Neunzehnter Auftritt

Vorige. Neumann.

Wallenstein.

Was gibt's?

Neumann.

Die Pappenheimischen sind abgesessen

Und ruecken an zu Fuss; sie sind entschlossen,

Den Degen in der Hand das Haus zu stuermen,

Den Grafen wollen sie befrein.

Wallenstein. (zu Terzky)

Man soll

Die Ketten vorziehn, das Geschuetz aufpflanzen.

Mit Kettenkugeln will ich sie empfangen.

(Terzky geht.)

Mir vorzuschreiben mit dem Schwert! Geh, Neumann,

Sie sollen sich zurueckziehn, augenblicks,

Ist mein Befehl, und in der Ordnung schweigend warten,

Was mir gefallen wird zu tun.

(Neumann geht ab. Illo ist ans Fenster getreten.)

Graefin.

Entlass ihn.

Ich bitte dich, entlass ihn!

Illo. (am Fenster)

Tod und Teufel!

Wallenstein.

Was ist's?

Illo.

Aufs Rathaus steigen sie, das Dach

Wird abgedeckt, sie richten die Kanonen

Aufs Haus-

Max.

Die Rasenden!

Illo.

Sie machen Anstalt,

Uns zu beschiessen-

Herzogin und Graefin.

Gott im Himmel!

Max. (zu Wallenstein).

Lass mich

Hinunter, sie bedeuten-

Wallenstein.

Keinen Schritt!

Max. (auf Thekla und die Herzogin zeigend)

Ihr Leben aber! Deins!

Wallenstein.

Was bringst du, Terzky?

Zwanzigster Auftritt

Vorige. Terzky kommt zurueck.

Terzky.

Botschaft von unsern treuen Regimentern.

Ihr Mut sei laenger nicht zu baendigen,

Sie flehen um Erlaubnis, anzugreifen,

Vom Prager-und vom Muehl-Tor sind sie Herr,

Und wenn du nur die Losung wolltest geben,

So koennten sie den Feind im Ruecken fassen,

Ihn in die Stadt einkeilen, in der Enge

Der Strassen leicht ihn ueberwaeltigen.

Illo.

O komm! Lass ihren Eifer nicht erkalten.

Die Buttlerischen halten treu zu uns,

Wir sind die groessre Zahl und werfen sie

Und enden hier in Pilsen die Empoerung.

Wallenstein.

Soll diese Stadt zum Schlachtgefilde werden

Und bruederliche Zwietracht, feueraugig,

Durch ihre Strassen losgelassen toben?

Dem tauben Grimm, der keinen Fuehrer hoert,

Soll die Entscheidung uebergeben sein?

Hier ist nicht Raum zum Schlagen, nur zum Wuergen;

Die losgebundnen Furien der Wut

Ruft keines Herrschers Stimme mehr zurueck.

Wohl, es mag sein! Ich hab es lang bedacht,

So mag sich's rasch und blutig denn entladen.

(Zu Max gewendet.)

Wie ist's? Willst du den Gang mit mir versuchen?

Freiheit zu gehen hast du. Stelle dich

Mir gegenueber. Fuehre sie zum Kampf.

Den Krieg verstehst du, hast bei mir etwas

Gelernt, ich darf des Gegners mich nicht schaemen,

Und keinen schoenern Tag erlebst du, mir

Die Schule zu bezahlen.

Graefin.

Ist es dahin

Gekommen? Vetter! Vetter! koennt Ihr's tragen?

Max.

Die Regimenter, die mir anvertraut sind,

Dem Kaiser treu hinwegzufuehren, hab ich

Gelobt; dies will ich halten oder sterben.

Mehr fordert keine Pflicht von mir. Ich fechte

Nicht gegen dich, wenn ich's vermeiden kann,

Denn auch dein feindlich Haupt ist mir noch heilig.

(Es geschehn zwei Schuesse. Illo und Terzky eilen ans Fenster.)

Wallenstein.

Was ist das?

Terzky.

Er stuerzt.

Wallenstein.

Stuerzt! Wer?

Illo.

Die Tiefenbacher taten

Den Schuss.

Wallenstein.

Auf wen?

Illo.

Auf diesen Neumann, den

Du schicktest-

Wallenstein. (auffahrend).

Tod und Teufel! So will ich-

(Will gehen.)

Terzky.

Dich ihrer blinden Wut entgegenstellen?

Herzogin und Graefin.

Um Gotteswillen nicht!

Illo.

Jetzt nicht, mein Feldherr.

Graefin.

O halt ihn! halt ihn!

Wallenstein.

Lasst mich!

Max.

Tu es nicht,

Jetzt nicht. Die blutig rasche Tat hat sie

In Wut gesetzt, erwarte ihre Reue-

Wallenstein.

Hinweg! Zu lange schon hab ich gezaudert.

Das konnten sie sich freventlich erkuehnen,

Weil sie mein Angesicht nicht sahn-sie sollen

Mein Antlitz sehen, meine Stimme hoeren-

Sind es nicht meine Truppen? Bin ich nicht

Ihr Feldherr und gefuerchteter Gebieter?

Lass sehn, ob sie das Antlitz nicht mehr kennen,

Das ihre Sonne war in dunkler Schlacht.

Es braucht der Waffen nicht. Ich zeige mich

Vom Altan dem Rebellenherr, und schnell

Bezaehmt, gebt acht, kehrt der empoerte Sinn

Ins alte Bette des Gehorsams wieder.

(Er geht. Ihm folgen Illo, Terzky und Buttler.)

Einundzwanzigster Auftritt

Graefin. Herzogin. Max und Thekla.

Graefin. (zur Herzogin)

Wenn sie ihn sehn-Es ist noch Hoffnung, Schwester.

Herzogin.

Hoffnung! Ich habe keine.

Max. (der waehrend des letzten Auftritts in einem sichtbaren Kampf

von ferne gestanden, tritt naeher).

Das ertrag ich nicht.

Ich kam hierher mit fest entschiedner Seele,

Ich glaubte, recht und tadellos zu tun,

Und muss hier stehen, wie ein Hassenswerter,

Ein roh Unmenschlicher, vom Fluch belastet,

Vom Abscheu aller, die mir teuer sind,

Unwuerdig schwer bedraengt die Lieben sehn,

Die ich mit einem Wort begluecken kann-

Das Herz in mir empoert sich, es erheben

Zwei Stimmen streitend sich in meiner Brust,

In mir ist Nacht, ich weiss das Rechte nicht zu waehlen.

O wohl, wohl hast du wahr geredet, Vater,

Zu viel vertraut' ich auf das eigne Herz,

Ich stehe wankend, weiss nicht, was ich soll.

Graefin.

Sie wissen's nicht? Ihr Herz sagt's Ihnen nicht?

So will ich's Ihnen sagen!

Ihr Vater hat den schreienden Verrat

An uns begangen, an des Fuersten Haupt

Gefrevelt, uns in Schmach gestuerzt, daraus

Ergibt sich klar, was Sie, sein Sohn, tun sollen:

Gutmachen, was der Schaendliche verbrochen,

Ein Beispiel aufzustellen frommer Treu,

Dass nicht der Name Piccolomini

Ein Schandlied sei, ein ew'ger Fluch im Haus

Der Wallensteiner.

Max.

Wo ist eine Stimme

Der Wahrheit, der ich folgen darf? Uns alle

Bewegt der Wunsch, die Leidenschaft. Dass jetzt

Ein Engel mir vom Himmel niederstiege,

Das Rechte mir, das unverfaelschte, schoepfte

Am reinen Lichtquell, mit der reinen Hand!

(Indem seine Augen auf Thekla fallen.)

Wie? Such ich diesen Engel noch? Erwart ich

Noch einen andern?

(Er naehert sich ihr, den Arm um sie schlagend.)

Hier, auf dieses Herz,

Das unfehlbare, heilig reine will

Ich's legen, deine Liebe will ich fragen,

Die nur den Gluecklichen begluecken kann,

Vom unglueckselig Schuldigen sich wendet.

Kannst du mich dann noch lieben, wenn ich bleibe?

Erklaere, dass du's kannst, und ich bin euer.

Graefin. (mit Bedeutung)

Bedenkt-

Max. (unterbricht sie)

Bedenke nichts. Sag, wie du's fuehlst.

Graefin.

An Euren Vater denkt-

Max. (unterbricht sie)

Nicht Friedlands Tochter,

Ich frage dich, dich, die Geliebte frag ich!

Es gilt nicht, eine Krone zu gewinnen,

Das moechtst du mit klugem Geist bedenken.

Die Ruhe deines Freundes gilt's, das Glueck

Von einem Tausend tapfrer Heldenherzen,

Die seine Tat zum Muster nehmen werden.

Soll ich dem Kaiser Eid und Pflicht abschwoeren?

Soll ich ins Lager des Octavio

Die vatermoerderische Kugel senden?

Denn wenn die Kugel los ist aus dem Lauf,

Ist sie kein totes Werkzeug mehr, sie lebt,

Ein Geist faehrt in sie, die Erinnyen

Ergreifen sie, des Frevels Raecherinnen,

Und fuehren tueckisch sie den aergsten Weg.

Thekla.

O Max-

Max. (unterbricht sie)

Nein, uebereile dich auch nicht.

Ich kenne dich. Dem edeln Herzen koennte

Die schwerste Pflicht die naechste scheinen. Nicht

Das Grosse, nur das Menschliche geschehe.

Denk, was der Fuerst von je an mir getan;

Denk auch, wie's ihm mein Vater hat vergolten,

O auch die schoenen, freien Regungen

Der Gastlichkeit, der frommen Freundestreue

Sind eine heilige Religion dem Herzen,

Schwer raechen sie die Schauder der Natur

An dem Barbaren, der sie graesslich schaendet.

Leg alles, alles in die Waage, sprich

Und lass dein Herz entscheiden.

Thekla.

O das deine

Hat laengst entschieden. Folge deinem ersten

Gefuehl-

Graefin.

Unglueckliche!

Thekla.

Wie koennte das

Das Rechte sein, was dieses zarte Herz

Nicht gleich zuerst ergriffen und gefunden?

Geh und erfuelle deine Pflicht. Ich wuerde

Dich immer lieben. Was du auch erwaehlt,

Du wuerdest edel stets und deiner wuerdig

Gehandelt haben-aber Reue soll

Nicht deiner Seele schoenen Frieden stoeren.

Max.

So muss ich dich verlassen, von dir scheiden!

Thekla.

Wie du dir selbst getreu bleibst, bist du's mir.

Uns trennt das Schicksal, unsre Herzen bleiben einig.

Ein blut'ger Hass entzweit auf ew'ge Tage

Die Haeuser Friedland, Piccolomini,

Doch wir gehoeren nicht zu unserm Hause.

-Fort! Eile! Eile, deine gute Sache

Von unsrer unglueckseligen zu trennen.

Auf unserm Haupte liegt der Fluch des Himmels,

Es ist dem Untergang geweiht. Auch mich

Wird meines Vaters Schuld mit ins Verderben

Hinabziehn. Traure nicht um mich, mein Schicksal

Wird bald entschieden sein.

(Max fasst sie in die Arme, heftig bewegt. Man hoert hinter der Szene ein lautes, wildes, langverhallendes Geschrei: "Vivat Ferdinandus!" von kriegerischen Instrumenten begleitet. Max und Thekla halten einander unbeweglich in den Armen.)

Zweiundzwanzigster Auftritt

Vorige. Terzky.

Graefin. (ihm entgegen)

Was war das? Was bedeutete das Rufen?

Terzky.

Es ist vorbei, und alles ist verloren.

Graefin.

Wie, und sie gaben nichts auf seinen Anblick?

Terzky.

Nichts. Alles war umsonst.

Herzogin.

Sie riefen Vivat.

Terzky.

Dem Kaiser.

Graefin.

O die Pflichtvergessenen!

Terzky.

Man liess ihn nicht einmal zum Worte kommen.

Als er zu reden anfing, fielen sie

Mit kriegerischem Spiel betaeubend ein.

-Hier kommt er.

Dreiundzwanzigster Auftritt

Vorige. Wallenstein, begleitet von Illo und Buttler. Darauf Kuerassiere.

Wallenstein. (im Kommen).

Terzky!

Terzky.

Mein Fuerst?

Wallenstein.

Lass unsre Regimenter

Sich fertig halten, heut noch aufzubrechen,

Denn wir verlassen Pilsen noch vor Abend.

(Terzky geht ab.)

Buttler-

Buttler.

Mein General?-

Wallenstein.

Der Kommendant zu Eger

Ist Euer Freund und Landsmann. Schreibt ihm gleich

Durch einen Eilenden, er soll bereit sein,

Uns morgen in die Festung einzunehmen-

Ihr folgt uns selbst mit Euerm Regiment.

Buttler.

Es soll geschehn, mein Feldherr.

Wallenstein. (tritt zwischen Max und Thekla, welche sich waehrend dieser Zeit fest umschlungen gehalten)

Scheidet!

Max.

Gott!

(Kuerassiere mit gezogenem Gewehr treten in den Saal und sammeln sich im Hintergrunde. Zugleich hoert man unten einige mutige Passagen aus dem Pappenheimer Marsch, welche dem Max zu rufen scheinen.)

Wallenstein. (zu den Kuerassieren).

Hier ist er. Er ist frei. Ich halt ihn nicht mehr.

(Er steht abgewendet und so, dass Max ihm nicht beikommen, noch sich dem Fraeulein naehern kann.)

Max.

Du hassest mich, treibst mich im Zorn von dir.

Zerreissen soll das Band der alten Liebe,

Nicht sanft sich loesen, und du willst den Riss,

Den schmerzlichen, mir schmerzlicher noch machen!

Du weisst, ich habe ohne dich zu leben

Noch nicht gelernt-in eine Wueste geh ich

Hinaus, und alles, was mir wert ist, alles

Bleibt hier zurueck-O wende deine Augen

Nicht von mir weg! Noch einmal zeige mir

Dein ewig teures und verehrtes Antlitz.

Verstoss mich nicht-

(Er will seine Hand fassen. Wallenstein zieht sie zurueck. Er wendet sich an die Graefin.)

Ist hier kein andres Auge,

Das Mitleid fuer mich haette-Base Terzky-

(Sie wendet sich von ihm; er kehrt sich zur Herzogin.)

Ehrwuerd'ge Mutter-

Herzogin.

Gehn Sie, Graf, wohin

Die Pflicht Sie ruft-So koennen Sie uns einst

Ein treuer Freund, ein guter Engel werden

Am Thron des Kaisers.

Max.

Hoffnung geben Sie mir,

Sie wollen mich nicht ganz verzweifeln lassen.

O taeuschen Sie mich nicht mit leerem Blendwerk,

Mein Unglueck ist gewiss, und Dank dem Himmel!

Der mir ein Mittel eingibt, es zu enden.

(Die Kriegsmusik beginnt wieder. Der Saal fuellt sich mehr und mehr mit Bewaffneten an. Er sieht Buttlern dastehn.)

Ihr auch hier, Oberst Buttler-Und Ihr wollt mir

Nicht folgen?-Wohl! Bleibt Eurem neuen Herrn

Getreuer als dem alten. Kommt! Versprecht mir,

Die Hand gebt mir darauf, dass Ihr sein Leben

Beschuetzen, unverletzlich wollt bewahren.

(Buttler verweigert seine Hand.)

Des Kaisers Acht haengt ueber ihm und gibt

Sein fuerstlich Haupt jedwedem Mordknecht preis,

Der sich den Lohn der Bluttat will verdienen;

Jetzt taet' ihm eines Freundes fromme Sorge,

Der Liebe treues Auge not-und die

Ich scheidend um ihn seh-

(Zweideutige Blicke auf Illo und Buttler richtend.)

Illo.

Sucht die Verraeter

In Eures Vaters, in des Gallas Lager.

Hier ist nur einer noch. Geht und befreit uns

Von seinem hassenswuerd'gen Anblick. Geht.

(Max versucht es noch einmal, sich der Thekla zu naehern. Wallenstein verhindert es. Er steht unschluessig, schmerzvoll; indes fuellt sich der Saal immer mehr und mehr, und die Hoerner ertoenen unten immer auffordernder und in immer kuerzeren Pausen.)

Max.

Blast! Blast!-O waeren es die schwed'schen Hoerner,

Und ging's von hier gerad ins Feld des Todes,

Und alle Schwerter, alle, die ich hier

Entbloesst muss sehn, durchdraengen meinen Busen!

Was wollt ihr? Kommt ihr, mich von hier

Hinwegzureissen-o treibt mich nicht zu Verzweiflung!

Tut's nicht! Ihr koenntet es bereun!

(Der Saal ist ganz mit Bewaffneten erfuellt.)

Noch mehr-Es haengt Gewicht sich an Gewicht,

Und ihre Masse zieht mich schwer hinab.-

Bedenket, was ihr tut. Es ist nicht wohlgetan,

Zum Fuehrer den Verzweifelnden zu waehlen.

Ihr reisst mich weg von meinem Glueck, wohlan,

Der Rachegoettin weih ich eure Seelen!

Ihr habt gewaehlt zum eigenen Verderben,

Wer mit mir geht, der sei bereit zu sterben!

(Indem er sich nach dem Hintergrund wendet, entsteht eine rasche Bewegung unter den Kuerassieren, sie umgeben und begleiten ihn in wildem Tumult. Wallenstein bleibt unbeweglich. Thekla sinkt in ihrer Mutter Arme. Der Vorhang faellt.)

Vierter Aufzug

In des Buergermeisters Hause zu Eger.

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