Wallenstein. Max Piccolomini.
Max. (naehert sich ihm.)
Mein General-
Wallenstein.
Der bin ich nicht mehr,
Wenn du des Kaisers Offizier dich nennst.
Max.
So bleibt's dabei, du willst das Heer verlassen?
Wallenstein.
Ich hab des Kaisers Dienst entsagt.
Max.
Und willst das Heer verlassen?
Wallenstein.
Vielmehr hoff ich,
Mir's enger noch und fester zu verbinden.
(Er setzt sich.)
Ja, Max. Nicht eher wollt' ich dir's eroeffnen,
Als bis des Handelns Stunde wuerde schlagen.
Der Jugend glueckliches Gefuehl ergreift
Das Rechte leicht, und eine Freude ist's,
Das eigne Urteil pruefend auszuueben,
Wo das Exempel rein zu loesen ist.
Doch, wo von zwei gewissen Uebeln eins
Ergriffen werden muss, wo sich das Herz
Nicht ganz zurueckbringt aus dem Streit der Pflichten,
Da ist es Wohltat, keine Wahl zu haben,
Und eine Gunst ist die Notwendigkeit.
-Die ist vorhanden. Blicke nicht zurueck.
Es kann dir nichts mehr helfen. Blicke vorwaerts!
Urteile nicht! Bereite dich, zu handeln.
-Der Hof hat meinen Untergang beschlossen,
Drum bin ich willens, ihm zuvorzukommen.
-Wir werden mit den Schweden uns verbinden.
Sehr wackre Leute sind's und gute Freunde.
(Haelt ein, Piccolominis Antwort erwartend.)
-Ich hab dich ueberrascht. Antwort mir nicht.
Ich will dir Zeit vergoennen, dich zu fassen.
(Er steht auf und geht nach hinten. Max steht lange unbeweglich, in den heftigsten Schmerz versetzt; wie er eine Bewegung macht, koemmt Wallenstein zurueck und stellt sich vor ihn.)
Max.
Mein General!-Du machst mich heute muendig.
Denn bis auf diesen Tag war mir's erspart,
Den Weg mir selbst zu finden und die Richtung.
Dir folgt' ich unbedingt. Auf dich nur braucht' ich
Zu sehn und war des rechten Pfads gewiss.
Zum ersten Male heut verweisest du
Mich an mich selbst und zwingst mich, eine Wahl
Zu treffen zwischen dir und meinem Herzen.
Wallenstein.
Sanft wiegte dich bis heute dein Geschick,
Du konntest spielend deine Pflichten ueben,
Jedwedem schoenen Trieb Genuege tun,
Mit ungeteiltem Herzen immer handeln.
So kann's nicht ferner bleiben. Feindlich scheiden
Die Wege sich. Mit Pflichten streiten Pflichten.
Du musst Partei ergreifen in dem Krieg,
Der zwischen deinem Freund und deinem Kaiser
Sich jetzt entzuendet.
Max.
Krieg! Ist das der Name?
Der Krieg ist schrecklich, wie des Himmels Plagen,
Doch er ist gut, ist ein Geschick, wie sie.
Ist das ein guter Krieg, den du dem Kaiser
Bereitest mit des Kaisers eignem Heer?
O Gott des Himmels! was ist das fuer eine
Veraenderung! Ziemt solche Sprache mir
Mit dir, der wie der feste Stern des Pols
Mir als die Lebensregel vorgeschienen!
Oh! welchen Riss erregst du mir im Herzen!
Der alten Ehrfurcht eingewachsnen Trieb
Und des Gehorsams heilige Gewohnheit
Soll ich versagen lernen deinem Namen?
Nein! wende nicht dein Angesicht zu mir!
Es war mir immer eines Gottes Antlitz,
Kann ueber mich nicht gleich die Macht verlieren;
Die Sinne sind in deinen Banden noch,
Hat gleich die Seele blutend sich befreit!
Wallenstein.
Max, hoer mich an.
Max.
Oh! tu es nicht! Tu's nicht!
Sieh! deine reinen, edeln Zuege wissen
Noch nichts von dieser ungluecksel'gen Tat.
Bloss deine Einbildung befleckte sie,
Die Unschuld will sich nicht vertreiben lassen
Aus deiner hoheitblickenden Gestalt.
Wirf ihn heraus, den schwarzen Fleck, den Feind.
Ein boeser Traum bloss ist es dann gewesen,
Der jede sichre Tugend warnt. Es mag
Die Menschheit solche Augenblicke haben,
Doch siegen muss das glueckliche Gefuehl.
Nein, du wirst so nicht endigen. Das wuerde
Verrufen bei den Menschen jede grosse
Natur und jedes maechtige Vermoegen,
Recht geben wuerd' es dem gemeinen Wahn,
Der nicht an Edles in der Freiheit glaubt
Und nur der Ohnmacht sich vertrauen mag.
Wallenstein.
Streng wird die Welt mich tadeln, ich erwart es.
Mir selbst schon sagt' ich, was du sagen kannst.
Wer miede nicht, wenn er's umgehen kann,
Das Aeusserste! Doch hier ist keine Wahl,
Ich muss Gewalt ausueben oder leiden-
So steht der Fall. Nichts anders bleibt mir uebrig.
Max.
Sei's denn! Behaupte dich in deinem Posten
Gewaltsam, widersetze dich dem Kaiser,
Wenn's sein muss, treib's zur offenen Empoerung,
Nicht loben werd ich's, doch ich kann's verzeihn,
Will, was ich nicht gut heisse, mit dir teilen.
Nur-zum Verraeter werde nicht! Das Wort
Ist ausgesprochen. Zum Verraeter nicht!
Das ist kein ueberschrittnes Mass, kein Fehler,
Wohin der Mut verirrt in seiner Kraft.
Oh! das ist ganz was anders-das ist schwarz,
Schwarz, wie die Hoelle!
Wallenstein. (mit finsterm Stirnfalten, doch gemaessigt)
Schnell fertig ist die Jugend mit dem Wort,
Das schwer sich handhabt, wie des Messers Schneide;
Aus ihrem heissen Kopfe nimmt sie keck
Der Dinge Mass, die nur sich selber richten.
Gleich heisst ihr alles schaendlich oder wuerdig,
Boes oder gut-und was die Einbildung
Phantastisch schleppt in diesen dunkeln Namen,
Das buerdet sie den Sachen auf und Wesen.
Eng ist die Welt, und das Gehirn ist weit.
Leicht beieinander wohnen die Gedanken,
Doch hart im Raume stossen sich die Sachen;
Wo eines Platz nimmt, muss das andre ruecken,
Wer nicht vertrieben sein will, muss vertreiben;
Da herrscht der Streit, und nur die Staerke siegt.
-Ja, wer durchs Leben gehet ohne Wunsch,
Sich jeden Zweck versagen kann, der wohnt
Im leichten Feuer mit dem Salamander
Und haelt sich rein im reinen Element.
Mich schuf aus groeberm Stoffe die Natur,
Und zu der Erde zieht mich die Begierde.
Dem boesen Geist gehoert die Erde, nicht
Dem guten. Was die Goettlichen uns senden
Von oben, sind nur allgemeine Gueter;
Ihr Licht erfreut, doch macht es keinen reich,
In ihrem Staat erringt sich kein Besitz.
Den Edelstein, das allgeschaetzte Gold
Muss man den falschen Maechten abgewinnen,
Die unterm Tage schlimmgeartet hausen.
Nicht ohne Opfer macht man sie geneigt,
Und keiner lebet, der aus ihrem Dienst
Die Seele haette rein zurueckgezogen.
Max. (mit Bedeutung)
Oh! fuerchte, fuerchte diese falschen Maechte!
Sie haltennicht Wort! Es sind Luegengeister,
Die dich berueckend in den Abgrund ziehn.
Trau ihnen nicht! Ich warne dich-Oh! kehre
Zurueck zu deiner Pflicht. Gewiss! du kannst's!
Schick mich nach Wien. Ja, tue das. Lass mich,
Mich deinen Frieden machen mit dem Kaiser.
Er kennt dich nicht, ich aber kenne dich,
Er soll dich sehn mit meinem reinen Auge,
Und sein Vertrauen bring ich dir zurueck.
Wallenstein.
Es ist zu spaet. Du weisst nicht, was geschehn.
Max.
Und waer's zu spaet-und waer' es auch soweit,
Dass ein Verbrechen nur vom Fall dich rettet,
So falle! Falle wuerdig, wie du standst.
Verliere das Kommando. Geh vom Schauplatz.
Du kannst's mit Glanze, tu's mit Unschuld auch.
-Du hast fuer andre viel gelebt, leb endlich
Einmal dir selber, ich begleite dich,
Mein Schicksal trenn ich nimmer von dem deinen-
Wallenstein.
Es ist zu spaet. Indem du deine Worte
Verlierst, ist schon ein Meilenzeiger nach dem andern
Zurueckgelegt von meinen Eilenden,
Die mein Gebot nach Prag und Eger tragen.
-Ergib dich drein. Wir handeln, wie wir muessen.
So lass uns das Notwendige mit Wuerde,
Mit festem Schritte tun-Was tu ich Schlimmres,
Als jener Caesar tat, des Name noch
Bis heut das Hoechste in der Welt benennet?
Er fuehrte wider Rom die Legionen,
Die Rom ihm zur Beschuetzung anvertraut.
Warf er das Schwert von sich, er war verloren,
Wie ich es waer', wenn ich entwaffnete.
Ich spuere was in mir von seinem Geist.
Gib mir sein Glueck, das andre will ich tragen.
(Max, der bisher in einem schmerzvollen Kampfe gestanden, geht schnell ab. Wallenstein sieht ihm verwundert und betroffen nach und steht in tiefe Gedanken verloren.)