sich aber nicht. Unter ihnen mühten sich die Kriecher weiter voran. Das Sonnenlicht glitzerte auf ihren Rüstungen, und Staub stieg unter ihren schweren Schritten auf.

Der Wisteron, dachte sie. In der Erde versunken.

Sie blinzelte. Da war etwas für sie, erkannte sie. Etwas Nützliches...

Auf einmal hörte sie ein vertrautes, leises Pfeifen und begann sich umzuwenden. Tib Arne tauchte neben ihr auf, blond und blauäugig, lächelnd und aufgeregt. Er kam lachend heran und deutete auf die Ebenen hinaus. »Seht.«

Sie schaute in den Dunst hinaus und sah nichts.

Neben ihr stieß Erring Rift ein scharfes Geräusch aus und taumelte vorwärts. Hinter ihnen erklang ein schwerer Schlag und dann ein Schrei, der ihr das Blut gefrieren ließ.

Sie wandte sich um, als etwas gegen ihren Kopf schlug, und dann wurde alles schwarz. Weit im Osten hatten die Drachenzähne im späten Nachmittagslicht bereits ihre Schatten zu werfen begonnen. Tiger Ty ritt Spirit auf einem milden, stetigen Wind, der sie nordwärts über die höchste Spitze hinweg zu den verdorrten und versengten Ebenen brachte. Der Tag des Flugreiters war fruchtlos verlaufen – genauso wie jeder der anderen Tage, seit er sich auf die Suche nach den Geächteten begeben hatte. Von der Morgen- bis zur Abenddämmerung suchte er das Land nach einem Hinweis auf die versprochene Armee ab und fand nichts. Überall waren Föderationspatrouillen, einige von beträchtlicher Größe wie diejenige, die den Paß am Südende der Berge versperrte. Er hatte Spirit eine Zeitlang zurückgelassen, um sich auf den Straßen mit einigen Leuten zu unterhalten und nach Neuigkeiten fragen zu können. Er hatte dabei von einem Gefängnisausbruch in einer Stadt namens Tyrsis erfahren, jener Stadt, in der der Anführer der Geächteten, Padishar Creel, bis zu seiner Hinrichtung gefangengehalten worden war. Es war seinen Gefolgsleuten jedoch gelungen, ihn zu befreien. Das war eine ziemlich große Leistung gewesen, und jedermann sprach darüber. Aber niemand schien zu wissen, wo er sich jetzt befand oder wo irgendein anderer der Geächteten zu finden war.

Oder zumindest sagten sie es nicht.

Die Tatsache, daß Tiger Ty ein Elf war und fast nichts über die Vier Länder wußte, war bei dieser Angelegenheit nicht gerade hilfreich. Durch sein Nichtwissen eingeschränkt, mußte er blind suchen. Er hatte schließlich herausgefunden, daß sich die Geächteten wahrscheinlich in den Bergen, die er jetzt überflog, niedergelassen hatten, aber die Gipfel lagen weit auseinander, und es gab so viele mögliche Verstecke, daß er fünfzig Jahre hätte suchen können, ohne jemanden zu entdecken.

Allmählich begann er zu glauben, daß es hoffnungslos war. Aber er hatte Wren sein Versprechen gegeben, daß er die Geächteten finden würde, und er war nicht weniger entschlossen, als sie es gewesen war, als sie nach Morrowindl geflogen war, um die Elfen zu suchen.

Er schaute auf das karge, verbrannte Felsgestein hinab, und sein ledriges Gesicht furchte sich düster. Es sah alles gleich aus. Es gab nichts zu sehen. Als sich die Berge weiter nach Norden erstreckten, lenkte er Spirit nach links und flog dieselbe Strecke noch einmal ab. Er hatte diese gleiche Schleife jetzt schon zweimal gezogen, wobei er jedesmal einen etwas abgeänderten Kurs einschlug, so daß er einen neuen Streifen des weiten Landes überprüfen konnte, obwohl er sich auch bewußt war, daß es noch immer Hunderte von Stellen gab, die er nicht einsehen konnte.

Sein Körper verkrampfte sich vor Enttäuschung und Müdigkeit. Wenn es dort draußen eine Geächtetenarmee gab, warum war sie dann so verdammt schwer zu finden?

Er dachte einen Moment an Wren und die Landelfen, und er fragte sich, ob sich die Föderationsarmee ausreichend erholt hatte, um sie weiterhin zu verfolgen. Er lächelte, als er sich an den Nachtangriff erinnerte. Das Mädchen war in Ordnung. Sie war ganz Entschlossenheit und Härte. Kaum erwachsen und schon eine Anführerin. Die Landelfen, dachte er, würden genau so weit gehen, wie sie ihr erlaubten, sie zu führen. Wenn sie ihr nicht zuhörten, wären sie einfältig jenseits...

Ein Lichtblitz aus den Felsen unter ihm unterbrach seine Gedanken. Er schaute intensiv nach unten. Der Blitz flammte schnell und gewiß erneut auf. Ein Signal, ganz sicher. Aber von wem? Tiger Ty stieß Spirit an und flog einen Bogen, damit er besser überprüfen konnte, worauf sie zuflogen. Der Blitz flammte ein drittes und viertes Mal auf und hielt dann inne, als sei derjenige, der ihn ausgelöst hatte, zufrieden, daß er gesehen worden war. Die Quelle des Signals war eine Klippe hoch oben im nördlichen Zentralmassiv, und als er sich näherte, konnte er eine Gruppe von vier Männern inmitten der Klippe stehen und warten sehen. Sie waren draußen im Freien und versuchten nicht, sich zu verbergen. Es schien nicht so, als seien noch andere in der Nähe oder als seien Plätze vorhanden, an denen sich andere hätten verbergen können. Ein gutes Zeichen, dachte der Flugreiter. Aber er würde dennoch vorsichtig sein.

Er ließ Spirit auf der Klippe landen, war aber auf jede Täuschung vorbereitet. Der riesige Rock kam ein gutes Stück von den vier Männern entfernt am Rand zum Stehen. Tiger Ty setzte sich einen Moment lang dort hin, wo er war, und betrachtete das Gelände. Die Männer warteten geduldig. Tiger Ty sah sich um, löste dann die Haltegurte und kletterte von Spirit herab. Er ermahnte ihn zur Vorsicht und schlenderte über eine Fläche trockenen Riedgrases und zerbrochenen Gesteins gemächlich auf die Gruppe zu. Zwei der vier Männer kamen ihm entgegen, einer groß und hager und wie aus Stein gemeißelt, der andere schwarzbärtig und wild. Der größere hinkte.

Als sie nur noch weniger als sechs Schritte voneinander entfernt waren, blieb Tiger Ty stehen. Die beiden Männer taten es ihm gleich.

»War das Euer Signal?« fragte Tiger Ty.

Der größere nickte. »Ihr seid nun schon zwei Tage lang hier vorübergeflogen und habt etwas gesucht. Wir haben beschlossen, daß es an der Zeit sei, herauszufinden, was Ihr sucht. Die Legende sagt, daß nur Flugreiter die riesigen Rocks fliegen. Stimmt das? Kommt Ihr von den Elfen?«

Tiger Ty verschränkte die Arme. »Das kommt darauf an, wer fragt. Es gibt viele Leute, denen man in diesen Zeiten nicht trauen kann. Seid Ihr welche davon?«

Der schwarzbärtige Mann errötete und trat einen Schritt vor, aber ein Blick des anderen ließ ihn innehalten. »Nein«, antwortete er und hob fragend eine Augenbraue. »Und Ihr?«

Tiger Ty lächelte. »Das Spiel könnte vermutlich noch eine Weile fortgeführt werden, nicht wahr? Seid Ihr Geächtete?«

»Jetzt und auf ewig«, sagte der große Mann.

»Dann seid Ihr es, die ich suche. Man nennt mich Tiger Ty. Ich bin von Wren Elessedil, der Königin der Landelfen, gesandt worden.«

»Dann sind die Elfen wahrhaftig zurückgekehrt?«

Tiger Ty nickte.

Der große Mann lächelte zufrieden. »Ich bin Padishar Creel, Anführer der Geächteten. Mein Freund heißt Chandos. Willkommen zurück in den Vier Ländern, Tiger Ty. Wir brauchen Euch.«

Tiger Ty grunzte. »Wir brauchen Euch dringender. Wo ist Eure Armee?«

Padishar Creel schaute verwirrt drein. »Meine Armee?«

»Diejenige, die zu unserer Rettung kommen sollte! Wir werden von einer Föderationsmacht angegriffen, die uns zehnfach überlegen ist – Kavallerie, Fußsoldaten, Bogenschützen, Belagerungsgeräte – nun, davon nicht mehr soviel, aber genug Ausrüstung und Waffen, um über uns hinwegzurollen wie ein Besen über Ameisen. Der Junge sagte, Ihr wärt mit fünftausend Mann unterwegs, um uns zu helfen. Nicht halbwegs genug, aber jede Hilfe wäre willkommen.«

Chandos runzelte düster die Stirn und strich über seinen Bart. »Moment mal. Von welchem Jungen redet Ihr?«

Tiger Ty sah ihn an. »Von dem mit dem Kampfhaubenwürger.« Ein plötzliches Unbehagen erfaßte den Flugreiter. »Tib Arne.« Er schaute von einem Gesicht zum anderen. »Blaue Augen, blond, ziemlich klein. Ihr habt ihn doch gesandt, nicht wahr?«

Die Männer, die ihm gegenüberstanden, wechselten einen schnellen Blick. »Wir haben einen Mann gesandt, der ungefähr vierzig Jahre alt war. Sein Name war Sennepon Kipp«, sagte Chandos vorsichtig. »Ich sollte es wissen. Ich habe die Wahl selbst getroffen.«

Tiger Ty spürte, wie Kälte seinen ganzen Körper durchdrang. »Aber der Junge? Kennt Ihr den Jungen denn überhaupt nicht?«

Padishar Creels harter Blick richtete sich auf ihn. »Bis jetzt nicht, Tiger Ty. Aber ich könnte wetten, daß wir ihn jetzt kennen.« Helles Licht drang durch Wrens Augenlider, als sie wieder zu Bewußtsein kam, und sie wandte blinzelnd den Kopf ab. Eine Faust krallte sich in ihr Haar und riß sie hoch, und die Stimme, die in ihr Ohr flüsterte, war voller Haß und Verachtung.

»Wacht auf, wacht auf, Königin der Elfen.«

Die Hand gab sie frei, ließ sie vorwärts auf die Knie fallen, daß ihr Kopf von dem Schlag, der sie gefällt hatte, schmerzte. Ein Knebel füllte ihren Mund aus, und er war so gut befestigt, daß sie nur durch die Nase atmen konnte. Ihre Hände waren hinter ihren Rücken gebunden und ihre Handgelenke mit Stricken festgezurrt, die in die Haut einschnitten. Staub und der Geruch ihres eigenen Schweißes und ihrer Angst stiegen ihr in die Nase.

»Ah, Lady, Mylady, die Hübscheste der Hübschen, Regentin der Westlandelfen – Ihr seid so eine Närrin!« Die Stimme wurde zu einem Zischen. »Setzt Euch auf und seht mich an.«

Sie wurde seitlich am Kopf von einem Schlag getroffen, der sie erneut zu Boden warf, und wieder krallte sich die Faust in ihr Haar und riß sie hoch. »Seht mich an!«

Sie hob den Kopf und schaute in Tib Arnes blaue Augen. Jetzt war kein Lachen in ihnen zu sehen, nichts von dem Jungen, den er gespielt hatte. Sie waren hart und kalt und voller Drohung.

»Hat die Katze Eure Zunge?« spottete er und lächelte sie freudlos an. An seinen Händen klebte Blut. »Die Katze hat Eure Zunge, und ich habe Schlaf nötig. Aber was soll ich mit Euch machen? Welchen Dienst soll ich der Königin der Elfen erweisen?«

Er wirbelte herum, lachte leise, schüttelte den Kopf, beglückwünschte sich fröhlich. Wren sah sich in qualvoller Erkenntnis um. Erring Rift lag tot neben ihr auf dem Boden, und die tödliche Klinge steckte noch immer bis zum Heft in seinem Rücken. Grayl lag genauso leblos ein wenig weiter entfernt, und der größte Teil seines Kopfes fehlte. Hoch über ihm ragte Gloon auf. Er war auf einmal genauso groß wie der Rock. Seine Federn spreizten sich wie Stacheln von seinem sehnigen Körper, Klauen und Schnabel waren bereits rot von Blut des toten Rock, und er riß gerade weitere Stücke Fleisch aus ihm heraus. Plötzlich hielt Gloon in seiner Mahlzeit inne und schaute zu ihr herüber. Seine gewölbte Stirn war gefurcht, und was sie in den Augen des Kampfhaubenwürgers sah, war unverhüllter Hunger.

Der Atem stockte in ihrer Kehle, aber sie konnte nicht fortschauen.

»Größer als Ihr ihn in Erinnerung hattet, nicht wahr?« sagte Tib Arne, der plötzlich wieder sehr nah war und dessen Schatten sie umhüllte, während er sich herabbeugte. Sein hartes Gesicht strafte seine jungenhafte Stimme Lügen. »Das war Euer erster Fehler – zu denken, daß wir wären, was wir schienen. Ihr wart sehr einfältig.«

Er packte ihren Hals und wandte ihr Gesicht zu sich um. »Es war leicht, wirklich. Ich hätte jederzeit in das Lager gelangen können, hätte Euch erzählen können, daß ich irgendein Freund wäre. Aber ich habe geduldig und klug gewartet. Ich habe den Boten der Geächteten gesehen und ihn abgefangen. Er hat mir alles erzählt, bevor er starb. Dann habe ich seinen Platz eingenommen. Ich brauchte Euch nur einen Moment lang allein zu erwischen, seht Ihr. Das war alles.«

Seine Augen tanzten. Plötzlich begann er sie mit seiner freien Hand zu schlagen. Er hielt sie fest, während er dies tat, damit sie nicht fiel. »Aber Ihr wolltet mir das nicht zugestehen!« Er hielt inne, riß ihr blutiges Gesicht herum, so daß sie ihn erneut ansehen mußte. Sein blondes Haar war in Unordnung, und seine blauen Augen funkelten, aber jetzt konnte die sympathische Erscheinung des Jungen nicht mehr das Monster verbergen, das unmittelbar unter der Oberfläche der Haut lauerte und danach drängte, hervorzubrechen. »Ihr habt versucht, mich fortzuschicken, und während ich fort war, habt Ihr diesen Nachtangriff auf die Föderationsarmee geführt! Dummes, dummes Mädchen! Sie sind nichts! Das einzige, was Ihr erreicht habt, ist, die Dinge ein wenig zu verlangsamen und uns zu zwingen, die Kriecher einfach ein wenig früher herzubringen, uns dazu zu zwingen, um so härter zu arbeiten!«

Er fiel vor ihr auf die Knie, während seine Hand noch immer mit eisernem Griff um ihren Hals lag. Ein einziges Wort wiederholte sich in ihrem vom Schmerz getrübten Geist wieder und wieder. Schattenwesen.

»Aber ich habe jene Männer getötet, das heißt, Gloon hat das für mich getan. Er hat sie in Stücke gerissen, und ich habe ihren Schreien zugehört und nichts getan, um ihren Tod zu beschleunigen. Aber es war Euer Fehler, daß sie sterben mußten, nicht meiner. Ich habe Gloon befohlen, sich zu verstecken, und bin zurückgekehrt – zu spät, um Euren einfältigen Nachtangriff zu stoppen, aber früh genug, um sicherzustellen, daß es nicht wieder geschehen würde. Und dann wartete ich ab, denn ich wußte, daß die Gelegenheit kommen würde, Euch allein zu erwischen, ich wußte, daß sie kommen mußte!«

Er sah sie mit seinem bittenden Klein-Jungen-Blick an, und seine Stimme wurde spöttisch. »Oh, Lady, bitte, bitte nehmt mich mit. Ihr habt versprochen, es zu tun. Bitte? Ich werde Euch keine Schwierigkeiten bereiten!«

Sie atmete scharf durch die Nase aus, kämpfte sich durch das Blut und den Staub und darum, bei Bewußtsein zu bleiben.

»Oh, es tut mir leid. Geht es Euch nicht gut?« Er schlug sie leicht auf eine Wange und dann auf die andere. »Da! Ist das besser?« Er lachte. »Wo war ich stehengeblieben? O ja – abwarten. Und der heutige Tag brachte dann das Ende der Warterei, nicht wahr? Ihr habt mir den Rücken zugewandt, und ich habe Gloon herangepfiffen, damit er den Rock vernichtete. Ich habe Eure Aufmerksamkeit auf die Kriecher gerichtet, während ich den Flugreiter erledigt habe, und habe Euch dann niedergeschlagen. So schnell, so leicht. Aus und vorbei innerhalb von Sekunden.«

Er ließ sie los und stand auf. Wren sank zusammen, wollte aber nicht hinfallen und ihm die Befriedigung gönnen. Ihr eigener Zorn stieg in ihr hoch, kämpfte sich durch die Erschöpfung und den Schmerz und gab ihr genug Kraft, sich auf den Jungen zu konzentrieren.

Auf das Schattenwesen.

Tib Arne kicherte. »Im Moment keine Hoffnung für Euch, nicht wahr, Königin der Elfen? Nicht die geringste. Sie werden nach Euch suchen, aber sie werden Euch nicht finden. Euch nicht, den Flugreiter nicht, den Rock nicht. Ihr werdet alle einfach verschwunden sein.« Er lächelte. »Wollt Ihr wissen, wo? Natürlich wollt Ihr das. Für die anderen beiden ist es egal, aber für Euch...«

Er stemmte die Hände in die Hüften und neigte den Kopf. Seine nachlässige Haltung wurde von der Härte in seinen Augen und der Bosheit in seiner Stimme widerlegt. »Ihr werdet in die Südwache und zu Felsen-Dall gehen – hiermit!«

Er griff in seine Tasche und zog den Lederbeutel mit den Elfensteinen daraus hervor. Ihr Herz stockte. Die Elfensteine, ihre einzige Waffe gegen die Schattenwesen.

»Wir wissen von ihnen, seit Ihr am Wing Hove Euren Bruder getötet habt. Solche Macht – aber sie gehört nicht mehr Euch. Sie gehört jetzt dem Ersten Sucher. Und Ihr werdet ihm ebenfalls gehören, Mylady. Bis er mit Euch fertig ist. Und ich werde darum bitten, daß Ihr mir dann zurückgegeben werdet!«

Er schob den Beutel wieder in seine Tasche. »Ihr hättet die Dinge belassen sollen, wie sie waren, Elfenkönigin. Es wäre für Euch besser gewesen, wenn Ihr das getan hättet. Ihr hättet Euch daran erinnern sollen, daß wir alle gleichen Ursprungs sind – die Elfen sind aus der alten Welt gekommen, in der wir die Könige waren. Ihr hättet darum bitten sollen, eine von uns sein zu dürfen. Eure Magie hätte das ermöglicht. Schattenwesen sind das, was den Elfen zu werden bestimmt ist. Einige von uns wissen das. Einige von uns lauschen auf das Flüstern der Erde!«

Wren fragte sich, wovon er redete. Aber ihr Denken war wirr und getrübt.

Er wandte sich ab, beobachtete eine Zeitlang, wie Gloon fraß, und pfiff den Kampfhaubenwürger dann herüber. Gloon kam widerwillig und trug dabei Teile von Grayl in seinem gebogenen Schnabel. Tib Arne tätschelte und besänftigte den großen Vogel, redete leise mit ihm, lachte und spaßte. Gloon hörte aufmerksam zu, den Blick auf den Jungen gerichtet, den Kopf gehorsam geneigt. Wren blieb, wo sie war, und versuchte darüber nachzudenken, was sie tun konnte, um sich selbst zu helfen.

Dann kam Tib zu ihr, hob sie leicht hoch, schwang sie wie einen Sack Getreide über Gloons schiefergrauen Rücken und band sie dort fest. Der Junge ging zu Erring Rift zurück und warf den Körper des Flugreiters über die Klippe in das Dickicht darunter. Auf Tib Arnes Befehl versenkte Gloon seinen blutbefleckten gelben Schnabel in Grayl, zog den unglückseligen Rock zum Rand und ließ ihn dann ebenfalls hinabfallen. Wren schloß die Augen vor dem, was sie empfand. Tib Arne hatte recht. Sie war unglaublich dumm gewesen.

Der Junge kam dann zu ihr zurück und zog sich auf Gloon hinauf.

»Ihr seht, die Magie erlaubt uns alles, Elfenkönigin«, zischte er über die Schulter hinweg, während er es sich bequem machte. »Gloon kann sich groß oder klein machen, ganz wie er will, in die Federn des Haubenwürgers gehüllt, aus der Schattenwesengestalt entsprungen, die er angenommen hatte, als er die Magie empfing. Und ich kann der Sohn sein, den Ihr niemals haben werdet. War ich ein guter Sohn, Mutter? War ich es?« Er lachte. »Ihr habt niemals Verdacht geschöpft, nicht wahr? Felsen-Dall sagte, Ihr würdet keinen Argwohn hegen. Er sagte, Ihr würdet mich mögen und mir vertrauen wollen, würdet jemanden brauchen, nachdem Ihr auf Morrowindl Euren großen Freund verloren habt.«

Wren spürte Bitterkeit in sich aufsteigen, die sich mit Scham und Verzweiflung vermischte. Tib Arne beobachtete sie einen Moment lang und lachte.

Und dann breitete Gloon die Schwingen aus, und sie flogen ostwärts über die Ebenen, eilten von den Westlandwäldern, den Kriechern, der Föderationsarmee und den Elfen fort. Sie beobachtete, wie alles allmählich im Sonnenuntergang und dann in den Schatten verschwand und die Nacht in dunstigem, grauen Licht herabstieg. Sie flogen in die Dunkelheit hinein, folgten der Linie des Mermidon nach Callahorn hinein, passierten Kern und Tyrsis und flogen durch das Grasland nach Süden.

Die Mitternacht kam, und sie stiegen zu einer dunklen Fläche hinab, auf der ein Wagen und Reiter warteten. Die Männer trugen schwarze Umhänge und das Wolfskopfemblem der Sucher. Es waren acht, alle warteten dunkel und schweigsam in ihren Gewändern. Geister in der Stille der Nacht. Sie wirkten, als hätten sie Tib Arne und Gloon erwartet. Tib gab einem von ihnen den Beutel mit den Elfensteinen, und zwei andere hoben sie von Gloon herab und brachten sie in den Wagen. Es wurde nichts gesprochen. Wren wandte sich um und versuchte etwas zu sehen, aber das Segeltuch war bereits festgezurrt und gesichert worden.

Sie lag in der Dunkelheit und Stille und hörte das Geräusch von Gloons Schwingen, als er sich wieder in die Luft erhob. Dann machte der Wagen einen Satz und begann vorwärts zu rollen. Räder quietschten, und Pferdehufe trappelten in stetigem Rhythmus durch die Nacht.

Sie war auf dem Weg zur Südwache und zu Felsen-Dall, wie sie wußte, und sie fühlte sich, als habe sich ein großes Loch in der Erde geöffnet, um sie zu verschlingen.

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