Zehnter Auftritt

Thekla. Der schwedische Hauptmann. Fraeulein Neubrunn.

Hauptmann. (naht sich ehrerbietig)

Prinzessin-ich-muss um Verzeihung bitten,

Mein unbesonnen rasches Wort-Wie konnt' ich-

Thekla. (mit edelm Anstand)

Sie haben mich in meinem Schmerz gesehn,

Ein ungluecksvoller Zufall machte Sie

Aus einem Fremdling schnell mir zum Vertrauten.

Hauptmann.

Ich fuerchte, dass Sie meinen Anblick hassen,

Denn meine Zunge sprach ein traurig Wort.

Thekla.

Die Schuld ist mein. Ich selbst entriss es Ihnen,

Sie waren nur die Stimme meines Schicksals.

Mein Schrecken unterbrach den angefangnen

Bericht. Ich bitte drum, dass Sie ihn enden.

Hauptmann. (bedenklich)

Prinzessin, es wird Ihren Schmerz erneuern.

Thekla.

Ich bin darauf gefasst-Ich will gefasst sein.

Wie fing das Treffen an? Vollenden Sie.

Hauptmann.

Wir standen, keines Ueberfalls gewaertig,

Bei Neustadt schwach verschanzt in unserm Lager,

Als gegen Abend eine Wolke Staubes

Aufstieg vom Wald her, unser Vortrab fliehend

Ins Lager stuerzte, rief: der Feind sei da.

Wie hatten eben nur noch Zeit, uns schnell

Aufs Pferd zu werfen, da durchbrachen schon,

In vollem Rosseslauf dahergesprengt,

Die Pappenheimer den Verhack; schnell war

Der Graben auch, der sich ums Lager zog,

Von diesen stuerm'schen Scharen ueberflogen.

Doch unbesonnen hatte sie der Mut

Vorausgefuehrt den andern, weit dahinten

War noch das Fussvolk, nur die Pappenheimer waren

Dem kuehnen Fuehrer kuehn gefolgt.-

(Thekla macht eine Bewegung. Der Hauptmann haelt einen Augenblick inne, bis sie ihm einen Wink gibt, fortzufahren.)

Von vorn und von den Flanken fassten wir

Sie jetzo mit der ganzen Reiterei

Und draengten sie zurueck zum Graben, wo

Das Fussvolk, schnell geordnet, einen Rechen

Von Piken ihnen starr entgegenstreckte.

Nicht vorwaerts konnten sie, auch nicht zurueck,

Gekeilt in drangvoll fuerchterliche Enge.

Da rief der Rheingraf ihrem Fuehrer zu,

In guter Schlacht sich ehrlich zu ergeben,

Doch Oberst Piccolomini-

(Thekla schwindelnd, fasst einen Sessel.)

ihn machte

Der Helmbusch kenntlich und das lange Haar,

Vom raschen Ritte war's ihm losgegangen-

Zum Graben winkt er, sprengt, der erste, selbst

Sein edles Ross darueber weg, ihm stuerzt

Das Regiment nach-doch-schon war's geschehen!

Sein Pferd, von einer Partisan durchstossen, baeumt

Sich wuetend, schleudert weit den Reiter ab,

Und hoch weg ueber ihn geht die Gewalt

Der Rosse, keinem Zuegel mehr gehorchend.

(Thekla, welche die letzten Reden mit allen Zeichen wachsender Angst begleitet, verfaellt in ein heftiges Zittern, sie will sinken, Fraeulein Neubrunn eilt hinzu und empfaengt sie in ihren Armen.)

Neubrunn.

Mein teures Fraeulein-

Hauptmann. (geruehrt)

Ich entferne mich.

Thekla.

Es ist vorueber-Bringen Sie's zu Ende.

Hauptmann.

Da ergriff, als sie den Fuehrer fallen sahn,

Die Truppen grimmig wuetende Verzweiflung.

Der eignen Rettung denkt jetzt keiner mehr,

Gleich wilden Tigern fechten sie, er reizt

Ihr starrer Widerstand die Unsrigen,

Und eher nicht erfolgt des Kampfes Ende,

Als bis der letzte Mann gefallen ist.

Thekla. (mit zitternder Stimme)

Und wo-wo ist-Sie sagten mir nicht alles.

Hauptmann. (nach einer Pause)

Heut frueh bestatteten wir ihn. Ihn trugen

Zwoelf Juenglinge der edelsten Geschlechter,

Das ganze Heer begleitete die Bahre.

Ein Lorbeer schmueckte seinen Sarg, drauf legte

Der Rheingraf selbst den eignen Siegerdegen.

Auch Traenen fehlten seinem Schicksal nicht,

Denn viele sind bei uns, die seine Grossmut

Und seiner Sitten Freundlichkeit erfahren,

Und alle ruehrte sein Geschick. Gern haette

Der Rheingraf ihn gerettet, doch er selbst

Vereitelt' es; man sagt, er wollte sterben.

Neubrunn. (geruehrt zu Thekla, welche ihr Angesicht verhuellt hat).

Mein teures Fraeulein-Fraeulein, sehn Sie auf!

O warum mussten Sie darauf bestehn!

Thekla.

-Wo ist sein Grab?

Hauptmann.

In einer Klosterkirche

Bei Neustadt ist er beigesetzt, bis man

Von seinem Vater Nachricht eingezogen.

Thekla.

Wie heisst das Kloster?

Hauptmann.

Sankt Kathrinenstift.

Thekla.

Ist's weit bis dahin?

Hauptmann.

Sieben Meilen zaehlt man.

Thekla.

Wie geht der Weg?

Hauptmann.

Man kommt bei Tirschenreit

Und Falkenberg durch unsre ersten Posten.

Thekla.

Wer kommandiert sie?

Hauptmann.

Oberst Seckendorf.

Thekla. (tritt an den Tisch und nimmt aus dem Schmuckkaestchen einen Ring).

Sie haben mich in meinem Schmerz gesehn

Und mir ein menschlich Herz gezeigt-Empfangen Sie

(indem sie ihm den Ring gibt)

Ein Angedenken dieser Stunde-Gehn Sie.

Hauptmann. (bestuerzt).

Prinzessin-

(Thekla winkt ihm schweigend, zu gehen, und verlaesst ihn. Hauptmann zaudert und will reden. Fraeulein Neubrunn wiederholt den Wink. Er geht ab.)

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