Die Vorigen. Max Piccolomini.
Max. (mitten in den Saal tretend).
Ja! Ja! da ist er! Ich vermag's nicht laenger,
Mit leisem Tritt um dieses Haus zu schleichen,
Den guenst'gen Augenblick verstohlen zu
Erlauern-Dieses Harren, diese Angst
Geht ueber meine Kraefte!
(Auf Thekla zugehend, welche sich ihrer Mutter in die Arme geworfen.)
O sieh mich an! Sieh nicht weg, holder Engel.
Bekenn es frei vor allen. Fuerchte niemand.
Es hoere, wer es will, dass wir uns lieben.
Wozu es noch verbergen? Das Geheimnis
Ist fuer die Gluecklichen; das Unglueck braucht,
Das hoffnungslose, keinen Schleier mehr,
Frei unter tausend Sonnen kann es handeln.
(Er bemerkt die Graefin, welche mit frohlockendem Gesicht auf Thekla blickt.)
Nein, Base Terzky! Seht mich nicht erwartend,
Sicht hoffend an! Ich komme nicht zu bleiben.
Abschied zu nehmen, komm ich-Es ist aus.
Ich muss, muss dich verlassen, Thekla-muss!
Doch deinen Hass kann ich nicht mit mir nehmen.
Nur einen Blick des Mitleids goenne mir,
Sag, dass du mich nicht hassest. Sag mir's, Thekla.
(Indem er ihre Hand fasst, heftig bewegt.)
O Gott!-Gott! Ich kann nicht von dieser Stelle.
Ich kann es nicht-kann diese Hand nicht lassen.
Sag, Thekla, dass du Mitleid mit mir hast,
Dich selber ueberzeugst, ich kann nicht anders.
(Thekla, seinen Blick vermeidend, zeigt mit der Hand auf ihren Vater; er wendet sich nach dem Herzog um, den er jetzt erst gewahr wird.)
Du hier?-Nicht du bist's, den ich hier gesucht.
Dich sollten meine Augen nicht mehr schauen.
Ich hab es nur mit ihr allein. Hier will ich,
Von diesem Herzen freigesprochen sein,
An allem andern ist nichts mehr gelegen.
Wallenstein.
Denkst du, ich soll der Tor sein und dich ziehen lassen
Und eine Grossmutsszene mit dir spielen?
Dein Vater ist zum Schelm an mir geworden,
Du bist mir nichts mehr als sein Sohn, sollst nicht
Umsonst in meine Macht gegeben sein.
Denk nicht, dass ich die alte Freundschaft ehren werde,
Die er so ruchlos hat verletzt. Die Zeiten
Der Liebe sind vorbei, der zarten Schonung,
Und Hass und Rache kommen an die Reihe.
Ich kann auch Unmensch sein, wie er.
Max.
Du wirst mit mir verfahren, wie du Macht hast.
Wohl aber weisst du, dass ich deinem Zorn
Nicht trotze, noch ihn fuerchte. Was mich hier
Zurueckhaelt, weisst du!
(Thekla bei der Hand fassend.)
Sieh! Alles-alles wollt' ich dir verdanken,
Das Los der Seligen wollt' ich empfangen
Aus deiner vaeterlichen Hand. Du hast's
Zerstoert, doch daran liegt dir nichts. Gleichgueltig
Trittst du das Glueck der Deinen in den Staub,
Der Gott, dem du dienst, ist kein Gott der Gnade.
Wie das gemuetlos blinde Element,
Das furchtbare, mit dem kein Bund zu schliessen,
Folgst du des Herzens wildem Trieb allein.
Weh denen, die auf dich vertraun, an dich
Die sichre Huette ihres Glueckes lehnen,
Gelockt von deiner gastlichen Gestalt!
Schnell, unverhofft, bei naechtlich stiller Weile
Gaert's in dem tueck'schen Feuerschlunde, ladet
Sich aus mit tobender Gewalt, und weg
Treibt ueber alle Pflanzungen der Menschen
Der wilde Strom in grausender Zerstoerung.
Wallenstein.
Du schilderst deines Vaters Herz. Wie du's
Beschreibst, so ist's in seinem Eingeweide,
In dieser schwarzen Heuchlers Brust gestaltet.
O mich hat Hoellenkunst getaeuscht. Mir sandte
Der Abgrund den verstecktesten der Geister,
Den Luegenkundigsten herauf und stellt ihn
Als Freund an meine Seite. Wer vermag
Der Hoelle Macht zu widerstehn! Ich zog
Des Basilisken auf an meinem Busen,
Mit meinem Herzblut naehrt' ich ihn, er sog
Sich schwelgend voll an meiner Liebe Bruesten,
Ich hatte nimmer Arges gegen ihn,
Weit offen liess ich des Gedankens Tore
Und warf die Schluessel weiser Vorsicht weg-
Am Sternenhimmel suchten meine Augen,
Im weiten Weltenraum den Feind, den ich
Im Herzen meines Herzens eingeschlossen.
-Waer' ich dem Ferdinand gewesen, was
Octavio mir war-Ich haett' ihm nie
Krieg angekuendigt-nie haett' ich's vermocht.
Er war mein strenger Herr nur, nicht mein Freund,
Nicht meiner Treu vertraute sich der Kaiser.
Krieg war schon zwischen mir und ihm, als er
Den Feldherrnstab in meine Haende legte;
Denn Krieg ist ewig zwischen List und Argwohn,
Nur zwischen Glauben und Vertraun ist Friede.
Wer das Vertraun vergiftet, o der mordet
Das werdende Geschlecht im Leib der Mutter.
Max.
Ich will den Vater nicht verteidigen.
Weh mir, dass ich's nicht kann!
Ungluecklich schwere Taten sind geschehn,
Und eine Frevelhandlung fasst die andre
In enggeschlossner Kette grausend an.
Doch wie gerieten wir, die nichts verschuldet,
In diesen Kreis des Ungluecks und Verbrechens?
Wem brachen wir die Treue? Warum muss
Der Vaeter Doppelschuld und Freveltat
Uns graesslich wie ein Schlangenpaar umwinden?
Warum der Vaeter unversoehnter Hass
Auch uns, die Liebenden, zerreissend scheiden?
(Er umschlingt Thekla mit heftigem Schmerz.)
Wallenstein. (hat den Blick schweigend auf ihn geheftet und
naehert sich jetzt).
Max! Bleibe bei mir.-Geh nicht von mir, Max!
Sieh, als man dich im pragschen Winterlager
Ins Zelt mir brachte, einen zarten Knaben,
Des deutschen Winters ungewohnt, die Hand
War dir erstarrt an der gewichtigen Fahne,
Du wolltst maennlich sie nicht lassen, damals nahm ich
Dich auf, bedeckte dich mit meinem Mantel,
Ich selbst war deine Waerterin, nicht schaemt' ich
Der kleinen Dienste mich, ich pflegte deiner
Mit weiblich sorgender Geschaeftigkeit,
Bis du, von mir erwaermt, an meinem Herzen,
Das junge Leben wieder freudig fuehltest.
Wann hab ich seitdem meinen Sinn veraendert?
Ich habe viele Tausend reich gemacht,
Mit Laendereien sie beschenkt, belohnt
Mit Ehrenstellen-dich hab ich geliebt,
Mein Herz, mich selber hab ich dir gegeben.
Sie alle waren Fremdlinge, du warst
Das Kind des Hauses-Max! du kannst mich nicht
verlassen!
Es kann nicht sein, ich mag's und will's nicht glauben,
Dass mich der Max verlassen kann.
Max.
O Gott!
Wallenstein.
Ich habe dich gehalten und getragen
Von Kindesbeinen an-Was tat dein Vater
Fuer dich, das ich nicht reichlich auch getan?
Ein Liebesnetz hab ich um dich gesponnen,
Zerreiss es, wenn du kannst-Du bist an mich
Geknuepft mit jedem zarten Seelenbande,
Mit jeder heil'gen Fessel der Natur,
Die Menschen aneinanderketten kannn.
Geh hin, verlass mich, diene deinem Kaiser,
Lass dich mit einem goldnen Gnadenkettlein,
Mit seinem Widderfell dafuer belohnen,
Dass dir der Freund, der Vater deiner Jugend,
Dass dir das heiligste Gefuehl nichts galt.
Max. (in heftigem Kampf)
O Gott! Wie kann ich anders? Muss ich nicht?
Mein Eid-die Pflicht-
Wallenstein.
Pflicht, gegen wen? Wer bist du?
Wenn ich am Kaiser unrecht handle, ist's
Mein Unrecht, nicht das deinige. Gehoerst
Du dir? Bist du dein eigener Gebieter,
Stehst frei da in der Welt, wie ich, dass du
Der Taeter deiner Taten koenntest sein?
Auf mich bist du gepflanzt, ich bin dein Kaiser,
Mir angehoeren, mir gehorchen, das
Ist deine Ehre, dein Naturgesetz.
Und wenn der Stern, auf dem du lebst und wohnst,
Aus seinem Gleise tritt, sich brennend wirft
Auf ein naechste Welt und sie entzuendet,
Dukannst nicht waehlen, ob du folgen willst,
Fort reisst er dich in seines Schwunges Kraft
Samt seinem Ring und allen seinen Monden.
Mit leichter Schuld gehst du in diesen Streit,
Dich wird die Welt nicht tadeln, sie wird's loben,
Dass dir der Freund das meiste hat gegolten.