Vierter Auftritt

Wallenstein. Illo. Vorige.

Wallenstein.

Es ist noch still im Lager?

Illo.

Alles still.

Wallenstein.

In wenig Stunden kann die Nachricht da sein

Aus Prag, dass diese Hauptstadt unser ist.

Dann koennen wir die Maske von uns werfen,

Den hiesigen Truppen den getanen Schritt

Zugleich mit dem Erfolg zu wissen tun.

In solchen Faellen tut das Beispiel alles.

Der Mensch ist ein nachahmendes Geschoepf,

Und wer der Vorderste ist, fuehrt die Herde.

Die Prager Truppen wissen es nicht anders,

Als dass die Pilsner Voelker uns gehuldigt,

Und hier in Pilsen sollen sie uns schwoeren,

Weil man zu Prag das Beispiel hat gegeben.

-Der Butler, sagst du, hat sich nun erklaert?

Illo.

Aus freiem Trieb, unaufgefordert kam er,

Sich selbst, sein Regiment dir anzubieten.

Wallenstein.

Nicht jeder Stimme, find ich, ist zu glauben,

Die warnend sich im Herzen laesst vernehmen.

Uns zu beruecken, borgt der Luegengeist

Nachahmend oft die Stimme von der Wahrheit

Und streut betruegliche Orakel aus.

So hab ich diesem wuerdig braven Mann,

Dem Butler, stilles Unrecht abzubitten;

Denn ein Gefuehl, des ich nicht Meister bin,

Furcht moecht' ich's nicht gern nennen, ueberschleicht

In seiner Naehe schaudernd mir die Sinne

Und hemmt der Liebe freudige Bewegung.

Und dieser Redliche, vor dem der Geist

Mich warnt, reicht mir das erste Pfand des Gluecks.

Illo.

Und sein geachtet Beispiel, zweifle nicht,

Wird dir die Besten in dem Heer gewinnen.

Wallenstein.

Jetzt geh und schick mir gleich den Isolan

Hieher, ich hab ihn mir noch juengst verpflichtet.

Mit ihm will ich den Anfang machen. Geh!

(Illo geht hinaus, unterdessen sind die uebrigen wieder vorwaerts gekommen.)

Wallenstein.

Sieh da, die Mutter mit der lieben Tochter!

Wir wollen einmal von Geschaeften ruhn-

Kommt! Mich verlangte, eine heitre Stunde

Im lieben Kreis der Meinen zu verleben.

Graefin.

Wir waren lang nicht so beisammen, Bruder.

Wallenstein. (beiseite, zur Graefin)

Kann sie's vernehmen? Ist sie vorbereitet?

Graefin.

Noch nicht.

Wallenstein.

Komm her, mein Maedchen. Setz dich zu mir.

Es ist ein guter Geist auf deinen Lippen,

Die Mutter hat mir deine Fertigkeit

Gepriesen, es soll eine zarte Stimme

Des Wohllauts in dir wohnen, die die Seele

Bezaubert. Eine solche Stimme brauch

Ich jetzt, den boesen Daemon zu vertreiben,

Der um mein Haupt die schwarzen Fluegel schlaegt.

Herzogin.

Wo hast du deine Zither, Thekla? Komm.

Lass deinem Vater eine Probe hoeren

Von deiner Kunst.

Thekla.

O meine Mutter! Gott!

Herzogin.

Komm, Thekla, und erfreue deinen Vater.

Thekla.

Ich kann nicht, Mutter-

Graefin.

Wie? Was ist das, Nichte!

Thekla. (zur Graefin)

Verschont mich-Singen-jetzt-in dieser Angst

Der schwer beladnen Seele-vor ihn singen-

Der meine Mutter stuerzt ins Grab!

Herzogin.

Wie, Thekla, Launen? Soll dein guet'ger Vater

Vergeblich einen Wunsch geaeussert haben?

Graefin.

Hier ist die Zither.

Thekla.

O mein Gott-Wie kann ich-

(Haelt das Instrument mit zitternder Hand, ihre Seele arbeitet im heftigsten Kampf, und im Augenblick, da sie anfangen soll, zu singen, schaudert sie zusammen, wirft das Instrument weg und geht schnell ab.)

Herzogin.

Mein Kind-o sie ist krank!

Wallenstein.

Was ist dem Maedchen? Pflegt sie so zu sein?

Graefin.

Nun weil sie es denn selbst verraet, so will

Auch ich nicht laenger schweigen.

Wallenstein.

Wie?

Graefin.

Sie liebt ihn.

Wallenstein.

Liebt! Wen?

Graefin.

Den Piccolomini liebt sie.

Hast du es nicht bemerkt? Die Schwester auch nicht?

Herzogin.

O war es dies, was ihr das Herz beklemmte?

Gott segne dich, mein Kind! Du darfst

Dich deiner Wahl nicht schaemen.

Graefin.

Diese Reise-

Wenn's deine Absicht nicht gewesen, schreib's

Dir selber zu. Du haettest einen andern

Begleiter waehlen sollen!

Wallenstein.

Weiss er's?

Graefin.

Er hofft sie zu besitzen.

Wallenstein.

Hofft

Sie zu besitzen-Ist der Junge toll?

Graefin.

Nun mag sie's selber hoeren!

Wallenstein.

Die Friedlaenderin

Denkt er davonzutragen? Nun! Der Einfall

Gefaellt mir! Die Gedanken stehen ihm nicht niedrig.

Graefin.

Weil du so viele Gunst ihm stets bezeugt,

So-

Wallenstein.

-Will er mich auch endlich noch beerben.

Nun ja! Ich lieb ihn, halt ihn wert; was aber

Hat das mit meiner Tochter Hand zu schaffen?

Sind es die Toechter, sind's die einz'gen Kinder,

Womit man seine Gunst bezeugt?

Herzogin.

Sein adeliger Sinn und seine Sitten-

Wallenstein.

Erwerben ihm mein Herz, nicht meine Tochter.

Herzogin.

Sein Stand und seine Ahnen-

Wallenstein.

Ahnen! Was!

Er ist ein Untertan, und meinen Eidam

Will ich mir auf Europens Thronen suchen.

Herzogin.

O lieber Herzog! Streben wir nicht allzuhoch

Hinauf, dass wir zu tief nicht fallen moegen.

Wallenstein.

Liess ich mir's so viel kosten, in die Hoeh'

Zu kommen, ueber die gemeinen Haeupter

Der Menschen weg zu ragen, um zuletzt

Die grosse Lebensrolle mit gemeiner

Verwandtschaft zu beschliessen?-Hab ich darum-

(Ploetzlich haelt er inne, sich fassend.)

Sie ist das einzige, was von mir nachbleibt

Auf Erden; eine Krone will ich sehn

Auf ihrem Haupte, oder will nicht leben.

Was? Alles-Alles! setz ich dran, um sie

Recht gross zu machen-ja in der Minute,

Worin wir sprechen-

(Er besinnt sich.)

Und ich sollte nun,

Wie ein weichherz'ger Vater, was sich gern hat

Und liebt, fein buergerlich zusammengeben?

Und jetzt soll ich das tun, jetzt eben, da ich

Auf mein vollendet Werk den Kranz will setzen-

Nein, sie ist mir ein langgespartes Kleinod,

Die hoechste, letzte Muenze meines Schatzes,

Nicht niedriger fuerwahr gedenk ich sie

Als um ein Koenigszepter loszuschlagen-

Herzogin.

O mein Gemahl! Sie bauen immer, bauen

Bis in die Wolken, bauen fort und fort

Und denken nicht dran, dass der schmale Grund

Das schwindelnd schwanke Werk nicht tragen kann.

Wallenstein. (zur Graefin)

Hast du ihr angekuendigt, welchen Wohnsitz

Ich ihr bestimmt?

Graefin.

Noch nicht. Entdeckt's ihr selbst.

Herzogin.

Wie? Gehen wir nach Kaernten nicht zurueck?

Wallenstein.

Nein.

Herzogin.

Oder sonst auf keines Ihrer Gueter?

Wallenstein.

Sie wuerden dort nicht sicher sein.

Herzogin.

Nicht sicher

In Kaisers Landen, unter Kaisers Schutz?

Wallenstein.

Den hat des Friedlands Gattin nicht zu hoffen.

Herzogin.

O Gott, bis dahin haben Sie's gebracht?

Wallenstein.

In Holland werden Sie Schutz finden.

Herzogin.

Was?

Sie senden uns in lutherischen Laender?

Wallenstein.

Der Herzog Franz von Lauenburg wird Ihr

Geleitsmann dahin sein.

Herzogin.

Der Lauenburger?

Der's mit dem Schweden haelt, des Kaisers Feind?

Wallenstein.

Des Kaisers Feinde sind die meinen nicht mehr.

Herzogin. (sieht den Herzog und die Graefin schreckensvoll an)

Ist's also wahr? Es ist? Sie sind

gestuerzt? Sind vom Kommando abgesetzt? O Gott

Im Himmel!

Graefin. (seitwaerts zum Herzog)

Lassen wir sie bei dem Glauben.

Du siehst, dass sie die Wahrheit nicht ertruege.

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