Wallenstein. (mit sich selbst redend)
Waer's moeglich? Koennt' ich nicht mehr, wie ich wollte?
Nicht mehr zurueck, wie mir's beliebt? Ich muesste
Die Tat vollbringen, weil ich sie gedacht,
Nicht die Versuchung von mir wies-das Herz
Genaehrt mit diesem Traum, auf ungewisse
Erfuellung hin die Mittel mir gespart,
Die Wege bloss mir offen hab gehalten?-
Beim grossen Gott des Himmels! Es war nicht
Mein Ernst, beschlossne Sache war es nie.
In dem Gedanken bloss gefiel ich mir;
Die Freiheit reizte mich und das Vermoegen.
War's unrecht, an dem Gaukelbilde mich
Der koeniglichen Hoffnung zu ergoetzen?
Blieb in der Brust mir nicht der Wille frei,
Und sah ich nicht den guten Weg zur Seite,
Der mir die Rueckkehr offen stets bewahrte?
Wohin denn seh ich ploetzlich mich gefuehrt?
Bahnlos liegt's hinter mir, und eine Mauer
Aus meinen eignen Werken baut sich auf,
Die mir die Umkehr tuermend hemmt!
(Er bleibt tiefsinnig stehen.)
Strafbar erschein ich, und ich kann die Schuld,
Wie ich's versuchen mag! nicht von mir waelzen;
Denn mich verklagt der Doppelsinn des Lebens,
Und-selbst der frommen Quelle reine Tat
Wird der Verdacht, schlimmdeutend, mir vergiften.
War ich, wofuer ich gelte, der Verraeter,
Ich haette mir den guten Schein gespart,
Die Huelle haett' ich dicht um mich gezogen,
Dem Unmut Stimme nie geliehn. Der Unschuld,
Des unverfuehrten Willens mir bewusst,
Gab ich der Laune Raum, der Leidenschaft-
Kuehn war das Wort, weil es die Tat nicht war.
Jetzt werden sie, was planlos ist geschehn,
Weitsehend, planvoll mir zusammenknuepfen,
Und was der Zorn und was der frohe Mut
Mich sprechen liess im Ueberfluss des Herzens,
Zu kuenstlichem Gewebe mir vereinen
Und eine Klage furchtbar draus bereiten,
Dagegen ich verstummen muss. So hab ich
Mit eignem Netz verderblich mich umstrickt,
Und nur Gewalttat kann es reissend loesen.
(Wiederum stillstehend.)
Wie anders! da des Mutes freier Trieb
Zur kuehnen Tat mich zog, die rauh gebietend
Die Not jetzt, die Erhaltung von mir heischt.
Ernst ist der Anblick der Notwendigkeit.
Nicht ohne Schauder greift des Menschen Hand
In des Geschicks geheimnisvolle Urne.
In meiner Brust war meine Tat noch mein:
Einmal entlassen aus dem sichern Winkel
Des Herzens, ihrem muetterlichen Boden,
Hinausgegeben in des Lebens Fremde,
Gehoert sie jenen tueck'schen Maechten an,
Die keines Menschen Kunst vertraulich macht.
(Er macht heftige Schritte durchs Zimmer, dann bleibt er wieder sinnend stehen.)
Und was ist dein Beginnen? Hast du dir's
Auch redlich selbst bekannt? Du willst die Macht,
Die ruhig, sicher thronende erschuettern,
Die in verjaehrt geheiligtem Besitz,
In der Gewohnheit festgegruendet ruht,
Die an der Voelker frommem Kinderglauben
Mit tausend zaehen Wurzeln sich befestigt.
Das wird kein Kampf der Kraft sein mit der Kraft,
Den fuecht ich nicht. Mit jedem Gegner wag ich's,
Den ich kann sehen und ins Augen fassen,
Der, selbst voll Mut, auch mir den Mut entflammt.
Ein unsichtbarer Feind ist's, den ich fuerchte,
Der in der Menschen Brust mir widersteht,
Durch feige Furcht allein mir fuerchterlich-
Nicht, was lebendig kraftvoll sich verkuendigt,
Ist das gefaehrlich Furchtbare. Das ganz
Gemeine ist's, das ewig Gestrige,
Was immer war, und immer wiederkehrt
Und morgen gilt, weil's heute hat gegolten!
Denn aus Gemeinem ist der Mensch gemacht,
Und die Gewohnheit nennt er seine Amme.
Weh dem, der an den wuerdig alten Hausrat
Ihm ruehrt, das teure Erbstueck seiner Ahnen!
Das Jahr uebt eine heiligende Kraft;
Was grau fuer Alter ist, das ist ihm goettlich.
Sei im Besitze, und du wohnst im Recht,
Und heilig wird's die Menge die bewahren.
(Zu dem Pagen, der hereintritt.)
Der schwed'sche Oberst? Ist er's? Nun, er komme.
(Page geht. Wallenstein hat den Blick nachdenkend auf die Tuere geheftet.)
Noch ist sie rein-noch! Das Verbrechen kam
Nicht ueber diese Schwelle noch-So schma ist
Die Grenze, die zwei Lebenspfade scheidet!