Achtzehnter Auftritt

Die Vorigen. Max Piccolomini.

Max. (mitten in den Saal tretend).

Ja! Ja! da ist er! Ich vermag's nicht laenger,

Mit leisem Tritt um dieses Haus zu schleichen,

Den guenst'gen Augenblick verstohlen zu

Erlauern-Dieses Harren, diese Angst

Geht ueber meine Kraefte!

(Auf Thekla zugehend, welche sich ihrer Mutter in die Arme geworfen.)

O sieh mich an! Sieh nicht weg, holder Engel.

Bekenn es frei vor allen. Fuerchte niemand.

Es hoere, wer es will, dass wir uns lieben.

Wozu es noch verbergen? Das Geheimnis

Ist fuer die Gluecklichen; das Unglueck braucht,

Das hoffnungslose, keinen Schleier mehr,

Frei unter tausend Sonnen kann es handeln.

(Er bemerkt die Graefin, welche mit frohlockendem Gesicht auf Thekla blickt.)

Nein, Base Terzky! Seht mich nicht erwartend,

Sicht hoffend an! Ich komme nicht zu bleiben.

Abschied zu nehmen, komm ich-Es ist aus.

Ich muss, muss dich verlassen, Thekla-muss!

Doch deinen Hass kann ich nicht mit mir nehmen.

Nur einen Blick des Mitleids goenne mir,

Sag, dass du mich nicht hassest. Sag mir's, Thekla.

(Indem er ihre Hand fasst, heftig bewegt.)

O Gott!-Gott! Ich kann nicht von dieser Stelle.

Ich kann es nicht-kann diese Hand nicht lassen.

Sag, Thekla, dass du Mitleid mit mir hast,

Dich selber ueberzeugst, ich kann nicht anders.

(Thekla, seinen Blick vermeidend, zeigt mit der Hand auf ihren Vater; er wendet sich nach dem Herzog um, den er jetzt erst gewahr wird.)

Du hier?-Nicht du bist's, den ich hier gesucht.

Dich sollten meine Augen nicht mehr schauen.

Ich hab es nur mit ihr allein. Hier will ich,

Von diesem Herzen freigesprochen sein,

An allem andern ist nichts mehr gelegen.

Wallenstein.

Denkst du, ich soll der Tor sein und dich ziehen lassen

Und eine Grossmutsszene mit dir spielen?

Dein Vater ist zum Schelm an mir geworden,

Du bist mir nichts mehr als sein Sohn, sollst nicht

Umsonst in meine Macht gegeben sein.

Denk nicht, dass ich die alte Freundschaft ehren werde,

Die er so ruchlos hat verletzt. Die Zeiten

Der Liebe sind vorbei, der zarten Schonung,

Und Hass und Rache kommen an die Reihe.

Ich kann auch Unmensch sein, wie er.

Max.

Du wirst mit mir verfahren, wie du Macht hast.

Wohl aber weisst du, dass ich deinem Zorn

Nicht trotze, noch ihn fuerchte. Was mich hier

Zurueckhaelt, weisst du!

(Thekla bei der Hand fassend.)

Sieh! Alles-alles wollt' ich dir verdanken,

Das Los der Seligen wollt' ich empfangen

Aus deiner vaeterlichen Hand. Du hast's

Zerstoert, doch daran liegt dir nichts. Gleichgueltig

Trittst du das Glueck der Deinen in den Staub,

Der Gott, dem du dienst, ist kein Gott der Gnade.

Wie das gemuetlos blinde Element,

Das furchtbare, mit dem kein Bund zu schliessen,

Folgst du des Herzens wildem Trieb allein.

Weh denen, die auf dich vertraun, an dich

Die sichre Huette ihres Glueckes lehnen,

Gelockt von deiner gastlichen Gestalt!

Schnell, unverhofft, bei naechtlich stiller Weile

Gaert's in dem tueck'schen Feuerschlunde, ladet

Sich aus mit tobender Gewalt, und weg

Treibt ueber alle Pflanzungen der Menschen

Der wilde Strom in grausender Zerstoerung.

Wallenstein.

Du schilderst deines Vaters Herz. Wie du's

Beschreibst, so ist's in seinem Eingeweide,

In dieser schwarzen Heuchlers Brust gestaltet.

O mich hat Hoellenkunst getaeuscht. Mir sandte

Der Abgrund den verstecktesten der Geister,

Den Luegenkundigsten herauf und stellt ihn

Als Freund an meine Seite. Wer vermag

Der Hoelle Macht zu widerstehn! Ich zog

Des Basilisken auf an meinem Busen,

Mit meinem Herzblut naehrt' ich ihn, er sog

Sich schwelgend voll an meiner Liebe Bruesten,

Ich hatte nimmer Arges gegen ihn,

Weit offen liess ich des Gedankens Tore

Und warf die Schluessel weiser Vorsicht weg-

Am Sternenhimmel suchten meine Augen,

Im weiten Weltenraum den Feind, den ich

Im Herzen meines Herzens eingeschlossen.

-Waer' ich dem Ferdinand gewesen, was

Octavio mir war-Ich haett' ihm nie

Krieg angekuendigt-nie haett' ich's vermocht.

Er war mein strenger Herr nur, nicht mein Freund,

Nicht meiner Treu vertraute sich der Kaiser.

Krieg war schon zwischen mir und ihm, als er

Den Feldherrnstab in meine Haende legte;

Denn Krieg ist ewig zwischen List und Argwohn,

Nur zwischen Glauben und Vertraun ist Friede.

Wer das Vertraun vergiftet, o der mordet

Das werdende Geschlecht im Leib der Mutter.

Max.

Ich will den Vater nicht verteidigen.

Weh mir, dass ich's nicht kann!

Ungluecklich schwere Taten sind geschehn,

Und eine Frevelhandlung fasst die andre

In enggeschlossner Kette grausend an.

Doch wie gerieten wir, die nichts verschuldet,

In diesen Kreis des Ungluecks und Verbrechens?

Wem brachen wir die Treue? Warum muss

Der Vaeter Doppelschuld und Freveltat

Uns graesslich wie ein Schlangenpaar umwinden?

Warum der Vaeter unversoehnter Hass

Auch uns, die Liebenden, zerreissend scheiden?

(Er umschlingt Thekla mit heftigem Schmerz.)

Wallenstein. (hat den Blick schweigend auf ihn geheftet und

naehert sich jetzt).

Max! Bleibe bei mir.-Geh nicht von mir, Max!

Sieh, als man dich im pragschen Winterlager

Ins Zelt mir brachte, einen zarten Knaben,

Des deutschen Winters ungewohnt, die Hand

War dir erstarrt an der gewichtigen Fahne,

Du wolltst maennlich sie nicht lassen, damals nahm ich

Dich auf, bedeckte dich mit meinem Mantel,

Ich selbst war deine Waerterin, nicht schaemt' ich

Der kleinen Dienste mich, ich pflegte deiner

Mit weiblich sorgender Geschaeftigkeit,

Bis du, von mir erwaermt, an meinem Herzen,

Das junge Leben wieder freudig fuehltest.

Wann hab ich seitdem meinen Sinn veraendert?

Ich habe viele Tausend reich gemacht,

Mit Laendereien sie beschenkt, belohnt

Mit Ehrenstellen-dich hab ich geliebt,

Mein Herz, mich selber hab ich dir gegeben.

Sie alle waren Fremdlinge, du warst

Das Kind des Hauses-Max! du kannst mich nicht

verlassen!

Es kann nicht sein, ich mag's und will's nicht glauben,

Dass mich der Max verlassen kann.

Max.

O Gott!

Wallenstein.

Ich habe dich gehalten und getragen

Von Kindesbeinen an-Was tat dein Vater

Fuer dich, das ich nicht reichlich auch getan?

Ein Liebesnetz hab ich um dich gesponnen,

Zerreiss es, wenn du kannst-Du bist an mich

Geknuepft mit jedem zarten Seelenbande,

Mit jeder heil'gen Fessel der Natur,

Die Menschen aneinanderketten kannn.

Geh hin, verlass mich, diene deinem Kaiser,

Lass dich mit einem goldnen Gnadenkettlein,

Mit seinem Widderfell dafuer belohnen,

Dass dir der Freund, der Vater deiner Jugend,

Dass dir das heiligste Gefuehl nichts galt.

Max. (in heftigem Kampf)

O Gott! Wie kann ich anders? Muss ich nicht?

Mein Eid-die Pflicht-

Wallenstein.

Pflicht, gegen wen? Wer bist du?

Wenn ich am Kaiser unrecht handle, ist's

Mein Unrecht, nicht das deinige. Gehoerst

Du dir? Bist du dein eigener Gebieter,

Stehst frei da in der Welt, wie ich, dass du

Der Taeter deiner Taten koenntest sein?

Auf mich bist du gepflanzt, ich bin dein Kaiser,

Mir angehoeren, mir gehorchen, das

Ist deine Ehre, dein Naturgesetz.

Und wenn der Stern, auf dem du lebst und wohnst,

Aus seinem Gleise tritt, sich brennend wirft

Auf ein naechste Welt und sie entzuendet,

Dukannst nicht waehlen, ob du folgen willst,

Fort reisst er dich in seines Schwunges Kraft

Samt seinem Ring und allen seinen Monden.

Mit leichter Schuld gehst du in diesen Streit,

Dich wird die Welt nicht tadeln, sie wird's loben,

Dass dir der Freund das meiste hat gegolten.

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