Wallenstein. Illo. Vorige.
Wallenstein.
Es ist noch still im Lager?
Illo.
Alles still.
Wallenstein.
In wenig Stunden kann die Nachricht da sein
Aus Prag, dass diese Hauptstadt unser ist.
Dann koennen wir die Maske von uns werfen,
Den hiesigen Truppen den getanen Schritt
Zugleich mit dem Erfolg zu wissen tun.
In solchen Faellen tut das Beispiel alles.
Der Mensch ist ein nachahmendes Geschoepf,
Und wer der Vorderste ist, fuehrt die Herde.
Die Prager Truppen wissen es nicht anders,
Als dass die Pilsner Voelker uns gehuldigt,
Und hier in Pilsen sollen sie uns schwoeren,
Weil man zu Prag das Beispiel hat gegeben.
-Der Butler, sagst du, hat sich nun erklaert?
Illo.
Aus freiem Trieb, unaufgefordert kam er,
Sich selbst, sein Regiment dir anzubieten.
Wallenstein.
Nicht jeder Stimme, find ich, ist zu glauben,
Die warnend sich im Herzen laesst vernehmen.
Uns zu beruecken, borgt der Luegengeist
Nachahmend oft die Stimme von der Wahrheit
Und streut betruegliche Orakel aus.
So hab ich diesem wuerdig braven Mann,
Dem Butler, stilles Unrecht abzubitten;
Denn ein Gefuehl, des ich nicht Meister bin,
Furcht moecht' ich's nicht gern nennen, ueberschleicht
In seiner Naehe schaudernd mir die Sinne
Und hemmt der Liebe freudige Bewegung.
Und dieser Redliche, vor dem der Geist
Mich warnt, reicht mir das erste Pfand des Gluecks.
Illo.
Und sein geachtet Beispiel, zweifle nicht,
Wird dir die Besten in dem Heer gewinnen.
Wallenstein.
Jetzt geh und schick mir gleich den Isolan
Hieher, ich hab ihn mir noch juengst verpflichtet.
Mit ihm will ich den Anfang machen. Geh!
(Illo geht hinaus, unterdessen sind die uebrigen wieder vorwaerts gekommen.)
Wallenstein.
Sieh da, die Mutter mit der lieben Tochter!
Wir wollen einmal von Geschaeften ruhn-
Kommt! Mich verlangte, eine heitre Stunde
Im lieben Kreis der Meinen zu verleben.
Graefin.
Wir waren lang nicht so beisammen, Bruder.
Wallenstein. (beiseite, zur Graefin)
Kann sie's vernehmen? Ist sie vorbereitet?
Graefin.
Noch nicht.
Wallenstein.
Komm her, mein Maedchen. Setz dich zu mir.
Es ist ein guter Geist auf deinen Lippen,
Die Mutter hat mir deine Fertigkeit
Gepriesen, es soll eine zarte Stimme
Des Wohllauts in dir wohnen, die die Seele
Bezaubert. Eine solche Stimme brauch
Ich jetzt, den boesen Daemon zu vertreiben,
Der um mein Haupt die schwarzen Fluegel schlaegt.
Herzogin.
Wo hast du deine Zither, Thekla? Komm.
Lass deinem Vater eine Probe hoeren
Von deiner Kunst.
Thekla.
O meine Mutter! Gott!
Herzogin.
Komm, Thekla, und erfreue deinen Vater.
Thekla.
Ich kann nicht, Mutter-
Graefin.
Wie? Was ist das, Nichte!
Thekla. (zur Graefin)
Verschont mich-Singen-jetzt-in dieser Angst
Der schwer beladnen Seele-vor ihn singen-
Der meine Mutter stuerzt ins Grab!
Herzogin.
Wie, Thekla, Launen? Soll dein guet'ger Vater
Vergeblich einen Wunsch geaeussert haben?
Graefin.
Hier ist die Zither.
Thekla.
O mein Gott-Wie kann ich-
(Haelt das Instrument mit zitternder Hand, ihre Seele arbeitet im heftigsten Kampf, und im Augenblick, da sie anfangen soll, zu singen, schaudert sie zusammen, wirft das Instrument weg und geht schnell ab.)
Herzogin.
Mein Kind-o sie ist krank!
Wallenstein.
Was ist dem Maedchen? Pflegt sie so zu sein?
Graefin.
Nun weil sie es denn selbst verraet, so will
Auch ich nicht laenger schweigen.
Wallenstein.
Wie?
Graefin.
Sie liebt ihn.
Wallenstein.
Liebt! Wen?
Graefin.
Den Piccolomini liebt sie.
Hast du es nicht bemerkt? Die Schwester auch nicht?
Herzogin.
O war es dies, was ihr das Herz beklemmte?
Gott segne dich, mein Kind! Du darfst
Dich deiner Wahl nicht schaemen.
Graefin.
Diese Reise-
Wenn's deine Absicht nicht gewesen, schreib's
Dir selber zu. Du haettest einen andern
Begleiter waehlen sollen!
Wallenstein.
Weiss er's?
Graefin.
Er hofft sie zu besitzen.
Wallenstein.
Hofft
Sie zu besitzen-Ist der Junge toll?
Graefin.
Nun mag sie's selber hoeren!
Wallenstein.
Die Friedlaenderin
Denkt er davonzutragen? Nun! Der Einfall
Gefaellt mir! Die Gedanken stehen ihm nicht niedrig.
Graefin.
Weil du so viele Gunst ihm stets bezeugt,
So-
Wallenstein.
-Will er mich auch endlich noch beerben.
Nun ja! Ich lieb ihn, halt ihn wert; was aber
Hat das mit meiner Tochter Hand zu schaffen?
Sind es die Toechter, sind's die einz'gen Kinder,
Womit man seine Gunst bezeugt?
Herzogin.
Sein adeliger Sinn und seine Sitten-
Wallenstein.
Erwerben ihm mein Herz, nicht meine Tochter.
Herzogin.
Sein Stand und seine Ahnen-
Wallenstein.
Ahnen! Was!
Er ist ein Untertan, und meinen Eidam
Will ich mir auf Europens Thronen suchen.
Herzogin.
O lieber Herzog! Streben wir nicht allzuhoch
Hinauf, dass wir zu tief nicht fallen moegen.
Wallenstein.
Liess ich mir's so viel kosten, in die Hoeh'
Zu kommen, ueber die gemeinen Haeupter
Der Menschen weg zu ragen, um zuletzt
Die grosse Lebensrolle mit gemeiner
Verwandtschaft zu beschliessen?-Hab ich darum-
(Ploetzlich haelt er inne, sich fassend.)
Sie ist das einzige, was von mir nachbleibt
Auf Erden; eine Krone will ich sehn
Auf ihrem Haupte, oder will nicht leben.
Was? Alles-Alles! setz ich dran, um sie
Recht gross zu machen-ja in der Minute,
Worin wir sprechen-
(Er besinnt sich.)
Und ich sollte nun,
Wie ein weichherz'ger Vater, was sich gern hat
Und liebt, fein buergerlich zusammengeben?
Und jetzt soll ich das tun, jetzt eben, da ich
Auf mein vollendet Werk den Kranz will setzen-
Nein, sie ist mir ein langgespartes Kleinod,
Die hoechste, letzte Muenze meines Schatzes,
Nicht niedriger fuerwahr gedenk ich sie
Als um ein Koenigszepter loszuschlagen-
Herzogin.
O mein Gemahl! Sie bauen immer, bauen
Bis in die Wolken, bauen fort und fort
Und denken nicht dran, dass der schmale Grund
Das schwindelnd schwanke Werk nicht tragen kann.
Wallenstein. (zur Graefin)
Hast du ihr angekuendigt, welchen Wohnsitz
Ich ihr bestimmt?
Graefin.
Noch nicht. Entdeckt's ihr selbst.
Herzogin.
Wie? Gehen wir nach Kaernten nicht zurueck?
Wallenstein.
Nein.
Herzogin.
Oder sonst auf keines Ihrer Gueter?
Wallenstein.
Sie wuerden dort nicht sicher sein.
Herzogin.
Nicht sicher
In Kaisers Landen, unter Kaisers Schutz?
Wallenstein.
Den hat des Friedlands Gattin nicht zu hoffen.
Herzogin.
O Gott, bis dahin haben Sie's gebracht?
Wallenstein.
In Holland werden Sie Schutz finden.
Herzogin.
Was?
Sie senden uns in lutherischen Laender?
Wallenstein.
Der Herzog Franz von Lauenburg wird Ihr
Geleitsmann dahin sein.
Herzogin.
Der Lauenburger?
Der's mit dem Schweden haelt, des Kaisers Feind?
Wallenstein.
Des Kaisers Feinde sind die meinen nicht mehr.
Herzogin. (sieht den Herzog und die Graefin schreckensvoll an)
Ist's also wahr? Es ist? Sie sind
gestuerzt? Sind vom Kommando abgesetzt? O Gott
Im Himmel!
Graefin. (seitwaerts zum Herzog)
Lassen wir sie bei dem Glauben.
Du siehst, dass sie die Wahrheit nicht ertruege.